MEDUSEN.
MONOGRAPHISCH DARGESTELLT
VON
OSCAR HERTWI& um RICHARD HERWIG-,
PRIVATDOCENTEN AN DER UNIVERSITÄT JENA.
MIT 10 LITHOGRAPHIRTEN TAFELN.
LEIPZIG,
VERLAG VON F. C. W. VOGEL.
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in 2016
https ://arch ive.org/details/b22297 1 08
IHREM LIEBEN VATER
CARL HEETWIG
IN TREUER DANKBARKEIT
GEWIDMET.
Lieber Vater!
Wenn wir Dir dieses Werk gemeinsamer Tliätigkeit widmen, so steht uns das leibhafte Interesse
vor Augen, welches Du dem Studium der Naturwissenschaften von früher Jugend an entgegerigebracht
und fortdauernd Dir auch inmitten Deines durch geschäftliche Thätigkeit in Anspruch genommenen
Lehens erhalten hast. Verdanken wir doch seihst diesem Interesse die ersten Anregungen , die für
unsere ganze Entwicklung bestimmend geworden sind. Schon in den lieranwachsenden Knaben
erwecktest Du die Liebe zur Natur, indem Du auf gemeinsamen Ausflügen uns mit der Pflanzen-
und Thierwelt vertraut zu machen und den Sinn für Beobachtung in uns auszubilden suchtest; als
wir dann die Universität bezogen, folgtest Du mit väterlicher Theilnahme unseren Studien und lebtest
Dich später selbst mit in die wissenschaftlichen Aufgaben hinein, die uns jetzt beschäftigen.
Empfange als ein geringes Zeichen treuer Dankbarkeit, lieber Vater, diese morphologischen
Untersuchungen, von denen Dir bereits so mancher Brief erzählt hat, als wir an den herrlichen Ge-
staden des Mittelmeers gleichzeitig die Schönheit der südlichen Natur und die Freude am ungestörten
wissenschaftlichen Arbeiten genossen.
VORWORT.
In den vorliegenden Untersuchungen, welche ein Winteraufentbalt in Messina in das Leben gerufen hat,
übergeben wir das Resultat gemeinsam ausgeführter Studien unseren Fachgenossen. Die ersten hier einschlägigen
Beobachtungen wurden von uns in den Monaten November und December 1876 angestellt zu einer Zeit, wo im
Anschluss an früher unternommene Arbeiten der eine von uns hauptsächlich sein Augenmerk den ersten Entwick-
lungsvorgängen in den Eizellen verschiedener pelagischer Thiere zugewandt hatte, der andere mit der Erforschung
des feineren Baues der Radiolarien beschäftigt war, jener formenreichen Protistengruppe, die im Hafen von Messina
wie an keinem anderen Ort des Mittelmeers sich in oft erstaunlicher Fülle zeigt. Dagegen wurden die folgenden
Monate unseres Messineser Aufenthaltes, die Monate Januar, Februar und März fast ausschliesslich dem Studium
der Medusen gewidmet, indem wir es uns zur Aufgabe setzten, das Nervensystem und die Sinnesorgane dieser
anscheinend so einfach gebauten Meeresbewohner sowohl im Einzelnen möglichst erschöpfend als auch auf breiter
Grundlage an den verschiedensten Arten zu durchforschen. Obwohl der Winter namentlich während des März,
der gewöhnlich für einen der reichsten Monate gilt, ganz aussergewöhnlich kalt und stürmisch war, so bot uns
doch die pelagische Fischerei meist reiche Ausbeute, und versorgten uns die wöchentlich mehrfach unternommenen
Ausfahrten mit einem genügenden Arbeitsmaterial. Die ihrem wesentlichen Inhalt nach bereits am Mittelmeer
durchgeführte Arbeit wurde nach unserer Rückkehr während des Sommers noch weiter fortgesetzt und durch
Untersuchung zweckmässig conservirter Medusen nach mehreren Richtungen mehr im Einzelnen vervollständigt.
Was unseren beiderseitigen Antheil an der Untersuchung betrifft, so ist die vorliegende Arbeit in jeder
Beziehung als eine gemeinsame zu bezeichnen. Ein jeder von uns hat alle einzelnen Arten selbst untersucht, so
dass die meisten Beobachtungen, besonders alle wichtigen, von uns beiden angestellt worden sind. Wenn auch
nach gewonnenem Ueberblick es sich bei der genaueren Ausführung von selbst ergab, dass der Eine mit diesem,
der Andere mit jenem Objecte sich eingehender beschäftigte, so hat doch stets eine gemeinsame Prüfung der
erhaltenen Präparate stattgefunden, so dass wir auch in den Einzelheiten für die Ergebnisse beide einstehen können.
Wir glauben, dass so unsere Untersuchungen eine grössere Genauigkeit und Vollständigkeit erlangt haben, als es
bei getrennter Arbeitsweise wohl möglich gewesen wäre, da es dem Einen hier, dem Anderen dort gelang, durch
Anwendung einer modificirten Methode oder Dank der günstigeren Beschaffenheit seines Untersuchungsobjectes in
den anatomischen Bau der Organe weiter einzudringen und hierdurch auch dem Anderen seine Aufgabe zu
erleichtern. Ebenso wie die Beobachtungen sind die allgemeinen Anschauungen, die am Schluss dieses Werkes
entwickelt worden sind, eine Frucht gemeinsamen Nachdenkens und sind durch gegenseitigen Gedankenaustausch
zum Theil schon am Mikroskopirtisch entstanden.
Da in den älteren Arbeiten, soweit sie den feineren Bau der Medusen behandeln, die Methode der Quer-
schnitte und geeignete Macerationsverfahren zur Isolirung der einzelnen Elementartheile noch in wenig ausgiebiger
VIII
Weise zur Auwendung gekommen sind, wurde zur Veranschaulichung unserer Beschreibungen eine grössere Anzahl
von Abbildungen erforderlich, die von uns selbst mit wenigen Ausnahmen mit dem Zeichenprisma entworfen und
durch die geschickte Hand des Herrn Funke mit grosser Sorgfalt lithographisch ausgefiihrt worden sind. Die
Zeichnungen behandeln nur den feineren Bau des Nervensystems und der Sinnesorgane; die beobachteten Medusen
selbst mit abzubilden haben wir unterlassen, da von den meisten sich schon in älteren Arbeiten zum Theil vor-
treffliche Darstellungen finden. Dagegen haben wir es, um das Verständniss der Lagebeziehung der unter-
suchten Organe zu erleichtern, für zweckmässig erachtet, Schemata der verschiedenen Medusenarten auf Tafel X.
zu entwerfen.
Dass unsere Arbeit in der angedeuteten Weise unseren Wünschen gemäss ausgestattet werden konnte,
verdanken wir dem überaus freundlichen Entgegenkommen unseres Herrn Verlegers, welcher die oft so schwierige
Herausgabe umfangreicherer Untersuchungen uns auf das Liebenswürdigste erleichtert hat; wir nehmen die Gelegen-
heit wahr, ihm hierfür unseren besten Dank auszudrücken.
Jena, den 16. Februar 1878.
Die Verfasser.
INHALT.
Seite
Einleitung 1
Ausgang und Ziel der Untersuchung 1
Material und Methode der Untersuchung 3
Analytischer Theil
A. Craspedota 9
I. Trachymedusae ti
L Aeginidae 11
a. Die Anatomie des Schirmrands 12
Schwimmglocke und Velum 12
Gastrovascularsystem und Tentakeln ... 14
Literatur 18
b. Das Nervensystem 20
Oberer Nervenring nebst Radialstrang und
Nesselstreifen 21
Unterer Nervenring 26
Peripheres Nervensystem 27
Literatur 28
c. Die Sinnesorgane 29
Cunina lativentris 30
Aeginopsis mediterranea 33
Cunina sol maris 34
Literatur 36
2. Trachynemidae 38
a. Die Anatomie des Schirmrands 39
Schwimmglocke, Nesselwulst, Yelum ... 39
Gastrovascularsystem, Tentakeln 40
b. Das Nervensystem 41
Oberer Nervenring 41
Unterer Nervenring 42
c. Die Sinnesorgane 43
1. Die Gehörorgane 43
Aglaura hemistoma 43
Rhopalonema velatum 44
Literatur 45
2. Die Tastorgane 46
3. Geryonidae 48.
a. Die Anatomie des Schirmrands 49
Nesselzellenwulst 49
Seite
Velum und Subumbrella 50
Ringkaual, Tentakeln und Mantelspangen . 53
b. Das Nervensystem 55
Oberer Nervenring und Nesselstreifen ... 55
Unterer Nervenring 59
Communication beider 61
Peripheres Nervensystem 62
Literatur . . . , 63
c. Die Sinnesorgane 65
Literatur 68
II. Vesiculatae 70
a. Die Anatomie des Schirmrands 70
Yelum und Subumbrella 70
Ringkanal, Tentakeln und Subumbrellapapillen 7 1
b. Das Nervensystem 74
Oberer Nervenring 74
Unterer Nervenring 77
Peripheres Nervensystem 79
Literatur 80
c. Die Sinnesorgane 81
Gehörgruben (Mitrocoma Annae) 81
Literatur 85
Gehörbläschen (Aequorea Forskalea) ... 86
„ (Eucheilota (?), Octorchis Ge-
genbauri) 90
„ (Obelia polystyla, Phialidium
viridicans) 91
Literatur 92
III. Ocellatae 95
a. Die Anatomie des Schirmrands 95
b. Das Nervensystem 97
Der Nervenring 97
Das periphere Nervensystem 98
Literatur 99
c. Die Sinnesorgane 100
Die Ocellen von Lizzia 100
Die Ocellen von Oceania 101
Literatur 102
X
Seite I
B. Acraspeda
I. Nausithoe albida
a. Die Anatomie des Schirmrands
b. Die Sinneskörper
Literatur
II. Pelagia noctiluca. Phacellophora camtscha-
tica. Aurelia aurita
a. Die Anatomie des Schirmrands von Pelagia
b. Die Sinneskörper von Pelagia
c. Beschreibung und Vergleichung der übrigen
Acraspeden
Literatur .
III. Charybdeidae
Synthetischer Tlieil
Erster Abschnitt
1. Morphologie und Physiologie des Nervensystems
der Medusen
104
105
105
106
109
109
109
110
112
115
119
124
124
Geschichtliche Entwicklung der Kenntnisse vom
Nervensystem 124
Morphologie des Nervensystems 126
a. der Craspedoten 126
b. der Acraspeden 129
c. Vergleichung 129
Physiologie des Nervensystems
a. Begründung der Deutung der dem Nerven-
system zugerechneten Theile
1. histologische Begründung
2. experimentelle Begründung (Romanes.
Eimek)
b. Function des oberen und des unteren Ner-
venrings
2. Morphologie und Physiologie der Sinnesorgane
der Medusen
Geschichtliche Entwicklung der Kenntnisse von
den Sinnesorganen
Allgemeine Charakteristik der Sinnesorgane . .
Tastofgane
Ocellen . . *
Gehörorgane
Morphologie der Gehörorgane
I. Typus. Vesiculatae
II. Typus, a. Trachymedusae
b. Acraspeda
c. Vergleichung
d. Homologie der Hörkölbchen mit
Tentakeln
Physiologie der Gehörorgane .......
130
130
131
132
134
135
135
137
139
140
140
142 |
145
146
147
147
Seite
Zweiter Abschnitt 152
Systematische Bedeutung des Nervensystems und
der Sinnesorgane der Medusen 152
1. des Nervensystems 152
2. der Ocellen 152
3. der Gehörorgane 153
Dritter Abschnitt 157
Phylogenetische Bedeutung des Nervensystems und
der Sinnesorgane der Medusen 157
1. Die Abstammung der Elemente der Sinnes-
organe und des Nervensystems (Sinneszellen
und Ganglienzellen) aus dem Ektoderm . . 157
a. Ontogenetische Untersuchungen .... 157
b. Histologische Untersuchungen 158
c. Phylogenetische Folgerungen Gegenbaur’s
und IIaeckel’s. 158
d. Phylogenetische Bedeutung des Nerven-
systems der Beroiden nach Eimer . . . 158
e. Phylogenetische Bedeutung des Nerven-
systems der Medusen 160
2. Die Abstammung der Musculatur aus dem
Ektoderm 161
3. Die Entstehung des Zusammenhangs von Mus-
kelzellen, Ganglienzellen und Sinneszellen . . 162
a. Kritik der Theorieen, die einen secun-
dären Zusammenhang zwischen Nerv und
Endorgan annehmen (His, Claus) . . . 162
b. Kritik der Theorieen, die einen primä-
ren Zusammenhang zwischen Nerv und End-
organ annehmen
1. C. E. v. Baer, Hensen 163
2. Kleinenberg, E. v. Beneden, Eimer,
Haeckel, Gegenbaur (die Neuromus-
keltheorie) 163
c. Die Bedeutung des Nervensystems der Me-
dusen für die vorliegende Frage .... 167
. 4. Theorie der Phylogenese des Muskelnerven-
systems 170
5. Differenzirung speci/ischer Sinnesorgane aus
indifferenten Sinneszellen . . . . ■ . . . . 172
6. Lagcvcrhältniss der Sinnesorgane zum Central-
nervensystem ( Auge der Wirbelthiere , Schich-
tenfolge der Retina) 173 -
7. Schluss 174
Literaturverzeichniss 175
Tafelerklärung ist
EINLEITUNG.
Bei der Umgestaltung- , welche durch die S ch wann - S chleiden’ sehe Zellentheorie alle Tlieile
der Biologie erfahren haben, sind auch für die Entwicklungsgeschichte der Thiere ganz neue Fragen
aufgetaucht und neue Forschungsgebiete eröffnet worden. Während man hei entwicklungsgeschicht-
lichen Untersuchungen vor Schwann sich darauf beschränkte, die Entstehung der Organe aus der
ursprünglich gleichförmigen Keimmasse zu verfolgen, gesellte sich hierzu jetzt noch die zweite
Aufgabe, die Bildung der Organe auf die verschiedenartige Differenzirung der aus der Eizelle durch
Theilung entstehenden Embryonalzellen zurückzuführen. Mit anderen Worten, es galt jetzt nicht
nur die organologische, sondern auch die histologische Sonderung festzustellen, wie sie
sich im Entwicklungslehen vollzieht.
Am meisten gewann bei diesen Bestrebungen die Zellentheorie seihst, indem der Zellhegriff
schärfer gefasst werden konnte. Man lernte die Zelle von dem Zellprodukt scheiden und erkannte,
dass die histologische Sonderung sich in der Weise vollzieht, dass die ursprünglich gleichartigen
embryonalen Zellen im Laufe der Entwicklung verschiedene Zellprodukte liefern und verschieden-
artige Verbindungen unter einander eingehen.
Hiermit war aber nur die allgemeinste Seite der Aufgabe gelöst , welche die Entwicklungs-
lehre unter dem Einfluss der Zellentheorie sich zu stellen hatte. Da die Embryonalzellen von der
ersten Theilung an ein bestimmtes Lageverhältniss, das in der Bildung der Keimblätter seinen Aus-
druck findet, zu einander einnehmen und da einer jeden Zelle von Anfang an auch ihre bestimmte
Entwicklungsrichtung vorgezeichnet ist, so war gleichzeitig das schwierige Problem zu lösen, den
Zellen im Keime Schritt für Schritt auf ihren Wandlungen zu folgen und die verschiedenen Gewebe
auf die primitiven Keimblätter zurückzuführen. Dadurch wurde ein Gebiet eröffnet, das auch heute
noch den Wettstreit der verschiedensten Ansichten hervorruft. Die Bedeutung der Keimblätter für
die Gewebebildung ist noch jetzt ein viel discutirter Gegenstand embryologischer Forschung. Zwar
sind schon mannigfache Errungenschaften zu verzeichnen: so ist man z. B zu dem überaus wichtigen
Ergebniss gelangt, dass die Elemente des Centralnervensystems von Zellen abstammen, die ursprüng-
lich dem Ektoderm angehören und durch Abschnürung von ihm sich loslösen; aber weiter hat man
in die Einzelheiten dieses Vorgangs nicht einzudringen vermocht. Wie und wodurch eine Zelle zur
Hertwig, Medusen. 1
2
Ganglienzelle wird, ein Nerv sich bildet, das nervöse Ende mit dem Centralorgan in Verbindung
tritt, sind nach wie vor rätliselhafte Vorgänge. Die Entwicklungsgeschichte liefert uns über sie so
wenig Beobachtangsmaterial, dass auch der Speculation wenig Anhaltspunkte gegeben sind. Aelm-
lich geht es mit anderen Geweben. Wie aus dem zweiblättrigen Keime das Muskelgewebe sich
anlegt, ist selbst in den allgemeinsten Zügen noch wenig aufgeklärt.
Ein anderes Resultat ist bei der Schwierigkeit der Untersuchung kaum zu erwarten. Die
räumliche Sonderung tritt unter den Embryonalzellen früher ein, als der Process der geweblichen
Differenzirung an ihnen beginnt. Die Zellen sehen daher noch gleichartig zu einer Zeit aus, wo
unter ihnen schon Verlagerungen stattgefunden haben, die für ihre weitere Entwicklung bestimmend
sind. Wie will man zum Beispiel die Beziehungen von Nerven- und Muskelzellen auf den Stadien
der Keimesentwicklung erkennen, wo beide noch den Charakter embryonaler Bildungszellen besitzen?
Hier stehen uns für die ontogenetische Forschungsweise zur Zeit schwer zu bewältigende Hinder-
nisse entgegen. Es müssen daher andere Wege der Forschung eingeschlagen werden, wenn anders
wir in der nächsten Zeit einen weiteren Einblick in die histologische Sonderung der Gewebe erlan-
gen wollen.
Wer die Entwicklung der Morphologie im letzten Jahrzehnt verfolgt, dem wird der wach-
sende Werth nicht verborgen bleiben, den das Studium der niederen Tliiere für das Verständniss
der höher entwickelten Organisationen erlangt hat. Die vergleichend anatomische Methode, die am
Studium der Wirbelthiere sich herausgebildet hat und auf dieselben zunächst mehr beschränkt blieb,
gewinnt jetzt eine immer allgemeinere Bedeutung. Auch die Entwicklungsgeschichte kann sich
ihrem Einfluss nicht entziehen. Mehr und mehr bricht sich das Bestreben Bahn, die Formzustände
niederer Organismen mit den Entwicklungserscheinuiigen der höheren Organismen zu vergleichen
und letztere dadurch verständlicher zu machen.
Zur Aufklärung der Organbildung ist dieser Weg schon vielfach betreten worden, und wenn
auch die auf ihm erhaltenen Resultate noch vielfach bestritten sind, so ist doch schon jetzt der
Fortschritt unverkennbar, der in der Richtung erzielt worden ist und noch mehr erzielt werden
wird. Für die Genese der Gewebe dagegen liegen bis jetzt nur Ansätze zu einer derartigen Be-
handlungsweise vor. Eine solche scheint uns aber für die Zukunft um so mehr geboten zu sein,
als die Fragen, die hier zu lösen sind, eine hohe morphologische Bedeutung besitzen und an der
Hand der Entwicklungsgeschichte allein wohl schwerlich ihre Lösung finden werden. Eine wirklich
vergleichende Histologie wird hier dieselben Dienste leisten wie die vergleichende Anatomie für die
Organbildung. Von ganz besonderem Werthe für die Lösung histogenetisclier Fragen wird namentlich
das Studium derjenigen Thierclassen werden, wo zum ersten Male eine Sonderung der Gewebe eintritt.
Als eine solche Thierclasse betrachten wir die Coelenteraten , auf welche schon Kölliker (52),
Haeckel (38) und Kleinenberg (49) die Aufmerksamkeit gelenkt haben.
Die Coelenteraten zeigen in ihrer Organisation verhältnissmässig geringe Complicationen,
indem ihr Körper mehr oder minder nur aus zwei Zellschichten besteht, die sich den beiden Keim-
blättern, den embryonalen Primitivorganen der höheren Thiere vergleichen lassen. Ein Mesoderm
oder mittleres Keimblatt fehlt oder ist in einer sehr unvollkommenen Beschaffenheit angelegt. Trotz-
dem vollziehen diese morphologisch so einfach beschaffenen Organismen schon hohe physiologische
Leistungen, die auf einer höheren histologischen Sonderung der Elementartheile beruhen. Sie besitzen
eine kräftig functionirende Musculatur, auch ein Nervensystem und Sinnesorgane werden bei vielen
von ihnen beschrieben, wie man denn schon a priori erwarten sollte, dass bei vielzelligen Orga-
nismen mit der Genese einer besondern Musculatur auch diejenige eines Nervensystems und von
3
Sinnesorganen Hand in Hand gehen müsse. Wir können daher die Coelenteraten als diejenige
Abtheilung bezeichnen, wo innerhalb der Zellen eines zweiblättrigen Organismus die wichtigsten
histologischen Differenzirungen zu Stande kommen, Differenzirungen, die hei höheren Organismen
schon am Anfang ihrer Keimesentwicklung vor sich gehen und hei dem raschen Verlauf derselben
unserer Beobachtung sich entziehen.
Die hier kurz zusammengefassten Ideengänge haben uns in den letzten Jahren mehrfach
beschäftigt und haben unser Augenmerk auf eine histologische Untersuchung der Coelenteraten
gelenkt. Einige der verschiedenen histogenetischen Fragen, welche an das Studium der Gewebe
dieser Thiergruppe sich anknüpfen lassen, werden wir in den folgenden Blättern behandeln. Wir
haben in ihnen das Nervensystem und die Sinnesorgane der Medusen zum Gegenstand
einer genauen Analyse gemacht. Beides sind Organ Systeme, die, wenn wir ihren Ausbildungszustand
bei höheren Thieren in Rechnung bringen, bei den Medusen gleichsam noch in ihrer Entstehung
begriffen sind. Sie geben uns daher für das Verständniss frühzeitiger embryonaler Bildungen der
höheren Thiere eine Grundlage und lassen uns in die Phylogenese des Nervensystems und der
Sinnesorgane, in ein Capitel der vergleichenden Anatomie, das bisher noch wenig Beachtung ge-
funden hat, weiter eindringen, als dies ohne ihre Kenntniss möglich ist.
Für die Bearbeitung unseres Themas bot uns Messina mit seiner reichen pelagischen Fauna
die beste Gelegenheit. Während eines Winteraufenthaltes haben wir uns 19 verschiedene Medusen-
arten, die meisten in grösserer Anzahl, verschaffen und hierdurch unsere Beobachtungen über fast
alle Familien der craspedoten und acraspeden Medusen ausdehnen können.
Aus der Gruppe der Trachymedusen untersuchten wir mehrere Aeginiden: Aeginopsis
mediterranen, Cunina lativentris und C. sol maris, — zwei Trachynemiden : Rhopalonema velatum
und Aglaura hemistoma, — zwei Geryoniden : Glossocodon mucrönatum und Carmarina hastata.
Von vesiculaten Medusen fanden wir bei der pelagischen Fischerei Obelia polystyla, Phialidium
viridicans, Mitrocoma Annae, Eucheilota (?), Octorchis Gegenbauri und Aequorea Forskalea. Die
Ocellaten waren vertreten durch Oceania conica und Lizzia Koellikeri. Die acraspeden Me-
dusen stellten sich in geringerer Anzahl von Arten im Hafen von Messina ein. Von diesen konn-
ten im frischen Zustand nur Pelagia noctiluca, Nausithoe albida, Äurelia aurita und Phacellophora
camtschatica untersucht werden.
Bei der Benennung der Arten haben wir uns der gebräuchlichen und in die Lehrbücher
übergegangenen Namen bedient, indem wir es der Zukunft überlassen, die Verwirrung, welche in
der Nomenclatur durch häufige Beschreibung identischer Arten unter verschiedenen Namen entstan-
den ist, durch eine gründliche Revision zu beseitigen. Eine solche ist zwar für einen grossen
Theil der Medusen durch Alex, und L. Agassiz versucht worden. Doch hat die von ihnen durch-
geführte Restitution der älteren Benennungen in unsere Lehrbücher und wissenschaftlichen Schriften
keinen Eingang gefunden. Auch scheint uns dieselbe in manchen Punkten, wie z. B. in der Be-
nennung der Eucopiden als Oceaniden etc., keine glückliche zu sein.
Die namhaft gemachten Medusen wurden schon in Messina auf die Beschaffenheit ihrer Sinnes-
organe und ihres Nervensystems eingehend untersucht, so dass dort bereits die Hauptresultate ge-
wonnen wurden. Eine wesentliche Förderung aber erwuchs auch noch später unserer Arbeit dadurch,
dass es uns an einem zweckmässig conservirten Material möglich war, unsere Untersuchungen
in Jena während des Sommers fortzusetzen. Hierdurch waren wir in der Lage, zum Theil noch
Mängeln abzuhelfen, die gewöhnlich Arbeiten anhaften, die am Meere unter erschwerten Verhält-
nissen ausgeführt werden, wo alle Beobachtungen auf einen immerhin beschränkten Zeitraum sich
4
zusammendrängen müssen. Wir haben daher in Jena nicht nur alle Punkte noch einmal geprüft
und alle wichtigeren Präparate noch einmal angefertigt, sondern es Messen sich jetzt auch noch
Lücken in der Untersuchung ausfüllen und in viele Verhältnisse tiefere Einblicke gewinnen, wie
dies mit jedem Gegenstand geschieht, mit welchem man durch längere Beschäftigung vertraut
geworden ist.
Um bei der subtilen Untersuchung des Nervensystems und der Sinnesorgane über die Er-
gebnisse unserer Vorgänger hinauszukommen und die von uns aufgeworfenen Fragen beantworten zu
können, mussten wir uns der vervollkommneten Methoden bedienen, wie sie sich nach und nach im
Laufe der letzten 1 0 Jahre auf histologischem Gebiete herausgebildet haben ; wir mussten weiter auch
selbst diese Methoden zu vervollkommnen und dem einzelnen Object jedesmal besonders anzupassen
versuchen. Das Verfahren, welches wir nach vielen Versuchen schliesslich eingeschlagen haben,
ist leicht zu handhaben und wird Jeder, der sich desselben bedienen wird, die Präparate erhalten
können, auf denen unsere Darstellung beruht und von denen wir möglichst naturgetreue Abbildungen
gegeben haben. Da wir der Behandlungsweise zum grossen Theil die von uns erhaltenen Resultate
verdanken, so wird eine kurze Beschreibung der angewandten Methoden hier zweck-
mässiger Weise einen Platz finden.
Bei den kleinen und durchsichtigen Medusen kann man schon einen Einblick in viele feinere
Organisationsverhältnisse durch die Untersuchung des lebenden Thier es gewinnen. Nament-
lich kann man in den allgemeinen Bau der Sinnesorgane schon ziemlich weit eindringen. Um die
Form der Otolithen festzustellen, ist man sogar allein auf die Beobachtung des lebenden Thieres
angewiesen, da auch in sehr verdünnten Säuren eine rasche Auflösung derselben erfolgt. Dagegen
muss als eine grosse Schattenseite bei dieser Untersuchung bezeichnet werden, dass die unter dem
Deckglas beunruhigte Meduse sich lebhaft contrahirt und dadurch eine beständige Verlagerung des
zu fixirenden Gegenstandes herbeiführt, was namentlich bei stärkerer Vergrösserung das Zustande-
kommen eines deutlichen Bildes sehr erschwert. Gewöhnlich schlägt die Meduse ihr Vclum sehr
energisch nach Innen ein und nimmt eine mehr kuglige Gestalt an, wobei die Oeffhung der Glocke
verkleinert wird. In hohem Maasse wird hier die Untersuchung erleichtert, wenn man das Object
in sehr verdünnter Osmiumsäure abtödtet. Für durchsichtige pelagische Tliiere ist dieses
Reagens allen andern vorzuziehen. Wenn man dasselbe nur wenige Minuten einwirken lässt, so
behalten alle Gewebe ihre Durchsichtigkeit fast vollkommen bei, die Contouren der Zellen und ihre
Kerne treten ein wenig deutlicher hervor. In dünnem Glycerin kann man das Object leicht präpa-
riren, alle einzelnen Theile auseinanderlegen und in eine für die Beobachtung zweckmässige Lage
bringen. Um die Zusammensetzung der Sinnesorgane und die Lageverhältnisse der einzelnen Theile
zu erkennen, wird diese Methode in den meisten Fällen vollkommen ausreichen. Dagegen erhält
man in die Beschaffenheit des Nervensystems sowie überhaupt in die Form der einzelnen Elementar-
theile ohne gute Isolationspräparate einen nur ungenügenden EinbMck.
Auf die Herstellung von Isolationspräparaten haben wir besonders Zeit und Mühe
verwandt. Wir versuchten zunächst durch Anwendung von verdünnter Essigsäure oder von ver-
dünnter Osmiumsäure zum Ziele zu gelangen. Mit beiden Reagentien kann man brauchbare
Resultate erhalten, doch besitzen beide Nachtheile, die eine bessere Methode wünschen s werth
erscheinen lassen.
Bei Einwirkung dünner Essigsäure verlieren die einzelnen Theile des Medusenkörpers
rasch ihren Zusammenhalt, sie zerfliessen förmlich. Hierdurch wird eine Handhabung des Objectes,
eine genaue Isolirung bestimmter Theile, eine genaue Lagebestimmung unmöglich gemacht. Auch
5
lässt der Conservirungsgrad der einzelnen Elemente Manches zu wünschen übrig. Die besten Dienste
leistet noch die verdünnte Essigsäure, wenn man kleine, gallertfreie Theile, wie z. B. die Tentakel
oder die Randkörper der Acraspeden für sich zu maceriren versucht.
Ein anderer und zwar entgegengesetzter Nachtheil ist mit der Anwendung der Osmium-
säure als macerirendes Reagens verbunden. Es ist ganz erstaunlich, durch welche kleinen
Quantitäten Osmiumsäure schon eine Erhärtung der Gewebe herbeigeführt wird. Schon Lösungen von
0,05% rufen nach Einwirkung von 3 Minuten nicht nur eine Gerinnung des Protoplasma, son-
dern auch der die Zellen verkittenden Zwischensubstanz hervor. Indessen lässt sich durch Einlegen
in Glycerin eine bessere Lockerung der Elemente nach einiger Zeit erreichen, so dass Medusen,
die 2 — 3 Minuten mit 0,05 % Osmiumsäure behandelt worden sind, in Glycerin eingelegt sich zu
ganz brauchbaren Isolationspräparaten verwenden lassen.
Die gewissermaassen entgegengesetzten Nachtheile, die mit der Anwendung der Essigsäure
und der Osmiumsäure zur Gewinnung von Isolationspräparaten verbunden sind, bestimmten uns eine
Combi nation beider Reagentien zu versuchen. Dieselbe lieferte uns denn auch in z weck-
mässiger Mischung angewandt ganz vorzügliche Resultate. Wir verfuhren gewöhnlich in der Weise,
dass wir die zu behandelnden Objecte je nach ihrer Grösse 2 bis 3 Minuten in eine Mischung von
0,2% Essigsäure und 0,05 % Osmiumsäure zu gleichen Theilen brachten und mit 0,1 % Essigsäure
öfters auswuschen, bis die geringsten Mengen freier Osmiumsäure entfernt waren. Die Präparate
blieben dann einten Tag lang in einer 0,1 % Essigsäurelösuug, wurden darauf mit reinem Wasser
ausgewaschen, mit Beale’scliem Carmin gefärbt und in Glycerin aufbewahrt. Die Wirkungen beider
Reagentien haben sich zur Herstellung vorzüglicher Macerationspräparate in zweckmässiger Weise
combinirt. Trotz ihrer hohen Verdünnung hat die Osmiumsäure dem ganzen Präparat einen gewissen
Halt gegeben. Die einzelnen Epithelzellen haften besser an einander und lösen sich nicht so leicht
von ihrer Unterlage ab. Alle histologischen Elementartheile zeigen sich vortrefflich erhalten. Da-
gegen hat die Essigsäure durch Lösung der Kittsubstanzen eine leichtere Isolirung ermöglicht und
zugleich der durch Osmiumsäure eintretenden gleichmässigen Gerinnung entgegengewirkt. Nament-
lich macht sich dieser Einfluss bei den unter dem Epithel gelegenen Theilen wie den Nervenfibrillen
geltend, die sich in grosser Ausdehnung trotz ihrer beträchtlichen Feinheit ganz isolirt darstellen
lassen. Die Essigsäure dringt in die Tiefe der Gewebe rascher als die Osmiumsäure vor.
Ein weiterer Vortheil stellte sich noch bei der Anwendung des Gemisches heraus. Schon bei
der Untersuchung anderer Objecte, wie z. B. kleiner durchsichtiger Eizellen, war es uns aufgefallen,
dass die Osmiumsäure bei Gegenwart von Essigsäure weit rascher von den Eiweiss-
stoffen reducirt wird, als es ohnedem der Fall ist. Wenn dies gewöhnlich ein Nachtheil der
combinirten Anwendung ist, so bietet es dagegen bei den durchsichtigen und wenig zellenreichen
Medusen für die Untersuchung des Nervensystems grosse Vortheile dar. Es reduciren nämlich
die Ganglienzellen und Nervenfibrillen die Osmiumsäure in höherem Grade als
gewöhnliche Epithelzellen. Sie nehmen ein grünlich-braunes Colorit an und sind dadurch
von den umgebenden Theilen leicht und mit Sicherheit zu unterscheiden. An dünnen Partieen
kann man daher die Ganglienzellen in situ untersuchen und selbst in ihren feinsten Ausläufern
über grosse Strecken verfolgen. Namentlich für das Studium der Subumbrella ist diese stärkere
Schwärzung der nervösen Theile von dem grössten Wertlie.
Die in der angeführten Weise hergestellten Macerationspräparate lassen sich in Glycerin
lange Zeit unverändert conserviren, ohne auseinander zu fallen. Noch nach Ablauf eines halben
Jahres haben wir sie zu sehr brauchbaren Isolationen verwenden können, da auch die feinsten
6
/*•
Nervenfibrillen vollkommen wohl erhalten, dabei aber in ihrem Zusammenhalt mit andern Theilen
gut gelockert waren.
Bei der Herstellung der Isolationspräparate haben wir uns einiger Kunstgriffe bedient, die
auch sonst wohl von Nutzen sein können. Durch Zerzupfen mit feinen Nadeln gelingt eine voll-
ständige Isolation einzelner Zellen nur selten und wird ganz dem Zufall überlassen. Dagegen kann
man ein einzelnes Epithelstückchen in seine einzelnen Elemente ganz vollständig zerlegen, wenn man
das Präparat durch rasch wiederholtes leichtes Klopfen auf das Deckgläschen einem rasch wechseln-
den leichten Druck aussetzt. Man kann diese Manipulation unter dem Mikroskop selbst vornehmen
und dabei das allmähliche Zerfallen des Präparates controliren. Bei Vorsicht und einiger Geduld
werden Sinnes- und Ganglienzellen mit feinen und langen Ausläufern weit schonender und voll-
ständiger als durch Zerzupfen mit Nadeln isolirt. Will man die durch das Klopfen abgelösten Tlieile
des Präparates entfernen, so braucht man nur einen Strom in der Unter suclmngsflUssigkeit ver-
mittelst eines Stückchens Filtrirpapier zu erzeugen. Schon von Max Schultze ist diese Art der
Isolation bei der Untersuchung der Retina mit Erfolg angewandt worden. Sie eignet sich auch
besonders für Osmiumpräparate, wo die einzelnen Zellen eine grosse Festigkeit besitzen.
Ferner hat sich uns die Verwendung eines feinen Pinsels bei der Behandlung von mace-
rirten Theilen der Medusen als sehr zweckmässig erwiesen. Man kann so in sehr schonender Weise
Epithelzellen von ihrer Unterlage vollständig abpinseln und hierdurch in rascher Weise sich gute
Situspräparate herstellen, wie dies an speciellen Fällen noch öfters gezeigt werden wird.
Zur genaueren Untersuchung der Medusenorganisation sind endlich Schnittpräparate uner-
lässlich. Dieselben lassen sich von jedem Object gewinnen, sofern dasselbe zweckmässig erhärtet
und eingebettet ist. Alkoholpräparate sind wenig empfehlenswerth. Dagegen erhielten wir ein zu
Schnitten gut verwendbares Material, indem wir die Medusen in 0,5% Osmiumsäure je nach ihrer
Grösse 5 — 15 Minuten einlegten, in verdünntem Beale’schen Carmin oder in Pikrocarmin färbten und
dann in verdünntem Spiritus auf hoben. Die Carminfärbung sollte in keinem Falle unterlassen wer-
den, da hierdurch allein ein Nachdunkeln der Osmiumpräparate verhindert wird.
Beim Einbetten der zu schneidenden Stückchen verfuhren wir in der schon mehr-
fach beschriebenen Weise. In Alkohol erhärtete Leberstiickchen werden mit dem Rasirmesser in
2 Hälften zerlegt, die aufeinander passenden Flächen werden mit einer der Grösse des Objectes ent-
sprechenden Aushöhlung versehen und mit dünnem Gummiglycerin bestrichen. In die mit Gummi-
glycerin erfüllte Aushöhlung wird das zu schneidende Object übertragen und mit Nadeln in die
richtige Lage gebracht. Die beiden Hälften des Leberstückchens werden jetzt wieder aufeinander
geklebt und zur Erhärtung des Gummis in dünnen Spiritus eingelegt. Diese einfache und nicht
zeitraubende Methode hat sich, uns bis jetzt auch bei den zartesten Präparaten als genügend und
schonend erwiesen. Durch den Schirmrand der Medusen lassen sich in dieser Weise Schnitte an-
fertigen, auf denen nur 1 oder 2 Zellenlagen getroffen sind.
Von den Befunden, die mit Hülfe der angegebenen Methoden erhalten wurden, werden wir
zunächst eine genaue und möglichst sachliche Darstellung im ersten oder analytischen Th eil
dieser Arbeit liefern. Hierbei werden wir uns aber nicht allein auf die Anatomie des Nervensystems
und der Sinnesorgane beschränken, sondern jedesmal auch eine kurze Darstellung der angrenzenden
Organe geben. Bei so einfach gebauten Geschöpfen, wie die Medusen sind, stehen die einzelnen
Theile des Körpers in so naher Beziehung zu einander, dass eine völlig getrennte Behandlung eines
Theiles nicht ohne Beeinträchtigung des Verständnisses möglich ist. Die Gegend, wo bei den
Medusen das Nervensystem und die Sinnesorgane sich vorzugsweise entwickelt haben, ist der
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Schirmrand, der auch sonst in der Anatomie der Medusen eine wichtige Rolle spielt. Einen kurzen
Abriss von dem Bau desselben werden wir daher bei jeder einzelnen Medusenfamilie unserer Dar-
stellung vorausschicken. Es war dies um so mehr geboten, als wir auch hier im Laufe unserer
Untersuchung in manche Verhältnisse weiter eingedrungen und vielfach zu anderen Ergebnissen
als frühere Forscher gelangt sind.
In einem zweiten allgemeinen oder synthetischen Tlieile werden wir die Resultate
unserer Untersuchung zusammenfassen, die Deutungen, welche den einzelnen Befunden gegeben
wurden, näher begründen, und werden auf weitere allgemeine Fragen eingehen, die sich auf Grund
der gemachten Beobachtungen aufwerfen lassen.
ANALYTISCHER THEIL.
Indem wir das Nervensystem und die Sinnesorgane der Medusen nach ihrer Beschaffenheit
innerhalb der einzelnen Familien besprechen, sind wir genöthigt, ein mehr oder minder künstliches
System dieser Thiere unseren Betrachtungen zu Grunde zu legen. — Bei der systematischen
Anordnung der Medusen hat der Zoologe mit eigentümlichen Verhältnissen zu rechnen, wie
sie in keiner anderen Abtheilung des Thierreichs wiederkehren. Auf der einen Seite hat er Orga-
nismen vor sich, die nach ihrem anatomischen Bau eine scharf umschriebene einheitliche Classe
im Stamm der Zoophyten bilden und sich durch grössere und geringere Verschiedenheiten in der
Beschaffenheit einzelner Organe naturgemäss zu Ordnungen und Familien gruppiren. Auf der anderen
Seite haben entwicklungsgeschichtliche Untersuchungen in Erfahrung gebracht, dass viele dieser
Thiere im Generationswechsel mit der sehr abweichend beschaffenen Classe der Hydroidpolypen
stehen, in welcher man vor Erkenntniss dieser Thatsache gleichfalls schon Arten, Gattungen und
Familien unterschieden hatte. Hierdurch ist der Zoologie die Aufgabe erwachsen , zwei bisher
unabhängig neben einander herlaufende Systeme in ein einheitliches zu verschmelzen.
Die Lösung dieser Aufgabe steUt Anforderungen an unser zoologisches Wissen, denen das-
selbe zur Zeit nur in unvollkommener Weise genügt. Nur von einer verhältnissmässig geringen
Anzahl von Medusen ist die Abstammung von Hydroiden beobachtet, während doch die lückenlose
Kenntniss einer grösseren Summe von Entwicklungsgeschichten aus jeder Familie der Medusen für
die Einreihung der letzteren in das System der Hydroiden eine unerlässliche Vorbedingung ist.
Noch grössere Schwierigkeiten ergeben sich bei der Frage nach der Stellung derjenigen Medusen,
welche überhaupt nicht von Hydroiden aufgeammt werden:, der Trachymedusen und Acraspeden.
Wie sollen wir uns den Trachymedusen gegenüber verhalten, die den auf dem Weg des Genera-
tionswechsels entstehenden Medusen in ihrer Organisation so nahe verwandt sind, dass nur die
Kenntniss ihrer Entwicklungsgeschichte eine Absonderung ermöglicht? Sollen wir annehmen, dass
hier eine früher vorhandene Ammengeneration ausgefallen ist und dass ursprünglich die Trachy-
medusen wie die übrigen Craspedoten an Hydroidenstöckchen durch Knospung sich entwickelt haben?
oder liegt hier ein ganz ausserge wohnlicher Fall convergenter Züchtung vor und sind die Trachy-
medusen direct aus Umbildung eines Hydra ähnlichen Polypen entstanden? — Noch unklarer sind
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die Verhältnisse der Acraspeden; sind doch die Beziehungen des Scyphistoma zum Hydroidenstadium
der Craspedoten, der Strobilation zur Medusenknospung noch völlig unverständlich.
Alle diese Erwägungen führen zu dem Resultat, dass eine Unterordnung der Medusen unter
das System der Hydroiden sich zur Zeit nur in unvollkommener Weise durchführen lässt. Es
empfiehlt sich daher aus praktischen Gründen neben jenem noch ein besonderes System der
Medusen beizubehalten, welches sich allein auf die innerhalb der Gruppe bestehenden anatomischen
Verschiedenheiten stützt. Ein solches werden wir auch der vorliegenden Arbeit zu Grunde legen,
zumal da es uns nur darauf ankommt, die gleichartigen Organisationsverhältnisse im Zusammenhänge
zu behandeln,1 während die Frage nach den Ursachen der Gleichartigkeit, ob convergente Züchtung?
ob übereinstimmende Abstammung? uns ferner liegt.
Mit Eschscholz (26), Fokbes (29) und Gegenbaue (33) theilen wir die Medusen in die
beiden Hauptgruppen der Craspedoten und Acraspeden ein. Dieselben zeigen im Bau der wich-
tigsten Organe durchgreifende Verschiedenheiten, durch welche eine durchaus scharfe Abgrenzung
ermöglicht wird. Mit Recht hebt daher Gegenbaue hervor, dass der Begründer dieser Eintheilung,
Eschscholz, seiner Zeit durch dieselbe eine grosse Schärfe des systematischen Urtheils bethätigt
habe. — Wir geben den von Gegenbaue gewählten Benennungen „Craspedota“ und „Acras-
peda“ vor allen anderen den Vorzug, da durch sie der Cardinalpunkt, welcher die Verschiedenheit
der beiden Abtheilungen bedingt, das Verhalten des Schirmrands, treffend bezeichnet wird. Noch
öfters werden wir in unserer Darstellung auf das Abliängigkeitsverhältniss, in dem die übrige Orga-
nisation zur Bildung des Schirmrands steht, zurückzukommen haben.
Auch in der Umgrenzung der beiden Hauptgruppen stimmen wir mit Gegenbaue überein.
Zwar haben nach dem Vorgang von Feitz Müllee (70) die beiden Agassiz, gestützt auf ihre
umfassende systematische Ivenntniss der Medusen, eine Neuerung durchzuführen versucht. Der ältere
Agassiz (4) hat die Aeginiden, der jüngere (2) auch die übrigen Trachymedusen den Acraspeden
eingereiht und die neugebildete Gruppe als Discophorae im engeren Sinne bezeichnet. Diese Neuerung
ist jedoch eine unberechtigte, denn das Gastrovascularsystem, der Schirmrand, das Velum und das
Nervensystem der Trachymedusen sind, wie aus dem Folgenden hervorgehen wird, wie bei den
übrigen Craspedoten beschaffen, unterscheiden sich dagegen wesentlich von den betreffenden Organen
der Acraspeden.
A. Craspedota.
Im Vergleich zu den Acraspeden werden die craspedoten Medusen gewöhnlich als die niedriger
organisirten angesehen. Diese Auffassung geht im Wesentlichen von der Beurtheilung des Gastro-
vascularsystems , der Gallertscheibe und der Geschlechtsorgane aus. In der That liegen hier auch
einfachere Verhältnisse bei den Craspedoten vor; es fehlt die starke Entwicklung der Gallerte und
die mit dieser im Zusammenhang stehende Ausbildung der Subgenitalhöhlen; es fehlt die reiche
Verästelung des verdauenden Hohlraums, welche die grösseren Rhizostomeen und die Mehrzahl
der Semaeostomeen auszeichnet; es fehlen auch die eigenthümlichen Tentakelchen , die sich
bei allen Acraspeden auf der Innenfläche des Magens finden und als secretorische Apparate ge-
deutet werden.
Während somit die vegetativen Organe zweifellos bei den Acraspeden stärker entwickelt sind,
ist ebenso zweifellos das Uebergewicht im Differenzirungsgrad der animalen Organe auf Seiten der
Bertwig, Medusen, 2
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Craspedoten. Diese Ansicht wird sich jedem Beobachter schon aufdrängen, wenn er die grosse
Beweglichkeit und Reizbarkeit der letzteren mit der Trägheit und Indolenz der ersteren vergleicht ;
sie wird weiterhin auch durch die anatomische Untersuchung der animalen Organe bestätigt. Denn
ohne Zweifel nehmen die Sinnesorgane und das Nervensystem bei den Craspe-
doten eine viel höhere Entwicklungsstufe als bei den Acraspeden ein und scliliessen
sich noch am meisten an die Verhältnisse an, wie sie uns von den höher organisirten Thieren
bekannt sind. Dieser Umstand hat es uns zweckmässig erscheinen lassen, die Craspedoten an die
Spitze unserer Untersuchung zu stellen.
Bei der Beschreibung denken wir uns die craspedoten Medusen stets in der Weise aus-
gebreitet, dass die Subumbrellaseite nach abwärts gekehrt ist und dass das Velum unter der
Gallertseh eibe hervorgezogen in die unmittelbare Verlängerung derselben zu liegen kommt. Alles
was bei dieser Stellung dem Mittelpunkt der Scheibe näher ist, nennen wir proximal, alles nach
der Peripherie zu gelegene distal, ferner können wir dann am Körper der Medusen, sowohl an
der Scheibe als am Velum zwei Flächen unterscheiden, eine obere oder dorsale Fläche, die der
Convexität der Glocke entspricht, und eine untere oder ventrale Fläche, die in ihrer Mitte die
Mundöffnung trägt. Beide sind von einem Epithel bedeckt, das wir in entsprechender Weise als
dorsales und ventrales bezeichnen und in allen Figuren durchgängig das dorsale mit d ', das ventrale
mit d2 beziffern wollen. Von den beiden Epithellagen zeichnet sich die ventrale dadurch aus, dass
sie mit der Bildung der Musculatur betraut ist. Letztere besteht aus einer Lage feinster Fibrillen,
die zum Tlieil dem Velum angehören (m2), zum Tlieil unter der Gallertscheibe liegen und hier den
Namen der Subumbrella (in1) führen. Das dorsale Epithel erzeugt nur an umschriebenen Stellen
Muskelfasern, so namentlich überall da, wo es die Tentakeln überzieht.
Im Bereich des Velum wird das dorsale und ventrale Epithel nur durch eine dünne Membran,
die Stützlamelle des Velum, getrennt. Wenn wir die Muskeln als eine besondere Lage rechnen, können
wir somit 4 Schichten unterscheiden, die von oben nach unten in folgender Weise angeordnet sind:
1. das dorsale Epithel, 2. die Stützlamelle, 3. die Muskelfaserschicht, 4. das untere Epithel.
Am Schirm werden die beiden Epithellagen vornehmlich durch die bei den einzelnen Arten
verschieden entwickelte Gallerte geschieden. Dieselbe ist in ihren oberflächlichen Schichten zu einer
festeren Membran erhärtet, auf welche unmittelbar das Epithel folgt. Diese Membran ist dünn und
kaum wahrnehmbar auf der oberen Seite, bildet dagegen auf der ventralen eine derbe Stützlamelle
für die hier liegenden Muskelfasern der Subumbrella. Beide Membranen stossen unter einem spitzen
Winkel am Sckirmrand zusammen und vereinigen sich hier mit der Stützlamelle des Velum. Am
Schirmrand gehen somit, wie es besonders schön auf Querschnitten zu sehen ist, 3 Membranen in
einander über. Die Linie, in welcher die Vereinigung stattfindet, bezeichnet die Grenze des Schirms
und den Anfang des Velum.
In dem Winkel, der durch die Vereinigung der dorsalen und ventralen Membran des Schirms
gebildet wird, mithin unmittelbar nach Innen von der Insertion des Velum, liegt der Ringkanal. Der-
selbe wird mehr oder minder deutlich von 3 Flächen begrenzt; die eine derselben stösst unmittelbar
an die Stützlamelle der Subumbrella und ist für gewöhnlich die am meisten ausgedehnte, die zweite,
zumeist die kleinere, wird durch die dorsale Membran des Schirms nach aussen abgeschlossen, die
dritte Fläche endlich grenzt an die Gallerte. Auch hier findet sich zwischen dieser und dem Epithel
des Ringkanals eine besondere Lamelle, die namentlich an grösseren Medusen deutlich zu erkennen
ist. Soweit das Epithel sich mit der Schirmgallerte berührt, besteht es aus niedrig cubischen
kleinen Zellen (r‘), sonst aber wird es von grossen vollsaftigen Elementen (r2) gebildet.
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An der Zusammensetzung des Schirmrands nehmen ferner noch die Tentakeln Theil, welche
in ihrer Zahl nach den einzelnen Medusenarten in weiten Grenzen variiren. Meist sind dieselben
unmittelbar über dem Ursprung des Velum angebracht, nur in seltenen Fällen rücken sie an der
Schirmwölbung weiter empor, ein Verhältniss, welches als secundäres zu beurtheilen ist. Die Ten-
takeln entstehen durch Wucherung von Zellen sowohl des Entoderms als auch des Ektoderms, die
ersteren bilden den Axentheil, die letzteren das ihn einhüllende ein- oder mehrschichtige Epithel.
Beide Bestandteile sind von einander durch eine oft beträchtlich dicke Stützlamelle abgegrenzt.
In der Axe (les Tentakels sind die Entodermzellen bei vielen Medusen in pflanzenzellähnliche Gebilde
umgewandelt (solide Tentakeln), bei anderen dagegen setzt sich die Höhlung des Ringkanals
selbst in das Innere des Tentakels hinein fort und es behalten in diesem Fall die Entodermzellen
ihren epithelialen Charakter bei (schlauchförmige Tentakeln). Zwischen der Stützlamelle
und dem Ektodermepithel wird niemals eine Schicht längs verlaufender, bald glatter bald quer-
gestreifter Muskelfibrillen vermisst.
Unter den craspedoten Medusen unterscheiden wir 3 Gruppen, die mit den Trachymedusen,
Vesiculaten und Ocellaten Haeckel’s (38) zusammenfallen. Von denselben werden, .so weit es sich
jetzt schon überblicken lässt, die Vesiculaten und Ocellaten von Hydroiden aufgeammt, dagegen
zeichnen sich die Trachymedusen, welche wir hier an erster Stelle betrachten wollen, durch directe
Entwicklung aus.
Die Trachymedusen werden von drei Familien gebildet, von den Aeginiden, Trachynemiden
und Geryoniden. Da dieselben sich wesentlich in ihrem Bau von einander unterscheiden, werden
wir sie getrennt behandeln und nicht eine zusammenhängende Darstellung der ganzen Gruppe
geben, wie wir es bei den Vesiculaten und Ocellaten thun werden; wir beginnen mit den Aegi-
niden, da die Gehörorgane derselben uns den Schlüssel für das Verständniss der Gehörorgane der
übrigen liefern.
I. Tracliyinedusae.
1. Aeginidae.
Die Aeginiden bilden eine scharf umschriebene Familie, deren Arten von Gegenbaur (33)
unter die 4 Genera Cunina, Aegineta, Aegina und Aeginopsis vertheilt werden. Von den zahl-
reichen Vertretern dieser Gattungen standen uns während des Winters in Messina 3 Arten zu
Gebote. Zwei derselben gehörten dem Genus Cunina an, wenn wir die von Gegenbaur herrührende
Definition desselben beibelialten ; unter ihnen liess sich die eine als Cunina lativentris (Gegenbaur)
bestimmen; sie ist ferner wahrscheinlich mit Haeckel’s (36 u. 37) Cunina rhododactyla identisch, da
die für letztere angegebenen Besonderheiten der Färbung wohl von keiner systematischen Bedeutung
sind. Die zweite glich vollkommen der Aegineta sol maris Gegenbaur’s; da diese Meduse nach
des Letzteren Schilderungen und Abbildungen zu schliessen ebenfalls eine Cunina ist, so behalten
wir für die von uns beobachtete Art den Speciesnamen bei und nennen sie Cunina sol maris *).
Die dritte Aeginide endlich ist zweifellos die Aeginopsis mediterranen J. Müller’s (72b).
In ihrem Bau unterscheiden sich die Aeginiden sehr wesentlich von allen übrigen craspedoten
Medusen. Namentlich spricht sich dies in der Anatomie ihres Schirmrands aus.
1) Wie eine genauere anatomische Untersuchung lehrt, sind die Arten der GEGENBAUR’schen Gattung Cunina sehr verschieden
gebaut; ein Theil besitzt einen wohl entwickelten Ringkanal, zahlreiche Nesselstreifen und Gehörorgane, die aus einem kleinen Hör-
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a. Die Anatomie des Schirmrands der Aeginiden.
Der Gallertschirm der Aeginiden bestellt aus zwei Theilen, einem scheibenförmigen mitt-
leren von bedeutender Mächtigkeit und einem membranartig dünnen, der ersteren wie eine Borde
umgiebt. Jenen wollen wir als Schirmsclieibe, diesen als Schirmsaum bezeichnen (Taf. X.
Fig. 4—6 Sch. u. S.). Die Schirmscheibe bedingt die Festigkeit der Medusenglocke, sie verändert
bei den Bewegungen des Thieres ihre Form entweder gar nicht oder nur in sehr geringem Maasse.
Bei Cunina sol maris besitzt sie die Gestalt eines stark gepolsterten runden Kissens, bei Cunina
lativentris ist sie in der Mitte hoch gewölbt fast wie eine Halbkugel, bei Aeginopsis ist sie am
wenigsten entwickelt und lässt sich in ihrer Form einem Spitzhut vergleichen. Der Schirmsaum
dagegen ist dünn und sehr beweglich. Im Ruhezustand hängt er vom Umkreis der Schirmscheibe
wie ein Vorhang schlaff herunter und scheint dann unmittelbar in das Velum überzugehen, das von
seinem freien Rand entspringt; bei der Bewegung wird er sammt letzterem unter die Schirmscheibe
eingeschlagen.
Die dünne Gallertlage, welche dem Schirmsaum zur Stütze dient, zerfällt durch tiefe Ein-
kerbungen des Randes in einzelne Lappen, deren Zahl je nach der Art eine verschiedene
ist. Bei Aeginopsis finden sich constant deren 4, bei den Cuninen steigt die Zahl mit dem Alter
und der Grössenzunahme des Thieres von 4 auf 12 und darüber. Nach den Abbildungen früherer
Autoren können mehr als 20 Lappen bei manchen Cuninaarten gezählt werden. — Die Form der
Lappen ist im Grossen und Ganzen eine quadratische; die zugewandten Ränder zweier benach-
barter Lappen laufen einander parallel und sind nur durch einen schmalen Spalt von einander
getrennt. Der dritte freie Rand ist leicht gebogen.
Die Gallertlappen werden unter einander durch die Subumbrella und das Epithel der dor-
salen Schirmfläche verbunden; im unverletzten Zustand bildet daher der Schirmsaum ein einheit-
liches Ganze. Wenn man Aeginiden — was nur an ausgeschnittenen Stücken abgetödteter Thiere
vollkommen gelingt — glatt ausbreitet, so gewahrt man nur seichte Einkerbungen des Schirmrands;
dieselben wiederholen sich in regelmässigen Abständen und verlängern sich in die Furchen, die in
radialer Richtung auf der Schirmoberfläche zwischen zwei benachbarten Gallertlappen verlaufen.
Diese selbst werden erst deutlich, wenn durch Maceration die Subumbrella und das Epithel entfernt
worden sind.
Der Zusammenhalt der Lappen wird namentlich durch die Musculatur der Subumbrella
bedingt, welche auf den Schirmsaum beschränkt ist und unterhalb der eigentlichen Schirmscheibe
fehlt. Die Muskellamelle besteht aus circulär verlaufenden, deutlich quergestreiften Fibrillen, die
sich in einer einschichtigen Lage anordnen. Sie liegt für gewöhnlich der unteren Fläche des Schirm-
saums glatt auf und nur an den Stellen, wo der letztere eingekerbt ist, legt sich ihr äusserer Theil
in zahlreiche Falten, welche wie die Muskelfibrillen circulär verlaufen.
polster und einem grossen Hörkölbchen bestehen; der andere Theil charakterisirt sich durch die Rückbildung des Ringkanals, den
Mangel der Nesselstreifen und durch Gehörorgane mit grossem zu einer Papille differenzirtem Hörpolster und kleinem Hörkölbchen und
nähert sich in seiner Organisation den Gattungen Aegina und Aeginopsis. Zu den ersteren gehört die Cunina lativentris, zu den letz-
teren die Cunina sol maris. Die hervorgehobenen Unterschiede sind so bedeutend, dass zweifellos die Gattung in zwei gespalten werden
muss. Wenn wir dies gleichwohl nicht gethan haben, so geschah es in Rücksicht darauf, dass schon Mecznikow von den Cuninen
einen Theil als Polyxenien abgelöst hat, wie aus seinen Studien über die Entwicklung der Medusen (05) hervorgeht. Leider wissen wir
aber nicht, in welcher Weise Mecznikow die Gattungen Polyxenia und Cunina s. str. deiinirt hat, da die Schrift, welche die Anatomie
und Systematik der Aeginiden ausführlicher behandelt, in russischer Sprache geschrieben und uns daher nicht zugängig ist (64). Wahr-
scheinlich ist unsere Cunina sol maris eine Polyxenia im Sinne Mecznikow’s.
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Von der Schirmgallerte werden die Muskeln durch eine derbe Stützlamelle getrennt, nach
aussen sind sie von einer Lage platter ziemlich protoplasmareicher Epithelzellen bedeckt, welche
als die Matrixzellen der Muskelfibrillen gelten müssen. Die Cuticula des Epithels ist ein dünnes
Häutchen, das auf seiner inneren Seite mit stäbchenförmigen Verdickungen besetzt ist. Wie man
auf Querschnitten sieht (Taf. I. Fig. 1. 2. 7. 8 c), ragen die Verdickungen in die Rindenschicht der
Zelle vor, von der Fläche betrachtet bedingen sie ein körniges Aussehen des freien Zellenendes.
Weniger bedeutsam als die Sübumbrella ist für die Festigkeit der zwischen den Gallert-
lappen bestehenden Verbindung das dorsale Epithel. Dasselbe ist eine dünne Lage grosser
platter polygonaler Zellen, die arm an Protoplasma sind, dagegen von einer dicken Cuticula über-
zogen werden. Letztere zeigt bei Cunina lativentris und Aeginopsis eine netzförmige Zeichnung,
bei Cunina sol maris dicht neben einander gelagerte ringförmige Figuren, was beides wohl auf
Verdickungen in der Cuticula zurückzuführen ist.
Zwischen den Plattenepithelien finden sich bei Aeginopsis und bei Cunina sol maris Haufen
von Nesselzellen, die namentlich bei letzteren ansehnlich sind. Die Nesselzellen sind sehr kleine
Körper und scheinen nur aus dem Kern und der Nesselkapsel zu bestehen. Ersterer schmiegt
sich so um letztere herum, dass es aussieht als läge die Kapsel im Kern selbst, und würde wohl
mancher, der die Nesselkapseln im Kern der Zelle entstehen lässt, in diesen Bildern Stützen für
seine Ansicht zu finden meinen. An gefärbten von der Fläche betrachteten Präparaten erblickt
man Nichts als einen Haufen von dicht an einander gefügten Kernen mit dicht eingestreuten Nessel-
kapseln. Bei Cunina lativentris fehlen die Nesselhaufen, werden dagegen durch die Nessel streifen
ersetzt, eigenthiimliche Epithelleisten, auf deren Besprechung wir beim Nervensystem zurückkommen
werden. In der Nähe des Schirmrands liegt unter dem Epithel eine zarte Membran, dieselbe fehlt
auf der Convexität des Schirms oder sie ist hier so zart, dass sie nicht mehr nachgewiesen wer-
den kann.
An den Stellen, wo Spalten in die Gallerte des Schirmsaums eindringen und dieselbe in
Lappen zerlegen, lagert das dorsale Epithel unmittelbar auf der Subumbrella; zugleich nimmt es
hier eine abweichende Beschaffenheit an, indem an einer scharf gezogenen Linie seine platten Ele-
mente in einen dicken aus zahlreichen kleinen Zellen gebildeten Strang sich umwandeln, den wir
als Radialstrang (ns) bezeichnen und nach seiner histologischen Beschaffenheit später noch aus-
führlicher besprechen werden. Indem so die Spalten zwischen den Gallertlappen durch das dor-
sale Epithel und die Subumbrella nach unten abgeschlossen werden, entstehen die Radialfurchen,
welche vom Rande aus den ganzen Schirmsaum durchsetzen.
Die geschilderten Verhältnisse lassen sich besonders an Schnitten demonstriren, welche senk-
recht zu den Radialsträngen geführt sind. Dergleichen Schnitte sind in den Figuren 7. 9 und 10
von Cunina lativentris, in Figur 11 von Cunina sol maris auf Tafel II dargestellt. An denselben
sieht man, dass die Schirmgallerte von den Radialfurchen vollkommen durchschnitten wird; dass
dagegen das dorsale Epithel (d1) und die Subumbrella (d2) erhalten bleiben. Beide werden von
einander durch eine deutliche Membran (s) getrennt, welche sich beiderseits in die Stützlamelle der
Subumbrella und die Membran der dorsalen Schirmfläche spaltet. Die in dem Spaltungswinkel
gelegenen Zellen gehören dem Gastrovascularsystem an.
Wie aus dem Gesagten hervorgeht, unterscheidet sich der Schirmrand der Aegi-
niden sehr wesentlich von dem der Aöraspeden, mit dem er sonst vielfach verglichen
worden ist. Bei den Acraspeden wird die Schirmglocke von einem Saum völlig von einander
getrennter Lappen umgeben, erst nach einwärts von der Basis derselben beginnen die Muskelfasern
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der Subumbrella; ein einheitlicher glatter Schirmrand wird hierdurch unmöglich gemacht. Bei den
Aeginiden dagegen ist nur die Schirmgallerte gelappt, die morphologisch viel wichtigere Subumbrella
ist unverändert und wie bei den übrigen Craspedoten beschaffen; hier kommt es denn auch in der
That zur Bildung eines glatten oder richtiger nur unbedeutend eingekerbten Schirmrandes, von
dessen Umkreis das charakteristische Organ der Craspedoten, das Velum, entspringen kann.
Das Velum besteht aus folgenden nach ihrer Anordnung von oben nach unten aufgezählten
Schichten: J . dem oberen Epithel (d '), 2. der Stützlamelle (s), 3. der Muskelfaserschicht (m2), 4. dem
unteren Epithel (d2). Seine Festigkeit wird hauptsächlich durch die Stützlamelle bedingt, welche
besonders bei Cunina sol maris recht ansehnlich ist, sich aber in der Nähe des Schirms so bedeu-
tend verdünnt, dass sie an ihrer Ursprungsstelle selbst auf dünnen Schnitten nur mit Mühe oder
überhaupt gar nicht nachgewiesen neiden kann. Hier reisst daher das Velum auch leichter als
an irgend einer anderen Stelle ein und kann durch einen kräftigen Zug als Ganzes vom Schirm
losgelöst werden. Seine Stützlamelle geht am Schirmrand einerseits in die Membran der Subumbrella,
andererseits in das dünne Häutchen auf der dorsalen Seite der Gallerte über. Da alle 3 Membranen
nicht sehr stark sind, so lässt sich ihr Zusammenhang weniger deutlich zur Anschauung bringen,
als es z. B. bei den Geryoniden der Fall ist.
Von den 3 übrigen Schichten des Velum ist das obere Epithel die Fortsetzung der Zellen-
lage, welche die Convexität des Schirms überzieht, unterscheidet sich aber von ihr wesentlich durch
seine Beschaffenheit. Seine Zellen sind kleiner als auf der Oberfläche der Gallerte, dagegen proto-
plasmareicher und höher. Ihre peripheren Enden ragen über die Oberfläche des Velum höckerartig
hervor, wie dies an Querschnittsbildern gut zu sehen ist (Taf. I. Fig. 1 . 2. 7. 8 d '). — In ähnlicher
Weise weicht das untere Epithel vom Epithel der Subumbrella ab, mit dem es im Uebrigen eben-
falls eine einzige continuirliche Lage bildet.
Die zwischen der Stützlamelle und dem unteren Epithel gelegene Muskelschicht enthält allein
circulär verlaufende, sehr lange spindelige Fibrillen von beträchtlicher Dicke. Sie sind quergestreift
und in der Weise abgeplattet, dass ihre Kanten einerseits das Epithel, andererseits die Stützlamelle
berühren. Die Fibrillen lassen sich leicht nach vorangegangener Maceration isoliren, häufig gelingt
es hierbei sogar den Zusammenhang mit den Epithelzellen zu erhalten, von denen sie ausgeschieden
worden sind. Nach radialen Muskelzügen, welche Haeckel (37) beschreibt, haben wir uns ver-
gebens umgesehen und glauben wir die Existenz derselben in Abrede stellen zu müssen, da wir
sie weder beim Zerzupfen haben auffinden können, noch bei der Betrachtung von Velumstücken,
von denen das Epithel durch Pinseln entfernt war.
Die Muskelfaserschicht des Velum und der Subumbrella hängen nicht unmittelbar zusammen,
wie es gewöhnlich dargestellt wird, sondern sind durch einen schmalen Saum getrennt, innerhalb
dessen die Muskelfasern fehlen. Dieser Saum liegt zur Hälfte unter dem Velum, zur Hälfte unter
dem Schirm. Wir werden «auf ihn noch bei der Besprechung des Nervensystems zurückkommen.
An der anatomischen Zusammensetzung des Schirmrands betheiligt sich das Gastrovas-
cularsystem bei den einzelnen Aeginiden in sehr verschiedener Weise. Dasselbe zeigt über-
haupt innerhalb der Familie ein sehr eigentümliches Verhalten, so dass wir etwas ausführlicher
auf seine Schilderung eingehen.
Auf der unteren Seite der Schirmscheibe lagert der sehr ansehnliche, grosser Erweiterung
fähige Magen mit der in hohem Grad ausdehnbaren Mundöffnung in seiner unteren Wand; er
bildet nach der Peripherie zu zahlreiche Aussackungen von ungefähr quadratischer Gestalt, in deren
unterer Wand die Geschlechtsprodukte entstehen. Bei Aeginopsis (Taf. X. Fig. 5) sind 8 derartige
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Magentaschen (,«) vorhanden; bei den Cuninen (Taf. X. Fig. 4 und 6) nimmt ihre Zahl mit dem
Alter bedeutend zu, bei grossen Exemplaren betrug sie 12 — 16, scheint aber noch beträchtlicher
werden zu können; sie entspricht genau der Zahl der Gallertlappen. Magentaschen und Gallert-
lappen alterniren bei den Cuninen mit einander in der Weise, dass der zwischen zwei Lappen
gelegene Spalt oder richtiger die Radialfurche gerade auf die Mitte der Circumferenz einer Magen-
tasche trifft und hier endet. Bei Aeginopsis sind doppelt soviel Taschen als Lappen vorhanden.
Jene vertheilen sich in der Weise, dass genau zwei Magentaschen auf einen Lappen kommen, was
zur Folge hat, dass die Radialfurchen in die Einbuchtung zwischen zwei Magentaschen eindringen.
Die Lagebeziehungen, in denen die Magentaschen und Randlappen zu einander stehen, scheinen
somit auf den ersten Blick bei Cunina und Aeginopsis wesentlich verschieden zu sein, in so fern
das eine Mal die Radialfurchen an den Magentaschen, das andere Mal zwischen denselben enden.
Indessen lässt sich das Verhalten von Aeginopsis leicht auf das von Cunina zurüekführen , wenn
wir annehmen, dass eine einzige Tasche der letzteren einem Taschenpaar der ersteren entspricht,
dass somit bei Aeginopsis eine Verdoppelung der ursprünglichen Anzahl Statt gefunden hat. Wir
würden dann bei dieser Art unter den Einbuchtungen, welche zwei benachbarte Taschen trennen,
primäre und secundäre zu unterscheiden haben. Die primären allein würden den Einbuchtungen,
die secundären dagegen den Enden der Magentaschen von Cunina entsprechen.
Das Gleiche würde für die von Eschscholz (26) aufgestellte Gattung Aegina gelten. Auch
hier treffen die Radialfurchen auf die Mitte zwischen zwei Magentaschen, dafür ist aber ebenfalls
die Zahl der letzteren doppelt so gross als die der ersteren. Wenn wir die ' von Esciischolz gegebene
Abbildung der Aegina rosea (Taf. X. Fig. 3 a) betrachten, so können wir für die vertretene Auf-
fassung einen weiteren Stützpunkt darin finden, dass die den Radialfurchen, resp. was gleichbedeutend
ist, den Tentakelbasen entsprechende Einkerbung weniger tief ist als die zwischen denselben gelegene.
Hier wird es uns nahe gelegt, die tieferen Kerben als die primären, die weniger tiefen als die
secundären zu betrachten. Bei einer zweiten von Eschscholz beschriebenen Art, der Aegina citrea,
sehen wir (Taf. XI. Fig. 4 a) sogar tertiäre Einschnürungen auftreten , die sich als ganz schwache
Kerben am Ende der 8 Magentaschen bemerkbar machen, so dass eine Tendenz zur Unterabtheilung
der Taschen unverkennbar ist. Die Bildung der secundären Einschnürungen lässt sich ausserdem
noch durch ein Hinaufrücken der Tentakelbasen erklären, auf deren eigenthümliche Ursprungs-
verhältnisse wir sogleich näher eingehen werden.
So können Aeginopsis, Cunina und Aegina auf eine gemeinsame Grundform zurückgeführt
werden. Bei allen entspringen die Tentakeln auf homologen Punkten; diese entsprechen, wie wir
bei Cunina aus der Art, in der sich der Ringkanal mit den Magentaschen verbindet, schliessen
können, genau den Punkten, an denen wir die Radialkanäle suchen müssten, wenn solche vorhanden
wären, sind somit radial. Da nun bei keiner craspedoten Meduse die radialen Tentakeln fehlen,
noch weniger aber interradiale Tentakeln ohne radiale vorhanden sind, so ist dies ein
weiterer Punkt, der uns zur Annahme der oben gegebenen Vergleichung nöthigt.
Noch verschiedenartiger als die Magentaschen sind bei den einzelnen Arten der Aeginiden
die an den Schirmrand grenzenden Tlieile des Gastrovascularsy stems beschaffen.
Bei ihrer Schilderung gehen wir von Cunina lativentris aus, bei der die Verhältnisse am leichtesten
zu untersuchen sind. Um hier das Gastro vascularsystem gut übersehen zu können, muss man eine
Cunina lativentris völlig ausbreiten, so dass Schirmscheibe, Schirmsaum und Velum in einer Ebene
liegen. Es gelingt dies nur mit grosser Mühe an lebenden Tliieren, da bei ihnen der Randsaum
und das Velum krampfhaft unter die Gallertscheibe eingeschlagen werden; leichter fällt es an
16
abgeleiteten Exemplaren und empfiehlt es sich denn, solche zu nehmen, die mit Carmin gefärbt
worden sind, um das Gastro vascularsystem deutlicher zu machen.
In der geschilderten Lagerung erkennt man an der Cunina einen deutlichen Ring kan al
(Taf. X. Fig. 4 r), der einen eigentümlichen Verlauf besitzt, indem er genau den Grenzen der
Gallertlappen folgt. In jedem Lappen bildet er der Insertion des Velum entsprechend einen flachen
Bogen, dann biegt er der Mitte jeder Magentasche gegenüber rechtwinkelig um und verläuft nun
am Rand der Radialfurche hin bis zur Magentasche (,«), in deren Mitte er einmündet. Der einem
Lappen angehörige Theil des Ringkanals besteht somit ans 3 Abschnitten, zwei radialen vom
Schirmrand zu den Magentaschen verlaufenden Schenkeln und dem bogenförmigen Verbindungsstück
derselben. Die correspondirenden radialen Schenkel zweier benachbarter Lappen sind paarweis
genähert und nur durch den Radialstrang (ns) von einander getrennt. Bei der Betrachtung von
oben kann man daher versucht sein, sie für einen einzigen radialen Kanal zu halten, der sich am
Schirmrand nach rechts und links gabelt. Querschnitte durch den Radialstrang schützen vor diesem
Irrthum und zeigen, wie aus den Figuren 7. 9. 10 auf Tafel II ersichtlich ist, dass zwei völlig
getrennte Kanäle vorliegen. Die Querschnitte derselben sind auf den citirten Abbildungen nur zu
einem sehr kleinen Theil eingezeichnet, es sind die zu beiden Seiten des Radialstrangs gelegenen
blasigen Epithelzellen, welche klein sind soweit sie an die Gallerte grenzen (r1), gross und hoch
dagegen über der Basalmembran der Subumbrella (r2).
Bei Cunina sol maris und Aeginopsis scheint auf den ersten Blick ein Ringkanal völlig zu
fehlen. Genauere Untersuchung lehrt jedoch, dass da, wo bei Cunina lativentris sich ein wohl-
entwickelter Kanal befindet, bei den genannten Arten ein Zellstrang verläuft. Auf feinen Quer-
schnitten durch den Schirmrand überzeugt man sich am leichtesten von seiner Anwesenheit; man
gewahrt dann in dem Winkel, in dem die Basalmembran des dorsalen Epithels und die Stützlamelle
der Subumbrella zusammenstossen , stets eine körnige Masse, in der ein bis zwei Kerne liegen
(Taf. I. Fig. 7. 8r von Cunina, Taf. II. Fig. 2r von Aeginopsis) ; desgleichen findet man auf Quer-
schnitten durch die Radialstreifen beiderseits von ihnen 1 bis 2 Zellen (Taf. II. Fig. 1 1 r von Cunina).
Entfernt man an macerirten Exemplaren das Epithel der oberen Schirmfläche und der Subumbrella
durch vorsichtiges Pinseln, so kann man den auf Querschnitten nachgewiesenen Zellstreifen auf
längere Strecken isolirt darstellen (Taf. II. Fig. 12 r von Cunina) und verfolgen, wie er zeitweilig
in seinem Verlauf Anschwellungen bildet, die sich an der Basis der Sinneskörper vorfinden.
Da wir demnach bei Cunina sol maris und Aeginopsis einen Zellstrang nachweisen können,
der in seiner Anordnung völlig mit dem Ringkanal der Cunina lativentris übereinstimmt, so sind
wir berechtigt, beide Bildungen für einander homolog zu halten und den Zellstrang als das Rudi-
ment eines Ringkanals zu deuten.
Im Zusammenhang mit der so eigentliümlichen Beschaffenheit des Schirmrands und des Gastro-
vascularsystems steht endlich noch die ganz abweichende Befestigung der Tentakeln. Während
dieselben bei den meisten Craspedoten am Schirmrand befestigt sind, entspringen sie bei den Aegi-
niden in grosser Entfernung von ihm auf der convexen Seite des Schirms und am Ende einer
Radialfurche, die sich zur Aufnahme der Tentakelbasis ansehnlich verbreitert. Bei den Cuninen
(Taf. X. Fig. 5 und 6 1) sind sie in gleicher Anzahl wie Radialfurchen vorhanden ; da diese an
den Magentaschen enden, sitzen sie gleichfalls der obern Wand derselben auf. Bei Aeginopsis
dagegen (Taf. X. Fig. 5) lagern die Basen der Tentakeln auf den Einschnürungen, welche zwei
benachbarte Magentaschen trennen; zugleich kommen nur zwei Tentakeln auf die in Vierzahl vor-
handenen Radialfurchen, so dass zwei der letzteren, ohne eine Tentakelbasis zu berühren, auf der
17
Schirmoberfläche verlaufen. Dieselben sind die weniger entwickelten lind erscheinen demgemäss
im Vergleich zu den beiden anderen rückgebildet, ein Umstand, der für die Annahme spricht, dass
an ihren Enden ursprünglich ebenfalls Tentakeln gestanden haben mögen. Aeginopsis medi-
terranea würde sich somit von den Aeginen durch partielle Rückbildung der Ten-
takeln ableiten. Das Gleiche würde auch für die von Brandt (12) beschriebene Aeginopsis
Laurenti gelten, bei der alle Organe in verdoppelter Anzahl als bei A. mediterranea Vorkommen.
Wie sich aus der vortrefflichen MERTENs’schen Abbildung (12. Taf. VI) mit Sicherheit entnehmen
lässt, sind hier 4 Tentakeln und S Radialfurchen vorhanden, diesen 8 Radialfurchen entsprechen wie
bei den Aeginen 16 Magentaschen ').
Ist die hier versuchte Ableitung der Aeginopsisarten von den Aeginen und die Rückführung
dieser letzteren auf die Cuninen, wie wir sie früher gegeben haben, berechtigt, so würden die
Aeginiden eine fortlaufende Entwicklungsreihe bilden. An den Anfang dieser Reihe würden Cuninen
mit Ringkanal (Cuninen s. str. nach Mecznikow?), wie z. B. Cunina lativentris, zu stehen kommen;
an diese würden sich Cuninen mit rückgebildetem Ringkanal (Polyxenien nach Mecznikow?) an-
schliessen, z. B. Cunina sol maris; weiterhin würden die durch Verdoppelung der Magentaschen
sich auszeichnenden Aeginen folgen; den Abschluss endlich würde die Gattung Aeginopsis mit
partiellem Schwund der Tentakeln bilden. In dieser Entwicklungsreihe findet nur Gegenbaur’s
Gattung Aegineta keinen Platz ; wie wir jedoch später zeigen werden, haben wir begründete Zweifel
an der Existenz derselben. Bemerkens werth erscheint uns noch, dass die mit der Verlagerung der
Tentakeln im Zusammenhang stehende Einkerbung des Schirmrands am ausgesprochensten ist bei
den Cuninen s. str., bei den übrigen Arten dagegen sich mehr und mehr verwischt, ein Beweis,
dass diese sogenannte Lappung des Schirmrands nicht mit der Lappung bei den Acraspeden auf
gleiche Stufe gestellt werden darf.
Die Tentakeln der Aeginiden sind wenig beweglich und zeichnen sich dadurch aus,
dass sie von der Oberfläche des Schirms starr abstehen. In ihrer Axe findet sich eine einzige
Reihe grosser blasiger Zellen, die von dem Epithelüberzug durch eine dicke Stützmembran getrennt
werden. An der Basis verlängert sich die Reihe der Axenzellen in einen zugespitzt endenden
Fortsatz, der in der Gallerte verläuft und der oberen Fläche der Magentaschen unmittelbar auf liegt.
Fassen wir zum Schluss noch einmal kurz zusammen, wodurch sich der Schirmrand der
Aeginiden von dem der übrigen Craspedoten unterscheidet, so müssen folgende 3 Punkte besonders
hervorgehoben werden :
1. Die Gallerte wird im Bereich des Schirmsaums durch tiefe radial verlaufende Furchen
eingeschnitten.
2. Die Tentakeln sind an das Ende dieser Furchen vom Schirmrand hinaufgerückt , ihre
Basen stehen aber mit letzterem noch mittels eines Zellstrangs im Zusammenhang, den wir im
Folgenden als Radialstrang näher beschreiben werden.
3. Der Ringkanal oder dessen Rudiment lenkt am Rande jeder Radialfurche von seinem
gewöhnlichen circulären Verlauf ab, indem er rechtwinkelig umbiegt und an das Ende der Magen-
taschen tritt.
1) Wenn wir die Aeginopsis mediterranea und A. Laurenti mit einander vergleichen, so werden wir auf den Punkt geleitet,
in dem wir das Charakteristicum der Aeginopsisarten zu suchen haben; wir würden vorschlagen, letztere als Aeginen zu detiniren,
bei denen sich jeder zweite Tentakel rückgebildet hat, bei denen somit Radialfurchen mit Tentakeln und Radialfurchen ohne solche
regelmässig mit einander abwechseln. Jedenfalls hat L. Agassiz (4, S. 169) Unrecht, wenn er zwei einander so nahe stehende Arten
wie die genannten beiden generisch von einander trennt, indem er die A. mediterranea (J. Müller) zur Gattung Campanella hinüber-
zieht, die A. Laurenti (Brandt) bei der Gattung Aeginopsis belässt.
Hertwig, Medusen.
3
18
Alle diese Abweichungen vom normalen Verhalten stehen offenbar in ursächlichem Zusammen-
hang, ohne dass wir jedoch entscheiden möchten, von wo aus der Anstoss zu den Umwändelungen
ausgegangen ist.
Von den Umänderungen nicht betroffen sind allein unter den besprochenen Organen das
Velum und die Subumbrella; ihnen schliessen sich, wie wir später sehen werden, das Nervensystem
und die Sinnesorgane an.
Literatur. Die Organisation der Aeginiden hat in der Literatur eine sehr verschiedene Dar-
stellung erfahren und zu mannigfachen Irrthümem Veranlassung gegeben, die zum Theil spät, zum
Tlieil gar nicht berichtigt worden sind. Die erste genauere Schilderung rührt von Eschscholz (26)
her, der namentlich zwei der Gattung Aegina und zwei der Gattung Cunina angeliörige Arten in
einer für die damalige Zeit ganz vortrefflichen Weise beschreibt. Bei den Aeginen, die sich nach
ihm dadurch charakterisiren , dass doppelt so viel Magentaschen als Tentakeln vorhanden sind und
dass letztere in den Zwischenräumen zwischen ersteren stehen, bezeichnet er die Radialfurchen als
Furchen, die vom Schirmrand nach den Fangfäden hinaufgehen und sich noch etwas über dieselben
hinaus nach dem Mittelpunkt der Scheibe hin fortsetzen. Ferner erwähnt er das zugespitzte Ende,
mit dem sich der Tentakel in der oberen Magen wand befestigt, denn als solches muss wohl die
mit der Wurzel der Fangfäden zusammenhängende blassgelbe Blase, welche sich über dem Magen
nach dem Mittelpunkt der Scheibe hin erstreckt, gedeutet werden. Bei den Cuninen, bei denen
die Tentakeln am Ende jeder Magentasche entspringen sollen, wird die lappige Beschaffenheit des
Randes der Gallertscheibe und die Lagerung der Lappen zu den Magentaschen richtig dargestellt.
Vortreffliche Abbildungen von Aeginiden, einer Aeginopsis mit 8 Radialfurchen und 4 Ten-
takeln, einer Polyxenia mit 36 Tentakeln und Radialfurchen und einer fälschlich als Aequorea rho-
doloma beschriebenen Cunina finden sich auch in der durch Brandt (12) besorgten Ausgabe der
MERTENs’sehen Medusenmonographie; die zugehörigen Schilderungen stehen freilich wesentlich hinter
den von Eschscholz gegebenen zurück. Die gut abgebildeten Randfurchen werden das eine Mal
als „Radien“, das andere Mal als „rippenartige Verlängerungen der Magentaschen“ aufgeführt.
Indem wir uns darauf beschränken, die Untersuchungen von Will (86), Kölliker (51) und
Joh. Müller (72) hier kurz zu nennen, da dieselben nicht mehr gesehen haben, als was schon
durch Eschscholz bekannt war, wenden wir uns zu einer ausführlicheren Besprechung der Dar-
stellung, die Gegenbaue (33) in seinem „Versuch eines Systems der Medusen“ von dem Bau der
Aeginiden gegeben hat. Der genannte Forscher bestreitet für alle Aeginiden die Existenz der von
früheren Autoren übereinstimmend angenommenen Einkerbung des Schirmrands und führt den An-
schein derselben auf Contractionszustände der Medusen zurück ; vom Gastrovascularsystem beschreibt
er den Magen und die Magentaschen; die Tentakeln lässt er bei einigen Arten, den Cuninen, am
Ende der Magentaschen, bei Aegina, Aeginopsis und Aegineta dagegen zwischen denselben ent-
springen und zwar sollen bei Aegineta ebensoviel Tentakeln als Magentaschen, bei Aegina die
doppelte Anzahl der Magentaschen vorhanden sein.
Die Schilderungen der einzelnen Arten, von denen diese allgemeine Auffassung abstrahirt
worden ist, stimmen in mehrfacher Hinsicht nicht mit den Ergebnissen unserer Untersuchung überein.
Bei den Arten, die Gegenbaur der Gattung Cunina zurechnet, scheint er uns den Randsaum noch
fiir einen Theil des Velum gehalten zu haben. Wir glauben dies daraus schliessen zu müssen,
dass er in seinen Zeichnungen und Schilderungen das Ende der Magentaschen bis an den Ursprung
des Velum reichen lässt und eben dahin die Basen der Tentakeln verlegt, während thatsächlicli
hier erst der Randsaum des Schirms beginnt; weiterhin schliessen wir es aus der Angabe, dass
19
„das Velum von mehreren am Ende der Magensäcke entspringenden Kanälen durchsetzt sei, deren
jeder am Rande des Veliun geschlossen ende“. Nach den Abbildungen zu urtheilen — wir ver-
weisen hier besonders auf die Figur 1. Tafel X, die sich auf Cunina vitrea bezieht — hat Gegenbaur
hier die Radialfurchen des Schirmsaums für Kanäle des Yelum gehalten. Wie aber schon Fritz
Müller (69) hervorgehoben hat, existiren gastrovasculäre Kanäle im Yelum bei den Aeginiden
ebenso wenig wie bei den übrigen Craspedoten.
Auf der anderen Seite scheint uns Gegenbaur bei den Formen, aus denen er die Gattung
Aegineta gebildet hat, die Lappen, welche den Randsaum des Schirms bilden, mit den Magentaschen
verwechselt zu haben; es lässt sich dies für jede der gegebenen Schilderungen und Abbildungen
mehr oder minder wahrscheinlich machen. Bei Aegineta rosea sollen die Magentaschen bis an den
Rand des Velum heranreichen und in einem besonderen dünnen membranösen Körpersaum liegen,
sie sollen nur durch einen ganz schmalen Raum von einander getrennt sein und ihre Wandung
durch spangenartige Gebilde mit dem Velum verbunden werden. Was hier Gegenbaur beschreibt,
ist offenbar der Randsaum, dessen Radialfurchen für die Zwischenräume zwischen den Magentaschen
gehalten worden sind. Die spangenartigen Gebilde sind die bei manchen Aeginiden vorkommenden
Nesselstreifen, die wir beim Nervensystem noch näher besprechen werden. Dieselben entspringen
am Schirmrand, verlaufen auf der Oberfläche des Randsaums und bedingen hier Hervor Wölbungen
der Oberfläche, wie sie Gegenbaur in Figur 7 der Tafel X abbildet; dagegen stehen sie in keinen
Beziehungen zu den Magentaschen, bis an welche sie nicht einmal heranreichen.
Die gleiche Form und Lagerung der Magentaschen wird für Aegineta globosa, A. prolifera,
A. flavescens und A. sol maris, welch letztere wir mit unserer Cunina sol maris für identisch halten,
geschildert. Für einen Theil derselben ist die Bemerkung, dass die Randbläschen am Rand der
Magentaschen sitzen, ein weiterer Beweis, dass die Gebilde, die Gegenbaur als Magentaschen deutet,
den Lappen des Schirmsaums entsprechen.
Die hier näher begründete Annahme hat schon früher vermuthungsweise F. Müller aus-
gesprochen. „Da die Umgrenzung des Magens und seiner Taschen“, äussert sich Müller (69 S. 50)
in seiner Abhandlung über die Cunina Koellikeri, „nur schwierig zu erkennen sind, kann man leicht
in Versuchung kommen, die Randlappen der Gallertscheibe für Magentaschen zu nehmen. Bei Be-
trachtung der Figuren, die Gegenbaur von seinen Aeginetaarten giebt, kann ich mich des Ver-
dachtes nicht entschlagen, dass bei den meisten derselben dieser Missgriff geschehen sei, dass sie
also zu Cunina gehören“ u. s. w. Wie berechtigt die Annahme ist, mag man daraus entnehmen,
dass wir zu derselben schon gelangt waren, bevor wir Müller’s Arbeit gelesen hatten.
Was wir hier über die Magentaschen der Aegineten gesagt haben, gilt auch von den An-
gaben von Keferstein und Ehlers (47), die nicht über die von Gegenbaur gegebene Darstellung
hinaus gekommen sind und deren neue Aeginetaarten sich wohl schwerlich von den Ge g e nb aue 'sehen
werden unterscheiden lassen. Da nun die Schilderungen der genannten drei Autoren die einzigen
sind, welche in der Literatur über das Genus Aegineta vorliegen, so sind in uns Zweifel wach
geworden, ob überhaupt die Aufstellung des Genus zu Recht besteht. Hierbei muss noch in
Betracht gezogen werden, dass Cunina, Aeginopsis und Aegina, wie wir oben gezeigt haben,
auf eine gemeinsame Grundform zurückgeführt werden können, was für Aegineta nicht möglich
ist; ausserdem würden die Aegineten die einzigen Medusen sein, bei denen nur interradiale und
keine radialen Tentakeln vorhanden wären. Im Uebrigen beschränken wir uns hier eine Frage
in Anregung zu bringen, in der nur durch häufige Beobachtung vieler Arten Sicherheit gewonnen
werden kann.
3
20
Von dem Verliältniss, in dem die Magentaschen und Tentakeln hei Cunina zu einander
stehen, giebt Leuckart (58) eine mit Gegenbaur’s Angaben übereinstimmende Darstellung; der Ein-
kerbung des Schirms und der von diesem ausgehenden Radialfurchen thut er keine Erwähnung.
Eigentümliche Angaben macht er über eine nach seiner Ansicht neue Art, die als Paryphasma
planiusculum bezeichnet wird, uns aber eine Cunina zu sein scheint. Ist letztere Annahme richtig,
so werden wir nämlich in den 24 dünnen Radialkanälen, die unter der Wurzel je eines Tentakels
aus der Peripherie des Magensacks entspringen und bis an das untere Ende des Mantelsaums
reichen, die Radialfurchen zu erblicken haben.
Auf die lappige Beschaffenheit des Schirmrands der Cuninen hat zuerst wieder Fritz Müller (69)
in der Schilderung der Cunina Koellikeri aufmerksam gemacht. Seine Angaben unterscheiden sich
jedoch darin sehr wesentlich von den unseren, dass er den radialen Spalt bis zur Tentakelbasis
alle Schichten des Schirms durchsetzen lässt. Ausserdem wird der Spalt viel breiter dargestellt,
als er bei den von uns untersuchten Arten ist, und es wird die Membran, welche ihn überbrückt,
als Velum gedeutet, welches somit bis an die Tentakelbasis reichen würde.
In dem letzterwähnten Punkt stimmt Haeckel (37) mit F. Müller überein. Nach ihm wird bei
Cunina rhododactyla der „kragenähnliche Saum“ des Schirms in 8 — 16 rundliche Lappen gespalten
und der Zwischenraum zwischen den Lappen von dem Velum ausgefüllt. Die Magentaschen deutet
Haeckel als die ausserordentlich verbreiterten Radialkanäle, zugleich weist er zum ersten Mal auf
die Anwesenheit eines Ringkanals hin, dessen Mangel früher als ein wichtiger Charakter der Aegi-
niden angesehen worden sei. Der Ringkanal solle von einer Magentasche zur andern verlaufen
und hierbei dem Rand der Schirmlappen folgen.
Das Verhalten des Ringkanals bei den Aeginiden hat endlich in der Neuzeit Mecznikow (64. 65)
genauer untersucht und ist zu dem Resultat gekommen, dass ein Theil derselben mit einem solchen
versehen sei und zwar alle die, welche sich durch den Besitz der Nesselstreifen und ungeschlechtliche
Vermehrung auszeichnen, dass er bei anderen dagegen fehle. Unter letzteren führt er Gegenbaur’s
Aegineta flavescens, die er mit Will’s Polyxenia leucostyla identifieirt, und Cunina albescens (Po-
lyxenia albescens nach Mecznikow), endlich die Aeginopsis mediterranea auf; es sind dies Formen,
die nach unseren Beobachtungen an Cunina sol maris und Aeginopsis mediterranea jedenfalls nur
ein Rudiment von Ringkanal besitzen. Ob Mecznikow noch einen besonderen Radialkanal bei den
Formen mit entwickeltem Gastrovascularsystem annimmt, können wir nicht entscheiden; einige
Aeusserungen in seinem Aufsatz „Studien über die Entwicklung der Medusen und Siphonophoren“
lassen es uns wahrscheinlich erscheinen. Leider kennen wir Mecznikow’s Ansichten nur aus dieser
die Anatomie nur gelegentlich berührenden Arbeit, während die ausführlichere Darstellung der Orga-
nisation in einer russisch geschriebenen Abhandlung niedergelegt ist.
Zum Schluss sei noch in Bezug auf die Anatomie von Aeginopsis hervorgehoben, dass eine
richtige Darstellung der Magentaschen nur von Kölliker und von Gegenbaur gegeben worden ist,
dass ersterer die Zahl der Einkerbungen des Schirmrands zu hoch angiebt (8 anstatt 4), während
letzterer die Existenz derselben bestreitet.
h. Das Nervensystem der Aeginiden.
Wie sehr auch das Nervensystem der Medusen eine primitive Beschaffenheit erkennen lässt,
so ist es gleichwohl möglich, an ihm einen peripheren und einen centralen Theil auseinander zu
halten. Beide werden von denselben Bestandtheilen gebildet und setzen sich aus Nervenfibrillen
21
und Ganglienzellen zusammen; das centrale Nervensystem zeichnet sich aber vor dem peripheren
durch die grössere Menge der Elemente aus, die sich in ihm zu einem ansehnlichen Strang ver-
einen. Da letzterer bei allen Craspedoten am Schirmrand lagert und hier einen ringförmigen Faser-
zug bildet, wird er nach dem Vorgang von F. Müller als Nerven ring bezeichnet; er zerfällt
in zwei bei allen Craspedoten nachweisbare Portionen, die wir nach ihrer Lagerung zur Stütz-
lamelle des Velum als den oberen und unteren Nervenring unterscheiden werden.
Der obere Nerven ring der Aeginiden lagert in dem Winkel, der durch das Zusammen-
stossen der Stützlamelle des Velum und der Membran der dorsalen Schirmfläche gebildet wird.
Die Stelle ist durch einen bei oberflächlicher Betrachtung nur wenig in die Augen fallenden Wulst
gekennzeichnet, der über und über mit feinen lebhaft schlagenden Wimpern bedeckt ist, welche an
anderen Punkten des Velum und der Gallertscheibe fehlen (Taf. I. Fig. 1 und 7). Im Innern des
Wulstes verläuft einStrang von feinfaseriger Beschaffenheit. Derselbe ist im frischen Zustand sehr
zart und blass und daher nur mühsam zu sehen; er wird deutlicher bei Behandlung mit Osmium-
säure, welche ihm eine graubräunliche Färbung verleiht, während die bedeckenden Epithelzellen
noch längere Zeit durchsichtig bleiben und zunächst nur schärfere Contouren annehmen , so dass
Uber dem Faserring die polygonale Zeichnung der Epitheloberfläche erscheint. Noch klarere Bilder
erhält man, wenn man ein mit Osmiumsäure behandeltes Präparat mit Carmin färbt. Hierbei imbi-
biren sich nicht allein die Kerne der Epithelzellen, sondern es werden auch Kerne im Faserstrang
selbst sichtbar. An solchen Carminosmiumpräparaten ist die Gegend des Nervenrings von seiner
Umgebung überaus deutlich zu unterscheiden. Zwischen den grossen platten Zellen der Schirm-
oberfläche und den ebenfalls ansehnlichen trüben Zellen des Velum zieht ein schmaler Streif, in
dessen Bereich das Epithel eine ganz andere Beschaffenheit besitzt. Die Zellen, welche am lebenden
Object so schön die Flimmerung zeigen, sind so klein und dichtgedrängt, dass auf gleichem Raum
mehr als die lOfache Zahl als an anderen Stellen sich vorfindet. Von der Fläche sieht man fast
Nichts als die rothgefärbten Kerne, so dass man einen Strang Zellkerne vor sich zu haben glaubt.
Die Cuticula darüber ist zarter und hat das grobkörnige Aussehen, durch welches sie sich sonst
auszeichnete, verloren.
Der bisher von der Fläche betrachtete Nervenring kann an guten Maeerationspräparaten
auf grosse Strecken isolirt werden, wenn man durch Zerzupfen oder Abpinseln das ihn bedeckende
Epithel entfernt. Als Ganzes betrachtet (Taf. II. Fig. 13) bildet er einen durch die Osmiumsäure
gebräunten Strang mit spärlich eingestreuten Kernen, welcher der Stützlamelle des Velum unmittelbar
an ihrem Ursprung vom Schirmrand auflagert; er setzt sich aus Fasern zusammen, die zwar im
Allgemeinen einen circulären Verlauf einhalten, sich dabei aber regellos kreuzen und durchflechten,
ohne sich zu Bündeln zu gruppiren; dazwischen sind zahllose kleinere und grössere Körnchen
eingebettet.
Bei fortgesetztem Zerzupfen löst sich der Strang in ein Gewirr von Ganglienzellen und
Nervenfasern auf. Letztere sind durch die Osmiumsäure, namentlich bei Combination derselben
mit Essigsäure, stark gebräunt und sind Fädchen von ganz ausserordentlicher Feinheit, die sich
gleichwohl unter günstigen Umständen auf grosse Strecken völlig isolirt darstellen lassen. Die
stärksten unter ihnen lassen bei Immersion 2 Oc. 2 eben noch doppelte Contouren erkennen, die
Mehrzahl jedoch ist so zart, dass sie nur als Linien erscheinen; Verästelungen haben wir an ihnen
nicht beobachtet. Die Ganglienzellen sind 'meist spindelförmige kleine Körper, die zwei an
den zugespitzten Enden entspringende Ausläufer besitzen. Nicht selten theilt sich einer der Aus-
läufer oder auch beide iin weiteren Verlauf. Dagegen finden sich Zellen mit zahlreichen Fortsätzen,
22
wie eine in Figur 16 a' auf Tafel II dargestellt ist, nur spärlich, vielleicht würde sich jedoch ihre
Zahl hei verbesserten Macerationsmethoden vermehren; darauf deutet das häufige Vorkommen von
Zellen hin, deren Körper oder Ausläufer mit Spitzchen besetzt sind und somit aussehen, als wären
hier ursprünglich feinste beim Zerzupfen abgerissene Fäserchen vorhanden gewesen. — Der Kern
der Granglienzellen ist verhältnissmässig sehr gross und bildet den Körper derselben fast allein;
er enthält 1 — 2 punktförmige Kernkörperchen; wohl in der Hälfte aller Zellen sind zwei Kerne
vorhanden.
Auch die Besclmtfenheit des Epithels ist am besten an Macerationspräparaten zu studiren.
Dasselbe besteht aus niedrigen Cylinderzellen, die eine einschichtige Lage bilden (Taf. II. Fig. 8).
Die Zellen enthalten einen runden oder ovalen Kern mit einem oder zwei kleinen Kernkörperchen
und sind so schmal, dass der Kern eine wenn auch geringfügige Anschwellung ihres Körpers ver-
ursacht. Dies hat zur Folge, dass sie sich einander accommodiren müssen, indem sie entweder eine
mehr conische oder flaschenförmige Gestalt annehmen, je nachdem der Kern seinen Platz im peri-
pheren oder centralen Ende einnimmt. Auf Querschnitten gesehen (Taf. I. Fig. 1 und 7) lagern die
Kerne auf verschiedener Höhe und zwar ordnen sie sich meistens in zwei Schichten an. — Das
periphere Ende der Epithelzelle ist mit einer dünnen Cuticula bedeckt und trägt ein einziges feines
Haar, das jedoch bei Macerationspräparaten nur selten erhalten ist. Das centrale Ende verlängert
sich in feine Fortsätze, die gewöhnlich zu zweien, selten in grösserer Anzahl vorhanden sind. An
Präparaten, bei denen die Epithelzellen (a) zum Theil noch dem Nervenring aufliegen, kann man
ihre Fortsätze rechtwinklig umbiegen und sich den Fibrillen des Nervenrings beimengen sehen
(Taf. II. Fig. 13). Eine Grenze zwischen diesem und dem darüber befindlichen Epithel kann somit
nicht gezogen werden; vielmehr schieben sich die Nervenfasern zum Theil sogar zwischen die
centralen Enden der Epithelzellen ein. Da diesen Untersuchungen zufolge das Epithel in uumittel-
barem anatomischen Zusammenhang mit dem Nervenring steht, werden wir es im Folgenden als
Sinnesepithel bezeichnen.
Ueber die Lagerung des Nervenrings erhalten wir Aufschluss durch Querschnitte, die
durch den Schirmrand gelegt sind (Taf. I. Fig. I und 7). Auf solchen erscheint der Fibrillenstrang (nr ')
als eine dunkle körnige Masse, die sich nur undeutlich gegen das ebenfalls etwas körnig geronnene
Sinnesepithel (a) absetzt. Ausser den auf verschiedener Höhe gelegenen Kernen des letzteren be-
merkt man dann und wann auch Kerne in der Masse des Nervenrings selbst. Gegen die platten
Zellen, welche die Schirmoberfläche bedecken, schneidet das Sinnesepithel mit einer scharfen Linie
ab, weniger deutlich ist dagegen die Grenze gegen die gleichfalls hohen Elemente der dorsalen
Velumseite. Unter dem Nervenring liegt die Stützlamelle des Velum, die hier wegen ihrer Feinheit
nicht in allen Fällen nachweisbar ist, während sie distalwärts selbst auf dicken Schnitten nicht
übersehen werden kann. Nach einwärts (in allen Zeichnungen auf der linken Seite) treffen wir bei
Cunina lativentris auf den Ringkanal (Taf. I. Fig. 1 r), dessen oberes Epithel sehr niedrig ist, wäh-
rend das untere aus hohen blasigen Zellen besteht, bei Cunina sol maris dagegen (Taf. I. Fig. 7 r)
und bei Aeginopsis treffen wir auf das Rudiment desselben. Zwischen dem Ringkanal oder dem
ihm entsprechenden Zellstrang einerseits und dem Epithel und der Nervenmasse andererseits zieht
sich eine wenn auch feine so doch mit aller Sicherheit nachweisbare Membran hin, die Verlängerung
der Stützlamelle des Velum Es ist diese Thatsache von hervorragender Bedeutung, da die in
Rede stehende Membran die Grenzscheide des Ektoderms ist und der Nervenring durch seine
Lagerung nach aussen von derselben als eine dem Ektoderm zugehörige Bildung gekenn-
zeichnet wird.
*
23
Eine besondere Schilderung verlangt das Verhalten des Nerven rings an den Ein-
kerbungen des Schirmrands. Wie wir früher hervorgehoben haben, entspringen hier die nach
der Basis der Tentakeln verlaufenden Radialfurchen , an deren Grund sich das Epithel zu den
Radialsträngen verdickt. In diese Radialstränge lenkt ein Theil des Nervenrings über, während
die Hauptmasse direct von einem Lappen zum andern tritt und hierbei nur einen kleinen der Ein-
kerbung entsprechenden Bogen bildet.
Der Radialstrang (Taf. X. Fig. 4. 5. 6 ns), welcher bei den einzelnen Arten einen ver-
schiedenen Grad v der Ausbildung besitzt, ist am entwickeltsten bei Cunina lativentris (Fig. 4),
wo er sich sowohl durch seine Dicke als auch durch seine Breite auszeichnet. Wir können bei
dieser Meduse an ihm dreierlei Bestandtheile unterscheiden, die sich durch Maceration von einander
isoliren lassen; es sind dies Muskelfibrillen, nervöse Elemente und Epithelzellen.
Die Muskelfibrillen sind lange an beiden Enden spindelig zugespitzte Fasern, die sich
von denen der Subumbrella durch den Mangel der Querstreifung unterscheiden ; sie verlaufen einander
parallel und bilden am Grund der Radialfurche eine einzige Schicht, die vom Schirmrand bis zur
Basis der Tentakeln reicht. In geringen Abständen von einander liegen sie der unter ihnen befind-
lichen Stützlamelle unmittelbar auf und sind nur schwer von ihr zu trennen; an Maceration spräpa-
raten gelingt es daher leicht, den gesammten Radialstrang bis auf die Muskelfasern zu entfernen,
so dass nur die letzteren und die mit ihnen sich kreuzenden Fibrillenzüge der Subumbrella an der
Stützlamelle haften bleiben. Am Schirmrand, an dem die Radialfurche beginnt, strahlen die Fasern
fächerartig aus, an der Basis der Tentakeln gehen siö in die Musculatur der letzteren über.
Die in den Radialstrang übertretenden Th eile des Nervenrings liegen zu beiden Seiten
der Muskelfibrillen am Rand der Furche und ordnen sich hier zu einem Strang von Nervenfasern
und Ganglienzellen, der den Tentakel mit dem Nervenring verbindet. Sie sind nur in der Nähe
des Schirmrands leicht zu erkennen, später verlieren sie sich mehr oder minder unter den ander-
weitigen Bestandth eilen des Radialstrangs. Die Hauptmasse des letzteren sind Epithelzellen,
kleine rundliche Gebilde, deren Körper fast allein aus dem Kern besteht, während das Protoplasma
auf eine dünne Schicht reducirt ist, die an den Macerationspräparaten meistens von blasigen Räumen
durchsetzt wird; nur wenige der Zellen enthalten Nesselkapseln, die meisten zeigen eine indifferente
Beschaffenheit.
Die Dicke und Breite des Radialstrangs wechselt mehrfach in seinem Verlauf. Derselbe ist
am breitesten in unmittelbarer Nähe des Schirmrands und an der Basis des Tentakels, welche
hufeisenförmig von ihm umfasst wird, die dazwischen liegende Strecke ist dagegen bedeutend schmäler.
Die grösste Dicke besitzt der Strang in seinem mittleren Verlauf und zu beiden Seiten der Tentakel-
basis, wo er zwei schon von F. Müller (69) und Haeckel (37) beschriebene Wülste erzeugt. Man
kann diese Veränderungen zum Theil schon durch Betrachtung einfacher Flächenbilder nachweisen
(Taf. X. Fig. 4 ns), noch besser jedoch durch den Vergleich von Querschnitten, die aus verschiedenen
Theilen des Verlaufs entnommen sind; dergleichen Querschnitte sind auf Tafel II in den Figuren 7.
9 und 10 dargestellt und zwar stammt der erste derselben aus der in der Nähe der Tentakelbasis
gelegenen Anschwellung des Radialstrangs, der zweite aus seinem mittleren Verlauf, der dritte
aus seinem Anfangstheil nahe dem Schirmrand. Auf allen diesen Figuren sieht man zu beiden
Seiten des Stranges und durch eine Membran von ihm getrennt den radialen Schenkel des Ring-
kanals (r), nach unten von ihm die durch die Stützlamelle getrennte Subumbrella (d-). Innerhalb des
Radialstrangs selbst unterscheiden wir in der kleinzelligen Epithelmasse vereinzelte Nesselzellen (z)
und unter derselben die Querschnitte der Muskelfasern (m). Die Nervenfaserzüge sind nur auf dem
24
Durchschnitt aus der Nähe des Schirmrands bemerkbar, wo sie die seitlichen Partieen des Stranges
bilden (n). — Erwähnung verdient noch, wie scharf sich die Zellmasse gegen das Epithel der
oberen Schirmfläche absetzt.
Bei C uni na sol maris ist der Radialstrang trotz der beträchtlicheren Grösse des Thieres
unansehnlicher als bei Cunina lativentris; in seinem ganzen Verlauf (Taf. X. Fig. 6) ist er gleich
schmal und nur in der Nähe der Tentakeln verbreitert er sich, die Basis derselben hufeisenförmig
umfassend. Auch die Dicke des Stranges ist unbedeutend, da er nur von zwei Zellenschichten gebildet
wird. Auf Durchschnitten (Taf. II. Fig. 1 1) ergeben sich dieselben Lagebeziehungen wie bei Cunina
lativentris. Auf beiden Seiten des Stranges liegen körnige Zellen, in welchen wir das Rudiment
des radialen Schenkels des Ringkanals (r) zu erblicken haben; unter ihm zieht das Epithel der
Subumbrella hin (d2); Subumbrella und Radialstrang werden durch eine kräftige Stützlamelle von
einander getrennt.
Unter den histologischen Bestandtlieilen, die wir durch Maceration isoliren, sind auch hier
wieder die Muskeln und Nerven die wichtigsten. Die ersteren zeigen die schon bei Cunina
lativentris besprochene Beschaffenheit, sind aber entsprechend der geringen Ausbildung des Radial-
strangs weniger zahlreich. Die nervösen Fasern hingegen sind stark entwickelt und fallen um
so mehr in die Augen, je mehr die übrigen Bestandtheile in den Hintergrund treten. Sie ordnen
sich zu beiden Seiten des Stranges in zwei Zügen an, die den Rändern der Radialfurche parallel
verlaufen und hier ohne Mühe auf Querschnitten nachgewiesen werden können (Fig. 11 n). Vor-
trefflich überblickt man dieselben ohne viele Präparation, wenn man an macerirten Cuninen die
Ränder der Furche aus einander zieht und den Strang glatt ausbreitet; es werden dann, besonders
wenn man noch das bedeckende Epithel durch Pinseln entfernt hat, sofort die sehr charakteristischen
Elemente deutlich. Ausser feinen Fibrillen, wie wir sie schon vom obern Nervenring kennen, er-
blicken wir starke Fasern, welche fast Muskelfasern an Dicke gleich kommen (Taf. II. Fig. 6);
vor Allem aber überrascht der Reichthum an Ganglienzellen. An keiner Stelle und bei keiner
Meduse fällt es, so weit wir die Verhältnisse kennen, so leicht, dieselben zu isoliren, als hier.
Selbst bei einer mässig guten Maceration erhält man ein- oder zweikernige Zellen mit langen Aus-
läufern, die bei Imm. 2. Oc. 2 über mehrere Gesichtsfelder zu verfolgen sind (Taf. II. Fig. 16 ß ). Die
meisten derselben sind bipolar, doch besitzen viele auch mehrere Fortsätze, wie z. B. in Figur 16 ß
eine bipolare Ganglienzelle dargestellt ist, bei der jeder Fortsatz sich aufs neue theilt, so dass
schliesslich im Ganzen 4 vorhanden sind. Wie die Nervenfasern, so zeichnen sich auch die Aus-
läufer der meisten Ganglienzellen durch ihre Stärke aus und muss es diesem Umstand zum Theil
zugeschrieben werden, dass die Isolation so leicht gelingt.
Muskelfasern, Nervenfibrillen und Ganglienzellen liegen in einer Schicht und sind von grossen
platten Epithelzellen bedeckt, die sich von den angrenzenden Elementen der Schirmoberfläche
nur durch ihren grösseren Protoplasmareichthum unterscheiden. Sie besitzen eine grobkörnige Cuticula
und scheinen mit ihrer Basis die unterliegenden Ganglienzellen in ähnlicher Weise zu umhüllen, wie
wir es beim unteren Nervenring noch näher kennen lernen werden.
Am unansehnlichsten sind die Radialstränge bei Aeginopsis, die wir deshalb auch nicht
genauer untersucht haben. Wie die Radialfurchen sind sie in Vierzahl vorhanden und bestehen
aus wenigen Fasern, die zum Theil wohl musculöser, zum Theil nervöser Natur sind und spärlich
eingestreute Zellen enthalten. Die zwei zur Basis der Tentakeln tretenden Stränge sind noch ver-
hältnissmässig am stärksten, sie enden hier mit einer zellenreichen Anschwellung, während die
anderen auf der Schirmoberfläche allmählich auslaufen.
25
Mit dem oberen Nervenring hängen ausser den Radialsträngen noch eigenthümliche Bildungen
zusammen, die in ihrem Vorkommen auf Cunina lativentris beschränkt sind und von Fritz Müller (69)
als Nesselstreifen, von Haeckel (37) als marginale Mantelspangen bezeichnet wurden. Wir werden
im Folgenden den ersten Namen beibehalten.
Die Nesselstreifen wurden schon von Gegenbaur (33 S. 262) hei der Aegineta rosea
und von Mc. Crady (63) hei der Cunina octonaria beobachtet und von ersterem als „leistenförmige
Bänder“ beschrieben, welche auf dem Magensack beginnend sich spangenartig bis auf das Velum
erstrecken und sich durch zahlreiche feine Körnchen und Bläschen auszeichnen. Sie sollen sich
auf der Höhe von Vorsprüngen befinden, die bei der Contraction zum Vorschein kommen. F. Müller
fasst die Gebilde als „scharf begrenzte an der Basis eines Randbläschens beginnende Streifen“ auf,
deren Oberhautzellen Nesselkapseln erzeugen; Haeckel dagegen hält die Nesselstreifen für dieselben
Organe wie die Mantelspangen der Geryoniden und schreibt ihnen den gleichen Bau zu. Demzu-
folge unterscheidet er an ihnen einen cylindrischen Knorpelstreifen, der unter rechtem Winkel vom
Knorpelring entspringt und an dür Aussenfläche der Gallerte emporsteigt, ein ihn umhüllendes
Muskelrohr und einen Beleg von Epithelzellen, der sich durch den Reichthum an Nesselzellen aus-
zeichnet. Ferner macht er wie F. Müller auf ihre constanten Lagebeziehungen zu den Sinneskörpern
aufmerksam, welche letzteren stets an der Basis einer Mantelspange sich erheben. Die Mantelspangen
sollen so als Stützapparate fungiren und den Sinneskörper stets auswärts gewandt halten.
Nach unseren eigenen Untersuchungen finden sich die Nesselstreifen in der Anzahl von 4 — 5
in dem Zwischenraum zwischen zwei Einkerbungen des Schirmrands und sind Zellspangen, die vom
Ringnerv entspringen, in radiärer Richtung auf der Gallerte emporsteigen und sich scharf gegen
die Umgebung absetzen. Bei jungen Thieren sind sie kurz und breit und besitzen eine zungen-
förmige Gestalt; bei älteren Medusen sind sie schmäler aber bedeutend länger und bilden dann
Leisten, die verbreitert und abgerundet enden; unter ihnen ist der Schirm etwas verdickt, so dass
ein sattelartiger Vorsprung entsteht; auf der Höhe desselben lagern sie in einer seichten Vertiefung
der Gallerte, ragen aber gleichwohl vermöge ihrer beträchtlichen Dicke etwas über das Plattenepithel
des Schirms hervor. Wie schon ihr Name andeutet, umschliessen sie zahlreiche Nesselkapseln;
ausserdem sind sie wie der Nervenring von Flimmern über und über bedeckt.
Querschnitte und Isolationspräparate ergaben, dass die Nesselstreifen rein ekto dermale
Bildungen sind. Ein Knorpelstrang, den wir bei den Mantelspangen der Geryoniden kennen lernen
und als einen Abkömmling des Entoderms näher beschreiben werden, ist nicht vorhanden; ebenso
fehlen Muskelfasern, so dass wir die Organe nicht auf gleiche Stufe mit den Mantelspangen stellen
können. Ausser Nesselzellen, deren Anwesenheit wir schon hervorgehoben haben, sind nur noch
zwei Arten von Zellen vorhanden, unter denen sich eine sehr dünne Lage von Nervenfasern aus-
breitet. Zumeist sind es Cylinderzellen, wie wir sie schon als Bedeckung des Nervenrings kennen
gelernt haben (Taf. II. Fig. 5«); wie diese besitzen sie, um sich in einander schieben zu können,
bald eine mehr flaschenförmige, bald eine mehr conische Gestalt; an ihrem hinteren Ende gehen
sie in feine Fortsätze über und tragen so zur Bildung der faserigen Schicht bei, die zwischen dem
Epithel und der Gallerte liegt und mit zahlreichen Fädchen an abgezupften Stücken von macerirten
Nesselstreifen über den Rand hervorragt.
Zwischen den Cylinderzellen, die wahrscheinlich die Flimmerhaare tragen, kommen noch
rundliche Zellen vor, die schon auf Flächenbildern durch ihre Grösse auffallen (Taf. n. Fig. 5/?).
Dieselben sind selten einkernig, meist enthalten sie eine grössere Kernzahl; charakteristisch ist für
sie — wenigstens an Macerationspräparaten — die blasige Beschaffenheit des Protoplasma.
Hertwig, Medusen, 4
26
Der zweite Haupttlieil des Centraineryensystems der Aeg'iniden ist der untere Nervenring.
Derselbe nimmt die entsprechende Stelle auf der ventralen Seite der Meduse ein, welche der obere
auf der dorsalen inne hat. Wie wir schon bei der Besprechung des Schirmrands kennen gelernt
haben, findet sich unter dem letzteren ein schmaler Saum, in dem keine Muskelfibrillen gebildet
werden, der somit die Muskelschicht der unteren Seite unterbricht und in die des Velum und der
Subumbrella scheidet. Inmitten dieser Stelle verläuft der untere Nervenring (Taf. I. Fig. 1 und 7 nr2)
dicht unter dem oberen. Zu seiner Untersuchung eignet sich am meisten Cunina sol maris, weniger
ihrer Körpergrösse wegen, als wegen der rudimentären Beschaffenheit des Ringkanals, der bei
Cunina lativentris die Beobachtung ausserordentlich erschwert, da er der Subumbrella fest aufhaftend
nicht ohne Zerreissen des Präparats entfernt werden kann. Die folgenden Angaben beziehen sich
daher vornehmlich auf die erstgenannte Meduse.
Wenn wir an einer in Osmium-Essigsäure macerirten und nachträglich gefärbten Cunina den
oberen Nervenring durch Pinseln entfernen und die Schirmgallerte abziehen, darauf das so erhaltene
Präparat von der ventralen Seite aus betrachten, so erblicken wir einen Strang (Taf. II. Fig. 3 nr2),
der inmitten der muskelfreien Stelle dem Schirmrand parallel verläuft und ungefähr gleich weit von
der Subumbrella wie von den Muskeln des Velum entfernt ist. Der Strang besteht aus kleinen
rundlichen Zellen, die durch die Osmiumsäure auffallend gedunkelt sind und zu zwei, drei oder
gar vier in einer Querreihe dicht neben einander lagern. Dieselben enthalten einen grossen runden
oder ovalen Kern, der mit 1 — 2 kleinen Kernkörperchen ausgestattet und von einer dünnen Proto-
plasmaschicht umgeben ist, nicht selten begegnen wir auch zwei Kernen in einer Zelle.
Unter den geschilderten Zellen ziehen in der Richtung des Schirmrands undeutliche Faser-
biindel, über ihnen breitet sich die polygonale Zeichnung von Epithelzellen aus, die den Strang
vollkommen bedecken. Nach beiden Seiten gehen die Epithelzellen in die des Velum und der
Subumbrella über; sie theilen mit denselben die eigenthümlich körnige Beschaffenheit der Cuticula,
unterscheiden sich aber von ihnen durch geringere Grösse.
Der geschilderte vom Epithel bedeckte Strang, in welchem wir den unteren Nervenring vor
uns haben , lässt sich durch Abpinseln seines Epithelüberzugs frei legen und ohne Mühe in seine
Elemente, die Nervenfasern und Ganglienzellen zerlegen. Erstere (Taf. II. Fig. 14) zeichnen
sich durchgängig durch ihre bedeutende Dicke aus; die feinsten unter ihnen, die der Zahl nach
am zahlreichsten vertreten sind, sind immer noch ansehnlicher als die dicksten Fibrillen der dorsalen
Seite. Zwischen ihnen verlaufen starke Fasern, ähnlich den schon vom Radialstrang beschriebenen ;
sie sind zwar weniger zahlreich als die feinen Fibrillen, tragen aber gleichwohl durch ihre bedeu-
tende Dicke ebenso viel wie diese zur Masse des Nervenrings bei; der Durchmesser ihres Quer-
schnitts schwankt zwischen 1 ,« und 3,5 p. Die starken und feinen Fasern halten zwar im Allgemeinen
die gleiche circuläre Richtung ein, durchflechten sich aber dabei in regelloser Weise. Sie bilden
nur eine dünne Schicht, die unmittelbar auf der zu Grunde liegenden Stützlamelle sich ausbreitet.
Die Ganglienzellen setzen den bei der Betrachtung des Flächenbildes schon beschriebenen
Strang zusammen. Sie besitzen der überwiegenden Mehrzahl nach nur zwei Fortsätze (Taf. II.
Fig. 3 g und Fig. 16 a), welche dieselben Unterschiede der Dicke zu erkennen geben w-ie die Nerven-
fasern; thatsächlich sind sie Nichts als umschriebene Anschwellungen, die in den Verlauf der
letzteren eingeschaltet sind und 1 — 2 Kerne umschliessen. Die Anschwellungen sind nur auf einer
Seite der Nervenfaser entwickelt und bilden hier höekerartige Vorsprünge, während die Contour
der anderen Seite glatt und unverändert vorüberzieht. Diese eigenthümliche Beschaffenheit wird
verständlich, wenn man den Nervenring in Zusammenhang mit dem ihn bedeckenden Epithel
27
isolirt und das erhaltene Präparat von der Seite aus betrachtet ; dann gewahrt man, dass alle Höcker
gegen die untere Fläche des Epithels gerichtet sind und dass ein jeder derselben in einer beson-
deren Nische lagert, die von einer oder mehreren Epithelzellen gebildet wird. Letztere scheiden
die unter ihnen liegenden gangliösen Elemente in ganz ähnlicher Weise ein, wie die Pigmentzellen
der Retina die Stäbchen. , Isolirte Epithelzellen zeigen daher (Taf. II. Fig. 15) noch die Vertiefun-
gen, in denen die Ganglienzellen eingebettet waren und senden von ihrer Basis lange Bärte von
Protoplasmafortsätzen aus, die sich in natürlicher Lagerung zwischen die Bestandtlieile des Nerven-
rings einschieben.
Auf Querschnitten (Taf. II. Fig. 1 und 7 nr2) bemerkt man wenig von dem unteren Nervenring.
Zwar ist es auffallend, dass in dem stumpfen Winkel, den das Velum und die untere Schirmfläche
mit einander bilden, das Epithel so hoch und die Kerne so zahlreich sind; aber es lässt sich bei
der Gleichförmigkeit, welche die gehärteten Präparate annehmen, nicht behaupten, welche Kerne
dem Epithel zugehören und welche den Ganglienelementen. Auch die Querschnitte der dicken
Fasern verschwinden in der gleichmässigen Körnelung des Präparats meistens vollständig.
Oberer und unterer Nervenring sind von einander durch die Stützlamelle
des Velum getrennt. Dieselbe ist, wie wir schon früher hervorgehoben haben, an der ent-
sprechenden Stelle von grosser Feinheit und reisst daher leicht ein. Hierbei bleibt der Nervenring
bald am Schirmrand, bald am Velum hängen. Es fragt sich nun, in wieweit die durch die Mem-
bran bedingte Sonderung des Nervenrings in zwei Portionen eine vollständige genannt werden kann.
Auf Querschnitten hat es oft den Anschein, als ob ab und zu Lücken vorhanden seien, ja als ob
sogar Fasern von einer Seite zur anderen übertreten. Allein diese Bilder können wohl einen Zu-
sammenhang wahrscheinlich machen, jedoch die Existenz desselben nicht beweisen. Die Stützlamelle
ist zu fein, als dass sie nicht stellenweise, namentlich wo sie Falten bildet, selbst auf dünnen
Schnitten übersehen werden könnte. — Auch Flächenansichten haben zu keinem Resultat geführt.
Denn wenn man auch dahin gelangt ist, was sehr schwer fällt, die Membran, ohne sie zu zerreissen,
vom oberen und unteren Nervenring vollständig zu reinigen, so ist sie doch so durchscheinend,
dass es unmöglich ist, etwa vorhandene OefFnungen zu erkennen. Da somit die Aeginiden höchst
ungeeignete Objecte sind, um den Zusammenhang des oberen und unteren Nervenrings zu erkennen,
verweisen wir auf die Darstellung der Geiyoniden, bei denen wir in Bezug auf diesen Punkt weiter
gekommen sind.
An die Schilderung des Centralnervensystems schliesst sich endlich die Frage nach seiner
peripheren Ausbreitung, eine Frage, die unstreitig zu den allerschwierigsten in der Medusen-
organisation gehört. Denn wenn wir von den starken Faserzügen in den Radialsträngen absehen,
die wir beim oberen Nervenring besprochen haben und die wir aus mehrfachen Gründen auch als
ehemalige und durch die Wanderung der Tentakel abgelöste Tlieile desselben betrachten können,
sind wir nirgends stärkeren Nervenstämmen begegnet, die sich vom Nervenring abgezweigt hätten.
In der That erfolgt auch die Ausbreitung des peripheren Nervensystems in einer ganz anderen,
sehr eigenthümlichen Weise, auf die wir erst durch ein genaues Studium der Subumbrella aufmerk-
sam geworden sind.
An der Subumbrella haben wir bei der allgemeinen Besprechung der Medusenorganisation
zwei Schichten unterschieden, eine Lage circulärer, quergestreifter Muskelfibrillen und ein Platten-
epithel, welches diese bedeckt und ursprünglich auch gebildet hat; zwischen beiden schieben sich
die Elemente des Nervensystems ein. Wenn man die Subumbrella einer in Osmium-Essigsäure
macerirten Cunina glatt ausbreitet, so gewahrt man unter dem Epithel und zum Theil zwischen
4*
28
den Elementen desselben hin und wieder Zellen, die sich durch dunkle Färbung- auszeichnen, einen
oder zwei in Carmin besonders stark sich tingirende Kerne enthalten und in Folge der genannten
beiden Eigenthümlichkeiten leicht kenntlich sind (Taf. II. Fig. 3 g). Die Zellen senden feine Aus-
läufer aus, die sich zwischen Epithel und Musculatur oft auf grosse Strecken verfolgen lassen und
an abgerissenen Fetzen macerirter Präparate häufig weit über den Rand hervorragen. Bald bildet
die Zelle nur 2 derartige Ausläufer, bald eine grössere Anzahl (3—5). Die Ausläufer verästeln sich
und geben feinsten Fädchen den Ursprung, die undeutlicher werden und schliesslich verschwinden,
ohne dass sich über ihre Endigungsweise etwas Sicheres ermitteln liesse. Eine derartige sternförmige
Zelle der Subumbrella ist in Figur 3« auf Tafel II mit Hinweglassung der Muskelfasern und des
Epithels dargestellt.
Benachbarte Zellen begegnen sich in ihrer Ausbreitung, wobei dann ihre Ausläufer sich an
einander legen, um eine Zeit lang gemeinsam zu verlaufen ; so entstehen feine aus 2 — 3 Fäserchen
gebildete Stränge, die sich unter einander zu einem Netzwerk vereinen, dessen Knotenpunkte durch
ein oder zwei Zellen bezeichnet werden. Wir haben es somit mit einem unter dem Epithel der
Subumbrella gelegenen zarten Plexus zu thun, der sich den Plexusbildungen vergleichen lässt,
wie sie in vielen Organen höherer Thiere als Endausbreitungen des Nervensystems beobachtet
worden sind.
Das subumbrellare Zellennetz hängt mit dem unteren Nervenring zusammen, indem Ganglien-
zellen, welche dem letzteren dicht anlagern, mit einem Theil der Fortsätze in ihn einbiegen, mit
einem anderen in den Plexus eintreten. Diese einfachste Art der Verbindung vollzieht sich im
gesummten Verlauf des Nervenrings, ohne dass bestimmte Ausstrahlungspunkte in ihm kennt-
lich wären.
Gangliennetze, wie wir sie in der Subumbrella kennen gelernt haben, sind sehr wahrschein-
lich in allen Organen des Körpers verbreitet, doch haben wir selbst sie nur noch in den Tentakeln
beobachtet, und auch hier nur in sehr unvollkommener Weise. Zwischen dem Epithel, das sich
durch Einlagerung concrementartiger Körperchen auszeichnet, und den dünnen glatten Muskelfibrillen
finden sich kleine Zellen mit Ausläufern, die entweder einen rundlichen Körper besitzen oder —
was noch häufiger der Fall ist — lang gestreckt sind, so dass sie fast Stäbchenform annehmen.
Die letzteren Zellen enthalten einen ebenfalls lang gestreckten Kern und liegen dem Faserverlauf
der Muskelfibrillen parallel. Leider ist es uns nicht geglückt, an ihnen ansehnlichere Fortsätze zu
isoliren, welche ihre Natur als Ganglienzellen ganz sicher gestellt hätten.
Literatur. Die Aeginiden gehören zu den Medusen, bei denen schon von früheren Autoren
ein Nervensystem beschrieben worden ‘ist. Die ersten Angaben hierüber rühren von Mc. Ckady
(62 S. 75) her. Derselbe beschreibt bei jungen Cuninen, die er parasitisch im Magen von Turri-
topsis fand und später als Entwicklungsformen von Cunina octonaria erkannte, einen „zarten Faden,
der zwischen den Magentaschen von Tentakelbasis zu Tentakelbasis ziehe und aus etwas verlän-
gerten Zellen bestehe, an denen keine Contractionen beobachtet worden seien. Vielleicht sei der
Strang das Rudiment eines Nervenrings um den Magen“. Diese Beschreibung und die zugehörige
Abbildung lassen es uns wahrscheinlich erscheinen, dass Mc. Crady einen Streifen protoplasma-
reicher Zellen, den wir bei jungen Thieren am inneren Rand der Subumbrella hinlaufen sahen, für
einen Nervenring gehalten hat, den Nervenring selbst kann er nicht vor Augen gehabt haben, da
er den Strang in einiger Entfernung von den Sinneskörpern zeichnet.
Kurze Zeit darauf erschien die Arbeit von F. Müller (69 S. 46) über Cunina Koellikeri.
Bei dieser Meduse „rechnet er zum Nervensystem einmal einen matten am Saum der Randlappen
29
sich hinziehenden Streifen, in dem man zart contourirte Zellen unterscheidet, der hei den Rand-
bläschen anschwillt und zur Concretion einen Strang abgiebt, und zweitens ein paar ansehnliche
Wülste an der Basis jedes Tentakels, zu denen er wiederholt jenen andern Streifen glaubt verfolgt
zu haben“. F. Müller hat bei dieser Schilderung den Wulst des oberen Nervenrings und den
Radialstrang mit seiner terminalen Anschwellung vor Augen gehabt, somit Organe, die entweder
ganz oder doch wenigstens zum Theil dem Nervensystem angehören; indessen fehlen in seiner
Darstellung die genaueren histologischen Angaben, welche allein die Deutung rechtfertigen können.
Die ausführlichsten Mittheilungen endlich über die Anwesenheit eines Nervensystems hat
Haeckel (37) bei Cunina rhododactyla gemacht. Tn dem von F. Müller als Nervenring gedeuteten
Strang unterscheidet Haeckel zwei Theile: den eigentlichen Nerv und den Ringknorpel. Den letz-
teren schildert er als „einen schmalen cylindrischen etwas platt gedrückten Strang von ungefähr
0,03 Mm. Durchmesser, der an dem untersten Rand des Gallertmantels unmittelbar unter dem unteren
Rand des Ringgefässes liegt und dem äusseren Rand des Velum“ — (Haeckel bezeichnet den freien
Rand als den inneren) — „zur Insertion dient“; er soll aus kleinen Knorpelzellen bestehen, die
durch geringe Mengen von Intercellularsubstanz getrennt sind. Erst in einer Furche des Knorpel-
rings zwischen diesem und dem Ringkanal nahe der Insertion des Velum soll der Ringnerv ver-
laufen und zwar als ein heller blasser feingestreifter Strang, der wegen seiner Feinheit nicht habe
isolirt werden können. Als Ganglien im Ringnerv werden Anschwellungen gedeutet, die sich
entsprechend den Sinneskörpern finden und auf ihrer Oberfläche lange Zellen mit starren Tastborsten
tragen. Ausser Nerven, welche zu den Concretionen gehen, werden keine Seitenzweige des Ring-
nerven erwähnt und somit auch die von F. Müller zum Nervensystem gerechneten Radialstränge
und die Wülste an den Tentakeln davon ausgeschlossen.
In dieser Darstellung und in der zu ihr gehörigen Abbildung (Fig. 7 1 auf Taf. IX) ist die
Lagerung des Nervenrings richtig bezeichnet. Dagegen können wir den Angaben über die An-
wesenheit eines Knorpelrings nicht beistimmen. Was Haeckel als solchen bezeichnet, sind offenbar
die Sinnesepithelien , da Zellen, welche durch Ausscheidung von Intercellularsubstanz die Function
von Stützgewebe übernommen hätten, bei keiner der von uns untersuchten Aeginiden am Mantelrand
existiren.
c. Die Sinnesorgane der Aeginiden.
Mit dem oberen Nervenring der Traehymedusen stehen charakteristisch gebaute, in wech-
selnder Anzahl am Schirmrand vertheilte Organe im Zusammenhang, die schon seit langem bekannt
sind, von Seiten der Forscher aber eine sehr verschiedenartige Deutung erfahren haben. Bald wurden
sie für Augen, bald für Gehörorgane gehalten, ohne dass jedoch die eine wie die andere Auffassung
eine sichere anatomische Begründung erfahren hätte. Aus Gründen, die erst später erörtert werden
können, betrachten wir sie als Gehörorgane und unterscheiden nach ihrem Bau zwei Arten, offene
Gehörorgane und geschlossene Gehörorgane oder Hörbläschen.
Die Gehörorgane der Aeginiden gehören der ersten Gruppe an und sind Fortsätze,
die auf dem Nervenring aufsitzen und frei in das umgebende Wasser hervorragen. Sie bestehen
aus zwei nur durch ein feines Stielchen mit einander verbundenen Abschnitten : einem basalen, der
als eine locale Anschwellung des Nervenrings betrachtet werden kann, und einem peripheren, der
dieser Anschwellung wie ein kleines Tentakelchen aufsitzt; jenen werden wir im Folgenden als
Hörpolster (hp), diesen als Hörkölbchen (bk) bezeichnen.
30
Bei den einzelnen Arten, die wir untersucht haben, sind die Organe sehr verschieden ge-
staltet und verlangen daher eine getrennte Beschreibung. Die ursprünglichste Form besitzt zweifel-
los Cunina lativentris, ihr schliesst sich Aeginopsis aufs engste an, während sich Cunina sol maris
weit von ihr entfernt. Die drei Arten sollen daher auch in der angegebenen Reihenfolge be-
sprochen werden.
Bei Cunina lativentris sind die Gehörorgane je nach der Grösse und dem Alter des
Thieres in sehr verschiedener Anzahl vorhanden. Bei dem grössten Exemplare, das wir haben
untersuchen können und das einen Durchmesser von 1.5 Ctm. besass, zählten wir in dem Raum
zwischen zwei Tentakeln 4 — 5 und, da die betreffende Cunina mit 12 Tentakeln versehen war,
nahe an 60 beim ganzen Thier. Bei jüngeren Individuen ist sowohl die Zahl der Tentakeln als
die Zahl der zwischen zwei Tentakeln stehenden Sinnesorgane eine geringere; so fanden sich
z. B. bei der jüngsten von uns beobachteten Cunina, einer noch nicht 1 Mm. messenden Meduse,
im Ganzen 4 Hörorgane und 4 Tentakeln vor. Jene sitzen auf dem Ringnerv an den Ursprungs-
stellen der Nesselstreifen, meistentheils vereinzelt, seltener paarweis vereint; im letzteren Falle steht
eins dicht neben dem anderen. Zuweilen haben wir Cuninen beobachtet, bei denen die Duplicität
die Regel war.
Das Gehör polster (Taf. I. Fig. 2 und 31ip) ist eine nicht sehr bedeutende Verdickung des
Ringnerven wulstes und geht allmählich ohne sich scharf abzusetzen in denselben über ; es ist breiter
in tangentialer als in radialer Richtung und bildet eine Art Sockel, von dessen Mitte sich das
Gehör kölbchen (hk) erhebt. Dieses ist ein walzenförmiger Körper, der ungefähr doppelt so
lang als breit ist und einem kleinen rudimentären Tentakel ähnelt. Sein basales Ende ist
gegen das Gehörpolster tief eingeschnürt und hängt mit ihm nur mit Hülfe eines kurzen feinen
Stielchens zusammen; sein freies Ende ist dagegen etwas verdickt und umschliesst meist zwei
Concretionen (o), von denen die periphere gewöhnlich am grössten ist und neben denen sich
dann und wann noch kleinere vorfinden. Die Concretionen, welche ihrer Function nach auch als
Otolithen bezeichnet werden, brechen das Licht stark wie Oeltropfen, unterscheiden sich aber von
diesen schon in der Form durch ihren undeutlich krystallinischen Bau, indem sie von hexagonalen
Flächen begrenzt werden, die mit abgerundeten Kanten in einander übergehen. Sie lösen sich
ohne Auf brausen selbst in schwachen Säuren auf; schon dünne Osmiumsäure genügt, um sie nach
einiger Zeit zu zerstören. Hierbei bleibt stets ein organisches Substrat zurück, in dem die wahr-
scheinlich aus einer Kalkverbindung bestehenden mineralischen Bestandtheile abgelagert waren;
dasselbe bildet eine Blase mit dicken faltig geschrumpften Wandungen. Die Oberfläche des Ge-
hörorgans ist mit Haaren (hh) bedeckt. Besonders erhebt sich vom Hörpolster ein Wald starrer
Borsten von so beträchtlicher Länge, dass ihre Spitzen nahezu bis an das Ende des Gehörkölbchens
reichen und letzteres von ihnen allseitig umfasst wird. Für gewöhnlich sind die Borsten etwas
nach einwärts gekrümmt und unbeweglich, nur selten bemerkt man an ihnen schwache zitternde
Bewegungen. Die vom Hörkölbchen entspringenden Haare kreuzen sich in ihrem Verlauf mit denen
des Hörpolsters; sie sind kürzer und spärlicher wie diese, zeichnen sich aber immerhin noch durch
Stärke und Länge vor den Flimmern des auf dem Nervenring befindlichen Sinnesepithels aus.
Eine genauere histologische Untersuchung des Gehörorgans ergiebt, dass das Hör-
polster von denselben Bestandtheilen gebildet wird wie der Nervenring. Betrachtet man bei einer
mit Osmiumsäure und Carmin behandelten Cunina das Hörpolster von der Fläche, so erblickt
man die polygonale Felderung, die durch das Sinnesepithel bedingt wird, und darunter die fein-
faserigen Nervenzüge. Durch Maceration erhält man dieselben zarten Fibrillen und Ganglienzellen,
31
wie wir sie schon von anderen Stellen des Nervenrings kennen, und nur die Epithelzellen unter-
scheiden sich von den gewöhnlichen Sinneszellen durch ihre bedeutendere Länge und durch den
Besitz der charakteristischen Hörhaare, die jedoch hei Macerationspräparaten meist abgefallen sind.
Das Hörpolster ist somit nichts als eine Anschwellung des Nervenrings, die durch die Verlängerung
der epithelialen Elemente und durch die Vermehrung der Nervenmasse bedingt ist.
Das Hörkölbchen (Taf. I. Fig. 2 und 3 hk) setzt sich aus zwei auch im frischen Zustand
scharf und deutlich von einander geschiedenen Theilen zusammen: einem in der Axe verlaufenden
cylindrischen Strang und einem die steifen Haare tragenden epithelialen Ueberzug. Der Axen-
strang endet beiderseits abgerundet und umscliliesst die schon besprochenen Concretionen, er wird
wie die Axe eines soliden Tentakels von einer einzigen Reihe von Zellen gebildet, die wie die
Stücke einer Geldrolle geschichtet sind oder sich keilförmig von links und rechts in einander
schieben. Die meisten von ihnen sind nur wenig grösser als der von ihnen umschlossene Kern
und in der Richtung von oben nach unten abgeplattet. Nur die zwei in der Spitze des Kölbchens
gelegenen Zellen, in welchen sich die Concretionen (o) vorfinden, sind durch diese stark auf-
getrieben; ihr Protoplasma ist auf eine dünne Schicht beschränkt, welche an Osmiumpräparaten
den durch Auflösung der Concretion entstandenen Hohlraum umgiebt und in einer Verdickung einen
Kern birgt.
Der besprochene Zellstrang wird von einer Membran umhüllt, die ihn vollkommen nach
allen Seiten abschliesst. Dieselbe verlängert sich an der Basis des Hörkölbchens in ein feines
Fädchen, das in das Hörpolster ein tritt und, so lange dieses unversehrt ist, nicht weiter verfolgt
werden kann. Dagegen gelingt es an Macerationspräparaten, Aufschluss über seine Endigungsweise
zu erhalten. Zu dem Zweck empfiehlt es sich, ein kleines Stück des Schirmrands, an dem ein
Gehörorgan sitzt, durch vorsichtiges Klopfen in seine Elemente zu zerlegen, am besten, indem man
unter dem Mikroskop bei schwacher Vergrösserung den Erfolg der Isolirmethode controlirt. Man
kann so nach und nach den Axenstrang aus seiner epithelialen Umhüllung vollkommen heraus-,
schälen und den gesammten Nervenring und die Zellen des Hörpolsters allmählich entfernen. Ist
das Präparat geglückt, so bleibt von dem gesammten Organ Nichts weiter übrig, als der Axen-
strang, umhüllt von seiner Membran, und das von letzterer entspringende Fädchen; man kann
nunmehr nachweisen, dass letzteres an die Stützlamelle herantritt, welche den Ringkanal von den
Nervenwulst trennt und mit derselben verschmilzt. Das Fädchen ist somit eine Verbindung zwischen
den beiden Membranen, von welchen die eine den Axenstrang des Hörkölbchens, die andere den
Riugkanal umscheidet.
Der Epithelüberzug des Hörkölbchens besteht hauptsächlich aus cubischen Elementen,
nur über den Concrementzellen flacht er sich ab und bildet ein dünnes Häutchen, in dem die ein-
gestreuten Kerne kleine Hervorwölbungen bedingen. Die cubischen Zellen tragen je ein starres
Haar und gehen, wie sich durch Isolation (Taf. II. Fig. 4) ermitteln lässt, an ihrer Basis in 1 — 2
feine Fortsätze über, die rechtwinkelig zur Zellaxe umbiegen. Wahrscheinlich gehen dieselben in
Nervenfibrillen über und treten durch den Stiel des Kölbchens in die Fasermasse des Hörpolsters;
für diese Annahme spricht die feinfaserige Beschaffenheit, die der Stiel bei Behandlung mit Osmium-
säure erkennen lässt (Taf. I. Fig. 3).
Die wichtigsten der geschilderten Eigenthümlichkeiten kann man auf einen Blick an Quer-
schnitten übersehen, vorausgesetzt, dass dieselben genügend dünn sind und dass sie — was noch
wichtiger ist — den Sinneskörper seiner ganzen Länge nach gespalten haben. Wenn wir die
Figur 2 auf Tafel I, die einen solchen Schnitt darstellt, betrachten, so sehen wir nach aussen —
32
in der Figur nach rechts — von den grossen blasigen Zellen des Ringkanals das Hörpolster und
auf diesem das seiner Länge nach gespaltene Hörkölbchen. Ringkanal und Hörpolster werden
durch eine Membran getrennt, die mit einer verdickten, durch Einlagerung eines Kerns ausgezeich-
neten Stelle in letzteres hineinragt und weiterhin in einen feinen und wie eine Linie erscheinenden
Faden übergeht. Dieser Faden theilt das Polster in zwei ungefähr gleiche Theile und geht dann
in die Membran über, welche das Epithel und die Axenzellen des Hörkölbchens von einander
scheidet. Ziehen wir die Figur 1 derselben Tafel, die Abbildung eines Querschnitts von einer
andern Stelle des Schirmrands, zum Vergleich heran, so ist ersichtlich, dass das Hörpolster aus
denselben Theilen wie der Ringnerv besteht, dass dieselben aber in ihm eine bedeutende Volums-
zunahme erfahren haben. Nach aussen setzt sich das Sinnesepithel ziemlich scharf gegen das
Epithel der dorsalen Velumseite ab, nach innen und oben dagegen geht es ganz allmählich in
einen dicken Zellstrang über, der die auffallend dicke Gallertschicht bedeckt. Dieser Zellstrang,
in dem einzelne Nesselzellen lagern, ist der Nesselstreifen, der ja jedesmal an der Basis eines
Gehörpolsters entspringt und ebenfalls von Sinnesepithel gebildet wird. Die Dicke der Gallerte
wird verständlich, wenn wir uns daran erinnern, dass jeder Zellstreif auf einem sattelartigen Vor-
sprung des Schirms sitzt. Schliesslich sei hier noch die Bemerkung angefügt, dass bei dem Prä-
parat, das der Zeichnung zur Grundlage gedient hat, alle Borsten und Haare fehlten und dass
auch die letzte Concrementzelle vom Schnitt zur Hälfte entfernt worden war.
Der geschilderte Bau der Gehörorgane wird um Vieles verständlicher, wenn wir ihre Ent-
wicklung mit in Betracht ziehen. Zum Studium derselben ist Cunina lativentris ein sehr geeig-
netes Object, da, wie wir schon früher hervorgehoben haben, im Lauf des Wachsthums eine be-
ständige Vermehrung der Organe Statt findet. Wenn man junge Thiere in Osmiumsäure abtödtet
und, am besten unter möglichst vollständiger Beseitigung der Gallerte, glatt ausbreitet, so kann
man unter günstigen Umständen an einem Thier alle Entwicklungsstadien auffinden.
An einem Flächenpräparat der Cunina sieht man unmittelbar nach einwärts vom Nervenring
einen breiten Streifen polygonaler Zellen dem Schirmrand parallel verlaufen (Taf. I. Fig. 4 r) ; es
ist dies der von oben gesehene Ringkanal. An einer umschriebenen Stelle bildet das Epithel des-
selben einen kleinen Vorsprung, der in den angrenzenden Nervenring hervorragt und die trennende
Membran vor sich ausstülpt. Diese Wucherung der Entodermzellen bedingt eine unbedeutende
Erhöhung im Nervenring(nr). Wir haben hier die erste Anlage eines Gehörorgans vor uns und
zwar entspricht der von Entoderm gebildete Höcker dem späteren Axenstrang des Hörkölbchens.
Bei älteren Entwicklungszuständen ist die Hervorwölbung des Nervenrings beträchtlicher
geworden, die Wucherung des Entoderms hat sich abgeschnürt und es beginnt entweder in einer
Zelle oder in mehreren die Abscheidung der Concretion. Nunmehr findet sich in dem Nervenring
ein abgeschlossener Zellstrang, der aus einer geringeren oder grösseren Anzahl von Zellen besteht
und in dem wir die Anlage für den Axenstrang des Hörklöppels nicht mehr verkennen können.
Anfänglich liegt er der Membran zwischen Ringnerv und Ringkanal noch an (Fig. 5), später
rückt er in die Höhe (Fig. 6) und hebt die ihn bedeckende Epithelschicht in dem Maasse
empor, als er sich von seiner Ursprungsstelle entfernt. Ganz zuletzt erst sondert sich die bis
dahin einheitliche Anlage des Gehörorgans in ihre beiden Bestandtheile : das Hörkölbchen und das
Hörpolster.
Aus dem geschilderten Entwicklungsgang ist ersichtlich, dass der Axenstrang des Hör-
kölbchens aus dem Entoderm stammt. Eine Andeutung dieses Verhältnisses erhält sich dauernd
in der Verbindung zwischen den Membranen, die den Ringkanal und den Axenstrang umhüllen.
33
Wenn wir von Cunina lativentris ausgehend uns zur Betrachtung der Gehörorgane hei
Aeginopsis mediterran ea wenden, so müssen wir gleich am Anfang die ausserordentliche
Aehulichkeit betonen, die hier zwischen beiden Arten besteht, eine Aehnliclikeit , die um so auf-
fallender ist, je mehr sich in anderen Theilen der Organisation die genannten Medusen von einander
entfernen. Im Allgemeinen sind es nur Unterschiede in der Form und Zahl, welche die Sinnes-
organe der Aeginopsis von denen der Cunina unterscheiden.
Die Zahl der Gehörorgane ist hei Aeginopsis (Taf. X. Fig. 5 hk) eine bestimmte; acht der-
selben finden wir hei alten Thieren in regelmässigen Abständen auf den Schirmrand vertheilt und
eben so viel sind schon hei jungen Individuen vorhanden; jedesmal zwei sitzen in dem Zwischen-
raum zwischen zwei Radialsträngen dem Ringnerv auf und in der Mitte zwischen ihnen bildet
letzterer eonstant noch einen dritten Wulst (q), an dem jedoch kein Hörkölbchen zur Entwick-
lung kommt.
Die Gehörorgane der Aeginopsis (Taf. III. Fig. 6) sind im Vergleich zu denen der Cunina
lativentris klein; dies gilt besonders von dem Hörkölbchen, weniger vom Hörpolster, welches sogar,
wenn wir die Kleinheit des ganzen Thieres und die hiermit in Zusammenhang stehende Feinheit
des Nervenrings in Betracht ziehen, verhältnissmässig stärker entwickelt ist als hei Cunina. Das
Hörpolster (hp) ist ein stark gewölbter Hügel, der gleichbreit in tangentialer und radialer Rich-
tung ist und mit steil abfallenden Rändern in den Nervenring übergeht; auf ihm befestigt sich ein
kleines ovales Hörkölbchen (hk) mit Hülfe eines kurzen dünnen Stiels, der sich in das Innere
des Hörpolsters einsenkt. Beide Theile des Hörorgans sind gleichmässig mit feinen Borsten bedeckt,
die nur wenig länger und stärker sind als die Wimpern des Sinnesepithels auf dem Nervenring.
Die Hervorwölbung des Hörpolsters wird zum Theil wie bei Cunina durch eine Zunahme
der Nervenfasern und eine Verlängerung der Sinnesepithelien bedingt, zum Theil muss sie auf eine
Anschwellung des Zellstrangs, welcher bei Aeginopsis morphologisch den Ringkanal vertritt, zurück-
geführt werden. Letztere bildet einen ansehnlichen Zellenhaufen im Centrum des Polsters, der
sowohl durch Querschnitte (Taf. II. Fig. 2 r) zur Anschauung gebracht werden kann , als auch
durch theilweises Abpinseln des Nervenrings bei macerirten Exemplaren. Im Uebrigen ist die
histologische Beschaffenheit der nervösen Theile dieselbe wie bei Cunina.
Am Hörkölbchen können wir die schon bei Cunina unterschiedenen zwei Theile, den
Axenstrang und den Epitheltiberzug nachweisen. Der erstere besteht stets nur aus zwei Zellen,
die namentlich an ihren rundlichen Kernen leicht zu erkennen sind und von denen die kleinere
das untere, die grössere das obere Ende einnimmt. Die letztere enthält den stets einfachen Oto-
lithen, einen rundlichen stark lichtbrechenden Körper (o), der sich von dem Otolithen der Cunina
lativentris durch den Mangel der krystallinischen Beschaffenheit auszeichnet, dagegen sich ebenfalls
in dünnen Säuren löst, indem er ein faltiges Häutchen als organisches Substrat hinterlässt. Die
durch eine Membran vom Axenstrang getrennten Epithelzellen verlängern sich an ihrem basalen
Ende in feine Fortsätze und besitzen in den unteren zwei Dritteln des Hörkölbchens eine cubische
Gestalt, an der Spitze dagegen sind sie platte Gebilde, die einen dünnen Ueberzug über der Con-
crementzelle bilden.
Durch zweckmässige Behandlung macei'irter Präparate sind wir zu Resultaten gelangt,
die völlig mit den von Cunina geschilderten Verhältnissen übereinstimmen. Besonders heben wir
hervor, dass es uns auch hier gelungen ist, den Zusammenhang der Membran des Hörkölbchens
mit der Membran, welche die Anschwellung des rudimentären Ringkanals umhüllt, mit Sicherheit
darzuthun (Taf. II. Fig. 2 a). Hat man durch Klopfen alle Theile des Nervenrings, des HÖl-
IIe rtwig, Medusen. 5
34
polsters und das Epithel des Hörkölbchens entfernt, so kommt anch hei Aeginopsis ein feiner
Faden znm Vorschein, an dessen einem Ende die beiden Zellen des Axenstrangs , umgehen von
ihrer Umhüllung, aufsitzen, dessen anderes Ende in einer glockenförmigen Verbreiterung einen dem
Gastrovascularsystem angehörigen Zellenhaufen umschliesst. Den gleichen Zusammenhang haben
wir auf Querschnitten nachgewiesen (Taf. II. Fig. 2/5); dieselben sind den Zerzupfungspräparaten
darin überlegen, dass sie zeigen, wie der Verbindungsfaden den Nervenring durchsetzt und halbirt.
Die am Anfang erwähnten in Vierzahl vorhandenen Anschwellungen des Nervenrings,
die genau die Mitte zwischen zwei Tentakeln einnehmen (Taf. III. Fig. 10), stimmen in ihrem Bau
mit dem Hörpolster überein und unterscheiden sich somit nur durch den Mangel der Kölbchen von
ausgebildeten Gehörorganen.
Die beiden Bestandtheile , welche wir bei Cunina lativentris und Aeginopsis mediterranea
am Gehörorgan unterschieden haben, kehren bei Cunina sol maris in sehr veränderter Gestalt
wieder. Die Umwandlungen, die das Organ erfahren hat, haben bei der genannten Meduse zu einer
physiologischen Vervollkommnung geführt, die nicht allein in einer Vermehrung und höheren Aus-
bildung der Sinneszellen, sondern auch in einer fortgeschrittenen Individualisirung des gesummten
Organs sich zu erkennen giebt.
Die Verbreitung der Gehörorgane (Taf. X. Fig. 6hk) ist dieselbe wie bei Cunina lativentris;
bei jungen Thieren ist ihre Zahl eine geringe, sie nimmt im Laufe des Wachsthums zu und wird
bei grossen Exemplaren eine sehr beträchtliche. Bei den grössten Cuninen, die wir gefangen haben
und die einen Durchmesser von 3 Cm. besassen, beobachteten wir 4—6 (meist 5) Gehörorgane in
einem Intertentacularraum, und da 16 Tentakeln vorhanden waren, mag sich die Gesammtzahl auf
80 belaufen haben. Wahrscheinlich kann dieselbe aber in einzelnen Fällen noch steigen, wie denn
auch Gegenbaur von Cuninen berichtet mit 18 Tentakeln und über 80 Gehörorganen.
Von den beiden Abschnitten ist der untere, das Hörpolster, am meisten verändert, indem
er sich vom Nervenring abgeschnürt hat und einen selbstständigen Körper bildet. Auf denselben
kann die Bezeichnung Hörpolster kaum noch Anwendung finden und soll er daher im Folgenden
unter dem Namen Hörpapille beschrieben werden.
Die Hörpapille (hp) sitzt auf einer geringfügigen ganz allmählich verlaufenden Verdickung
des Nervenrings und ragt über die Oberfläche des letzteren beträchtlich hervor. Von der Fläche
gesehen (Taf. I. Fig. 9 hp) ist sie am peripheren Ende wohl um die Hälfte breiter als an der Basis
und besitzt daher eine umgekehrt conische Gestalt; weniger deutlich ist dies bei seitlicher Ansicht
(oder auf dem Querschnitt Fig. 8 auf Taf. I), da in radialer Richtung die Verbreiterung des freien
Endes eine geringere ist, was eine Abplattung der Kegelform zur Folge hat. Die der Basis des
Kegels entsprechende freie Fläche der Papille ist muldenförmig ausgehöhlt, bald nur unbedeutend, -
bald aber auch so tief, dass das Ende die Gestalt einer flachen Glocke annimmt. Auch dies Ver-
hältniss ist mehr in der Flächenansicht als bei Betrachtung von der Seite ausgeprägt. Vom Grund
der Vertiefung entspringt das Hörkölbchen, ein namentlich im Verhältniss zur Hörpapille kleines
Körperchen von bimförmiger Gestalt, dessen spitzes Ende dem Nervenring zugewandt ist und mit
einem feinen Stiel in das Innere der Papille eindringt. Seine Oberfläche ist mit Haaren spärlich
bedeckt. Dagegen ist die Papille dicht überzogen von einem Wald starrer langer Borsten, die von
allen Punkten der Oberfläche auf kleinen Höckern entspringen, besonders reichlich von den Rändern
der muldenförmigen Vertiefung. Die Borsten sind schwach gebogen, überragen das Hörkölbclien
und neigen sich von allen Seiten über ihm zusammen; ihrer Function nach werden sie wohl als
Hörhaare zu bezeichnen sein.
35
Die histologische Untersuchung der Papille weist in ihr sehr charakteristische Be-
standteile nach. Schon im frischen Zustand bemerkt man einen breiten feinfaserigen lichten Strang,
der aus den Fibrillenzügen des Nervenrings entspringt und in das Innere der Papille ein tritt (Taf. I.
Fig. 9n). In ihrer Mitte strahlt er aus, indem er namentlich nach beiden Seiten sich verbreitet.
Der Strang wird hei Osmium-Carminbeliandlung deutlicher und lässt in seinem Innern vereinzelte
Kerne erkennen, welche zweifellos Ganglienzellen angehören, wenn es uns auch nicht geglückt ist,
dieselben zu isoliren. Im Uebrigen besitzt die Papille sowohl im frischen Zustand als auch nach
Carminosmiumbehandlung ein sehr gleichmässiges Ansehen. In der intensiv rothen Masse, die sie
im gefärbten Zustand bildet, erkennt man nur mühsam eine Zusammensetzung aus sehr langen,
fast linearen Zellen, die von der Mitte der Papille fächerartig ausstrahlen. Jede einzelne Zelle
entspricht einem Höcker der Oberfläche und trägt eine starre Borste; ihr centrales Ende liegt nach
dem Faserstrang zu, in den sie sich unmittelbar fortzusetzen scheint.
Von der Gestalt und Beschaffenheit der Zellen gewinnt man erst durch Isolationspräparate
eine richtige Vorstellung. Dieselben gelingen sehr schwer, da die ganze Hörpapille von einer
derben Cuticula überzogen ist, welche die einzelnen Bestandteile fest vereinigt. An macerirten
Cuninen, an denen alle Organe fast von selbst auseinanderfallen, bleiben die Elemente der Hör-
papille im Zusammenhang und können nur mit Mühe von einander gelöst werden. Meist erhält
man selbst bei lange fortgesetztem Zerzupfen und Zerklopfen nur einzelne Zellgruppen und äusserst
selten völlig isolirte Zellen. Diese bestehen fast allein aus dem stäbchenförmigen sehr langen Kern,
der von einer dünnen Schicht Protoplasma umhüllt wird (Taf. I. Fig. 10). Das periphere Ende
hängt gewöhnlich fest an der Cuticula, das centrale verlängert sich in 1 — 2 feine Fortsätze, welche
wahrscheinlich in den in der Axe der Papille verlaufenden Nervenstrang übergehen. Nach der
Basis der Papille zu werden die Epithelzellen protoplasmareicher und breiter und vermitteln so
allmählich den Uebergang zu den Sinneszellen, welche den Nervenring bedecken.
Das von der Hörpapille entspringende Hörkölbchen besteht, wie es namentlich Carmin-
osmiumpräparate schön zeigen, aus zwei Theilen, der Axe und dem epithelialen Ueberzug. In
ersterer können wir stets nur zwei Zellen nach weisen, eine kleinere im schmalen Abschnitt, eine
grössere im kugelig verbreiterten Ende. Letztere umschliesst die Concretion (o) oder den Oto-
lithen, einen stark lichtbrechenden Körper von undeutlich krystallinischer Beschaffenheit. Die
hexagonalen Flächen des Krystalls gehen auch hier mit abgerundeten Kanten in einander über
und sind oft so wenig ausgeprägt, dass man bei oberflächlicher Betrachtung glauben würde, einen
einfach runden Körper vor sich zu haben. Neben dem grossen Krystall finden sich ab und zu
1 — 2 kleinere krystallinische Körperchen. Säuren lösen die Zelleneinschlüsse bis auf das ihnen zu
Grunde liegende organische Substrat völlig auf. — Die Zellen des Epithels sind über der Con-
cretion flache Plättchen und gehen nach der Basis zu allmählich in einige wenige cubische Ele-
mente über.
Bei macerirten Sinneskörpern gelingt es auch bei der Cunina sol maris wie bei den übrigen
Aeginiden, den epithelialen Ueberzug loszulösen, um die Axenzellen zu isoliren (Taf. II. Fig. 12).
Dieselben werden von einer faserigen Membran umhüllt, welche da, wo die beiden Zellen aneinander-
stossen, in einen Fortsatz übergeht. Der Fortsatz tritt in das Innere der Hörpapille ein und kann,
wenn die Elemente derselben durch Maceration gleichfalls entfernt sind, noch weiter bis zur Mem-
bran verfolgt werden, welche dem Nervenring zur Unterlage dient. Es ist möglich, die Isolation
so weit fortzusetzen, dass nichts übrig bleibt als diese Membran und der mit ihr durch den Fortsatz
verbünde Axentheil des Hörklöppels. Ist bei der Isolation der Zellstrang, welcher den rückgebildeten
5*
36
Ringkanal vorstellt, erhalten gebliehen, so bemerkt man in ihm die Anschwellungen, die er ent-
sprechend der Basis der Hörorgane bildet (r).
Wie bei den beiden anderen Aeginiden ist es uns auch bei Cunina sol maris geglückt Quer-
schnitte anzufertigen, welche den Sinneskörper seiner ganzen Länge nach spalten. Da indessen
die Resultate im Wesentlichen mit den von Cunina lativentris und Aeginopsis mediterranea erhal-
tenen übereinstimmen, genügt es hier einfach, auf die Abbildung (Figur 8. Tafel I) zu verweisen.
Wenn wir zum Schluss die Sinneskörper der genannten drei Aeginidenarten unter einander
vergleichen, so können wir überall einen in den Grundzügen übereinstimmenden Bau nachweisen.
An einer Stelle verdickt sich der Nervenring zu einem Wulst, dem Hörpolster, einem Haufen Sinnes-
zellen, die mit besonders langen Haaren oder Borsten ausgestattet sind. Von diesem Wulst erhebt
sich ein cylindrischer Körper, das Hörkölbchen, das aus Axenzellen und Rindenzellen besteht. Die
ersteren entstammen aus dem Entoderm, wie bei Cunina lativentris die Entwicklung lehrt und bei
den übrigen aus dem anatomischen Zusammenhang geschlossen werden kann., die letzteren sind
Ektodermzellen.
In der Ausbildung der einzelnen Tlieile ergeben sich Verschiedenheiten. Auf der einen Seite
steht Cunina lativentris mit wenig entwickeltem Hörpolster, dagegen mit einem ansehnlichen Hör-
klöppel, auf der anderen Seite steht Cunina sol maris. Hier ist das Hörpolster zu einer Hörpapille
differenzirt, während der Hörklöppel rückgebildet erscheint, indem seine Grösse und die Zahl der
ihn bildenden Elemente sich verringert hat. In letzter Hinsicht ist hervorzuheben, dass der
entodermale Tlieil, die Axe, nur aus zwei Zellen sich zusammensetzt. Aeginopsis endlich nimmt,
in jeder Hinsicht eine vermittelnde Stellung ein. Das Hörpolster erinnert mehr an Cunina lativentris,
der Hörklöppel dagegen ähnelt mehr dem der Cunina sol maris, und zwar besonders darin, dass
nur zwei Axenzellen vorhanden sind.
Literatur. Da die Gehörorgane der Aeginiden zahlreich am Schirmrand vertheilt sind, eine
beträchtliche Grösse erreichen und daher über die Oberfläche nicht unbedeutend hervorragen, so ist
es begreiflich, dass sie verhältnissmässig früh die Aufmerksamkeit der Beobachter auf sich gelenkt
haben. Schon Eschscholz (26) hat sie bei einigen Arten wahrgenommen; denn wenn derselbe bei
der Aegina citrea den Rand der Schirmlappen „mit vielen körnerartigen Zipfeln versehen“ sein
lässt und ebenso bei Cunina globosa „drei körnerartige Zipfel am Rand eines jeden der 10 halb-
mondförmigen Lappen“ beschreibt, so kann er hiermit nichts Anderes als die Gehörkölbchen der
genannten Medusen gemeint haben.
Die Angaben von Eschscholz sind völlig unbeachtet geblieben, da derselbe sie nicht durch
Zeichnungen erläutert hat und auch nicht auf die Beziehungen seiner „körnerartigen Zipfel“ zu
den schon seit langem bekannten Randkörpern der Acraspeden aufmerksam geworden war; so
kam es denn, dass die Gehörorgane der Aeginiden erst 15 Jahre später durch die Untersuchungen
Will’s allgemein bekannt geworden sind. An der Polyxenia flavescens beobachtete Will (86) die
Gehörkölbchen und die in ihnen enthaltenen Concretionen und hebt bei der Schilderung des Baues
hervor, dass jene „doppelte nah an einander liegende Randschatten“ besitzen. Dies letztere lässt
sich wohl nur so erklären, dass Will damals schon ein undeutliches Bild von der Zusammensetzung
des Kölbchens aus einer Rinden- und Axenschicht erhalten hat. Der von Will gegebenen Dar-
stellung haben die zum Theil beträchtlich später erschienenen Untersuchungen Kölliker’s (51),
Leuckart’s (58) und Mc. Crady’s (63) nichts wesentlich Neues hinzugefügt; alle drei deuten die
Körper als Gehörorgane und halten sie für Bläschen mit Otolithen, Leuckaet nennt sie geradezu
Hörbläsclien, Mc. Crady otolithic cysts.
37
Ausführlicher hat sich Gegenbaue (32 und 33) mit den Gehörorganen der Aeginiden be-
schäftigt, die er mit dem indifferenten Namen der Randkörper bezeichnet, um die Frage nach ihrer
functionellen Bedeutung unentschieden zu lassen. Da er die Otolithenzelle , welche am Ende eines
stielförmigen Fortsatzes (des Hörkölbchens) sich befindet, für ein Bläschen hält, stellt er den sitzen-
den Randbläschen der übrigen Medusen die der Aeginiden als gestielte gegenüber. Die Stielchen
lässt er zumeist, da er auf die Anschwellung des Hörpolsters nicht aufmerksam geworden war,
direct von der Oberfläche des Schirmrands entspringen, nur bei den Arten, bei denen sich das Hör-
polster zu der ansehnlicheren Hörpapille umgebildet hat, erwähnt er dieselbe als einen besonderen
Theil des Randkörpers; so soll bei Aegineta hemisphaerica und A. flavescens „das Randbläschen
auf dem breiten Ende einer umgekehrt conischen Papille sitzen“, bei Aegineta sol maris (unserer
Cunina sol maris) soll diese „Papille glockenförmig sein und das längliche oder kolbige Bläschen
aus der Vertiefung derselben, wie etwa der Schwengel einer Glocke, hervorragen“. Besonders
wichtig aber ist die Angabe, dass die Papille der Aegineta sol maris „aus Zellen bestehe, von denen
eine jede mit einer starken Wölbung über die Oberfläche hervorragt und regelmässig ein langes nach
abwärts gerichtetes Wimperhaar trägt“. Es ist dies die erste Beobachtung der Hörhaare bei Cunina,
wenn auch Gegenbaue, ausgehend von der irrigen Auffassung, dass die Concrementzelle allein dem
Hörbläschen der Mollusken gleichzusetzen sei, die physiologische Bedeutung der Wimpern verkannte.
Die Angaben Gegenbaue’s über die Anwesenheit von Wimpern auf der Hörpapille mancher
Cuninen wurden von Kefeestein und Ehlees (47) bestätigt und erweitert. Gleichzeitig theilten die
genannten Forscher Genaueres über die schon von Will angedeutete, später aber nicht weiter be-
achtete Zusammensetzung des Hörkölbchens aus zwei Theilen mit, indem sie den Axenstrang als
einen „Kanal“ schildern, „der in den Hohlraum übergeht, welcher den Otolithen enthält“.
In Uebereinstimmung mit Kefeestein und Ehlees unterschied Feitz Müllee (69) in einer
gleichzeitig erschienenen Arbeit über die Cunina Ivoellikeri zwei Tlieile an den „Randbläschen“, die
er, „wenn sie überhaupt Sinnesorgane sind, für Augen hält“. Nach ihm „sind die Randbläschen
der Cunina umgekehrt eiförmig, sitzen mit stielförmig verdünnter Basis auf und haben meist eine
einzige rundliche oder elliptische endständige Concretion; von der Basis zieht sich ein zartcon-
tourirter, feinkörniger Strang zur Concretion, um sie becherförmig zu umfassen“. Dieser Strang
soll von einer Anschwellung des Nervenrings herkommen, einem Wulst am Schirmrand, der unserem
Hörpolster entspricht.
Die ausführlichste Schilderung der Hörkölbchen hat endlich Haeckel (37) in seiner Mono-
graphie der Rüsselquallen, in der er auch Cunina rhododactyla behandelt, gegeben. „Die Form
des Randbläschens“, heisst es daselbst, „ist cylindrisch, am freien Ende abgerundet und in der
Mitte mehr oder weniger ringförmig eingeschnürt. Die Wand des Randbläschens wird von Epithel
gebildet, das aus sehr flachen Pflasterzellen besteht. Den Inhalt bilden dicht gedrängt polyedrische
wasserhelle Zellen. In der Axe des Hörbläschens verläuft ein dünner blasser cylindrischer Strang,
der Sinnesnerv; das äussere Ende des Bläschens nimmt ein Kry stall ein, bis zu dessen Peripherie
der Nerv zu verfolgen ist. Die Krystalle scheinen ihrer Form nach dem rhombischen Krystallsystem
anzugehören.“ Das geschilderte Randbläschen soll einer Anschwellung des Nervenrings aufsitzen,
die Haeckel als Ganglienknoten beim Nervensystem bespricht, und die nach ihm aus sehr „blassen
kugeligen Zellen bestehen, ähnlich denen im Randbläschen selbst, aber kleiner“. Durch die Axe
des Ganglienknotens verläuft der Nerv. ,, Der Epithelialüberzug des Knotens besteht aus sehr kleinen
kernhaltigen polygonalen Zellen. Jede derselben scheint ein sehr langes und feines starres Borsten-
haar zu tragen, welches ungefähr ebenso lang oder länger als das Randbläschen ist. An der Basis
38
ist jede Borste ein wenig verdickt, am freien Ende läuft sie in eine kaum sichtbare Spitze aus.“
Haeckel hält die Borsten für „Tasthorsten, die vielleicht unmittelbar mit Nervenenden in Zusammen-
hang stehen“.
Der Fortschritt, der durch diese Darstellung früheren Arbeiten gegenüber gemacht worden
ist, äussert sich einerseits in der genaueren Schilderung der Hörhaare und ihren Beziehungen zum
Hörwulst, andererseits in der Beschreibung des Otolithen, dessen krystallinische Beschaffenheit zum
ersten Mal hervorgehoben wird; dagegen ist die Unterscheidung von zweierlei Bestandteilen im
Axenstrang des Hörkölbchens : von kleinen polygonalen Zellen und einem centralen Nerv, eine irr-
tümliche, ebenso wie die Annahme einer Verlängerung des Nerven in das Innere des Nervenknotens
(des Hörwulsts).
Ueber die Art und Weise, in welcher sich die Sinneskörper entwickeln, liegen nur ein paar
kurze Angaben von Mecznikow (65) vor. Derselbe beobachtete an Knospensprösslingen der Cunina
rhododactyla, dass „an jeder Magentasche ein kleiner brustwarzenförmiger Anhang zu bemerken ist,
welcher aus Entodermzellen bestehend, die Anlage des neuen Randkörperstrangs repräsentirt “.
Mecznikow hat somit einen der wichtigsten Punkte in der Anatomie der Randkörper, den Bau und
die Entwicklung des Axenstrangs richtig erkannt; um so mehr ist es zu verwundern, dass er in
demselben Aufsatz die homologen Theile einer anderen Aeginide ganz anders entstehen lässt. Bei
Polyxenia flavescens Will (Gegenbaur’s Aegineta flavescens), deren Gehörorgane denen der Cunina
sol maris gleichen, sollen „ an einer dreitägigen Larve zwei höckerartige Rudimente, die sogenannten
Sinnesbläschen, entstehen, welche weiter Nichts als Ektoderm Wucherungen seien; bald nach dem
Auftreten der Rudimente käme in jedem derselben ein rundes blasses Körperchen zum Vorschein,
in dem man die Anlage des späteren kugelförmigen sogenannten Otolithen erkennen könne “. Wenn
wir nun auch selbst die Entwicklung des Organs hei Cunina sol maris nicht verfolgt haben, so
glauben wir doch, gestützt auf den Bau desselben, behaupten zu können, dass die letztere Dar-
stellung Mecznikow’s nicht richtig sein kann, dass vielmehr auch hier die zwei Zellen des Axen-
strangs aus dem Entoderm abgeleitet werden müssen.
2. Trachynemidae.
Die Familie der Trachynemiden , welche zuerst von Gegenbaur (33) aufgestellt wurde, um-
fasste ursprünglich die Gattungen Trachynema und Rhopalonema. Wir vereinigen noch ferner mit
ihr die Aglauriden, die Gegenbaur in seinem System den Eucopiden zugerechnet hat. Wir folgen
hierin dem Vorgang von Alex. Agassiz (2), Haeckel (38) und Mecznikow (64), die auf die nahe
Verwandtschaft, welche zwischen Aglaura und Trachynema herrscht, schon hingewiesen haben. In
ihrem ganzen Habitus zeigen die Trachynemiden eine grosse Aehnlichkeit mit manchen Vesiculaten,
in deren Nähe sie auch Gegenbaur gestellt hat; trotzdem besteht zwischen ihnen eine tiefe Kluft,
wenn man ihre Entwicklung und den Bau einzelner wichtiger Organe in das Auge fasst. Während
die Vesiculaten von Hydroiden aufgeammt werden, besitzen die Trachynemiden eine directe Ent-
wicklung, wie Gegenbaur (33) bei Trachynema ciliatum nachgewiesen hat. Sie schliessen sich
hierdurch an die Aeginiden und Geryoniden an. Zweitens aber spricht sich diese Zusammenge-
hörigkeit auch noch in der Beschaffenheit der Gehörorgane ganz unverkennbar aus.
Aus der Familie der Trachynemiden haben uns zwei Arten zur Untersuchung gedient:
Rhopalonema velatum (Gegenbaur) und Aglaura hemistoma (Pdr. Les.). Von diesen fanden
39
wir die letztere seltener und nie in geschlechtsreifem Zustand , erstere dagegen erhielten wir während
des ganzen Winters in grosser Menge. Hierdurch und weil die eingefangenen Exemplare sich auf
den verschiedensten Entwicklungszuständen befanden, wurde uns diese Species für unsere Unter-
suchung besonders werthvoll.
a. Die Anatomie des Schirmrands der Trachynemiden.
Die Glocke der Trachynemiden, welche bei Rhopalonema sehr flach, bei Aglaura sehr hoch
gewölbt ist, wird an ihrem äusseren Rande von einem dicken Epithelwulst bedeckt, in dem sich
zahlreiche Nesselzellen vorfinden (Taf. X. Fig. Iund2w). Wir werden denselben daher im Fol-
genden als Nesselwulst bezeichnen. Ueber seine Mächtigkeit, seine Lage und histologische
Beschaffenheit gewinnt man einen richtigen Einblick allein an feinen Durchschnitten durch den
Mantelrand, die sich trotz der Kleinheit und Zartheit des Objectes bei einem geeigneten Einschluss-
verfahren nicht schwer gewinnen lassen (Taf. III. Fig. 1 und 2 w).
Der Nesselwulst wird von drei Flächen, einer unteren, einer inneren und einer äusseren
begrenzt; die beiden ersteren sind mehr oder minder gerade und stossen etwa unter einem rechten
Winkel zusammen, die äussere dagegen ist gekrümmt und zwar stärker bei Aglaura als bei Rhopa-
lonema. Es hängt dies damit zusammen, dass bei jener (Taf. III. Fig. 1 w) der Nesselwulst über-
haupt eine bedeutendere Stärke als bei dieser (Taf. III. Fig. 2 w) besitzt. Seine untere Fläche ruht
bei beiden auf dem Anfangstheil des Velum, die innere grenzt an den Ringkanal (r) und den
Rand der Schirmgallerte, die äussere ist frei und liegt in der Verlängerung der gewölbten Aussen-
fläclie des Schirms. Sie ist besonders abwärts nach dem Velum zu mit vielen Flimmerhaaren be-
deckt. An seinem oberen Rande geht der Nesselwulst in das einschichtige Plattenepithel der
Glocke (d1), an seinem unteren Rande in die gleichfalls einschichtige Lage der platten Epithelzellen
über, welche die Oberfläche des Velum (v) bedecken. Dieser Uebergang ist aber kein allmählicher,
sondern erfolgt plötzlich, indem mit einer scharfen Linie der einschichtige Epithelüberzug einsetzt.
Der Nesselwulst ist aus einer bedeutenden localen Wucherung des Ektoderms entstanden; er wird
aus einem kleinzelligen Epithelialgewebe gebildet, welches durch und durch von kleinen Nessel-
kapseln (z) durchsetzt ist. Dieselben liegen meist in der Längsrichtung des Wulstes und gewahrt
man daher in den dargestellten Figuren nur ihre Querschnitte. Da diese eigenthümliche Gewebs-
form auch bei den Geryoniden wiederkehrt, wo die zelligen Elemente eine beträchtlichere Grösse
besitzen, so sei ihre genauere histologische Beschreibung auf diesen späteren Abschnitt verschoben.
Unterhalb des Nesselwulstes entspringt das Velum (v) nach aussen vom Ringkanal (r). Es
bildet eine glatte Lamelle von solcher Feinheit, dass sich nur schwer ein Querschnitt durch sie an-
fertigen lässt. Gleichwohl sind an ihr vier gesonderte Lagen zu unterscheiden: Eine obere in der
Verlängerung des Nesselwulstes liegende Lage dünner polygonaler Zellen, eine feine Stützlamelle,
eine Schicht von Ringmuskelfibrillen und unter diesen wieder eine Decke von sehr platten Epithel-
zellen. Die beiden letztgenannten Schichten sind unterhalb des Nesselzellenwulstes, wo das Velum
in die Subumbrella übergeht, verändert (Taf. III. Fig. 1 — 3. 5. 11 nr2). Es fehlt hier die Ringmuskel-
lage, dagegen zeigt die Epithelschicht eine geringe Verdickung, so dass sie auf dem Durchschnitt
eine leichte Plervorwölbung an der unteren Velumseite bedingt.
Die drei unteren Schichten des Velum finden sich in ähnlicher Weise in der Subumbrella
wieder. Auf einer dünnen homogenen Stützlamelle liegt eine Schicht ringförmig angeordneter quer-
gestreifter Muskelfibrillen (Taf. III. Fig. 1 — 3, 5 m1) und auf diese folgt wieder ein sehr zartes
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Plattenepitliel (d2). Zu diesen drei Schichten tritt aber in der Subumbrella noch ein neues Element
hinzu in der Form von acht radial verlaufenden Faserzügen (Taf. X. Fig. 1 mr). Dieselben
lassen sich hei Rhopalonema nach Behandlung mit Reagentien leicht nachweisen. Sie verlaufen
unterhalb der acht Radialkanäle und zwar zwischen der Ringmusculatur und dem Epithel der
Subumbrella. Die wenig zahlreichen Fasern sind in einer Schicht angeordnet, sie sind von geringer
Stärke und lassen keine Querstreifung erkennen. Befunde hei Geryonia sprechen dafür, dass die
radialen Faserzüge glatte Muskeln sind.
Bei einer Untersuchung des Schirmrands sind noch zwei weitere Organe, das Gastrovas-
cular System und die Tentakeln, in den Kreis der Betrachtung zu ziehen. Die acht aus dem
Magen entspringenden Radialkanäle (Taf. X. Fig. 1 und 2rr), welche der Lamelle der Subum-
brella von oben unmittelbar auf liegen, vereinigen sich am Schirmrand zu einem ziemlich engen
Ringkanal (r). Schon bei der Untersuchung des lebenden Objectes wird man denselben gewahr
und bemerkt man, wie seine Wände mit lebhaft schwingenden Flimmern bedeckt sind. Der Ring-
kanal füllt den Winkel aus, in welchem Nesselwulst, Yeluin und Subumbrella zusammenstossen
(Taf. III. Fig. 1 — 3. 5. 1 1 r). Er grenzt daher mit seiner unteren Wand an die Subumbrella, mit
seiner Aussenwand an den Nesselwulst und wird von beiden durch eine zarte Stützlamelle getrennt.
Seine obere und innere Fläche wird von der Gallerte des Schirms bedeckt. Die Epithelzellen des
Ringkanals besitzen an seinen einzelnen Wänden eine sehr verschiedene Form und Beschaffenheit.
Während sie an seiner oberen und unteren Wand dünne Plättchen von kaum messbarer Dicke dar-
stellen, gewinnen sie nach innen und besonders nach aussen, wo sie an den Nesselwulst angrenzen,
plötzlich an Höhe und nehmen Cylinderform an.
Die zweite Bildung des Schirmrands, auf die wir noch einzugehen haben, die Tentakeln,
gehören zu den systematisch wichtigen Charakteren der Trachynemiden , wie sie denn auch den
Namen dieser Familie veranlasst haben. Mit einer festen Axe versehen, hängen sie starr am
Mantelrande herab und zeigen eine nur äusserst gelinge Contractilität. Sie schliessen sich hierin
an die Aeginiden und an die Jugendformen der Geryoniden an.
Zahl und Form der Tentakeln ist bei Aglaura und Rhopalonema verschieden. Bei
Aglaura beläuft sich ihre Zahl auf circa 32 (Taf. X. Fig. 2 ti und tr). Die meisten dieser Ge-
bilde erreichen hier nur eine geringe Grösse und bilden kurze Stummel, die wenig über den
Schirmrand hervorragen. Sie entspringen oberhalb des Nesselwulstes (Taf. III. Fig. 11t) in der
Weise, dass zwischen der Tentakelwurzel und der Innenwand des Nessel wulstes eine tiefe Furche
sich hinzieht. An Durchschnitten lässt sich deutlich nachweisen, wie die Zellen der Tentakel-
axe (ta) mit dem Riugkanal (r) Zusammenhängen, von dem sie auch genetisch abzuleiten sind.
Die Zellen (ta) sind grosse blasige, pflanzenzellähnliche Gebilde mit wässerigem Inhalt, starren
Membranen und wandständigem Kern. Sie sind wie die Stücke einer Geldrolle einreihig in der
Tentakelaxe angeordnet. Die blasigen Knorpelzellen an der Wurzel liegen der oberen Wand des
Ringkanals unmittelbar auf und da das Lumen des letzteren fast dasselbe wie von einer Knorpel-
zelle ist, so kann der Ringkanal (r) mit einer solchen (ta) leicht verwechselt werden. Zwischen
den gleichsam verkümmerten Tentakeln sieht man meist auch einige wohl entwickelte von oft be-
trächtlicher Länge (Taf. X. Fig. 2 tr).
Bei Rhopalonema variirt die Anzahl der Tentakeln je nach dem Alter der untersuchten
Individuen. Sehr junge Formen besitzen deren nur acht, je einen am Ende der acht Radialkanäle.
Zu diesen primären radialen Tentakeln (Taf. X. Fig. 1 tr) treten im Laufe der Weiterentwick-
lung noch weitere acht hinzu, welche in der Mitte zwischen zwei Radialkanälen hervorwachsen
41
lind daher als int er radiale (ti) zu unterscheiden sind. Beim erwachsenen Thier beläuft sich
daher die Zahl der Tentakeln auf 16. Wie in Zeit und Ort der Entstehung, so sind dieselben
auch in ihrer äusseren Form verschieden. Die interradialen Tentakeln erreichen nie die Länge der
radialen, sie sind’ schmächtiger und schwellen in charakteristischer Weise an ihrem Ende keulen-
förmig an (Taf. X. Fig. 1 ti. Taf. III. Fig. 17). Die Tentakel nehmen wieder ihren Ursprung ober-
halb des Nesselwulstes, aber in der Weise, dass ihre Wurzel von der inneren Seite des letzteren
überzogen wird (Taf. III. Fig. 5). Ihr Axentheil, der von derbwandigen blasigen Knorpelzellen (ta)
gebildet wird, hängt mit dem Ringkanal (r), wie Querschnitte lehren, durch einen kurzen Strang
kleiner Entodermzellen zusammen. Die Knorpelzellen werden von einer dünnen Stützlamelle ein-
gehiillt, auf deren Oberfläche der Länge nach feine Muskelfibrillen verlaufen. Das Ektoderm,
welches dieselben bedeckt, ist einschichtig und aus cubischen Zellen zusammengesetzt.
Nach dieser vorläufigen Orientirung über den Bau des Schirmrands im Allgemeinen wenden
wir uns zur genaueren Analyse der wichtigsten Bildungen desselben, des Nervensystems und der
Sinnesorgane.
b. Das Nervensystem der Trachynemiden.
Für die Untersuchung des Nervensystems ist Rhopalonema vor Aglaura bei weitem vorzu-
ziehen und gelten daher unsere Angaben, wenn ‘nicht das Gegentlieil besonders hervorgehoben ist,
nur für diese Art. Wenn man eine Rhopalonema mit verdünnter Essigsäure oder besser noch
mit Osmiumsäure wenige Minuten behandelt und bei starker Vergrösserung den Schirmrand be-
trachtet, so gewahrt man innerhalb des Nesselwulstes, seinem äusseren Rande parallel, einen fein-
faserigen Strang, den oberen Nervenring. Ueber die genaue Lage, Form und Grösse desselben
geben Durchschnitte durch Osmiumpräparate weiteren Aufschluss (Taf. III. Fig. 2. 3. 5). An diesen
ist der Faserstrang (nr1) als stark gebräunte, feinkörnige Stelle leicht erkennbar. Seine Stärke ist
in Anbetracht der geringen Grösse des Thieres eine ziemlich bedeutende. Er liegt etwas nach ein-
wärts vom unteren äusseren Rand des Nesselwulstes, nach unten wird er von der Stützlamelle des
Velum begrenzt, sonst aber überall von Epithelzellen umgeben. Ein bis mehrere kleine, mit
Flüssigkeit erfüllte Hohlräume (f) werden fast an jedem Schnitt in der Umgebung des Nervenrings
beobachtet.
Auch bei Aglaura gelang es uns, auf Durchschnitten das Vorhandensein des Faserstranges
nachzuweisen (Taf. III. Fig. 1 und 1 1 nr ‘). Er besitzt hier dieselbe Lage und etwa die gleiche
Stärke wie bei Rhopalonema.
Trotz der Kleinheit des Objectes ist eine vollständige Isolation des oberen Nerven-
rings möglich. Wir verfuhren hierbei in der Weise, dass von gut macerirten Exemplaren von
Rhopalonema ein abgetrenntes Stück des Schirms auf dem Objectträger flach ausgebreitet, die
Gallerte mit Nadeln von der Subumbrella, deren Stützlamelle genügenden Widerstand leistet, abge-
trennt und mit dem Pinsel der Zusammenhang der Zellen des Nesselwulstes gelockert wurde.
Längs des Schirmrands wurde darauf das Velum mit dem Rasirmesser abgeschnitten und der frei-
gelegte und gelockerte Strang des oberen Nervenrings mit Nadeln von seiner Unterlage entfernt.
Wie aus Tafel III. Figur 19, der naturgetreuen Abbildung eines solchen Präparates, zu er-
sehen ist, besteht der Nervenstrang aus zahlreichen feinsten Fibrillen, die kleine varicöse Anschwel-
lungen erkennen lassen und durch Zerzupfen auf weite Strecken vollkommen isolirt werden können.
Sie besitzen alle die gleiche Stärke, unterscheiden sich aber dadurch von einander, dass ein kleiner
Jlprtwig, Medusen.
6
42
Theil in seinem Verlauf eine spindelförmige Ganglienzelle (g) eingeschaltet zeigt. Dieselbe ist, wie
alle Zellen im Körper der Trachynemiden, von sehr geringer Grösse.
Meist wird der Nervenstrang, nachdem er freigelegt ist, auf dem grössten Theil seiner
Oberfläche noch von einer Epithellage überzogen, die sich nur schwer entfernen lässt. Es erklärt
sich dies aus einem innigeren anatomischen Zusammenhang zwischen beiden Theilen. Wenn man
sein Augenmerk auf vereinzelte Epithelzellen (Taf. III. Fig. 19 a und 20) lenkt, wie sie hier und
da am Nervenring noch anhängen, so kann man die Basis derselben in einen feinen langen Aus-
läufer übergehen und diesen seihst in die Fibrillenmenge einbiegen sehen. Dass man es hier mit
einer Epithel- und nicht mit einer Ganglienzelle zu thun hat, geht aus der Form mit Sicherheit
hervor; denn die kleinen Zellen sind cubisch, ihr peripheres Ende ist abgestutzt und mit einer
dünnen Cuticula versehen, entweder ist' es gleich breit wie der Zellenkörper oder ein wenig ver-
schmälert. Am meisten aber wird ihre epitheliale Natur dadurch bewiesen, dass eine Geissei am
freien Ende in vielen Fällen vorhanden ist. Auch bei den Trachynemiden wird daher der Nerven-
ring wie bei den Aeginiden auf einem Theil seiner Oberfläche von einem g eisseltragen den
Sinnesepithel überzogen. Auf dem Durchschnitt (Taf. III. Fig. 1—3. 5.1la) haben wir das-
selbe an der Basis des Nesselwulstes an der Uebergangsstelle in das Velum zu suchen, wo der
Nervenstrang am meisten der Oberfläche genähert ist und die Nesselzellen in sehr geringer Anzahl
entwickelt sind.
An den Stellen, wo ein Tentakel entspringt, zeigt der Nervenring beaclitenswerthe Ver-
änderungen. Einige Fibrillenbündel (Taf. III. Fig. 1 9 n) lösen sich hier von ihm ab und bilden,
indem sie durch Querzüge sich untereinander verbinden , eine Art Flechtwerk unter dem Epithel
der etwas verdickten Tentakelbasis.
Der obere Nervenring ist indessen nur ein Theil des centralen Nervensystems der Trachy-
nemiden. Wenn man an einem wie oben hergerichteten Präparat von seiner oberen Fläche den
Nesselwulst und alle übrigen Theile durch Abpinseln entfernt, so wird man an der freigelegten
Stelle unterhalb der Stützlamelle des Velum einen zweiten, aber ungleich schwächeren Faserzug,
den unteren Nervenring, bemerken. Derselbe ist gleichfalls mit Präparirnadeln vollständig zu
isoliren (Taf. III. Fig. 18). Er enthält eine weit geringere Anzahl feiner Nervenfihrillen , die zu
einem bandartig dünnen Strang angeordnet sind, zeichnet sich aber dadurch vor dem oberen
Nervenring aus, dass in seinen Verlauf eine grössere Anzahl von kleinen Ganglien-
zellen (g) eingeschaltet sind. Dieselben besitzen eine charakteristische Gestalt und Anordnung.
Nach der Stützlamelle zu, der sie unmittelbar auf liegen, sind sie abgeplattet, dagegen bilden
sie einen buckelförmigen Vorsprung gegen das dünne Plattenepithel, von welchem der untere
Nervenring auf seiner freien Fläche überzogen wird. Fast alle Ganglienzellen verlängern sich
nur in zwei feine Fortsätze, die von ihrer abgeplatteten Fläche nach entgegengesetzten Richtungen
entspringen.
Auch an feinen Durchschnitten ist der bandförmig dünne Faserstrang, wenngleich weniger
deutlich als das stärkere obere Bündel nachzuweisen (Taf. III. Fig. 2. 5. llnr2). Er nimmt gerade
die Mitte in dem schon früher erwähnten Streifen ein, durch welchen die Ringmusculatur des
Velum und der Subumbrella unterbrochen wird, und bedingt hier jene schwache Hervorwölbung
des Epithels, welche an der unteren Seite des Velum' gerade unterhalb des Nesselwulstes wahr-
zunehmen ist.
Ueber die weitere Verbreitung der Nervenfibrillen im Velum und in der Subumbrella erhielten
wir bei den Trachynemiden keinen Aufschluss.
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c. Die Sinnesorgane der Tracliynemiden.
Die Tracliynemiden, welche sich in allen ihren Bewegungen durch eine grosse Lebhaftigkeit
auszeichnen, sind mit Sinnesorganen ziemlich reichlich ausgestattet. Wir haben hier Gehör- und
Tastorgane auffinden und auf ihren Bau genau untersuchen können.
1. Die Gehörorgane beanspruchen in mehrfacher Hinsicht unser besonderes Interesse, da
sie bei den einzelnen Gattungen der Tracliynemiden in verschiedener Weise entwickelt sind und
uns Formzustände darbieten, durch welche die Gehörorgane der Aeginiden und der Geryoniden als
Endglieder einer Entwicklungsreihe unter einander verknüpft werden.
Aehnlich wie bei den Aeginiden sind die Gehörorgane von Aglaura beschaffen (Taf. X.
Fig. 2hk. Taf. III. Fig. 1 und 14hk). Bei jungen Thieren sind deren vier vorhanden, bei älteren
dagegen steigt ihre Anzahl auf acht. Sie liegen immer in der Mitte zwischen zwei Radialkanälen
zwischen der Basis von zwei Tentakelstummeln. In ihrer Form gleichen sie am meisten den Hör-
kölbchen von Aeginopsis mediterranea, so dass wir ihnen den gleichen Namen geben werden.
Wie dort, sind es kleine ovale Körperchen, die frei vom Schirmrand in das Wasser ragen (Taf. III.
Fig. 14). Durch einen kurzen dünnen Stiel sind sie etwas oberhalb des Velum auf der freien
Fläche des Nesselwulstes befestigt. Bei der mächtigen Entwicklung desselben können sie leicht
vollständig verdeckt und daher übersehen werden.
Die Hörkölbchen werden in der bei Aeginopsis beschriebenen Weise von einem Axentheil
und einem epithelialen Ueberzug gebildet. Der bimförmig beschaffene Axentheil führt in
seinem abgerundeten Ende einen einzigen grossen, kugelförmigen Otolithen, der schon in dünnen
Säuren sich auflöst. Er enthält Alles in Allem nur zwei Zellen, deren Kerne bei Reagentien-
behandlung sichtbar werden; von diesen hat die am Ende des Kölbchens gelegene den Otolithen
ausgeschieden. Beide Zellen werden zusammen von einer feinen Membran überzogen, die sich als
dünner Faden in den Stiel hinein verlängert und auch in den Nesselwulst noch weiter verfolgt
werden kann. Das Epithel des Hörkölbchens ist einschichtig, oberhalb des Concrementes
stark abgeplattet, dagegen an den Seiten ringsum von cubischer Gestalt und hier mit langen Geissel-
haaren versehen. Auch die Zellen des Nesselwulstes zeichnen sich in der Umgebung des Hör-
kölbchens durch den Besitz von solchen langen Geisselhaaren aus.
Ueber die Art und Weise, wie der Stiel des Hörkölbchens an dem Nesselwulst befestigt ist,
haben wir an feinen Durchschnitten durch den Mantelrand von Aglaura weiteren Aufschluss erhalten
(Taf. III. Fig. 1). An solchen liess sich feststellen, wie der dünne Faden, mit welchem die Mem-
bran des Axentheils sich in den Stiel verlängert, in den Nesselwulst selbst eindringt und mit der
unter ihm gelegenen Stützlamelle verschmilzt, welche sich zwischen ihn (w) und den Ringkanal (r)
einschiebt. Auf diesem Weg verläuft der Faden mitten durch den Nervenring (nr1) hindurch
und theilt denselben in eine kleinere obere und eine grössere untere Partie. Die Befestigung
des Hörkölbchens findet daher auch hier vollkommen in der bei den Aeginiden beschriebenen
Weise statt.
Bei allen im Laufe des Winters untersuchten Exemplaren von Aglaura hemistoma hatte kein
einziges die Geschlechtsreife erlangt. Es wäre daher möglich, dass bei älteren Thieren am Hör-
kölbchen ähnliche Veränderungen eintreten könnten, wie wir solche sogleich von Rhopalonema nach-
weisen werden. Doch will uns dies unwahrscheinlich dünken, weil auch alle anderen Forscher, die
Aglaura genauer untersucht haben, wie Gegenbaur (33), Leuckart (58) und Alex. Agassiz (2)
auch stets nur von ^„gestielten Randbläschen“ sprechen.
6:
44
Die Gehörorgane von Rliopalonema sind bei jungen und älteren Thieren verschieden
beschaffen. Sie sind dadurch für uns ein werthvolles Untersuchungsobject geworden, indem wir an
einem reichen Material die Umbildungen, die allmählich mit der Grössenzunahme eintreten, Schritt
für Schritt haben verfolgen können.
Bei sehr jungen Formen von Rliopalonema, die erst mit acht radialen Tentakeln
versehen sind, finden sich am Schirmrand vier Hörkölbchen (Taf. III. Fig. 13) vor, die ganz
die gleiche Form und Beschaffenheit wie bei Aglaura zeigen und daher nicht näher beschrieben zu
werden brauchen; sie liegen in der Mitte von zwei Radialkanälen in der Weise, dass immer je
ein Antimer übersprungen wird. Später, wenn bei dem Weiterwach stimm auch die acht interradialen
Tentakeln hervorsprossen, werden noch vier weitere Hörkölbchen und zwar eins in jedem über-
sprungenen Antimer angelegt, so dass jetzt im Ganzen acht, je eins in der Mitte eines jeden
Antimers, anzutreffen sind. Hier sind sie in geringer Entfernung von der Basis der interradialen
Tentakeln auf der Oberfläche des Nesselwulstes befestigt (Taf. X. Fig. 1 hb). Die Anzahl acht,
welche mit Constanz bei allen erwachsenen Rhopalonemen beobachtet wird, scheint nicht weiter
überschritten zu werden.
An jungen Thieren, wo die zweite Generation der Hörkölbchen noch nicht hervorgesprosst
war, haben wir in die Entstehung derselben einen Einblick gewinnen können. Wir erhielten hier
Bilder, wo in der Mitte eines Antimers der Nesselwulst zu einem kleinen Hügelchen emporgewölbt
war (Taf. III. Fig. 4). In der Mitte des Kügelchens war eine kleine Zellenpartie wahrzunehmen,
die durch eine Membran von den sie bedeckenden Epithelzellen geschieden war und an ihrer Basis
mit dem Epithel des Ringkanals zusammenhing. In einer Zelle an der Spitze der Axenpartie war
ein kleines Concrement (o) ausgeschieden. Schon aus diesen Befunden geht hervor, dass die Ent-
wicklung der Hörkölbchen bei Rliopalonema in ganz derselben Weise wie bei
Cunina vor sich geht.
Bei älteren Thieren erleidet die primitive Form des Gehörorgans, welche ganz nach dem
Aeginidentypus geschaffen ist, eine Reihe von Umbildungen, deren Endziel darin besteht, dass das
Kölbchen in ein mit Flüssigkeit erfülltes Bläschen eingeschlossen wird. Die Um-
bildung lässt sich bei einer Anzahl verschieden alter Thiere in ihren einzelnen Stadien leicht
beobachten und geschieht dieselbe in folgender Weise:
Rings im Umkreis des Ilörkölbchens findet eine Wucherung der Zellen des Nesselwulstes
statt und erhebt sich dieselbe in Form einer Ringfalte (Taf. III. Fig. 9). Es wird hierdurch ein
von Epithelzellen gebildetes und mit weiter Oeffnung versehenes Grübchen (hg) geschaffen, an
dessen Boden das Hörkölbchen (hk) befestigt ist. Mit dem otolithentragenden Ende ragt letzteres
aus der noch weiten Oeffnung hervor. Bei noch älteren Thieren vertieft sich allmählich das Hör-
grübchen. Die ringförmige Falte verlängert sich und wächst über das Kölbchen hinaus. Hier-
bei wird die vom Epithelrand umschlossene Oeffnung kleiner und kleiner (Taf. III. Fig. 12). Das
Grübchen verwandelt sich so in ein Hörbläsclien, das an seiner Fläche lange Zeit noch
ein kleines Loch erkennen lässt. Erst beim geschlechtsreifen Thier schwindet auch dieses.
Bei erwachsenen Rhopalonemen finden wir daher am Schirmrand, zur Seite der interradialen
Tentakeln, acht kleine Bläschen, die auf dem Nesselwulst befestigt sind (Taf. X. Fig. 1 hb. Taf. III.
Fig. 3 hb). Nach unten und innen werden sie von diesem selbst begrenzt. Die äusseren und die
seitlichen Wände dagegen springen frei vor und bestehen aus einer doppelten Lage flacher Epithel-
zellen, die zwischen sich eine feine Membran ausgeschieden zu haben scheinen und auf ihrer Ober-
fläche kleine Wimpern tragen (Taf. III. Fig. 1 2). Im Grunde des Bläschens erhebt sich auf dünnem
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Stiel das kleine Hörkölbchen (hk); seine Haare haben sich stärker entwickelt, sie gleichen mehr
starren Borsten und stossen mit ihren peripheren Enden an die gegenüberliegende Wand an,
so dass man auf den ersten Blick zweifelhaft sein kann, ob sie von dieser selbst oder vom
Kölbchen ihren Ursprung nehmen. Sie sind gewissermaassen wie Saiten im Flüssigkeitsraum
ausgespannt.
Auf Durchschnitten lässt sich noch nachweisen, dass in unmittelbarer Nähe des Bläschens,
ein wenig nach einwärts und unten von ihm der starke obere Nervenring verläuft (Taf. III. Fig. 3 nr ').
Literatur. Die Gehörorgane der Trachynemiden , über welche in der Literatur nur wenige
und kurze Angaben vorliegen, sind wohl zuerst von Leuckart (58) und Gegenbaur (33) wahr-
genommen worden. Leuckart hat sie bei Aglaura Peronii und Calyptra umbilicata (Rhopalonema)
beobachtet und bei ersterer als kurze und tentakelartige Fortsätze beschrieben, in deren äusseres
kolbenförmiges Ende ein sphärischer Otolith eingebettet ist, der von einer dicht anliegenden Zelle
umschlossen wird. Bewegungen hat er am Otolitlien ebensowenig als bei anderen Scheibencpiallen
erkennen können. Trotzdem bezeichnet er den tentakelartigen Fortsatz, auf dessen morphologische
Verwandtschaft zu den Randfäden er aufmerksam macht, als ein Hörbläschen.
Gegenbaur, dessen Untersuchungen den von Leuckart angestellten unmittelbar folgten, hat
in seinem System der Medusen bei den Trachynemiden zwei Arten von Gehörorganen beobachtet.
Die eine Form, welche bei Aglaura und Trachynema vorkommt, führt er als gestielte Rand-
bläschen auf und unterscheidet sie durch dieses Beiwort von den am Schirmrand unmittelbar
aufsitzenden runden R a n d b 1 ä s c h e n von Rhopalonema.
Beide Forscher haben irriger Weise die tentakelartigen Bildungen bei Aglaura als Hörbläs-
chen aufgefasst und sind hierdurch noch in den zweiten Fehler verfallen, dass sie das Hörkölbchen
von Aglaura nicht dem ihm identischen Kölbchen, welches bei Rhopalonema in ein echtes Bläschen
eingeschlossen ist, sondern dem letzteren selbst verglichen haben. Es erklärt sich dieser Irrthum
aus dem Bestreben, die Randkörper der Medusen auf das Schema zurückzuführen, welches man
sich, ausgehend von den Würmern und Mollusken, schon früher von den Gehörorganen wirbelloser
Thiere gebildet hatte. Indem Leuckart und Gegenbaur die aus phosphorsaurem Kalk bestehenden
Concremente der Medusen mit den Otolitlien der Mollusken etc. für identisch hielten, entstand in
ihnen unwillkürlich zugleich auch die Vorstellung, dass der Otolith wie dort in einen bläschen-
förmigen Raum eingeschlossen sein müsse. Sie verglichen daher die das Concrement bei Aglaura
unmittelbar umschliessende Hülle, trotz des mangelnden Hohlraums der Wand der echten Hörbläs-
chen von Rhopalonema und anderen wirbellosen Thieren. Für sie besteht ein Unterschied zwischen
beiden nur darin, dass in dem einen Fall die Bläschen dem Schirmrand unmittelbar aufsitzen, in
dem anderen Falle dagegen gestielt sind.
Von dieser irrthiimlichen Vergleichung morphologisch ganz verschiedener Theile haben sich
alle nachfolgenden Untersucher nicht frei machen können. So erklärt Alex. Agassiz (2) die Ge-
hörorgane von Trachynema digitale, welclie wie bei Aglaura beschaffen sind, als Randbläschen
(marginal capsules), die durch einen kurzen Stiel am Ringkanal befestigt sind.
Auch Fritz Müller (71) und Haeckel (37), welche den Bau der bläschenförmigen Rand-
körper der Trachynemiden am genauesten untersucht haben, sind in der Auffindung der morpho-
logischen Vergleichspunkte nicht glücklicher als ihre Vorgänger gewesen.
Fritz Müller beschreibt bei Aglauropsis Agassizii, einer von ihm neu entdeckten Art, ganz
richtig, dass sich von dem Grund des Bläschens auf einem kurzen dünnen Stiel ein blasser, nicht
hohler, bimförmiger Körper erhebt, der bis in die Mitte der Blase reicht und in dessen Ende ein
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kugeliger stark lichtbrechender Stein zur Hälfte eingesenkt ist. Gleichwohl hält er unter dem Ein-
fluss der alten Anschauung das ganze bläschenförmige Gebilde für morphologisch gleichwerthig dem
Hörkölbchen der Aeginiden , von welchem er es auf eine eigen tliümliclie Weise abzuleiten sucht.
Im anatomischen Befund stimmt Haeckel, der Rhopalonema umbilicatum untersucht hat, mit
Fritz Müller überein. Die einzelnen Theile deutet er wie bei Geryonia. Das verdickte otolitlien-
bergende Ende des Kölbchens, welches in der Mitte des geräumigen Randbläschens vorragt, erklärt
er für ein Sinnesganglion und seinen verdünnten basalen Tlieil als einen die Bläschenwand von
unten her durchbohrenden Sinnesnerven. Was Haeckel als Sinnesganglion bezeichnet, sind nach
unseren Untersuchungen die Hörzellen, der Sinnesnerv aber ist die fadenförmige Verlängerung des
Axentheils, durch welche das Hörkölbchen mit der Stützlamelle des Ringkanals zusammenhängt.
Beide Forscher erheben auf Grund ihrer Untersuchungen gegen die Deutung der Randkörper
der Medusen als Gehörorgane Bedenken. Am entschiedensten äussert sich Fritz Müller und macht
er namentlich mit Recht dagegen geltend, dass er und alle anderen Forscher keine Hörhaare nach-
gewiesen haben, und dass die Steine nicht wie bei den Mollusken und Rippenquallen in Schwingung
versetzt werden können. Er stimmt daher der AGASsiz’schen Auffassung bei, nach welcher die
Randkörper der Medusen Augen sind (siehe Literatur über die Acraspeden) und erblickt in
dem Concrement eine Linse. „Wenn die Hydroidquallen“, so äussert er sich, „überhaupt
gegen Licht empfindlich sind, so muss dieses durch die Randbläschen zur Wahrnehmung gebracht
werden. Das Licht muss an der Oberfläche der Blase, es muss zum zweiten Male an der Ober-
fläche des Steins gebrochen werden, es muss auf das Ende des die Kugel umfassenden Stieles
stärker wirken, als auf jede andere Stelle der Qualle.“
Auf die Auffassungsweise von Haeckel werden wir bei der Besprechung der Geryoniden-
literatur erst näher eingehen.
Endlich ist noch Allman (7) hier anzuführen, der sich gegen die Darstellung von Fritz
Müller ausgesprochen hat. Er hält es für falsch, dass bei Aglauropsis der Otolith an einem
Stielchen befestigt sein soll. Dieser Eiuwurf erklärt sich daraus, dass Allman nur Gehörorgane
von Eucope, die nach einem ganz anderen Typus gebaut sind, untersucht hat, und dass er eine
Homologie der Gehörorgane der Medusen voraussetzt, die nicht vorhanden ist. Es ist dies ein Fehler,
in welchen alle früheren Beobachter verfallen sind.
2. Tastorgane. Die zweite Art der Sinnesorgane, welche wir bei den Trachynemiden
haben unterscheiden können, vermittelt die Tastempfindungen. Als sensibel haben wir wohl alle
jene Hautstrecken zu bezeichnen, wo Epithelzellen sich finden, die auf ihrer Oberfläche mit einem
Geisselhaar versehen sind und an ihrer Basis in eine Nervenfibrille übergehen. Das Epithel am
Nesselwulst oberhalb des Nervenrings und die Flimmerzellen an den Tentakeln sind daher sen-
sibel und können als Tastorgan allgemeinster Art bezeichnet werden. Auch die Nesselzellen
mit ihren Palpocils haben wir wohl hierher zu rechnen. Von diesen Bildungen, die allen Medusen
in gleicher Weise zukommen und schon bei Besprechung des Nervensystems zum Theil ihre Er-
ledigung finden, werden wir indessen im Folgenden absehen und nur auf jene Einrichtungen unser
Augenmerk richten, die ein specifisches Gepräge tragen und daher als Tastapparate im engeren
Sinne betrachtet werden können.
Derartige Tastapparate, mit welchen die Familie der Trachynemiden, wie keine andere
Medusenabtheilung, reich versehen ist, finden sich sowohl längs des Schirmrands, als auch an den
Tentakeln vor. Am Schirmrand bezeichnen wir dieselben wegen ihrer eigentümlichen Form als
Tastkämme.
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Bei Rhopal oneraa sind die Tastkämme stets paarweise angeordnet. Je zwei liegen an
der Basis der acht radialen nnd der acht interradialen Tentakeln (Taf. III. Fig. 17 k) und je zwei
in den Zwischenräumen zwischen diesen (Taf. III. Fig. 15 k). Der Schirmrand ist daher im Ganzen
mit 32 Paar oder mit 64 einzelnen Tastkämmen versehen. Dieselben bestehen aus kleinen Zellen-
wucherungen am unteren Rand des Nesselwulstes, die nach aussen auf das Velum iihergreifen und
kleine zipfelförmig gestaltete Hervorragungen daselbst bedingen. Sie schneiden nach aussen mit
einer graden Linie ab und tragen längs derselben etwa 20 lange starre Borsten, die dicht aneinander
gedrängt und in einer Ebene angeordnet sind. Letztere lassen sich daher den Zähnen eines Kammes
vergleichen.
Die horstentragenden Ränder der zipfelförmigen Vorsprünge verlaufen schräg zur Begren-
zungslinie des Nesselwulstes in der Weise, dass die Ränder von je zwei zusammengehörigen Tast-
kämmen nach entgegengesetzten Richtungen blicken und in ihrer Verlängerung unter einem stumpfen
Winkel sich schneiden würden. In Folge dessen sind auch die Tasthorsten schräg zum Schirm-
rand gestellt und zwar divergiren sie hierbei an zwei zusammengehörigen Kämmen in sehr auf-
fälliger Weise. In der Mitte von zwei divergirenden Borstenreihen erheben sich die radialen und
interradialen Tentakeln (Taf. III. Fig. 17).
Ueber den feineren Bau der Tast kämme liess sich an Osmium- und an Macerations-
präparaten Einiges ermitteln. Die zipfelförmigen Hervorragungen besitzen auf ihrer Oberfläche
einen Ueberzug von platten polygonalen Epithelzellen (Taf. III. Fig. 8). Unter diesen bemerkt man
eine Faserung, die in der Verlängerung der Borsten nach dem Nervenring zu verläuft. Die Fase-
rung rührt von feinen spindelförmigen Zellen (a) her. Man kann sich dieselben klarer zur Anschauung
bringen, wenn man bei einem flach ausgebreiteten Macerationspräparat die Zellen des Nesselwulstes
zum Theil durch Pinseln vorsichtig entfernt. Hierbei trifft es sich, dass zuweilen auch von einem
Tastkamm die oberflächliche Schicht der platten Epithelzellen abgestreift ist. Man wird jetzt feine
fadenförmige Gebilde gewahr (Taf. III. Fig. 7 und 8 a), die in einer Schicht dicht neben einander
parallel verlaufen und an ihrem peripheren Ende je ein dunkles Korn tragen, auf dem eine Tast-
horste befestigt ist. In verschiedener Entfernung vom Rande besitzen die feinen Fäden eine kleine
Anschwellung mit einem ovalen Kern. Wir erblicken in diesen Gebilden Sinneszellen, die an
ihrem Ende auf einer verdickten Cuticula, dem oben erwähnten glänzenden Korn, mit je einer
langen Tastborste ausgerüstet sind. Mit ihrem centralen fadenförmigen Ende gehen sie wahrschein-
lich — nachgewiesen konnte es von uns nicht werden — in den nahe vorüberziehenden Nerven-
ring über.
Die Kenntniss, welche wir vom Bau der Tastkämme durch Untersuchung von Flächenbildern
und an Macerationspräparaten gewonnen haben, konnte durch Anfertigung feiner Durchschnitte noch
weiter vervollständigt werden. An einem derselben, der in Tafel III. Figur 2 dargestellt worden
ist, sieht man, wie die äussere Contour des Nesselwulstes, die sonst nach dem Velum zu steil ab-
fällt, plötzlich in der Nähe desselben umbiegt und nun in sanfter Neigung in dessen oberflächliche
Zellschicht übergeht. Der so gebildete Epithelkeil (k) am äusseren Rande des Nesselwulstes ist
der auf dem Durchschnitt getroffene Tastkamm. Es geht dies aus zwei steifen Borsten (i) hervor,
die dem Rande des Keils aufsitzen. Von dem Ursprung des Kammes ist der Durchschnitt des
oberen Nervenrings (nr1) nur wenig entfernt. Bemerkens wertli sind noch an dem vorliegenden Prä-
parat zwei in Osmiumsäure gebräunte fadenförmige Gebilde (a), die von der Basis der Tastborsten
nach dem Nervenring verlaufen und der Stützlamelle des Velum dicht auf liegen. Es sind dies zwei
von dem Schnitt getroffene Sinneszellen.
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Dieselben Tastapparate, wie bei Rliopalonema, keliren auch am Schirmrande von Aglaura
he mi stoma in gleicher Form und Lage wieder (Taf. III. Fig. 16k), Auch hier sind sie paar-
weise zur Seite der Tentakelstümpfe (t) angeordnet , indem ihre Borsten , deren Zahl uns eine be-
schränktere zu sein schien, nach entgegengesetzten Richtungen divergiren. In welcher Anzahl die
Tastkämme bei Aglaura vorhanden sind, wurde nicht ermittelt.
Das Auftreten dieser eigenthümlichen Tastapparate, welche uns von keiner anderen Medusen-
abtheilung bekannt sind, ist ein neuer Beweis für die nahe Verwandtschaft zwischen den Aglau-
riden und Rliopalonema. Es bleibt weiteren Untersuchungen Vorbehalten, festzustellen, inwiefern auch
bei anderen Trachynemiden Tastkämme am Schirmrand Vorkommen. Sollten dieselben allgemein in
dieser Familie verbreitet sein, so würde hierin ein wichtiges systematisches Merkmal gegeben sein.
Der zweite Ort, wo besondere Tastapparate zur Entwicklung gelangen, sind bei Rliopalonema
velatum die interradialen Tentakeln (Taf. X. Fig. 1 ti). Ihr keulenförmig verdickter Endtheil ist in
geringer Entfernung von seiner Spitze von einem Kranze starrer langer Borsten umgeben (Taf. III.
Fig. 17 i). Dieselben erheben sich unter rechtem Winkel von der Oberfläche der Tentakeln und sind
in drei alternirenden Reihen angeordnet. Schon von Gegenbaur (33) und Haeckel (37) sind diese
Borsten bei Rliopalonema beobachtet und für Tastapparate erklärt worden. Sie finden sich aber
nicht allein auf die Spitze des Tentakels beschränkt, sondern kommen auch noch an der Seite und
der Basis desselben vor (Taf. III. Fig. 1 7 i). An der Seite der interradialen Tentakeln verlaufen in
gleichen Abständen drei Streifen vom Borstenkranz nach abwärts. Jeder Streifen ist etwa mit
2—3 Reihen alternirend stehender, etwas kleinerer Borsten besetzt. Endlich werden noch an
der Basis des Tentakels, der von einem verdickten Epithelwall umgeben ist, lange steife Borsten
beobachtet, die sich durch ihre Rigidität und grössere Länge von den Flimmerhaaren auf dem
Sinnesepithel des Nesselwulstes unterscheiden.
An den Tentakeln von Aglaura fehlt der bei Rliopalonema beobachtete Borstenbesatz.
3. Geryonidae.
Unter den Trachymedusen zeigen die Geryoniden in ihrer Organisation den höchsten
Ausbildungsgrad. Dies spricht sich sowohl in der Entwicklung eines Magenstieles und in dem
Besitz hohler schlauchförmiger Tentakeln, als auch besonders in der Beschaffenheit ihres Nerven-
systems und ihrer Gehörorgane aus. Den feineren Bau dieser Familie, welcher in Haeckel’s Mono-
graphie (37) eine so eingehende Bearbeitung gefunden hat, suchten wir an zwei Arten, die wir ziem-
lich häufig in den Monaten Februar und März antrafen, an Carmarina hastata (Haeckel) und
Glossocodon mucronatum (Haeckel) genauer festzustellen. Es sind diese beiden Arten zu-
gleich die Vertreter der beiden Unterfamilien, in welche man seit Gegenbauk’s (33) Vorgang die
Geryoniden gespalten hat. Dieselben unterscheiden sich in dem feineren Bau der einzelnen Organe,
welche den Gegenstand dieser Abhandlung bilden, fast gar nicht von einander. Die Hauptunter-
scheidungsmerkmale beschränken sich auf die verschiedene Anzahl der Antimeren. Während bei
Carmarina hastata 6 Radialkanäle, 6 Tentakeln, 6 Geschlechtsorgane und 12 Gehörbläschen vor-
handen sind, treten dieselben Organe bei Glossocodon nur in der Vier- und Achtzahl auf. Wir
werden daher im Folgenden die zwei untersuchten Arten gemeinsam beschreiben. Dabei sei hervor-
gehoben, dass unsere Schilderung hauptsächlich auf Präparaten beruht, die von Carmarina hastata,
der grösseren und zur Untersuchung in vieler Hinsicht geeigneteren Art, gewonnen wurden,
49
a. Die Anatomie des Schirmrands der Geryoniden.
Der Schirmrand der Geryoniden ist durch eine ansehnliche Verdickung1 der dorsalen
Epithellage ausgezeichnet (Taf. X. Fig. 3 w). Es entsteht hierdurch dieselbe Bildung' , welche wir
bei Rhopalonema und Aglaura aufgefunden und als Nessel willst bezeichnet haben. Derselbe
wird von drei Flächen begrenzt (Taf. IV. Fig. 2 w), einer unteren kleineren, welche dem Velum an
seinem Ürsprung aufliegt, einer inneren Fläche, welche zum Tlieil an den Ringkanal (r), zum Theil
noch an die Gallerte des Schirmrands anstösst, und einer äusseren freien Fläche. Während die
beiden ersteren ziemlich eben verlaufen und unter einem wenig stumpfen Winkel zusammenstossen,
ist letztere mehr oder minder stark gekrümmt. Sie ist wie bei Rhopalonema nach dem Velum zu
mit vielen Flimmerhaaren bedeckt.
Der histologische Bau des Nesselzellenwulstes ist wegen der bedeutenderen Grösse der
Elementartheile bei den Geryoniden leichter als bei den Tracliynemiden zu erkennen. Wir werden
hier mit einer eigen thümlichen Gewebsform bekannt, welche wir in keiner anderen Thier-
abtheilung wieder antreffen. Am besten untersucht man dieselbe an Präparaten, die in einem
Gemisch von Osmium- und Essigsäure macerirt worden sind. Durch Zerzupfen kann man die
Zellen des Nesselwulstes dann leicht vollkommen isoliren und hierbei zwei verschiedene For-
men unter ihnen unterscheiden. Zum grössten Theil besteht der Nesselwulst aus ovalen Zellen,
die in einer eigentliümlich geschichteten Grundsubstanz eine Nesselkapsel und einen Kern bergen
(Taf. IV. Fig. 12 z). Die ansehnlichen Kapseln sind cylinderförmig und der Länge nach schwach
gebogen. Sie besitzen eine derbe doppelt contourirte Membran und einen in Osmiumsäure gebräunten
Inhalt. In diesem erkennt man bei einem Theil der Kapseln den Nesselschlauch als einen stab-
förmigen, stark glänzenden Körper, bei einem anderen Theil dagegen vermisst man ihn. Der ovale
Kern liegt der Mitte der cylinderförmigen Kapsel dicht an. Beide werden von einer in Osmium-
säure gebräunten Substanz umgeben. Dieselbe ist deutlich geschichtet und setzt sich aus feinen
Lamellen zusammen, welche sich um den Kern und die Kapsel herumlegen. Die Zellen der
zweiten Art (Taf. IV. Fig. 12 b) sind fadenförmig, enthalten einen ovalen Kern in der dicksten
Stelle ihres Körpers und sind mit langen verzweigten Ausläufern versehen. Wir werden sie von
den zuerst beschriebenen Gebilden, den Nesselzellen, als Stützzellen unterscheiden.
Die beiden Elemente des Nesselwulstes sind an feinen Querschnitten durch den Schirmrand
weniger leicht gesondert wahrzunehmen, da an Präparaten, die in Osmiumsäure erhärtet sind,
die Zellcontouren nicht deutlich werden; doch erhält man immerhin einen guten Einblick in ihre
Lagerung und Anordnung (Taf. IV. Fig. 2. 9. 10. 11). Vor allen Dingen überzeugt man sich auf
den Durchschnittsbildern von dem grossen Reichthum des Gewebes an Nesselkapseln (z). Dieselben
liegen vom Grunde bis zur Oberfläche des Nessel wulstes dicht bei einander, indem sie bald quer,
bald schräg, bald längs vom Schnitt getroffen sind. Hierbei zeigen sie eine Vertheilung in der
Weise, dass die quergetroffenen Kapseln sich mehr in der Tiefe des Nessel wulstes, die längs-
getroffenen dagegen mehr an der Oberfläche vorfinden. In ihrem Inhalt erkennt man den Nessel-
schlauch, wenn derselbe nicht fehlt, entweder als ein dunkles Korn oder als einen stabförmigen
Körper, je nachdem die Kapsel quer oder längs vom Schnitt getroffen ist. Die Kerne der Nessel-
zellen und die concentrischen Schichten der Grundsubstanz sind auf den Durchschnitten deutlich
zu sehen. Zwischen den dichtgedrängten Nesselzellen bleiben kleine Interstitien frei, welche von
den an Macerationspräparaten aufgefundenen fadenförmigen Gebilden erfüllt werden. Diese durch-
setzen den Wulst von seiner Oberfläche bis zu seiner Basis in senkrechtem Verlauf. An Durcli-
Hertwig, Medusen.
7
50
schnitten werden sie nur dadurch kenntlich, dass Kerne sich vorfinden, welche nach ihrer ganzen
Anordnung* auf eine Nesselzelle nicht bezogen werden können.
Hervorzukeben ist endlich noch , dass auf der Stützlamelle , welche den Nesselwulst nach
unten und innen abgrenzt, eine besondere Lage von kleinen Zellen vorhanden ist. Nach Analogie
mit andern Gewebsformen haben wir sie als Matrixzellen für die über ihnen liegenden Theile zu
betrachten. Durch fortgesetzte Theilung wird von ihnen ein Ersatz für die an der Oberfläche ver-
brauchten Nesselzellen geliefert. Für die oben beschriebene wechselnde Lage der Nesselkapseln,
die in ähnlicher Weise auch hei anderen Hydroiden wiederkehrt, würde sich dann folgende Deutung
ergeben. Die jüngst gebildeten sind horizontal zur Oberfläche gestellt, dann richten sie sich, in-
dem sie in die Höhe rücken, allmählich auf und kommen endlich, ehe sie in Function treten, mit
ihrer Längsaxe senkrecht zur äusseren Begrenzung des Wulstes zu stehen.
Auf Grund des hier festgestellten Baues scheint uns der Nessel wulst für den Organismus
der Geryoniden eine doppelte Bedeutung zu besitzen. Einmal dient er bei seiner reichen Aus-
stattung mit Nesselzellen als ein wirksames Vertheidigungsorgan, zweitens scheint er uns aber
auch noch dem Schirmrand als Stütze zu dienen. Die in überreicher Anzahl aneinander gefügten
derbwandigen Nesselkapseln wirken gewissermaassen wie ein Knorpelgewebe. Auch die concentriseh
geschichtete Substanz wird vielleicht eine grössere Festigkeit des Wulstes bedingen. Wenn diese
Deutung richtig ist, dann wird es auch erklärlich, warum wir in zahlreichen Nesselkapseln einen
Faden nicht auffinden konnten. In diesen hätten wir dann Gebilde zu erblicken, die ihre ursprüng-
liche Function, Verteidigungswaffen zu sein, verloren hätten, dagegen noch als Stütze dem Organis-
mus von Nutzen wären. Ferner würde die so beträchtliche Dicke des Wulstes sich besser begreifen
lassen. Denn durch den an der Oberfläche stattfindenden Verbrauch von Nesselzellen scheint uns
dieselbe nicht allein bedingt sein zu können.
Der Nesselwulst der Geryoniden ist als eigenthümliche Bildung schon früheren Beobachtern
aufgefallen. Fritz Müller (67) erwähnt ihn als ziemlich undurchsichtigen gelblichen Saum, der
dem Ringgefäss aufliegt und mehr oder weniger reichlich mit Nesselzellen bedeckt ist. Er glaubt
ihn mit Wahrscheinlichkeit als Nervenring deuten zu dürfen. Im ersten Theil seiner Monographie
der Geryoniden beschreibt Haeckel (37) den Nesselwulst als einen breiten aus Nesselzellen gebil-
deten Ring, der den Schirmrand vom Velum trennt. Im zweiten Theil kommt er ausführlicher auf
diese Bildung zu sprechen und unterscheidet er jetzt an ihr, indem er seine frühere Deutung auf-
gibt, zwei Theile, einen starken Knorpelring und ein denselben überziehendes dünnes Nesselepithel.
Den Knorpelring bezeichnet er als das Skelet des Schirmrands, er lässt ihn aus sehr kleinen Zellen
bestehen, die durch ziemlich beträchtlich entwickelte homogene Grundsubstanz von einander getrennt
sind. Die Abbildung Haeckel’s vom Knorpelgewebe der Geryoniden ist von Kölliker (52) in seinen
Icones histologicae reproducirt worden. Kölliker vergleicht nach eigenen Untersuchungen das
Gewebe der zelligen Bindesubstanz der Hydrozoen, bemerkt aber hierzu, dass an den von ihm
untersuchten Chromsäure- und Spirituspräparaten die Zellen nicht hinreichend gut erhalten waren.
Diesen Angaben gegenüber zeigen unsere Querschnitte und Isolationspräparate, dass ein knorpliges
Skelet bei Carmarina und Glossocodon nicht vorhanden ist und dass ein stark verdickter mit Nessel-
zellen reichlich versehener Epithelwulst dafür gehalten wurde.
Das Velum, welchem der Nesselwulst mit seiner unteren Fläche aufliegt, besitzt bei den
Geryoniden eine beträchtlichere Dicke, als bei den meisten Craspedoten, so dass brauchbare Durch-
schnitte hier leichter zu erhalten sind (Taf. IV*. Fig. 2. 10. 11 v). Vom Nesselwulst setzt sich das
Ektoderm (d1) in dünner einfacher Schicht auf die Oberfläche des Velum fort. Die unter dem
51
/
Epithel liegende Stützlamelle (s) ist stärker als hei allen anderen von uns untersuchten Arten
entwickelt. Sie lässt deutlich eine Zusammensetzung aus drei Schichten erkennen, aus einer
mittleren dicken gallertartigen Schicht und zwei oberflächlichen, dünnen aber resistenteren Membranen.
Nur unterhalb des Nesselwulstes und beim Uebergang in die Subumbrella ist sie stets von weit
geringerer Stärke, auch wird sie hier von kleinen Oeffnungen durchbohrt, die bei Besprechung des
Nervensystems weitere Erwähnung finden werden.
Bei Glossocodon und jungen Tliieren von Carmarina ist die Stiitzlamelle glatt, bei grossen
Exemplaren der letzteren hat sie sich dagegen in zahlreiche kleine Falten gelegt, die in einiger
Entfernung vom Schirmrand parallel zu ihm verlaufen. Die Bedeutung dieser mit dem Alter ein-
tretenden Faltenbildung ist darin zu suchen, dass hierdurch eine grössere Fläche zur Anbildung
von Muskelfasern geschaffen wird. Letztere (m2) liegen an der unteren Seite der Stützlamelle.
Auch an ihnen treten mit dem Alter Veränderungen ein. Bei jungen Tliieren besitzen die quer-
gestreiften Fasern eine mehr runde Beschaffenheit, später dagegen nehmen sie Bandform an. Die
dünnen Bänder, welche, je grösser die Carmarina ist, um so breiter werden, sind wie die Blätter
eines Buches an einander gelagert, so dass sie senkrecht zur Stiitzlamelle stehen. Die Matrix-
zellen (d2) der Muskelfaserlage haben wir in dem einschichtigen Epithelüberzug der unteren
Seite des Velum zu suchen. Bei alten Tliieren sind dieselben cylinderförmige Gebilde, sie erlan-
gen hier eine beträchtlichere Höhe im Bereich der Furchen, welche durch die Faltenbildung der
Stützlamelle entstanden sind, so dass die Unterfläche des Velum wieder eine glatte Beschaffen-
heit erhält.
In seiner Monographie der Geryoniden lässt Haeckel (37), wie auch wir gefunden haben,
das Velum aus vier Lagen zusammengesetzt sein. In der Deutung derselben ist er indessen in
einem Punkte zu einem anderen Ergebniss gelangt. Haeckel bezeichnet nämlich unsere Stütz-
lamelle als eine Radialmuskelschicht und lässt daher im Velum zwei sich kreuzende Muskelfaser-
lagen vorhanden sein. Dass dies letztere nicht der Fall ist, hat gleich darauf Kölliker (52) nach-
gewiesen, der von den vier Lamellen des Velum eine richtige Beschreibung gibt.
An der Stelle, wo das Velum an den Rand der Schirmgallerte anstösst, hängt seine Stiitz-
lamelle mit zwei weiteren dünnen, aber festen Membranen zusammen, die unter einem rechten Winkel
auseinanderweichen (Taf. IV. Fig. 2). Die eine Membran überzieht die Innenseite des Nessel-
wulstes (w) und trennt ihn vom Epithel des Ringkanals (r). Von hier setzt sie sich möglicher
Weise über die ganze Schirmoberfläche als Grundlage des dünnen Plattenepithels noch weiter fort.
Doch konnte sie hier von uns weder auf Schnitten noch in anderer Weise deutlich dargestellt werden.
Die zweite Membran dient der Subumbrella zur Unterlage und scheidet die Muskelschicht (m1)
derselben theils von der Schirmgallerte, theils von dem Epithel des Gastro vascularsystems (r2).
Die Membranen des Velum und der Subumbrella sind die festesten Tlieile im Medusen-
körper, welche den Zusammenhalt der einzelnen Elemente bewirken. Namentlich bei Carmarina
besitzen sie eine grosse Resistenz. An Macerationspräparaten gelingt es daher leicht, die Mem-
branen als gesonderte Tlieile darzustellen, wenn man mit Pincette und Pinsel die Gallerte und die
anhaftenden Epithelzellen entfernt. Auch auf feinen Durchschnitten erscheinen sie deutlich doppelt
contourirt. Früheren Beobachtern sind diese Stützlamellen entgangen bis auf Kölliker, der in
seinen Icones liistologicae (52) die Membranen und ihren Zusammenhang an einem Querschnitt
durch den Schirmrand von Carmarina nachgewiesen hat.
An der unterhalb der Stützlamelle der Subumbrella befindlichen Musculatur haben wir zwei
verschiedene Fasersysteme, ein circulär und ein radial verlaufendes, zu unter-
52
scheiden. Das erstere ist am .meisten entwickelt und besteht aus quergestreiften Muskelfibrillen,
die in einer Schicht angeordnet sind. Die circularen Fasern liegen, wie am Velum, der untern
Seite der Stützlamelle fest auf, so dass sie auch an macerirten Theilen sich nicht leicht ablösen
lassen. Sie erstrecken sich continuirlich vom Schirmrand bis zum Ursprung des Magenstiels. An
die Ringfaserlage des Velum schliessen sie sich jedoch nicht unmittelbar an, sondern werden von
derselben, wie bei allen craspedoten Medusen, durch einen Streifen Epithel getrennt, in
dessen Bereich keine Abscheidung von Musculatur stattgefunden hat (Taf. IV.
Fig. 2. 10. 11). Es ist dieser Streifen breiter als die untere Fläche des Nesselwulstes, unter welchem
er sich hinzieht und den er daher noch nach Innen und Aussen etwas überragt.
Die Ringmusculatur der Subumbrella ist nur in der Nachbarschaft des Schirmrandes eine
vollständige, darüber hinaus ist sie im Bereich der Genitalblätter unterbrochen. An beiden Rän-
dern derselben hören die Ringfasern plötzlich auf und schneiden mit einer gezackten Linie ab
(Taf. V. Fig. Im). Dies Verliältniss wird leicht verständlich, wenn man den Bau und die Ge-
nese der Genitalblätter in Erwägung zieht. Denn wie wir an einem andern Orte zeigen werden,
entstehen die männlichen und weiblichen Geschlechtsproducte aus dem Epithel der Subumbrella
an der unteren Seite der Radialkanäle. Es kann daher hier nicht zu einer Anbildung von Muskel-
fasern kommen.
Die quergestreiften Fasern zeigen uns dieselben Eigenschaften wie am Velum. Bei jungen
Thieren sind sie von mehr runder Gestalt, bei älteren werden sie dünne breite Bänder, die dicht
an einander geschichtet sind und ihre schmale Seite dem Epithel, ihrer Matrix, zukehren.
Das weniger entwickelte zweite Faser System der Subumbrella ist allein auf die
Umgebung der Radialkanäle des Gastro vascularsystems beschränkt. Hier findet sich an der untern
Seite eines jeden ein unpaarer und ein paariger Zug von radialverlaufenden Muskelfasern. Der
unpaare Muskel sträng nimmt gerade die Mitte der Unterfiäche eines Radialkanals ein; er be-
ginnt am Schirmrand und erstreckt sich bis zur Basis des Magenstiels, von hier an lässt er sich,
wenn auch in geringerer Stärke, noch weiter bis an den Magen selbst verfolgen. Bei diesem Ver-
lauf muss er natürlich auch die Genitalblätter, da sie an der unteren Seite der sich erweiternden
Radialkanäle entwickelt sind, in der Mitte durchsetzen und in eine linke und rechte Hälfte theilen.
Diese Scheidung wird um so vollständiger, als auch im Bereich der radialen Muskelfasern weder
Eier noch Spermatozoen zur Ausbildung kommen. Der Faserstrang lässt sich hier passend der
Rippe in einem Blatte vergleichen. Besonders wird man zu diesem Vergleich an Osmiumpräparaten
aufgefordert, an denen der unpaare Radialmuskel stark gebräunt wird, so dass er schon mit
unbewaffnetem Auge in der Mitte des Genitalblattes leicht zu unterscheiden ist.
Die radialen Muskelfasern finden sich in der Nähe des Schirmrandes ventralwärts von der
hier vollständig entwickelten Ringmusculatur. Von der Stelle an, wo das Genitalblatt beginnt und
die Ringmusculatur unterbrochen ist, kommen sie selbst auf die Stützlamelle der unteren Schirmseite
zu liegen.
Die paarigen Faserstränge der Subumbrella begleiten auf beiden Seiten die Radial-
kanäle. Ihren Ursprung nehmen sie aber nicht, wie der unpaare Muskel, vom Ringkanal, sondern
sie beginnen erst am proximalen Ende der Genitalblätter. Hierbei zeigen sie gerade das entgegen-
gesetzte Verhalten wie der Mittelstrang. Während dieser immer schwächer wird, gewinnen sie
dagegen mehr und mehr an Breite. Hierdurch treten an der Basis des Magenstieles je zwei be-
nachbarte Bänder paarweise zusammen und verschmelzen zu einem einzigen breiten Muskelstreifen,
der den Zwischenraum zwischen zwei Radialkanälen ausfüllt und als longitudinaler Stiel-
53
muskel von Haeckel (37) beschrieben worden ist. Die unpaaren Stränge sowohl als der aus
ihrer Vereinigung gebildete Stielmuskel ruhen überall auf der unteren Seite der Stützlamelle.
In seiner histologischen Beschaffenheit unterscheidet sich das radiale Fasersystem
gar wesentlich von dem circular verlaufenden. Während dieses deutlich quergestreifte Fibrillen
enthält, besteht jenes aus langen, glatten, vollkommen homogenen Fasern. Sie sind überall
gleichmässig stark, ziemlich glänzend, bräunen sich leicht in Osmiumsäure und sind in einer ein-
fachen Schicht parallel neben einander angeordnet.
Bei dieser indifferenten Beschaffenheit zeigen die radialen Faserzüge eine oberflächliche
Aehnlichkeit mit nervösen und bindegewebigen Theilen. Eine genauere Prüfung spricht jedoch
sowohl gegen die Annahme, dass sie Nerven seien, wie gegen ihre Deutung als Bindegewebs-
fibrillen. Für nervös können wir die Fasern nicht halten, weil sie eine grössere Stärke und eine
glattere Beschaffenheit als die aus dem Nervenring dargestellten Fibrillen besitzen, weil sie in zu
grosser Masse im Verhältniss zum nervösen Centraltheil entwickelt sind und weil in ihrem Verlauf
sich keine Ganglienzellen eingeschaltet finden. Von der Reihe der Stützsubstanzen dagegen müssen
wir die Fasern schon aus dem Grunde ausschliessen , weil sie zwischen der Ringmusculatur und
dem subumbrellaren Epithel, also mitten im Ektoderm ihren Weg nehmen und von der Stützlamelle
der Subumbrella deutlich geschieden sind. Wenn schon diese negativen Instanzen für die mus-
culöse Natur der Fasern sprechen, so lassen sich für dieselbe auch weiter noch mehrere positive
Gründe geltend machen. Einmal gleichen die radialen Fasern den glatten musculösen Elementen,
wie sie an den Tentakeln mancher Medusen gefunden werden. Besonders aber verdient bei der
Beurtheilung der Umstand hervorgehoben zu werden, dass die radialen Stränge die einzigen faserigen
Theile sind, welche am Mag’enstiel Vorkommen. Wie nun die Beobachtung lehrt, zeichnet sich der
Magenstiel durch seine ganz ausserordentliche Beweglichkeit aus, so dass wir die Anwesenheit einer
starken Musculatur an ihm voraussetzen müssen. Hierdurch scheint uns die musculöse Natur der
radialen Faserzüge sicher erwiesen zu sein.
Auf ihrer unteren Fläche wird die circulär und radial verlaufende Faser Schicht von dem Epi-
thel der Subumbrella überzogen. Dasselbe ist einschichtig und wird fast durchweg von grossen
platten Zellen gebildet; nur unterhalb des unpaaren Radialmuskels nimmt es eine eigenartige Beschaffen-
heit an. Hier finden sich grosse cubische Zellen, die mit kleinen glänzenden Körnern dicht erfüllt sind.
Ueber den feineren Bau der Subumbrella der Geryoniden handeln Haeckel (37), Kölliker (52)
und Eilhard Schulze (79). Haeckel hat zuerst die zwei Fasersysteme in der Subumbrella nach-
gewiesen und in ihrer Lagerung genauer beschrieben. Doch ist es ihm, wie später auch Eilhard
Schulze, verborgen geblieben, dass im Bereich der Genitalblätter die Ringmusculatur unterbrochen
ist und dass sie ferner am Schirmrand in die Ringmuskelschicht des Velum nicht continuirlich
übergeht, sondern durch einen breiten Epithelstreifen von ihr getrennt ist. Auf dies letztere Ver-
hältniss hat Kölliker in seinen Icones histologicae aufmerksam gemacht und dasselbe auf einem
Querschnittsbild veranschaulicht. Bei Beschreibung des radialen Muskelsystems unterscheidet Haeckel
die paarigen und die unpaaren Bänder, giebt aber hinsichtlich ihres Verlaufs und ihrer histolo-
gischen Beschaffenheit eine abweichende Darstellung. So rechnet er die Radialfasern noch den
quergestreiften Elementen zu und lässt sie zwischen der Stützlamelle und der Ringfaserschicht
verlaufen. Nach unseren Beobachtungen dagegen sind sie glatt und schieben sich zwischen das
Epithel der Subumbrella und die Ringfasern, soweit diese angelegt sind, ein.
Um die Anatomie des Schirmrandes zu vervollständigen, haben wir jetzt noch auf den Ring-
kanal und die mit ihm zusammenhängenden Gebilde, auf die Tentakeln und Mantelspangen einzugehen.
54
Der Ringkanal (Taf. X. Fig. 3 r. Taf. IV. Fig. 2 und 9 r) ist bei den Geryoniden von
ansehnlicher Weite; er liegt in dem Winkel, der vom Nesselwulst und der Subumbrella gebildet
wird, und ist von diesen durch die beiden Membranen getrennt, die mit der Stiitzlamelle des Velum
unter rechtem Winkel sich verbinden. Das Epithel des Ringkanals ist, wie Haeckel angiebt, an
der oberen und unteren Seite verschieden beschaffen. Oben nach der Gallerte zu findet sich eine
einfache Schicht sehr flacher geisseltragender Zellen (r1). Die untere Wand dagegen zeigt hohe
Cylinderzellen, deren Protoplasma von grossen Vacuolen durchsetzt ist (r2).
Von dem Schirmrand entspringen bei Glossocodon 4, bei Carmarina 6 schlauchförmige Ten-
takeln (Taf. X. Fig. 3tr). Dieselben dringen mit ihrer Basis mitten durch den Nesselwulst und
münden mit ihrer centralen Höhle in den Ringkanal ein (Taf. IV. Fig. 5). Das Epithel, welches den
Hohlraum des Tentakels auskleidet, geht unmittelbar in das Entoderm des Gastrovascularsystems
über und ebenso hängt die Stützlamelle des Tentakels mit der Membran des Nesselwulstes zusammen.
Eine eigenartige und nur den Geryoniden zukommende Bildung sind die von Haeckel als
centripetale Mantelspangen (Taf. X. Fig. 3y) beschriebenen Theile. Bei Glossocodon sind 8,
bei Carmarina 12 Mantelspangen vorhanden. Ihre Anzahl ist also doppelt so gross als die der
bleibenden Tentakeln, stimmt dagegen mit der Zahl der Larvententakeln überein, mit denen sie auch,
wie Haeckel (37) nachgewiesen hat, in genetischem Zusammenhang stehen. Wir sehen sie nämlich
bei sehr jungen Formen schon als dünne Zellstränge angelegt, welche die am Schirm hinaufgerückte
Basis der Larvententakeln mit dem Schirmrand verbinden. Wenn diese später abgeworfen werden,
bleiben sie auch beim erwachsenen Thier erhalten und können hier gleichsam als die Rudimente
der abgeworfenen Tentakeln angesehen werden.
Die Mantel Spangen entspringen zum Theil radial dicht neben den schlauchförmigen
Tentakeln (Taf. II. Fig. ly), zum andern Theil in der Mitte zwischen diesen interradial. Sie
steigen vom Nesselwulst aus eine Strecke weit an der Aussenfläche des Schirms empor, wo sie
zur Hälfte in die Gallerte eingebettet sind; am Ursprung breit, verschmälern sie sich allmählich
und enden zugespitzt. An den Mantelspangen (Taf. IV. Fig. 8 und 9) ist ein fester Axentheil (y)
und ein demselben aufliegender Muskel- und Epithelstreifen (x) zu unterscheiden. Die Spangenaxe
wird von Knorpelzellen gebildet, wie sie in ähnlicher Weise im Innern der soliden Tentakeln sich
vorfinden. Nahe dem Schirmrand liegen sie zu zweit nebeneinander, nach dem Ende zu dagegen
in einer einfachen Reihe. Die Festigkeit dieses Axentheils wird noch weiter dadurch erhöht, dass
der Streifen der Knorpelzellen von einer derben Membran (s) umhüllt wird. Die Knorpelzellen
stammen in derselben Weise wie bei den soliden Tentakeln von dem Epithel des Ringkanals ab.
Es geht dies sehr deutlich aus dem in Taf. IV. Fig. 9 abgebildeten Durchschnitt hervor, auf dem
der Axentheil (y) der Mantelspange an der Innenseite des Nesselwulstes herabsteigt und in das
Epithel des Gastrovascularsystems unmittelbar übergeht.
Soweit die Mantelspange nicht in die Schirmgallerte eingebettet ist, wird ihre Stützmembran
von einer dünnen Lage radial verlaufender Muskelfasern überzogen (Taf. IV. Fig. 8 m). Auf diese
folgt dann weiter eine Lage cubischer Ektodermzellen (x), die am Schirmrand in den Nesselwulst
übergehen und daher als Ausläufer desselben erscheinen. Auch hier finden sich zahlreiche Nessel*
zellen (z) vor. Die centripetalen Nesselstreifen, wie wir das Ektoderm der Mantelspangen
bezeichnen wollen, grenzen sich an ihren Rändern scharf gegen die platten grossen Zellen ab,
welche die Oberfläche des Schirms überziehen.
Von allen früheren Forschern hat allein Haeckel die Mantelspangen genauer untersucht und
ihre Bedeutung erkannt. Er beschreibt die Zusammensetzung derselben aus den oben genannten
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Theilen. In zwei Punkten aber können wir seinen Angaben nicht beistmimen; erstens darin, dass
er die Knorpelzellen der Mantelspangen mit dem Knorpelring, unserem Nesselwulst, und nicht mit
dem Epithel des Ringkanals Zusammenhängen lässt, und zweitens darin, dass er um das Knorpel-
skelet ein continuirliches Muskelrohr beschreibt, während in Wirklichkeit nur auf einer Seite ein
Muskelstreifen sich vorfindet. —
b. Das Nervensystem der Geryoniden.
Unter allen von uns beobachteten craspedoten Medusen ist Carmarina liastata für das Studium
des Nervensystems das am leichtesten zu handhabende und günstigste Object. Es liegt dies zum
Theil an der beträchtlicheren Grösse dieser Meduse, tlieils aber ist es auch in dem Umstand be-
gründet, dass die mächtige Entwicklung des Nesselwulstes die bessere Maceration und Isolirung
des Nervenrings gar wesentlich erleichtert. Wir sind daher hier wohl am weitesten in den feineren
Bau des Nervensystems und namentlich auch in seine periphere Verbreitung eingedrungen.
Der centrale Theil des Nervensystems ist bei Carmarina liastata nahe am Schirm-
rand auf der oberen und unteren Fläche des Velum gelagert und wird durch die Stützlamelle
desselben deutlich in zwei Abschnitte, in den oberen und den unteren Nervenring zerlegt (Taf. IV.
Fig. 2. 9 — llnr1, nr2). Im frischen Zustand bleiben diese Tlieile dem Beobachter verborgen, da
der Nesselwulst Alles verdeckt.
Um den oberen Nervenring, mit dessen Beschreibung wir zunächst beginnen wollen,
gut zu übersehen, schneide man ein kleines Stück aus dem Schirmrand einer Carmarina aus, welche
in früher angegebener Weise mit Essig-Osmiumsäure behandelt worden ist. Von dem auf dem
Objectträger ausgebreiteten Präparat entferne man die Schirmgallerte. Dieselbe lässt sich mit zwei
Nadeln von der Subumbrella, ohne diese zu verletzen, leicht ablösen und pflegt meist nur an der
Stutzlamelle des Nesselwulstes etwas fester zu haften. Dann trenne man das Velum in einiger
Entfernung vom Schirmrand mit einem Rasirmesser ab. Jetzt gilt es noch vom Nesselwulst, der
leicht in seine einzelnen Elemente auseinanderfällt, den nach oben gelegenen Theil vermittelst eines
feinen nassen Pinsels abzulösen. Wenn dieses geschehen ist, so gewahrt man schon mit unbewaff-
netem Auge in dem auf der Stiitzlamelle des Velum noch anhaftenden Theil des Nesselzellen-
gewebes einen braungefärbten Strang (Taf. V. Fig. 2nr'). Bei stärkerer Vergrösserung untersucht,
zeigt derselbe eine feinfaserige Beschaffenheit. Auch lassen sich hier und da spindelförmige Zellen
in dem Gewirr feiner Fibrillen erkennen, die parallel zum Schirmrand in gleicher Richtung, aber
unregelmässig neben einander verlaufen.
Nach aussen wird der geschilderte Fibrillenstrang von einem Epithel (a) bedeckt, das sich
von dem Gewebe des Nessel Wulstes in jeder Hinsicht unterscheidet und wie bei den Aeginiden und
Trachynemiden die Bedeutung eines Sinnesepithels besitzt. Dasselbe ist mit dem Fibrillen sträng
ziemlich fest verbunden und bleibt daher an Macerationspräparaten auch dann noch haften, wenn
man durch vorsichtiges Pinseln die gelockerten Zellen des Nesselwulstes schon entfernt hat. Auf
seiner Oberfläche ist es mit langen Flimmerhaaren besetzt, die sich am besten an einem
dem lebenden Thier entnommenen Stück des Schirmrands beobachten lassen. In seinem Bereich
scheinen Nesselzellen fast ganz zu fehlen. Charakteristisch für das Sinnesepithel ist ferner seine
kleinzellige Beschaffenheit, wodurch es sich von den umgebenden Ektodermzellen scharf
abgrenzt. Wenn man es bei starker Vergrösserung von der Fläche betrachtet, so erblickt man
kleine unregelmässige polygonale Felder, die freien Enden der mehr oder minder cylinderförmigen
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in einer Schicht angeordneten Zellen. Zwischen den kleinen Polygonen fallen ferner gebräunte
glänzende Körner von verschiedener Grösse auf. Beim Senken des Tubus lassen sich dieselben
in die Tiefe weiter verfolgen, wobei sie an Dicke gewinnen. Es sind die spitzen Enden von
Zellen, die zwischen den erstgenannten Gebilden liegen und in höherem Maasse von der Osmium-
säure gebräunt worden sind. Drittens endlich gewahrt man bei tiefer Einstellung des Tubus noch
kleinere und grössere kugelig aussehende Zellen (g), die mit ihrem peripheren Ende die freie Fläche
des Epithelstreifens nicht erreichen. Auch sie werden leicht dadurch kenntlich, dass ihr Proto-
plasma unter der Einwirkung der angewandten Reagentien ein graugrünes Colorit angenommen hat,
während der Kern durch seine Rothfärbung hervortritt. Die grössten dieser letztgenannten Elemente
liegen ganz am Rande des Nervenrings, da wo das Sinnesepithel in die platten Zellen der Velum-
oberfläche (m2) übergeht.
Die eben in situ betrachteten Tlieile des oberen Nervenrings kann man durch fortgesetztes
Pinseln oder durch Zupfen mit den Präparimadeln aus ihrer Umgebung vollständig isoliren und
weiter in ihre histologischen Elementartheile zerlegen. Das Faserbündel löst sich dann in ein
Gewirr feinster Fibrillen auf, von welchen uns Figur 10 auf Tafel V eine naturgetreue Abbil-
dung bietet.
Die Fibrillen sind durch die Osmiumsäure leicht gebräunt und haben eine ziemliche Re-
sistenz gewonnen, so dass sie sich auf grosse Strecken, ohne zu zerreissen, vollkommen isoliren
lassen. In ganzer Länge zeigen sie die gleiche Feinheit, davon abgesehen, dass hier und da kleine
Körnchen ihnen anhaften. — Die Maceration des Nervenrings lässt sich auch in verdünnter Essigsäure
allein vornehmen (Taf. V. Fig. Sb). Die Fibrillen erhalten alsdann eine varicöse Beschaffen-
heit, indem sie sich in Folge eintretender partieller Quellung mit kleinen Knötchen von Strecke
zu Strecke bedecken. Sie gewinnen hierdurch ein gleiches Aussehen wie die in entsprechender
Weise behandelten Fibrillen markloser Nervenfasern von Wirbel thieren. Bemerkenswerth ist ferner
noch ihre grosse Elasticität. Zwischen einem in zwei Tlieile auseinander gezogenen Bündel
kann man ganz vereinzelte Fibrillen von so beträchtlicher Länge sich ausspannen sehen, dass sie
mehrere Gesichtsfelder des Mikroskopes einnehmen (Taf. V. Fig. 8b).
Ausser dem feinen Fasergewirr zeigt uns ein Zerzupfungspräparat noch zahlreiche kleine
Ganglienzellen (Taf. V. Fig. 10 g). Dieselben sind entweder spindelförmig und verlängern sich
an ihren beiden spitzen Enden in je eine Nervenfibrille oder sie besitzen die Form einer Halbkugel
und lassen dann an ihrer platten Fläche nach entgegengesetzten Richtungen die zwei feinen Aus-
läufer entspringen.
Bei der Zerzupfung des oberen Nervenrings hebt sich meist das Sinnes epithel mit einer
fester an ihm haftenden Fibrillenschicht vom übrigen Faserstrang ab (Taf. V. Fig. 11). In dieser
Schicht (nr‘) sind die Fibrillen von noch grösserer Feinheit als die oben beschriebenen und sind
inniger mit einander verschlungen, so dass eine vollständige Isolirung auf grössere Strecken schwie-
riger gelingt. Auch fehlen hier die Ganglienzellen. Zwischen dem Sinnesepithel und der ihm an-
haftenden Fibrillenschicht lässt sich auf optischen Durchschnitten keine scharfe Grenze erkennen,
vielmehr erhält man den Eindruck, als ob beide ineinander übergingen. Durch Zerzupfen sind
die Epithelzellen des Nervenrings nicht leicht von einander zu trennen, da sie durch eine derbe
Cuticula (c) an ihrem peripheren Ende untereinander zusammengehalten werden (Taf. V, Fig. 12 c).
Schneller kommt man zum Ziel, wenn man kleine abgezupfte Stückchen durch schwaches, rasches
Klopfen auf das Deckglas noch weiter in ihre feineren Elemente zerlegt. Durch das Studium der-
artiger Präparate auf verschiedenen Stadien der Isolirung haben wir uns die Gewissheit verschafft,
57
dass zwei in Form und Function von einander abweichende Zellen im Sinnes-
epithel enthalten sind. Wir bezeichnen dieselben als Stütz- und Sinneszellen.
Die Stützzellen finden sich am reichlichsten an der Grenze des Nesselwulstes und des
Sinnesepithels. Hier sind es lange cylinderförmige Gebilde, welche die Osmiumsäure fast gar nicht
reduciren, so dass sie hell und durchsichtig bleiben (Taf. Y. Fig. 9). Sie bergen ihren ovalen Kern
im peripheren Ende, nach der Basis zu zerfallen sie in mehrere sich gabelnde Fasern, welche
wahrscheinlich bis an die Stützlamelle des Velum reichen. Für nervös können wir dieselben nicht
halten, da sie einen von den übrigen Nervenfibrillen abweichenden Habitus besitzen. Die Cylinder-
zellen entsprechen im Ganzen den fadenförmigen Elementen, die wir schon früher als Stützzellen
aus dem Nesselwulst beschrieben haben (Taf. IV. Fig. 12b). Nach dem Velum zu nehmen sie an
Zahl ab und werden dabei gleichzeitig bedeutend kürzer (Taf. V. Fig. 11 und 12 b).
Die zwischen ihnen eingebetteten Sinneszellen (a), welche durch Form und Beschaffenheit
sich leicht von ihnen unterscheiden lassen, zeigen in ihrer Verbreitung gerade das umgekehrte Ver-
liältniss, indem sie nach dem Velum zu gedrängter stehen. Wie gelungene Isolationspräparate
lehren (Taf. V. Fig. 8a. Nr. 5 und 6. Fig. 11 und 12a), sind es kleine dünne Elemente von mehr
oder minder spindelförmiger Gestalt, an welchen man meist drei deutlich gesonderte Abschnitte unter-
scheiden kann: den eigentlichen Zellenkörper, einen peripheren und einen centralen
Fortsatz. Der Zellenkörper umschliesst den ovalen Kern und verschmäclitigt sich rasch nach der
Peripherie zu in einen dünnen Fortsatz, der bis zur Epitheloberfläche dringt und hier auf einem
Flächenbild, wie es schon früher beschrieben wurde, als dunkel glänzendes Korn an Osmium-
präparaten zwischen dem Relief der Stützzellen sichtbar wird (Taf. V. Fig. 2). Sein Ende ist mit
der Cuticula (c), welche das Siunesepithel überzieht, verwachsen und trägt hier ein langes Haar,
welches meistens auch an den isolirten Zellen noch erhalten war. Der centrale Fortsatz reicht
bis zur Basis des Epithels und geht hier in zwei feine Fibrillen über, die gleich an ihrem Ursprung
unter rechtem Winkel nach entgegengesetzten Richtungen umbiegen und sich in dem hier befind-
lichen dichten Fasergewirr des Nervenstrangs verlieren. Wegen ihrer Feinheit reissen sie meist
in einiger Entfernung von ihrem Ursprung ab, zuweilen aber lassen sie sich doch auf grosse
Strecken isoliren. Deswegen und weil sie in jeder Beziehung den Nervenfibrillen gleichen, stehen
wir nicht an, sie selbst für solche zu erklären, und sind wir daher der Ansicht, dass zwischen
ihnen und den unter ihnen liegenden Fibrillen des Nervenstrangs ein continuirlicher Zusammen-
hang stattfindet.
Im Allgemeinen besitzen die meisten Sinneszellen dieselbe Länge, zeigen dabei aber in ihrer
Form die mannigfachsten Abweichungen, die dadurch bedingt sind, dass die Grössenverhältnisse
der zwei Fortsätze, die wir haben unterscheiden können, vielfach schwanken. Beide stehen in
einem Wechselverhältniss zu einander, indem eine grössere Länge des einen eine Verkürzung des
andern hervorruft. Zuweilen sind die peripheren Fortsätze so lang, dass der Zellkörper mit dem
Kern ganz an die Basis des Epithels herabgedrängt ist und der dritte Abschnitt, die centrale Ver-
längerung, vollständig fehlt. Die beiden Nervenfibrillen entspringen dann direct aus dem Kern
führenden Theil. Derartige Sinneszellen zeigen eine exquisit flaschenförmige Gestalt (Taf. V.
Fig. 8\ Nr. 5. Fig. 1 1 a). Im entgegengesetzten Fall fehlt der periphere Fortsatz. Der Kern liegt
dicht an der Oberfläche des Epithels. Die Zelle sitzt mit breitem geisseltragendem Ende an der
Cuticula au und verschmälert sich allmählich nach abwärts, sie gewinnt hierdurch eine mehr
cylinderförmige Gestalt. Zwischen diesen beiden extremen und seltneren Fällen sehen wir die
mannigfachsten Abstufungen, indem der Kern bald ganz in der Mitte, bald höher oder tiefer sich
Hertwig, Medusen. 8
58
befindet, wodurch die Zellen in verschiedener Weise spindelförmig beschaffen werden (Taf. V.
Fig. 8a. Nr. 6).
Ausser den soeben beschriebenen Gebilden, die den Haupttheil des Sinnesepithels ausmachen,
trifft man in jedem Macerationspräparat auch noch vereinzelte Zellen, die sieh durch eine be-
sonders ansehnliche Grösse auszeichnen. Wie schon bei der Beschreibung der Situ spräparate
von uns erwähnt wurde, liegen sie besonders am Rande des Sinnesepithels, da wo dieses an das
Epithel des Velum anstösst (Taf. Y. Fig. 2). Im Ganzen gleichen sie in ihrer Form den kleineren
Sinneszellen, doch ist die Sonderung in drei Abschnitte weniger bei ihnen ausgeprägt (Taf. V. Fig. 8a.
Nr. 1. 2. 4. 8. Fig. 10 a). In dem dicken Zellenleib ist ein grosser ovaler Kern eingeschlossen.
Auf einem peripheren, bald breiteren, bald schmäleren Fortsatz, der von einer Cuticula überzogen
wird, erhebt sich ein einziges langes Haar. Das Bemerkenswertheste aber an dieser grossen
Art von Sinneszellen sind ihre zwei centralen Ausläufer, die von einer ganz besonderen Mäch-
tigkeit sind und sich daher leicht in grosser Ausdehnung ohne abzureissen aus dem Nervenstrang
herausziehen lassen. Sie entspringen breit vom Körper und verschmälern sich ganz allmählich;
hierbei theilen sie sieh entweder mehrmals in secundäre Fäserchen oder sie geben von Stelle zu
Stelle feine Seitenfädchen ab. Meist sind diese beim Auseinanderzupfen abgerissen. Doch zeigen
dann noch kleine Höckercken den Platz an, wo sie im unversehrten Zustand entsprungen sind.
Die grossen Sinneszellen gehen daher, wie aus diesem Befund geschlossen werden muss, in zahl-
reiche feine Nervenfibrillen über.
Mit den grossen Sinneszellen sind andere, die wir für Ganglienzellen erklären müssen,
zum Verwechseln ähnlich (Taf. V. Fig. 8a. Nr. 7). Sie finden sich etwa gleich häufig im Nerven-
ring vor, besitzen den gleichen grossen Kern und die dicken, langen und verästelten Ausläufer;
sie unterscheiden sich aber durch ihre Lagerung, indem sie nur zum Tlieil in das Sinnesepithel
hineinragen und an der Begrenzung der Oberfläche keinen Antheil nehmen. Dem entsprechend ist
auch ihr peripheres Ende breit und kugelig abgerundet, was ihnen ein kolbenförmiges Aussehen
verleiht. Dieser letztere Umstand, der Ausschluss der Zellen von der Oberfläche, ist für uns
maassgebend gewesen, in ihnen nicht Sinnes-, sondern Ganglienzellen zu erblicken. Von Wichtig-
keit ist es nun, dass sieh auch vereinzelte Formen auffinden lassen, die auf ihrem kolbigen Ende
noch einen kleineren oder grösseren Fortsatz tragen, mit dem sie weiter nach der Oberfläche Vor-
dringen, ohne diese indessen selbst zu erreichen. Dadurch gewinnen sie mit den Sinneszellen in
Form und Lage eine noch grössere Uebereinstimmung. Wir müssen sie daher als Zwischenformen
betrachten, als Zellen, die gewissermaassen noch in der Ausscheidung aus dem Epithelstratum be-
griffen sind.
Nachdem wir den oberen Nervenring in seinen einzelnen Bestandtheilen kennen gelernt
haben, bleiben uns noch einige Verschiedenheiten hervorzuheben, die in seiner Beschaffenheit an
jüngeren und älteren Thieren hervortreten. Bei kleineren Exemplaren von Carmarina bilden alle
Nervenfibrillen zusammen einen einzigen runden dicken Strang, der auf seiner Oberfläche von
Sinnesepithel überzogen ist. Das Fläehenbild auf Taf. V. Fig. 2 entspricht einem derartigen Ent-
wicklungsstadium. Bei älteren Thieren dagegen ist der obere Nervenring ansehnlicher und breiter
geworden und zerfällt jetzt deutlich in zwei Partieen: in ein Fibrillenbündel, das auf seiner nach
aussen sehenden Fläche vom Sinnesepithel bedeckt wird, und in einen zweiten breiten Strang, der
einwärts von ersterem näher dem Ringkanal liegt und fast allseitig vom Nesselgewebe begrenzt
wird (Taf. IV. Fig. 11). In diesem zweiten Theil ist uns eine starke Faser aufgefallen, die etwas
isolirt und am weitesten nach einwärts verläuft (Taf. V. Fig. 10). Sie besteht, wie eine feine
59
Längsstreifung andeutet, aus einer grösseren Anzahl parallel angeordneter Fibrillen, die inniger mit
einander verbunden sind. In grösseren Abständen von einander treten in ihr ovale Kerne auf, um
welche eine geringe Menge von feinkörnigem Protoplasma wahrzunehmen ist.
Als einen Anhang des centralen Nervensystems haben wir jetzt noch die Nesselstreifen zu
betrachten, welche den Ektodermüberzug der centripetalen Mantelspangen bilden. An Macerations-
präparaten kann man auch hier feine Fibrillen isoliren, die zwischen dem Epithel und den schon
früher erwähnten stärkeren Muskelfasern nach dejm Schirmrand hinziehen, wo sie wohl in den
Nervenring einmünden. Auch gelang es uns zwischen den epithelialen Elementen Sinneszellen
nachzuweisen, die auf ihrem peripheren Ende ein langes Haar besassen und am centralen in eine
feine Fibrille sich verlängerten. Die Nesselstreifen sind daher eine weitere Ausdehnung
des Sinnesepithels des Nervenrings auf die Schirmoberfläche.
Einen ähnlichen Bau wie die Nesselstreifen scheint uns das Epithel der Tentakeln zu be-
sitzen. Auf einem Querschnitt konnte ein kleines Fibrillenbündel beobachtet werden, das sich vom
oberen .Nervenring ablöste und durch das Nesselzellengewebe nach der Basis des Tentakels eine
Strecke weit verfolgt werden konnte (Taf. IV. Fig. 5 n).
In derselben Weise, wie der obere, lässt sich auch der untere Nerven ring (Taf. IV.
Fig. 10 und llnr2) sowohl in situ als auch an Zerzupfungspräparaten untersuchen.
Um den unteren Nervenring in einem natürlichen Lageverhältniss zu seiner Umgebung zu
erhalten, muss man bei der Präparation eines kleinen ausgeschnittenen Stückes vom Schirmrand
zunächst in der schon früher angegebenen WTeise verfahren. Dann entferne man aber durch vor-
sichtiges Abpinseln den Nesselwulst und den oberen Nervenring ganz vollständig. Desgleichen
reinige man die obere Seite der Subumbrella, nachdem die Gallerte abgezogen ist, von dem Epithel
des Ringkanals. Nach dieser Präparation kann man Velum und Subumbrella, die in einer Fläche
ausgebreitet sind, entweder von ihrer dorsalen (Taf. V. Fig. 7) oder von ihrer ventralen (Taf. V.
Fig. 4) Seite mit den stärksten Vergrösserungen untersuchen. Die wichtige Vereinigungsstelle der
beiden Membranen ist so durchsichtig geworden, dass man auch feinere Verhältnisse recht gut er-
kennen kann.
Zunächst wird jedem Beobachter auffallen, dass an 4er unteren Seite des Velum in der
Gegend, wo nach oben der Nesselwulst lag, ein gleichmässig breiter Streifen sich vorfindet, in
dessen Bereich die Museulatur vollkommen fehlt. Die musculösen Ringfasern des Velum (m2) und der
Subumbrella (m1) sind hier in weiter Ausdehnung unterbrochen und schneiden jederseits mit einer
scharfen Linie ab. Der Streifen ist breiter als die Basis des Nesselwulstes, welche er jederseits etwas
überragt. Hierdurch ist schon deutlich die Gegend bezeichnet, wo sich der untere Nervenring (nr2)
entwickelt hat. Derselbe besitzt nur etwa ein Drittel von der Breite des Streifens, auch verläuft
er nicht ganz in der Mitte desselben, sondern ist mehr der Grenzlinie der Velummusculatur (m2)
genähert; hier bildet er einen platten faserigen Strang, der an Mächtigkeit hinter dem oberen
Nervenring weit zurücksteht. Die Faserung erkennt man am besten, wenn man das flach aus-
gebreitete Präparat von seiner oberen oder dorsalen Seite betrachtet (Taf. V. Fig. 7 nr2). Man
sieht dann, dass zwischen feineren Fibrillen. einzelne breitere Fasern sich hinziehen, und dass sehr
zahlreiche Ganglienzellen (g) in ihren Verlauf eingeschaltet und besonders nach dem Rand zu
dichter angehäuft sind. Auch beobachtet man noch zur Seite des Nervenstraugs nach der Sub-
umbrella (m ') zu isolirte Fibrillen und isolirte Ganglienzellen (g). Die letzteren zeichnen sich durch
eine beträchtliche Grösse und eine bestimmte Anordnung aus, indem sie durch regelmässige Ab-
stände von einander getrennt sind und zur Grenze der subumbrellaren Ringmusculatur parallel eine
8*
60
Reihe bilden (Taf. V. Fig. 4). Von den grossen Ganglienzellen entspringen starke lange Ausläufer,
die sich verzweigen und ihren Weg zur Subumbrella nehmen.
Die Theile des unteren Nervenrings werden, wie man am besten bei Betrachtung des Prä-
parates von der unteren Fläche sieht, von einer dünnen Epithellage überzogen. Diese ist ein-
schichtig und setzt sich aus platten polygonalen Zellen zusammen, von denen einige mit kleinen
glänzenden Körnchen erfüllt sind (Taf. V. Fig. 4).
Eine vollständige Isolation der in situ beobachteten Elemente gelingt am unteren Nerven-
ring noch leichter als am oberen (Taf. V. Fig. 6). Im Durchschnitt besitzen hier die Fibrillen eine
grössere Dicke als auf der oberen Seite des Velum. Besonders charakteristische Bildungen aber sind
einzelne Fasern von solcher Stärke, wie sie an anderen Orten sich nirgends zeigen. Sie sind 0,6 ,«
breit, werden in Osmiumsäure gebräunt und bestehen aus einer nahezu homogenen Substanz, wie
die Ganglienzellen selbst. Eine Längsstreifung , die auf eine Zusammensetzung aus Fibrillen hin-
weisen könnte, fehlt ihnen vollständig. Hie und da gehen seitlich kleine Fäserchen von ihnen ah,
die in der Regel wegen ihrer Feinheit kurz abgerissen sind. Die meisten Nervenfibrillen eines
Präparates sind mit Ganglienzellen (g) versehen, die durchweg protoplasmareicher und in
grösserer Anzahl als im oberen Nervenring vorhanden sind. Die Ganglienzellen besitzen in An-
passung an die räumlichen Verhältnisse eine platte Fläche, mit welcher sie der Sttitzlamelle des
Velum aufliegen, und eine andere halbkuglig gewölbte Fläche, welche durch die einschichtige
Lage der abgeplatteten Epithelzellen von der Körperoberfläche ausgeschlossen ist. Von der flachen
Seite entspringen die zwei nach entgegengesetzten Richtungen verlaufenden Nervenfibrillen. Auch
die dicken für den unteren Nervenring so charakteristischen Fasern sind mit einer Anschwellung
und mit einem grossen Kern in derselben ausgestattet.
Von den geschilderten Ganglienzellen sind diejenigen, welche ausserhalb des eigentlichen
Nervenrings in der Nähe der Subumbrella sich vorfinden, nicht nur durch ihre Lagerung, sondern
auch durch ihre Form und bedeutendere Grösse verschieden (Taf. V. Fig. 7 g). Es sind ansehnliche
Gebilde von keulenförmiger Gestalt. Ihr verdicktes abgerundetes Ende, welches einen grossen
runden Kern birgt, kommt dicht unter die Oberfläche zu liegen und wird hier von platten Epithel-
zellen umhüllt. Basalwärts verschmächtigen sie sich in einen Fortsatz, mit welchem sie senkrecht
auf der Stützlamelle stehen, um sich dann zu gabeln in zwei unter rechtem Winkel abbiegende
starke Ausläufer. Diese theilen sich in zahlreiche feinere Fibrillen.
Ferner nehmen noch an der Zusammensetzung des unteren Nervenrings einzelne Sinnes-
zellen Theil (Taf. V. Fig. 6 a). Es sind dies mehr oder minder halbkuglige Gebilde, die
mit flacher Basis der Stützlamelle aufsitzen und hier in zwei lange Nervenfibrillen übergehen.
Ihre gewölbte Fläche verlängert sich in einen kurzen Fortsatz, welcher sich zwischen die
platten Zellen des Ektodermüberzugs einschiebt, an die Oberfläche vordringt und hier mit einem
langen, auch an den Isolationspräparaten noch wohl erhaltenen Geisselhaar versehen ist. Von
dem haartragenden Fortsatz abgesehen, besitzen die Sinneszellen, wie eine Vergleichung lehrt, in
Grösse, Form und Lage die grösste Aehnliehkeit mit den kleinen Ganglienzellen des unteren
Nervenrings.
Bei unserer Darstellung haben wir bis jetzt das Verhältniss, in welchem der obere und
untere Abschnitt des centralen Nervensystems der Medusen zu einander stehen, ganz unberück-
sichtigt gelassen. Werden beide durch die Stiitzlamelle des Velum vollständig getrennt oder findet
irgend ein Zusammenhang zwischen ihnen statt? Die hier aufgeworfene Frage lässt sich durch eine
zweckmässige Untersuchung von Macerationspräparaten beantworten, wenn man von der oberen und
61
unteren Seite des Velum Epithel und Nervenfihrillen durch Abpinseln entfernt. Jetzt gewahrt man
in der allein zurückbleibenden Stützlamelle eine Reihe kleiner Fibrillenbündel (Taf. V. Fig. 2*),
welche durch feinste 0 eff nun gen die homogene Grundsubstanz schräg durchsetzen. Sie sind
dicht hei einander in einer Linie angeordnet, die nahe an der Muskelgrenze des Velum (m2) und
parallel zu ihr hinzieht. Dass die durchtretenden Fibrillen dem Nervensystem angehören, glauben
wir daraus entnehmen zu können, dass sie von den oberen und unteren Nervensträngen bedeckt
werden. Einen Zusammenhang mit letzteren haben wir dagegen nie beobachten können, da es uns
nicht gelang, die durchtretenden Bündelchen feinster Fibrillen auf grössere Ausdehnung zu isoliren.
Stets waren sie in geringer Entfernung von der Durchtrittsstelle abgerissen.
Das Bild, welches wir uns bis jetzt mit Hülfe der angeführten Präparationsmethoden von
der Lage der einzelnen Theile zu einander haben entwerfen können, erhält eine Bestätigung und
weitere Ergänzung durch die Untersuchung feiner Querschnitte durch den in Osmiumsäure er-
härteten Schirmrand. An Querschnitten, die von jungen Thieren angefertigt wurden (Taf. IV.
Fig. 10), sieht man in dem Winkel, den der Nesselwulst mit dem Velum erzeugt, eine gebräunte
feinkörnige Substanz (nr1), die eine unregelmässig polygonale Figur bildet. Es ist dies der Durch-
schnitt des oberen Nervenfaserbündels. Abwärts liegt dasselbe der Stützlamelle (s) des Velum auf,
nach innen und oben wird es vom Gewebe des Nesselwulstes, nach aussen von einer einfachen
Zellenlage, dem Sinnesepithel (a), bedeckt. Vom Ringkanal ist der Nervenstrang um mehr als
seine eigene Dicke entfernt (Taf. IV. Fig. 2).
Bei älteren Thieren hat sich die Form und Lage des oberen Nervenrings in mancher
Beziehung verändert (Taf. IV. Fig. 11 nr1). Auf dem Durchschnitt erscheinen zwei platte fein-
körnige Streifen, die wir nach ihrer Lage als inneren und äusseren unterscheiden können. Von
diesen ist der innere Streifen von der Oberfläche des Nesselwulstes weiter nach einwärts gerückt.
Mit seiner unteren Seite liegt er glatt der Stützlamelle des Velum auf, sonst wird er überall vom
Nesselzellengewebe umhüllt. Der zweite Streifen dagegen findet sich unmittelbar unter dem Sinnes-
epithel (a) und stösst mit dem ersten an seiner dünnen inneren Kante zusammen.
Auch der untere Nervenring (nr2) ist auf dem Durchschnitt deutlich zu sehen als ein kleiner
gebräunter feinkörniger Streifen dicht unterhalb des oberen Nervenrings an der Unterseite der Stütz-
lamelle. Letztere ist zart und im Vergleich zu andern Stellen des Velum stark verdünnt. Auf
vielen Schnitten sehen wir von dem einen zum andern Nervenring ein kleines Fibrillen-
bündel durch die Scheidewand hindurchtreten (Taf. IV. Fig. 11*).
So werthvoll die geschilderten Bilder für eine genauere Feststellung der Lagerungsverhält-
nisse sind, so wenig geeignet sind sie zur Erkennung feinerer histologischer Details, da bei der
Erhärtung in Osmiumsäure Alles gleichmässig gerinnt und sich die Zellcontouren nur wenig oder
gar nicht markiren. So lassen sich im Sinnesepithel auch die Formen der Sinneszellen nicht er-
kennen, ebensowenig die Ganglienzellen im Nervenstrang. Nur ihre Kerne gewahrt man in Mitten
der feinkörnigen Substanz. Bemerkenswerth dagegen sind kleine vacuolige Räume, die coustant
sich in der Umgebung des oberen und des unteren Nervenrings vorfinden und sonst nirgends in
den Medusengeweben von uns beobachtet wurden (Taf. IV. Fig, 2. 10. 11 f). Ueber ihre Bedeutung
können wir nichts aussagen. Auch müssen wir es dahingestellt sein lassen, ob die Räume durch
die Erhärtung hervorgerufene Kunstproducte oder normale Bildungen sind.
Wie das centrale Nervensystem der Geryoniden die höchste Stufe der Ausbildung unter den
Trachymedusen erreicht, so sind auch die peripheren Nervenbahnen liier mehr als bei den übrigen
differenzirt. Dies spricht sich namentlich in dem Umstand aus, dass besondere Nervenstämmchen
62
nachweisbar sind, welche einen gangliosen Endplexus mit dem am Schirmrand entwickelten Central-
theil verbinden.
Zum Studium des peripheren Nervensystems diente uns auch hier wieder die
Subumbrella, während die Untersuchung des Velum uns keine Ergebnisse lieferte. Zur Herstellung
tauglicher Präparate benutzten wir Geryoniden, die in einem Gemisch von Essigsäure und Osmium-
säure macerirt waren. Von einem grösseren ausgeschnittenen Stück der Subumbrella wurde die
Gallerte vollständig abgelöst; wenn ein Tlieil des Radialkanals auf dem Präparate war, so wurde
sein Entoderm mit dem Pinsel möglichst rein entfernt. Die zurückbleibende dünne Lamelle besteht
jetzt nur noch aus der Stützmembran der Subumbrella, deren grosse Resistenz die Vornahme der
angegebenen Manipulation gestattet, und den unter ihr gelegenen Theilen: der Musculatur, der
Epithelschicht und den zwischen ihnen sich ausbreitenden nervösen Elementen.
Am besten beginnt man die Untersuchung mit den Radialkanälen. Hier verlaufen relativ
ansehnliche Züge feiner Nervenfibrillen (Taf. V. Fig. 1 n). Dieselben lassen sich weiter an den
Rand der Genitalblätter verfolgen, wo sie sich etwas nach einwärts von der Linie hinziehen, mit
welcher die circulären Muskelfasern (m) plötzlich abschneiden. Sie liegen unmittelbar der unteren
Seite der Stützlamelle auf und werden nach der Höhle des Schirms zu von einem dünnen gross-
zeiligen Plattenepithel überzogen. Die Fibrillen gleichen in jeder Beziehung den aus dem oberen
und unteren Nervenring beschriebenen. Sie sind zu kleinen Bündelchen angeordnet, die in geringer
Entfernung von einander sich hinschlängeln. Indem von einem Bündel zum andern Fibrillen über-
treten, bilden sie ein feinmaschiges Netzwerk. Zahlreiche Ganglienzellen (g) können in diesem
Netzwerk nachgewiesen werden. Sie werden durch eine dunklere Osmiumfärbung und den Besitz
von zwei oder mehr feinen Ausläufern gekennzeichnet.
Von den Fibrillenzügen entspringen seitlich kleinste Stämmchen, welche nach der Ring-
muskellage zu umbiegen und mit Ganglienzellen Zusammenhängen, die überall in der Subumbrella
verbreitet sind (Taf. V. Fig. 1). Die Ganglienzellen können schon bei schwächerer Vergrösserung
als kleine Zellen von wechselnder, oft sternförmiger Gestalt, sowie man einmal auf sie aufmerk-
sam geworden ist, leicht wahrgenommen werden. Ganglienzellen und Nervenfibrillen der
Subumbrella sind zwischen die Muskelfaserlage und deren Matrix, das grosszellige Platten-
epithel, eingeschaltet. Sie werden daher nach oben von den quergestreiften Ringfasern, nach unten
von dem Plattenepithel überzogen.
Die Ganglienzellen, die zuweilen mit zwei Kernen versehen sind, besitzen drei bis fünf Aus-
läufer, die sich noch weiter gabeln können, in kurzer Entfernung von der Zelle die Stärke zarter
Nervenfibrillen annehmen und sich durch ihre ausserordentliche Länge auszeichnen (Taf. V. Fig. 1.
3. 5 g). Bei starker Vergrösserung konnten die einzelnen Fibrillen durch mehrere Gesichtsfelder
verfolgt werden. Sie sind namentlich dadurch kenntlich geworden, dass sie stärker als andere
Theile durch die Osmiumsäure geschwärzt werden. Auch trägt zu ihrer Erkennung nicht wenig
der Umstand bei, dass sie fast stets eine radiäre Richtung einschlagen, mithin die circulären
Muskelfasern (m) kreuzen.
Ueber die Vertlieilungsweise der nervösen Elemente in der Subumbrella haben
wir an zahlreichen Präparaten Folgendes ermitteln können.
Ausser den starken Fibrillenzügen, welche den Radialkanälen zu beiden Seiten folgen (Taf. V.
Fig. 1 n), trifft man am Schirmrand auch hier und da auf vereinzelte kleinere Züge von 3 — 5 Nerven-
fibrillen, die in radialer Richtung nach der Schirmmitte zu verfolgen sind. In Tafel IV. Figur 14
ist solch ein Fibrillenzug, in welchem zugleich einige bipolare Ganglienzellen (g) enthalten sind,
63
aus der Nachbarschaft eines Centripetalkanals dargestellt. Vereinzelte Nervenfasern lind Ganglien-
zellen begleiten ferner auch die radiären Muskelbänder, die unpaaren sowohl als die paarigen. Sie
treten mit ihnen auf den Magenstiel über und bilden hier einen ziemlich dichten gangliösen
Endplexus, der ganz so wie in der Subumbrella zwischen den glatten radialen Muskelfasern und
dem sie überziehenden Plattenepithel liegt. In den übrigen Theilen der Subumbrella sind die
Ganglienzellen in ziemlich weiten Abständen verth eilt, so dass einer jeden ein umfangreiches Gebiet
zukommt. Meist finden sie sich vereinzelt vor, zuweilen aber lagern sie auch zu zweit dicht bei
einander (Taf. V. Fig. 3). Ihre Hauptausläufer schlagen dann gewöhnlich die gleiche Richtung ein
und nehmen auf grössere Strecken gemeinsam ihren Weg, wie es uns das in Figur 3 auf Tafel V
dargestellte Präparat zeigt.
Zwischen benachbarten Ganglienzellen haben wir in einzelnen Fällen Anastomosen wahr-
genommen (Taf. IV. Fig. 13), dagegen ist es uns nicht gelungen einen Zusammenhang mit den
Muskelzellen nachzuweisen. Andere Methoden werden in Zukunft wohl auch hier noch zu positiven
Resultaten führen.
Literatur. Ueber das Nervensystem der Geryoniden haben schon früher zwei Forscher,
Fritz Müller (67 und 71) und Haeckel (37), bestimmte Angaben gemacht. Ersterer äussert sich
in einem Aufsatz „Ueber zwei neue Quallen von S. Catharina“ darüber folgendermaassen : „Bei Liriope
catharinensis zieht sich um das Ringgefäss ein ziemlich undurchsichtiger gelblicher Saum, der
namentlich nach aussen scharf contourirte, rundliche Zellen von 0,005 bis 0,008 Mm. Durchmesser
zeigt und auf dem mehr oder weniger reichliche Nesselzellen liegen. An der Basis der Tentakeln
und in der Mitte zwischen diesen Stellen zeigt er längliche Anschwellungen, denen die sogenannten
Randbläschen aufsitzen. Mit aller Wahrscheinlichkeit ist er als Nervenring zu deuten; dafür spricht
ausser den Randbläschen tragenden Anschwellungen, dass sich von jeder dieser Anschwellungen
ein zarter, aber scharf begrenzter Strang nach oben verfolgen lässt, vier zur Basis der Tentakeln,
vier zu Punkten, an denen das jüngere Thier dem erwachsenen meist vollständig fehlende Ten-
takeln getragen hat.“ In diesen Angaben hat Fritz Müller den ganzen Nesselwulst als Nerven-
ring gedeutet, immerhin bezeichnet er zuerst ganz richtig die Gegend, wo man das Nervencentrum
der Geryoniden zu suchen hat. Doch kann seine Deutung für nicht mehr als eine Vermuthung
geschätzt werden. Es gilt auch hier, was schon bei den Aeginiden gesagt wurde: dass in seiner
Darstellung die genaueren histologischen Angaben fehlen, welche bei den vorliegenden Verhältnissen
allein die Deutung rechtfertigen können.
Den histologischen Nachweis von der Existenz eines Nervensystems hat Haeckel in seiner
Monographie der Geryoniden geliefert, indem er zum ersten Male in dem verdickten Randwulst der
Medusenglocke zwischen nervösen und nicht nervösen Bestandteilen unterscheidet. Nach seinen
Untersuchungen, die an Zerzupfungspräparaten und an Durchschnitten angestellt wurden, besteht
das Nervensystem bei Glossocodon sowohl als bei Carmarina aus einer Anzahl von Ganglienknoten,
von denen mehrere Nervenstämmchen entspringen. Unter einander werden die Ganglien durch
einen längsstreifigen Nervenring verbunden, welcher zwischen Ringkanal und Knorpelring längs des
Schirmrands verläuft. „Derselbe wird oben vom Ringgefäss, unten vom Ringknorpel, aussen vom
Gallertmantel und innen vom Velum verdeckt“, so dass er nirgends frei an die Oberfläche reicht.
Die Ganglien liegen zum Theil am peripheren Ende der Radialkanäle, zum Theil interradial. Sie
erscheinen als ziemlich unregelmässige rundliche Knoten oder flache rundliche Hügel, von denen
die sechs radialen etwas stärker gewölbt und umfangreicher als die interradialen sind. Auf ihnen
sitzen die Randbläschen unmittelbar wie auf einem Polster auf. Die Ganglienknoten enthalten in
64
einer feinkörnigen, detritusartigen Masse kleine und zarte unregelmässige Zellen von sehr ver-
schiedener Grösse, welche zum Theil mit sehr feinen Nervenfasern Zusammenhängen. Unter den
isolirten Zellen kann man solche mit einem und zwei Fortsätzen öfter finden. Seltener lassen sich
sternförmige Zellen isoliren, welche die Ansätze von mehreren abgerissenen Ausläufern zeigen.
Von den stärkeren radialen Ganglien gehen vier Nervenfäden ab: 1) Der erste und stärkste
Nerv begleitet den Radialkanal in seiner ganzen Länge vom Schirmrand bis zum Magen. 2) Ein
schwächerer geht durch die radiale Mantelspange zur Basis des radialen Nebententakels (bei jungen
Thieren). 3) Ein dritter verläuft zum radialen Haupttentakel. 4) Der vierte kürzeste ist der breite
bandförmige Sinnesnerv, welcher innerhalb des radialen Randbläschens zu beobachten ist. Jedes
der schwächeren interradialen Ganglien giebt nur zwei Nervenstränge ab, nämlich 1) den breiten
Sinnesnerven für das Randbläschen und 2) den Spangennerven für die marginale Mantelspange.
Von den aus den Ganglien entspringenden Nerven sind die stärksten die Radialnerven,
welche als glatte, breite Bänder, begleitet von den unpaaren radialen Muskelbändern der Subum-
brella, in der Mittellinie der unteren Wand der Radialkanäle verlaufen. Sie werden hier nur von
dem dünnen Ringmuskelbelege und dem zarten Epithel der Subumbrella bedeckt. Sie lassen sich,
namentlich während ihres Verlaufes durch die Mitte der Genitalblätter, leicht isoliren und dienen
daher am besten zur Untersuchung der einzelnen faserigen Nervenelemente. Diese sind einfache,
unverzweigte, parallel gelagerte Fäden, die hier und da mit sehr kleinen stäbchenförmigen Kernen
besetzt sind. Sie unterscheiden sich von den quergestreiften Muskelfasern durch ihre blasse, voll-
kommen homogene Beschaffenheit. Schwieriger ist es den Ringnerven zu isoliren und seine Nerven-
fasern noch im Zusammenhänge mit den kleinen Ganglienzellen darzustellen.
Wie aus dem Mitgetlieilten hervorgeht, sind zwei bedeutsame Facta von Haeckel ermittelt
worden. Einmal hat er die Existenz eines am Schirmrand gelegenen faserigen, Ganglienzellen ent-
haltenden Strangs an Zerzupfungspräparaten und auf Durchschnitten nachgewiesen und zweitens hat
er zwei fibrilläre Bänder in den Randbläschen entdeckt und für Sinnesnerven erklärt. Beide That-
sachen haben wir durch unsere Untersuchung bestätigt. Dagegen können wir der detaillirten Be-
schreibung des Baues und der Lagerung der einzelnen Theile nicht in allen Punkten beistimmen.
Ein Unterschied zwischen Ganglienknoten und Commissuren, wie ihn Haeckel bei den Geryo-
niden geschildert hat, ist nicht vorhanden, vielmehr sind im ganzen Nervenring Ganglien-
zellen und Nervenfasern gleichmässig vertheilt. Ferner liegt der Strang überall dicht
an der Oberfläche und wird von ihr nur durch ein einschichtiges Sinnesepithel geschieden; dagegen
ist er vom Ringkanal und den Randbläschen durch einen nicht unbeträchtlichen Zwischenraum
entfernt. Wenn wir von den paarigen Sinnesnerven der Gehörorgane absehen, die wir im folgenden
Abschnitt besprechen werden, so erfolgt die periphere Ausbreitung des Nervensystems nicht durch
gesonderte, von Ganglienknoten entspringende Nervenstämme, sondern durch
einen in der Subumbrella überall verbreiteten gangliösen Plexus. Die starken
Radialnerven, die Haeckel zur Isolirang und Untersuchung der einzelnen faserigen Nervenelemente
besonders empfiehlt, da sie sich während ihres Verlaufes durch die Mitte der Genitalblätter mit
leichter Mühe aus dem umgebenden Gewebe herausschälen lassen, sind unserer Ansicht nach die
unpaaren Muskelbänder, welche wir auf Seite 53 beschrieben haben, und ebenso müssen wir die
als Nervenprimitivfasern gedeuteten, einfachen, un verzweigten parallel gelagerten Fäden nach der
von Haeckel in Figur 72 gegebenen Abbildung für glatte Muskelfasern erklären, da an dem
genannten Orte nur spärliche und nicht in Bündeln angeordnete Nervenfibrillen Vorkommen, die
ungleich schwieriger als am Nervenring aufzufinden und zu isoliren sind.
65
c. Die Sinnesorgane der Geryoniden.
Unter den drei Familien der Trachymedusen haben die Sinnesorgane bei den Gieryoniden
den morphologisch und physiologisch höchsten Grad ihrer Ausbildung erreicht. Während sie hei
den Aeginiden und Trachynemiden am Schirmrand befestigt in das umgehende Medium hineinragen,
sind sie hier in die Gallerte des Körpers eingesenkt und stellen runde, mit Flüssigkeit erfüllte
Bläschen dar. Die Anzahl dieser bläschenförmigen Sinnesorgane, die wir im Folgenden kurzweg als
Hörbläschen bezeichnen werden, ist heim erwachsenen Thier eine fest bestimmte. Bei Glosso-
codon und Liiiope sind ihrer acht, hei Carmarina und Geryonia ihrer zwölf zur Entwicklung ge-
kommen. Ihre Anzahl steht daher hei den genannten Medusen in einem bestimmten Yerhältniss zu
den Antimeren des Körpers, von denen sie gerade das Doppelte beträgt.
Die Hörhläschen sind hei Carmarina schon für das unbewaffnete Auge erkennbar. Zum
Theil liegen sie am Ende der Radialkanäle des Gastrovascularsystems , zum anderen Theil in der
Mitte zwischen denselben; sie werden daher als radiale und interradiale von einander unterschie-
den. Die ersteren findet man in geringer Entfernung von der Basis der schlauchförmigen Ten-
takeln, und zwar, wenn man die Medusenglocke von aussen betrachtet, zur linken Seite derselben
(Taf. n. Fig. 1). Sie werden von den hier entspringenden centripetalen Mantelspangen (y), die
schmäler als die Bläschen sind, nach aussen in der Weise bedeckt, dass ihr mittlerer Abschnitt
verborgen ist und nur ihre Seitentheile durch die Gallerte hindurch zu sehen sind. Dasselbe gilt
von den interradialen Hörbläschen, die ebenso durch die schmäleren interradialen Mantelspangen
zum Theil geschützt sind.
Ueber die weiteren Lagebeziehungen des Hörbläschens zu den übrigen benachbarten
Organen giebt der durch den Schirmrand angefertigte Querschnitt Aufschluss, der auf Tafel IY.
Figur 9 abgebildet ist. Man gewahrt hier den hohen und dicken Kesselwulst (w), der an der
Oberfläche des Schirms weit hinaufreicht und sich in das Nesselepithel (x) der Mantelspange (y)
verlängert. Diese selbst steigt einwärts von dem Nesselwulst nach dem Ringkanal (r) herab und
ist auf dem Querschnitt der Zusammenhang ihrer blasigen Stützzellen mit dem Epithel des Gastro-
vascularsystems nicht zu übersehen. An der inneren Fläche der Mantelspange liegt das Hörbläschen
(hb) mit seiner äusseren Wand zum Theil dicht an. Nach abwärts berührt es auf eine kurze
Strecke die obere Epithellage des unter ihm verlaufenden Ringkanals. Nach innen und oben wird
es überall von der Gallerte umgeben. Es ist daher allseitig so vollständig geschützt, wie es bei
der Beschaffenheit des Medusenkörpers überhaupt nur möglich ist. In Folge dieser Lage ist das
Sinnesorgan, wie aus dem Durchschnitt leicht zu ersehen ist, durch einen weiten Abstand von dem
Nervenring (nr1) getrennt, der auf dem Yelum an dem Rand des Nesselwulstes gelegen ist.
Der feinere Bau des Hörbläschens lässt sich sowohl am frischen Object, als auch
nach Behandlung mit Reagentien am besten in der Weise untersuchen, dass man mit der Scheere
durch den Schirmrand einen radialen Durchschnitt anfertigt, auf welchem der zu untersuchende
Theil enthalten ist. Man kann dann auch noch weiter unter dem Präparinnikroskop mit Nadeln
das Bläschen bei einiger Vorsicht vollkommen unversehrt aus der Gallerte herausschälen.
An dem Gehörorgan haben wir die Bläschenwand und das von ihrer oberen Seite entsprin-
gende Hörkölbchen zu unterscheiden (Taf. IY. Fig. 1. 3. 4).
Die Bläschenwand besteht aus einer dünnen homogenen Membran, die auf dem Durch-
schnitt doppelte Contouren hat und von der Gallerte daher sich scharf absetzt. Sie ist nicht
allseitig geschlossen, sondern besitzt etwas seitlich von der Stelle, wo das Gehörbläscheu an die
Hartwig, Medusen. 9
66
Mantelspange anstösst, eine kleine Oeffnung, die an Isolationspräparaten und auf Durchschnitten
nachzuweisen ist und im frischen Zustand durch das Nesselzellengewehe verschlossen wird (Taf. IV.
Fig. 1 und 6). Am Rande der Oeffnung schien die Membran des Bläschens in die Stützlamelle des
Schirmrands umzubiegen. Auf ihrer Innenfläche wird sie von einem ungemein dünnen Plattenepithel
überzogen. Die Kerne der sehr grossen flachen Zellen werden nach Behandlung mit Reagentien
sowohl bei der Betrachtung von der Fläche, als auch auf dem optischen Durchschnitt sichtbar, wo
sie Vorsprünge in das Lumen des Bläschens bedingen. Zuweilen sind in ein oder zwei Epithel-
zellen in der Umgebung der Insertion des Iiörkölbchens kleine Nesselkapseln eingeschlossen
(Taf. IV. Fig. 3 z).
Ferner verlaufen noch an der Innenfläche der Wandung zwei dünne, bügelförmig gekrümmte
Bänder von der oben eiwähnten Oeffnung bis zum entgegengesetzten Pol des Bläschens (Taf. IV.
Fig. 1. 3. 4n). Sie können leicht übersehen werden, wenn man das Untersuchungsobject von der
Schirmseite aus betrachtet. Bei dieser Lagerung verläuft das eine Band auf der rechten, das andere
auf der linken Seite des Bläschens (Taf. IV. Fig. 1 n). Beide zusammen bilden einen Ring, der
nur an ihrer Eintrittsstelle, avo die Membran die kleine Oeffnung besitzt, eine Unterbrechung er-
fälut. Die Bänder, welche eine nur geringfügige Verdickung der Wandung bedingen, kehren ihre
Kante dem Beobachter zu. Weit besser sind sie daher zu unterscheiden und auf ihren feineren
Bau zu untersuchen, wenn man das Hörbläschen von der Seite oder von oben sieht (Taf. IV.
Fig. 3 und 4 n). Die Bänder erscheinen jetzt 1,2 u breit und lassen sich bis zur Insertion des’ Hör-
kölbcliens verfolgen, wo sie beide umbiegen und gemeinsam in die Substanz desselben eindringen.
Sie zeigen eine feine Längsstreifung, die bei Zusatz von Reagentien noch mehr an Schärfe gewinnt.
Schon hieraus kann man auf eine feinfibrilläre Zusammensetzung der Bänder schliessen. Einen
sicheren Beweis hierfür erhält man indessen erst durch die Untersuchung von Macerationspräparaten
(Taf. IV. Fig. 6). An solchen kann man die Bänder (n) durch Zerzupfen von der Wand des Bläs-
chens ablösen und in eine grössere Anzahl von Fibrillen zerlegen, welche an Feinheit und in ihrem
Verhalten gegen Reagentien den aus dem Nervenring dargestellten Fibrillen gleichen. Auch ver-
einzelte bipolare Ganglienzellen findet man in dem Faserbündel vor (g). Wir haben daher in den
beiden Bändern die Nerven des Gehörorgans vor uns. Ausser dem histologischen Befund
spricht hierfür auch der Umstand, dass an Macerationspräparaten die beiden fibrillären Bänder sich
noch auf eine grössere Strecke ausserhalb des Bläschens verfolgen, ja sogar mit Präparirnadeln aus
dem Nesselwulst isoliren lassen, wobei nachgewiesen werden kann, dass sie nach dem Nervenring
zu in die Tiefe verlaufen. Wenn dadurch auch ihr Zusammenhang mit demselben noch nicht
Avirklich dargethan ist, so möchte ein solcher doch bei Erwägung aller Verhältnisse kaum noch
anzuzweifeln sein.
Der zweite und Avichtigste Theil des Sinnesorgans, das Hörkölbchen (hk), zeigt einen
ähnlichen Bau Avie der gleichnamige Theil bei den Aeginiden und Trachynemiden. Er enthält
daher einen Axentheil und eine denselben bedeckende Epithelschicht (Taf. IV. Fig. 1).
Der Axentheil ist bimförmig gestaltet und von dem Epithel durch eine zarte Membran
abgegrenzt, die bei Behandlung mit Säuren und an Macerationspräparaten sicher nachzuweisen ist.
Mit einem feinen Stiel ist der bimförmige Körper an die obere Bläschenwand angeheftet. Sein
entgegengesetztes freies Ende birgt ein grosses ovales Conorement, einen Otolitlien (o), der aus
feinen concentriselien Schichten besteht, Avie aus den zur Randcontour parallel verlaufenden Linien
zu schliessen ist. Die Form des Concrements ist nicht vollkommen regelmässig, indem an der
Längsseite des Ovals die Oberfläche eingebuchtet ist. In dünnen Säuren lösen sich die Salze
67
desselben leicht auf, ohne dass Luftblasen sich entwickeln und scheinen sie hiernach phosphor-
saurer Kalk zu sein. Nach der Auflösung bleibt ein geringer Rest organischer Substanz mit
einem ovalen Kern zurück. Der übrige Theil des hirnförmigen Körpers beläuft sich auf eine
einzige kleine Zelle, in der zuweilen auch kleine Concretionen , Nebenotolithen , beobachtet werden.
Die Epithel Schicht des Hörkölbchens ist auf den einzelnen Seiten sehr verschieden
dick und aus verschieden geformten zelligen Elementen zusammengesetzt (Taf. IV. Fig. 1 und 9).
Seine freie Endfläche und seine der Subumbrella zugewandte Seite wird von platten cubischen
Zellen überzogen, von denen zuweilen eine oder mehrere mit einer Nesselkapsel und einem Palpocil
versehen sind; dagegen bildet das Epithel auf dem Theil, welcher der Mantelspange zugekehrt ist,
ein dickes Polster, und zeichnet sich noch weiter dadurch aus, dass es auf seiner Oberfläche lange,
steife Haare (h) trägt, welche mit ihrem peripheren Ende an die gegenüberliegende Bläschenwand
anstossen. Dieselben sind am besten von der Seite des Bläschens, an welcher der Hörnerv ver-
läuft, oder von oben zu sehen (Taf. IV. Fig. 3 und 4 h). Dagegen werden sie bei allen anderen
Lagen entweder durch den Otolithen oder durch die Mantelspange mehr oder minder verdeckt.
Um die Form der das Polster bildenden Zellen zu ermitteln, verwandten wir Thiere, die in
einem Gemisch von Osmium- und Essigsäure macerirt worden waren, lösten an diesen die Hörbläs-
chen aus der Gallerte heraus und trennten durch Zerzupfen das Hörkölbchen von seinem Ansatz-
punkte ab. Hierbei bleiben mit ihm die Hörnerven, die sich von der Bläschenwand abheben, in
Zusammenhang (Taf. IV. Fig. 6). Wenn man an einem derartigen Präparat durch Klopfen auf das
Deckgläschen die Epithelzellen in ihrer Verbindung etwas gelockert hat, so kann man deutlich
verfolgen, dass die Nervenfibrillen zwischen der Stützlamelle und den Epithelzellen eindringen und
in die Basis der letzteren übergehen. Durch weiter fortgesetztes Klopfen kann man eine vollstän-
dige Isolation der zelligen Elemente mit den zu ihnen gehörigen Nervenfibrillen herbeiführen. Eine
Reihe derart gewonnener vortrefflich conservirter F ormen ist auf Tafel IV unter der Figurenbezeich-
nung 7 zusammengestellt.
Wie eine Vergleichung ergiebt, variiren die einzelnen Zellen in ihrer Grösse unter einander
oft um das Doppelte, ein Verhältniss, das auch in der Form geringe Modificationen bedingt. Die
kürzeren Zellen zeigen eine mehr gleichmässige Cylinderform und verdünnen sich etwas nach ihrer
Basis zu. Die längeren dagegen besitzen ihren grösseren Durchmesser an der Basis, welche den
Kern führt, und gehen nach der Peripherie zu in einen etwas schmäleren Fortsatz über. Ihre
Form ist daher mehr eine flaschenförmige. In natürlicher Lage wechseln die beiden Zellarten auf
einem optischen Durchschnitt so mit einander ab, dass die längeren flaschenförmigen sich mit
ihrem halsartigen Theil zwischen die kürzeren cylindrischen hineinschieben. Die Kerne sind daher
in zwei verschiedenen Zonen angeordnet. Die periphere Endfläche der Zellen ist von einer dünnen
Cuticula (c) überzogen, welche einen festeren Zusammenhalt der Elemente bedingt und daher ihre
Isolation etwas erschwert. Von der Cuticula erhebt sich ein langes Haar, das auch an den Iso-
lationspräparaten wohl erhalten wur.
An ihrer Basis verlängern sich die Zellen in zwei Fortsätze, in einen kürzeren und einen
zweiten, der bei gut gelungener Isolation um das zwei- bis vierfache den Zellkörper übertrifft. Es
gleicht dieser Ausläufer in jeder Beziehung einer feinen Nervenfibrille. Ob dies auch für den
anderen kürzeren Fortsatz gilt, müssen wir dahingestellt sein lassen. Vielleicht dient dieser nur
dazu, die Zelle an die unterliegende Stützmembran zu befestigen.
Die auf den vorhergehenden Seiten gegebene Schilderung passt in gleichem Maasse auf die
Gehörbläschen von Carmarina und von Glossocodon. Beide stimmen im feineren Bau Punkt für
9*
68
Punkt mit einander überein. Nur in der Grösse weichen sie von einander erheblich ab, da der
Durchmesser eines Bläschens von Carmarina (Taf. IV. Fig. 1 und 3) denjenigen von Glossocodon
(Taf. IV. Fig. 4) um das Mehrfache libertrifft. Von ersterer eignen sich daher die Gehörorgane
besser zur Untersuchung auf Durchschnitten und zur Behandlung mit Reagentien, dagegen ist
Glossocodon zu empfehlen, wenn man die Tlieile in ihrer natürlichen Lage sich zur Anschauung
bringen will.
Literatur. Die Gehörorgane der Geryoniden sind von den ersten Beobachtern derselben,
von Kölliker (50), Leuckart (58) und Gegenbaur (32 und 33) in ziemlich übereinstimmender
Weise beschrieben worden. Sie werden als ziemlich grosse vollkommen geschlossene, nicht flim-
mernde Blasen oder Kapseln aufgeführt, deren Innenwand an einem kurzen Stiel noch ein zweites
kleineres Bläschen trägt. Letzteres birgt einen grossen runden Otolithen und ausserdem zuweilen,
wie Leuckart bei Geryonia exigua fand, noch mehrere kleinere Hülfsotolithen. Gegenbaur hebt
noch hervor, dass die Concretion von einer Membran überzogen und durch sie gegen das Lumen
des Bläschens abgeschlossen ist. Er betrachtet dieselbe als Zellenmembran und lässt den Otolithen
in der Secretionshölile einer Zelle entstanden sein, die mit der Wand des Randbläschens bald mehr
bald minder stielförmig verbunden ist. Gegenüber anderen Forschern hebt Gegenbaur hervor, dass
bei der Bewegungslosigkeit des Otolithen ein grosser Tlieil der Analogie hinwegfalle, nach welcher
man die bläschenförmigen Randkörper der Medusen mit den Gehörorganen der Aceplialen und
Cephalophoren in gleiche Reihe stellt.
Von der Auffassung, welche sich die früheren Beobachter über die morphologische Beziehung
der Gehörorgane der Geryoniden zu denen der übrigen Medusen gebildet haben, gilt dasselbe, was
bei den Trachynemiden bereits hervorgehoben wurde. Sie haben irriger Weise die bläschenförmigen
Gebilde mit dem Otolithen bergenden Endtheil des Hörkölbchens der Aeginiden verglichen.
Unter dem Einfluss dieser Anschauung ist Fritz Müller (71) zu einer eigenthümlichen
Ableitung der Randbläschen der Tracliymedusen von einer gemeinsamen Grundform verleitet worden.
Als Ausgangspunkt wählt er das Randbläschen von Cunina, dessen endständiges Concrement er von
einem blassen Strang, unserem Axentheil, becherförmig umfasst und durch ihn mit der Basis ver-
bunden sein lässt. Um die bei den Geryoniden vertretene Form der Randbläschen zu erhalten,
denkt er sich den Strang verkürzt und dadurch das Concrement ins Innere der Blase zurück-
gezogen. Die Randkörper von Aglauropsis führt er als eine Bildung auf, die in der Mitte zwischen
dem bei Cunina und dem bei Liriope zu beobachtenden Verhalten steht. Das Verfehlte dieser
ganzen Art der Vergleichung geht aus den bei Rhopalonema ermittelten entwicklungsgeschichtlichen
Thatsachen zur Genüge hervor. Dass Fritz Müller mit Agassiz (3 und 4) die Randbläschen der
Medusen als Augen deutet, wurde schon früher erwähnt.
Einen bedeutenden Fortschritt in der feineren Anatomie der Randbläschen von den Geryo-
niden führte Haeckel (37) in seiner Monographie herbei. Gegen Fritz Müller hebt derselbe
hervor, dass die Randbläschen, die er auch Sinnesbläschen nennt, allseitig von der Schirmgallerte
umschlossen werden, dann macht er zum ersten Male auf die zwei längsstreifigen Bänder an der
Innenfläche der Bläschenwand aufmerksam und deutet sie als zwei Sinnesnerven. Nach Zusatz von
Reagentien lässt er in ihnen zahlreiche feine stäbchenförmige Kerne sichtbar werden und nimmt er
daher eine Zusammensetzung aus zarten und stellenweise mit kleinen Kernen besetzten Fasern an.
Ferner ist Haeckel in den Bau des Hörkölbchens von Carmarina weiter als die früheren Forscher
eingedrungen, indem er die zellige Beschaffenheit desselben nachweist. Er bezeichnet es als
inneren Nervenknoten oder als Sinnesganglion. Dasselbe besteht nach seiner Untersuchung aus
69
dichtgedrängten kleinen Ganglienzellen, die von einer zarten, aber doppeltcontourirten Membran
umhüllt sind lind das Concrement allseitig umgehen. Die an der Bläschenwand verlaufenden zwei
Nerven treten zusammen in das Sinnesganglion ein, indem sie sich durchflechtend ein Chiasma
bilden. „Ihre gekreuzten Fasern“, führt Haeckel weiter an, „strahlen in der Weise zwischen den
Zellen des Kapselinhalts pinselförmig aus, dass die obere Hälfte des Concrements von einem kegel-
förmigen, nach unten offenen Fasermantel umgehen ist. Vielleicht stehen die Enden der Nerven-
fasern mit den Zellen im Zusammenhang. Doch habe ich mir darüber keine Gewissheit verschaffen
können.“ „Bisweilen schien das ganze Concrement von einer Faserhülle umgeben zu sein.“
Endlich lässt Haeckel das Randbläschen der Geryoniden mit seiner Basis einem Ganglion
des Nervenrings unmittelbar aufsitzen und beschreibt hier an der Innenseite der Bläschenwand ein
Polster von rundlichen und spindelförmigen blassen Zellen. Er hält dasselbe für eine im Innern
des Bläschens gelegene und unmittelbar mit dem ausserhalb darunter liegenden Nervenknoten ver-
bundene Anhäufung von Nervenzellen und bezeichnet es als Basalganglion, aus welchem nach
rechts und links die zwei Sinnesnerven austreten.
Durch unsere Untersuchungen haben wir den Einschluss der Bläschen in die Schirmgallerte,
das Vorhandensein der zwei faserigen Sinnesnerven und die zellige Zusammensetzung des Hörkölb-
chens bestätigen können. In anderen Punkten sind wir zu abweichenden Resultaten gekommen. So
fehlen nach unseren Beobachtungen in den Nervenfasern stäbchenförmige Kerne. An dem Hörkölbclien,
dem Sinnesganglion Haeckel’s, ist ein Axentheil und eine einschichtige Epithellage zu unterscheiden,
welche der Hauptsache nach aus haartragenden Zellen besteht. Die umhüllende zarte Membran ist
die Cuticula der Epithelschicht. Das Hörbläschen ist vom Nervenring durch einen grösseren Ab-
stand entfernt, und ebenso konnte ein Basalganglion von uns nicht wahrgenommen werden.
Bei der Deutung der Function der Randbläschen tritt Haeckel der Ansicht derer entgegen,
welche in ihnen Gehörorgane erblicken wollen. Zwischen den Randbläschen der Medusen und den
Hörbläschen der Würmer und Mollusken bestehe im feineren Bau eine sehr wesentliche Differenz.
Auch die Deutung als Auge verwirft er, indem er geltend macht, dass das oft unregelmässig
geformte Concrement, zumalen wenn noch Nebenconcremente vorhanden sind, nicht als Linse
functioniren könne. Haeckel ist der Ansicht, dass bei den niederen Thieren wesentlich andere
Sinnesempfindungen (als bei den höheren) zu Stande kommen , von deren eigentlicher Qualität wir
uns keine bestimmte Vorstellung machen können; er hält es für sehr wahrscheinlich, dass die
Empfindungen der Licht- und Schallwellen, für welche bei den höheren Thieren verschiedene Organe
differenzirt sind, bei den niederen an ein und dasselbe Sinnesorgan in unvollkommener Ausbildung
gebunden Vorkommen. Als ein solches „gemischtes Sinnesorgan“, über dessen eigentliche
Function wir uns natürlich vorläufig jeder bestimmteren Vermuthung enthalten müssen, möchte er
auch die Randbläschen der Geryoniden etc. betrachtet wissen.
Unsere Ansicht von der functioneilen Bedeutung dieser Gebilde werden wir erst im allge-
meinen Theil im Zusammenhang auszuführen und zu begründen versuchen.
70
II. Vesiculatae.
Unter dem Namen Vesiculatae vereinigte Haeckel (38) alle mit Randbläschen versehenen Me-
dusen mit Ausschluss der Trachymedusen. Wir behalten die Gruppe und den Namen hei, da wir der
Ansicht sind, dass durch letzteren ein systematisch sehr bedeutsames Merkmal in den Vordergrund
der Charakteristik gestellt wird. Wie wir später noch näher erörtern werden, sind die Hörbläschen
der Vesiculaten ebenso typisch, wenn auch anders gestaltet, als die Gehörorgane der Trachymedusen.
Die Unterscheidung von Familien innerhalb . der Gruppe hat mit grösseren Schwierigkeiten
zu kämpfen, als hei den Trachymedusen. Einmal fehlen so wesentliche Verschiedenheiten, wie sie
hei letzteren wenigstens zwischen den Geryoniden und Aeginiden bestehen, dann aber sind auch
die unterscheidenden Merkmale in sehr unregelmässiger Weise vertheilt. Wir haben daher Abstand
genommen, dieser Schilderung die Eintheilung in Familien zu Grunde zu legen, und werden es
vorziehen, alle von uns untersuchten Arten gemeinsam zu besprechen und dabei die Besonderheiten
einer jeden getrennt hervorzuheben. Wir hatten Gelegenheit folgende verschiedene Formen zu
beobachten: Phialidium viridicans (Leuckart), Obelia polystyla (Eucope polystyla Gegenbaur),
Mitrocoma Annae (Haeckel), Octorchis Gegenbauri (Haeckel) , eine nicht näher zu bestimmende
Eucheilota (Mc. Crady) und endlich die grosse schöne Aequorea Forskalea (Agassiz Medusa aequorea
Forskäl). Am genausten von diesen Formen konnte die Aequorea Forskalea untersucht werden.
Sie wird deswegen auch im Folgenden die Grundlage für unsere Darstellung gehen, zumal hei der
' Schilderung des Nervensystems.
a. Die Anatomie des Schirmrands der Vesiculaten.
Der Schirmrand aller Vesiculaten besitzt eine glatte Contour und bildet einen mehr oder
minder auffälligen Wulst, dessen an das Velum angrenzende Oberfläche mit einem Streifen von
hohem Flimmerepithel bedeckt ist. Das von ihm entspringende Velum ist meist von geringer
Breite und auch hei den grösseren Arten, wie Mitrocoma und Octorchis, ganz ausserordentlich dünn,
so dass es schwer fällt, auf einem Querschnitt die vier Schichten, aus denen es sich zusammensetzt :
das obere und untere Epithel, die Stützlamelle und die Muskelschicht, nachzuweisen. Nur Aequorea
macht hier eine Ausnahme; bei derselben nehmen die sonst platten Epithelzellen eine mehr cubische
Beschaffenheit an, namentlich aber ist die Stützlamelle gut ausgebildet und sogar in der Nähe des
Schirmrands, wo sie sich wie auch bei anderen Medusen, verdünnt, auf Querschnitten deutlich zu
erkennen. Sie verbindet sich hier in der schon von den Trachymedusen geschilderten Weise mit
einer der Subumbrella zur Stütze dienenden Membran und einer zweiten, die die Oberfläche der
Gallerte auf der dorsalen Seite überzieht. Die Festigkeit aller dieser Membranen macht die Aequorea
zu einem für die. Untersuchung des Nervensystems ebenso günstigen Object, als es Carmarina unter
den Trachymedusen ist.
Die Muskelschicht des Velum wird von der Subumbrella durch einen Saum geschieden,
innerhalb dessen, wie wir schon hei den Trachymedusen beschrieben haben, die musculösen
Elemente fehlen (Aequorea Taf. VI. Fig. 2 und 3; Octorchis Taf. VII. Fig. 13; Mitrocoma Taf. VII.
Fig. 14). Derselbe liegt zum Theil im Bereich des Velum, zum Theil im Bereich der Gallert-
scheibe und ist namentlich bei Aequorea von ansehnlicher Breite. Die nach Innen von ihm folgende
Subumbrella (m1) ist eine musculöse Membran, die nicht die ganze untere Schirmfläche über-
71
zieht, sondern in grösserer oder geringerer Entfernung vom Schirmrand mit einer scharfen Linie
abschneidet. Sie besteht aus quergestreiften Muskelfibrillen, die meist drelirund und sehr schmal
sind und nur bei Octorchis eine von oben nach unten abgeplattete und dem entsprechend ver-
breiterte Gestalt besitzen. Die Muskelfibrillen verlaufen ausnahmslos kreisförmig dem Schirmrand
parallel und kreuzen hierbei die Radiärkanäle, die bei Aequorea bis zu 50 vorhanden sind, bei
allen übrigen constant in Vierzahl auftreten. Nur da wo die bandförmigen Geschlechtsorgane in der
unteren Wand der Radiärkanäle zur Entwicklung kommen, ist die Subumbrella durch diese unter-
brochen; wie wir es genauer von Carmarina, bei der ähnliche Verhältnisse vorliegen, geschildert haben,
hören die Muskelfibrillen hier an beiden Seiten mit zugespitzten Enden in einer geraden Linie auf.
Der feinere Bau der Subumbrella ist bei den einzelnen Arten wesentlich verschieden.
Bei Phialidium und Octorchis bilden die Muskelfibrillen eine platte Schicht auf der ihnen zur Unter-
lage dienenden Stützlamelle und werden nach aussen von einer einzigen Lage Epithelzellen bedeckt.
Bei Mitrocoma (Taf. VII. Fig. 14m1) und Aequorea (Taf. VI. Fig. 2 m1) dagegen legt sich die
Muskellamelle in Falten, wodurch eine Vermehrung der musculösen Elemente bedingt wird; gleich-
zeitig scheidet die Musculatur sammt ihren Matrixzellen aus dem Ektoderm aus und bildet ein
eigenes vom Epithel getrenntes Stratum. Dies Verhalten ist am meisten bei Aequorea ausgeprägt.
Legen wir hier einen Querschnitt durch die Subumbrella, so finden wir nach der Gallerte zu zu-
nächst die Stützlamelle; auf diese folgen die Querschnitte der Muskelfibrillen, die in einer gewellten
oder vielfach im Zickzack geknickten Linie angeordnet sind; weiter treffen wir auf eine ziemlich
ansehnliche Schicht protoplasmareicher Zellen, die überall die durch die Faltung der Muskellage
hervorgerufenen Einbuchtungen ausfüllt; den Abschluss nach aussen endlich bildet das Epithel,
bestehend aus platten Zellen, die jedesmal an der Stelle, wo sie den Kern tragen, einen starken
buckelartigen Vorsprung besitzen und mit einer dicken gekörnten Cuticula bedeckt sind. Die
Epithelzellen werden von den unterliegenden Zellen, welche die Matrix der Muskelfibrillen zusammen-
setzen, durch eine scharfe und deutliche Linie getrennt; dieselbe entspricht wahrscheinlich einer
Membran, die sich zwischen beide Lagen einschiebt.
Die Ausscheidung der Musculatur aus dem Epithel ist bei Mitrocoma noch nicht so weit
gediehen wie bei Aequorea, nur in der Gegend des Ringkanals ist hier eine Differenzirung des
Ektoderms in Epithel- und Muskelzellen eingetreten, in einiger Entfernung vom Schirmrand lässt
sich dieselbe nicht mehr nachweisen. Hier liegen die Epithelzellen unmittelbar den Muskelfibrillen
auf und besitzen wie bei anderen Medusen zugleich die Function von Matrixzellen der Musculatur
und von Elementen, welche die Grenzschicht des Organismus bilden.
Unmittelbar auf der Stützlamelle der Subumbrella lagert am Schirmrand der Ringkanal.
Derselbe ist bei Phialidium und Obelia sehr fein und beim lebenden Thier nur dann zu erkennen,
wenn sein Lumen geöffnet ist und in demselben die strudelnden Bewegungen der Geisselzellen
sichtbar sind. Auf dem Querschnitt (Taf. VII. Fig. 7 und 8r) bildet er eine feinkörnige Masse, in
der einzelne Zellkerne lagern; eine Oeffnung ist in ihm dann nicht zu erkennen. Ansehnlicher ist
der Ringkanal bei den übrigen untersuchten Vesiculaten, besonders bei Mitrocoma (Taf. VII. Fig. 14)
und Aequorea (Taf. VI. Fig: 2). Bei den beiden letztgenannten füllt er den Wulst, welchen der
Schirmrand bildet, aus und lässt in vortrefflicher Weise die Unterschiede der Epithelformen er-
kennen, die wir schon früher hervorgehoben haben. Ueberall wo die entodermale Auskleidung an
die Gallerte grenzt (r1), besteht sie aus kleinen cubischen Zellen, hingegen aus hohen blasigen
Gebilden an den Stellen, wo sie entweder der Subumbrella auf liegt oder sich mit dem Epithel des
Randwulstes berührt (r2).
72
Dem Ringkanal sitzen direct die Tentakeln auf. Dieselben sind bei den Vesiculaten
mannigfaltiger gestaltet, als bei irgend einer anderen Medusengruppe, namentlich ist hervorzuheben,
dass bei den meisten Arten wesentlich verschiedene Formen der Tentakeln gleichzeitig und dauernd
neben einander Vorkommen, was sonst nirgends der Fall zu sein pflegt. Im Allgemeinen können
wir unter den Tentakeln zweierlei Arten unterscheiden, hohle, schlauchförmige und solide,
st ab artige. Erstere finden sich, mit Ausnahme der Obelia polystyla, bei allen von uns unter-
suchten Vesiculaten und können als blinde Aussackungen des Ringkanals betrachtet werden. Sie
beginnen mit einer bulbusartigen Anschwellung, die sich in einen dünneren, ganz ausserordentlich
contractilen Schlauch, den Tentakelfaden, verlängert. Bei Octorchis Gegenbauri (Taf. X. Fig. 11)
und Eucheilota (Taf. X. Fig. 13) sind acht derartige Tentakeln vorhanden, vier derselben sitzen
an der Einmündung der Radiärkanäle und sind somit radial (tr), die vier anderen sind inter-
radial (ti) und entspringen ungefähr in der Mitte zwischen zwei radialen Tentakeln. Bei den
übrigen mit vier Radialkanälen versehenen Vesiculaten, Phialidium viridicans und Mitrocoma Annae,
treffen wir ebenfalls vier radiale Tentakeln. Dagegen ist die Zahl der interradialen eine bedeu-
tendere, bei Phialidium beträgt dieselbe 8 — 12 (Taf. X. Fig. 10), bei Mitrocoma steigt sie sogar auf
76 (Taf. X. Fig. 8), so dass hier im Ganzen 80 hoble Tentakeln vom Schirmrand entspringen.
Bei Aequorea endlich (Taf. X. Fig. 9) fällt mit der grossen Anzahl der hier vorhandenen Radial-
kanäle die Unterscheidung von radialen und interradialen Tentakeln wenigstens beim erwachsenen
Thier weg; bei den von uns untersuchten Exemplaren waren sogar doppelt so viel Radialkanäle
vorhanden, so dass nur jedem zweiten derselben ein Tentakel entsprach. Den Radialkanälen gegen-
über, welche mit keinem Tentakel correspondirten , erhoben sich vom Schirmrand starkgewölbte
Höcker, die sich ebensowohl als Entwicklungsstadien, als auch als Rudimente von Tentakeln deuten
lassen und als Tentakelstümpfe bezeichnet werden sollen. Dieselben bedingen auf der Oberfläche
des Randwulstes hohle Vorsprünge, deren Binnenraum eine Ausstülpung des Ringkanals ist, und
tragen auf ihrer Spitze je eine kleine Papille, welche sich dem Tentakelfaden vergleichen lässt, wie
der Höcker selbst dem Tentakelbulbus.
Zwischen den hohlen Fangfäden existiren bei manchen Vesiculaten noch kleinere Aus-
stülpungen des Ringkanals, die von Haeckel (36) den Namen „Tentakelwarzen“ erhalten haben.
Die Tentakelwarzen sind kleine kegelförmige Erhebungen, die auf ihrer Spitze mit langen schmalen
Nesselkapseln gespickt sind und hier constant in ihrem Epithel schwarze Pigmentkörnchen ent-
halten. Bei Aequorea lagern sie einzeln jedesmal in dem Zwischenraum zwischen einem Tentakel
und einem Tentakelstumpf und stimmen in Zahl demgemäss mit den Radialkanälen überein (Taf. X.
Fig. 9tw). Bei Eucheilota (Fig. 13) treten 4 — 5 Tentakelwarzen zwischen je zwei Tentakeln,
8 — 10 somit zwischen zwei benachbarten Radialkanälen auf; bei Octorchis (Fig. 11) endlich war
ihre Zahl eine etwas grössere und betrug 12 — 14 in einem Interradialraum. Die übrigen Arten
sind nicht mit den Tentakelwarzen ausgestattet.
Während die schlauchförmigen Tentakeln in ihrem Innern einen Hohlraum umschliessen, der
mit dem Lumen des Ringkanals communicirt, wird die Axe der soliden von einem Strang grosser
blasiger Zellen gebildet, die allein aus einer Wucherung des Entodermepitliels entstanden sind. Bei
Obelia sind die soliden Tentakeln die einzigen Anhänge des Schirmrands (Taf. X. Fig. 7). Wie
schon der Artname polystyla andeutet, ist ihre Anzahl eine namentlich im Verliältniss zur Kleinheit
des Organismus sehr bedeutende, so dass vom Schirmrand aus einer dicht neben dem andern sich
erhebt. Bei dem grössten Exemplar waren ungefähr 80 völlig ausgebildete Tentakeln vorhanden,
während kleine Anlagen darauf hindeuteten, dass noch fortwährend eine Vermehrung stattfinde.
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Die Axe des Tentakels (Taf. VII. Fig. 1 1) besteht aus cubischen Entodermzellen, die wie Pflanzen-
zellen aussehen und in einer einzigen Reihe angeordnet sind. An der Basis des Tentakels springt
die Axe jedesmal mit einer Zelle in das Innere der Schirmhöhle vor. Hier verdickt sich auch
der sonst dünne epitheliale Ueberzug lind bildet eine dem Schirmrand aufsitzende bulbusartige An-
schwellung der Tentakel wurzel.
Während bei Obelia polystyla allein solide Tentakeln vorhanden sind, fehlen dieselben bei
Aequorea und Phialidium vollkommen; bei allen übrigen vesiculaten Medusen treten sie dagegen
gleichzeitig mit den hohlen Formen auf und werden hier, da sie hinter diesen an Grösse bedeutend
zurückstehen und auch niemals so regelmässig gestellt sind, als Nebententakeln (tn) bezeichnet.
Ueberall besitzen sie die gleiche Gestalt, sie sind feine Fäden, die sich sehr in die Länge ziehen
können und bei der Contraction korkzieherartig eingerollt werden. An der Basis sind sie nur
wenig verdickt, dagegen an der Spitze in sehr charakteristischer Weise fuchsschwanzartig ver-
breitert. Ihre Axe besteht aus einer Reihe Zellen, die je nach dem Contractionszustand bald mehr
lang gestreckt cylindrisch, bald mehr verbreitert scheibenförmig erscheinen, nur an der Basis sind
zwei Zellenreihen neben einander vorhanden. Das Epithel bildet einen dünnen Ueberzug, in dem
hier und da lange schmale über die Oberfläche hervorragende Nesselkapseln eingestreut sind; am
freien Ende des Tentakels verdickt es sich, bedeckt sich mit langen Flimmern und umschliesst zwei
Reihen von grossen Nesselkapseln,' die eine Art Nesselknopf, ähnlich wie bei den Fangfäden der
Siphonophoren , bilden und vornehmlich die fuchsschwanzartige Verbreiterung der Tentakeln bedin-
gen. Die geschilderten Nebententakeln sind bei Mitrocoma (Taf. X. Fig. 8) in der Zahl von
ungefähr 240 gleichmässig am Schirmrand vertheilt, so dass drei auf jeden Zwischenraum zwischen
zwei Haupttentakeln kommen ; bei Octorchis Gegenbauri (Fig. 1 1) stehen sie jedesmal an der Basis
einer Tentakel warze , ohne jedoch so zahlreich wie diese zu sein; bei Eucheilota (Fig. 13) endlich
sind sie zu Gruppen von 6 — 8 an den Basen der Haupttentakeln vereint.
Bei den genannten drei Arten gelangen weiterhin noch Tentakeln zur Beobachtung, die sich
von den geschilderten nur durch den Mangel der Nesselkapseln und der fuchsschwanzartigen Ver-
breiterung am peripheren Ende unterscheiden, sich im Uebrigen aber in gleicher Weise korkzieher-
artig einzurollen vermögen; sie sind wohl nur als Entwicklungszustände der ersteren zu deuten.
Während bei den Trachymedusen und Ocellaten Anhänge des Schirmrands nur auf der
oberen Seite desselben in der Form von hohlen und soliden Tentakeln zur Entwicklung kommen,
finden sich solche bei einer Anzahl Vesiculaten auch auf der unteren oder subumbrellaren Seite;
hier bilden sie kleine Kegel oder zungenförmige Vorsprünge, die wir im Folgenden als Subum-
brellapapillen bezeichnen werden. Dieselben sind von uns bei Aequorea Forskalea (Taf. X.
Fig. 9 u) und Octorchis Gegenbauri (Fig. 1 1 u) beobachtet worden. Bei ersterer liegen sie noch
innerhalb des muskelfreien Saums jedesmal unter den Einmündungen der Radialkanäle, mit denen
sie in gleicher Anzahl vorhanden sind. In ihr Inneres dringt eine Ausstülpung des Ringkanals ein,
welche auf der Spitze mittels einer ansehnlichen Oeffnung nach aussen mündet. Letztere kann
namentlich auf Querschnitten mit aller Sicherheit nachgewiesen werden; zugleich fällt an denselben
auf, dass die Wimpern des Gastrovascularsystems alle am Rand der Oeffnung nach aussen gewandt
sind, was es wahrscheinlich erscheinen lässt, dass hier beim lebenden Thier ein Ausströmen des
Inhalts des Ringkanals stattfindet. Bei Aequorea öffnet sich somit das Gastrovascularsystem nicht
allein durch den Mund, sondern auch an zahlreichen Stellen des Schirmrands.
Die schon von Haeckel (36) wahrgenommenen Subumbrellapapillen von Octorchis entsprechen
in ihrer Lagerung den Tentakelwarzen, so dass überall da, wo eine solche sich auf der oberen
llertwig, Medusen.
10
74
Seite erhebt, auf der Subumbrellaseite sich eine Papille befindet. Wie bei Aequorea fallen sie noch
in das Bereich des muskelfreien Randsaums. Sie scheinen ganz von Entodermzellen erfüllt zu
sein und keine Oeffnung zu besitzen. In das Epithel der Oberfläche sind stets einige Nesselzellen
eingelagert.
Die Subumbrellapapillen sind bei den Vesiculaten ziemlich verbreitet. A. Agassiz (2) hat
sie unter dem Namen der Tentakelsporne bei einer ganzen Anzahl Arten beschrieben, sie sollen
hier an der Basis der Tentakeln nach einwärts vorspringen und bei Zygodactyla, Rhegmatodes und
Aequorea hohl sein, bei Lafoea und Ptychogena aus grossen durchsichtigen Zellen bestehen. Viel-
leicht gehören auch hierher die von Gegenbauk (33) bei Thaumantias mediterranea beobachteten
„stumpfen, aus grossen hellen Zellen gebildeten starren Fortsätze, die mit dem horizontal liegenden
Theil der Randhaut verwachsen sind“. Die genausten Angaben über die Subumbrellapapillen ver-
danken wir Mecznikow (64), der bei Zygodactyla zum ersten Mal ihr Lageverhältniss zum Velum
richtig erkannte und auf die Oeffnung an der Spitze der Papille aufmerksam machte.
b. Das Nervensystem der Vesiculaten.
Das Nervensystem der Vesiculaten zeigt im Allgemeinen eine grosse Uebereinstimmung mit
dem der Tracliymedusen ; wie bei diesem können wir an ihm einen centralen am Schirmrand ge-
legenen und einen peripheren Abschnitt unterscheiden, und an ersterem wiederum eine Zusammen-
setzung aus zwei Portionen, dem oberen und unteren Nervenring, nacliweisen. Immerhin haben sich
bei einer genaueren Untersuchung einige Besonderheiten ergeben, die sich auf einen geringeren
Ausbildungsgrad des Organsystems zurückführen lassen. — Unsere Beobachtungen wurden vornehm-
lich an Aequorea Forskalea angestellt, da die anderen Arten — zum Theil wegen ihrer Kleinheit —
sich als ungünstig erwiesen; die folgende Darstellung geht daher von der genannten Meduse aus
und nur anhangsweise werden die übrigen Arten, so weit sie Verschiedenheiten zeigen, berücksichtigt
werden; Avie bei den Tracliymedusen beginnen wir mit der Betrachtung des oberen Nerven rings.
Bei der allgemeinen Besprechung des Schirmrands hatten wir hervorgehoben, dass derselbe
bei Aequorea durch die starke Ausbildung des Ringkanals Avulstförmig verdickt ist und dass er
ferner auf seiner Oberfläche eine lebhafte Flimmerung erkennen lässt. Letztere beginnt an dem
Ursprung des Velum und erstreckt sich bis auf die Höhe des Wulstes; sie findet sich somit ungefähr
in der Ausdehnung, in welcher die Wandung des Ringkanals dem Epithel der Schirmoberfläche
fast unmittelbar anliegt, indem sich zwischen beide nur eine dünne Stützlamelle einschiebt (Taf. VI.
Fig. 2 und 3). Soweit die Flimmerung reicht, besitzt das Epithel eine von der Umgebung abwei-
chende Beschaffenheit. Während die Convexität des Schirms von platten, das Velum von cubischen
Zellen bedeckt ist, sind im Bereich der z wiscl inliegenden Strecke die Epithelzellen cylindrische
Gebilde von um so beträchtlicherer Feinheit, als die Elementartheile der Aequoriden sich an und
für sich schon durch geringe Grösse auszeichnen. Von der Fläche betrachtet (Taf. VI. Fig. 14)
bilden ihre freien Enden ein zierliches Mosaik, Avie es nicht feiner die Sinnesepithelien der Säuge-
thiere zu erkennen geben. Die kleinen das Mosaik zusammensetzenden Vielecke sind verschieden
gross; ihre Durchmesser schwanken zwischen 0,15 — 0,4 ,u; zwischen ihnen zerstreut lagern ver-
einzelte Nesselkapseln (z); am spärlichsten sind dieselben in der Nähe des Velum, während von
hier aus nach der Schirmoherfläche hin ihre Zahl zunimmt. Am Rand des flimmernden Epithel-
streifens wandeln sich die Zellen allmählich, wenn auch innerhalb einer schmalen Zone, in die
breiteren Elemente der Schirm- und Velumoberfläche um.
75
Auf Querschnitten durch den Schirmrand erscheint der geschilderte Epithelstreifen verdickt
(Fig. 1 — 3 und 5). Die Verdickung ist am geringsten auf der Höhe des Ringkanals und nimmt
von hier aus nach dem Velum hin allmählich zu; dicht über dem Velum ist sie ganz besonders
ausgeprägt, so dass die hier gelegene Epithelpartie in dem flimmernden Randsaum einen hervor-
ragenden schmalen Wulst bildet; derselbe ist nicht an allen Stellen gleich deutlich, namentlich ist
er an der Basis der Tentakeln so gut wie gar nicht gegen die Umgebung abgesetzt.
Wie sehr auch die Dicke der Epithelschicht wechselt, so besteht dieselbe gleichwohl überall
nur aus einer einzigen Lage von Zellen, nur die Kerne derselben ordnen sich in verschiedenen
Schichten an. Anfänglich bilden sie auf dem Querschnitt gesehen nur eine Reihe, später zwei, ja
innerhalb des an das Velum grenzenden Wulstes sogar drei Reihen über einander. Aus Macerations-
präparaten durch Klopfen oder durch Zerzupfen isolirt zeigen die Epithelzellen die Eigenthümliclikeiten,
die wir schon bei den Trachymedusen vom Sinnesepithel des Nervenrings kennen gelernt haben.
Sie sind dünne fadenförmige Körper, ^ in denen der Kern eine bald mehr dem peripheren, bald mehr
dem centralen Ende genäherte Anschwellung hervorruft (Taf. VI. Fig. 12 und 15). Am feinsten und
längsten sind sie in der Nähe des Velum, und werden von hier aus nach dem Schirm zu kürzer
und breiter. Die centralen Enden verlängern sich in feine, namentlich an guten Macerationspräpa-
raten in grosser Länge erhaltene Fortsätze; gewöhnlich besitzt eine Zelle nur 1—2 derselben,
seltener eine grössere Anzahl. Die peripheren Enden tragen je ein langes feines Geisselhaar und
werden von einer starken Cuticula überzogen, welche eine Isolirung einzelner Zellen sehr erschwert.
Gewöhnlich erhält man daher Gruppen von Zellen, die mit ihren peripheren Enden noch fest ver-
einigt sind, während ihre feinen Ausläufer wirr nach allen Richtungen hin auseinanderstrahlen.
Die Verdickung, welche die Ektodermschicht am Schirmrand erfährt, erklärt sich nur zum
Theil aus der soeben geschilderten Beschaffenheit der Epithelzellen, zum Theil muss sie auf die
Anwesenheit zahlreicher, unter diesen verlaufender Nervenfibrillen zurückgeführt werden. Auf
dem Querschnitt fallen dieselben nur innerhalb des auf dem Ursprung des Velum lagernden Wulstes
auf und erscheinen hier als eine körnige Masse, die zwischen den Epithelzellen und der Stütz-
lamelle lagert und zeitweilig vereinzelte Kerne umschliesst (Fig. I und önr1). Gleiche Resultate
ergiebt das Studium von Flächenbildern (Fig. 14). Wenn man den Schirmrand einer Aequorea flach
ausbreitet, so gewahrt man nach Behandlung mit Osmiumsäure schon ohne weitere Präparation
einen dunklen faserigen Strang, der dicht an der Ursprungsstelle des Velum entlang läuft und
unter dem Epithel liegt. Entfernt man dann weiterhin das letztere stellenweis durch Pinseln, so
sieht man da, wo das Epithel erhalten geblieben ist, an den Rändern ein Gewirr von feinen Fasern
hervortreten, die sich zu einem circulär verlaufenden Strang durchflechten. Derselbe ist jedoch,
wie Pinselpräparate lehren, nur ein Theil, wenn auch der Haupttheil des Nervenrings, da noch
ausserhalb des Strangs feine Fäserchen an den Rissstellen unter dem Epithel hervortreten. Solche
Fäserchen finden sich soweit als die Verdickung des Ektoderms am Schirmrand sich ausbreitet, wenn
sie auch seltener werden, je mehr wir uns von dem Velum entfernen.
Wir können somit bei Aequorea eiuen in radialer Richtung sehr ausgedehnten, flächenhaft
verbreiterten Ringnerven nachweisen, der sich nur am Rand zu einem ansehnlicheren Strang ver-
dickt. In diesem Punkt ist eine nicht unwesentliche Abweichung von dem Verhalten, welches wir
bei den Trachymedusen kennen gelernt haben, gegeben, da bei diesen die Fibrillenmasse zu einem
einzigen dicken Bündel am Schirmrand zusammengedrängt ist. Am auffallendsten sind diese Unter-
schiede bei einem Vergleich der Querschnittsbilder, welche die Trachymedusen, z. B. eine Cunina,
einerseits und die Aequoreen andererseits ergeben. Wo bei Cunina (Taf. I. Fig. I und 7) ein starker
io*
76
durch Ringnerv und Sinnesepithel hervorgerufener Wulst verläuft, findet sich bei Aequorea eine ver-
hältnissmässig geringfügige Anschwellung; während aber jener sich scharf gegen das Epithel der
Schirmoberfläche absetzt, geht diese in eine sich erst allmählich verflachende verdickte Schicht über.
Als Bestan dtli eile des oberen Nerven rings lassen sich hei Aequorea ohne grosse
Mühe Nervenfibrillen und Ganglienzellen durch Zerzupfen isoliren (Taf. VI. Fig. 17). Erstere sind
zumeist von ausserordentlicher Feinheit, letztere besitzen einen spindelförmigen Körper, in dem ein
bis zwei auffallend kleine Kerne liegen. Durch ihre Gestalt wie durch die Beschaffenheit ihrer
Kerne unterscheiden sie sich von den Ganglienzellen der Trachymedusen , die durch besonders
grosse Zellkerne und einen mehr kugeligen Körper sich auszeichnen. Auch sind sie in viel
grösserer Zahl vorhanden, als wir beim oberen Nervenring der Trachymedusen gefunden haben.
Im Uebrigen sind auch hier wieder die meisten Ganglienzellen bipolar und nur einige senden drei
oder mehr Fortsätze aus.
Was schliesslich noch das Verhältniss anlangt, in dem Nervenring und Sinnesepithel zu
einander stehen, so haben wir einen innigen Zusammenhang beider sowohl auf Querschnitten, als
auf Zerzupfungspräparaten nachweisen können. Beim Zerzupfen erhält man dann und wann Stücke
des Nervenrings im Zusammenhang mit dem Epithel und kann, wenn letzteres genügend zerfasert
ist, beobachten, dass die feinen Ausläufer der Epithelzellen sich den Fasern des Nervenrings bei-
mischen (Taf. VI. Fig. 12). Das Gleiche lassen sehr feine Querschnitte erkennen. Figur 13 auf
Tafel YI stellt einen Tlieil eines Schnittes durch den Nervenring dar. Die Faserzüge des letzteren
erscheinen auf ihm als eine körnige Masse, in dieselbe treten die Fortsätze der langen Epithel-
zellen (a), deren Wimperhaare noch zum Tlieil erhalten sind; im Nervenring selbst lagern zwei
Kerne, welche den hier sich vorfindenden Ganglienzellen (g) angehören.
Von den übrigen Vesiculaten war es uns nur noch bei Mitrocoma möglich Zerzupfungs-
präparate anzufertigen und Ganglienzellen, Nervenfasern und Epithelzellen, wenn auch in einer viel
unvollkommeneren Weise als bei Aequorea, zu isoliren (Taf. VII. Fig. 18«); bei den anderen Me-
dusen haben wir uns darauf beschränkt die Anwesenheit eines Nervenrings an Flächenansichten
durch Osmiumsäurebehandlung nachzuweisen und seine Lagerung auf Querschnitten genauer fest-
zustellen. Bei Obelia polystyla haben wir in Anbetracht der durch die geringe Körpergrösse be-
dingten Schwierigkeiten auch auf Querschnitte verzichtet und stützt sich somit unsere Ansicht, dass
auch hier ein Nervenring vorhanden ist, ausschliesslich auf die Beobachtung eines faserigen Zugs,
der dem Schirmrand entlang unter dem Epithel verläuft.
Alle nach Ausschluss von Aequorea übrig bleibenden, von uns untersuchten Vesiculaten
stimmen in dem Punkt überein, dass der vom oberen Nervenring und dem Sinnesepithel gebildete
Randsaum sicli gegen die Umgebung schärfer abgrenzt und zugleich schmäler ist, als bei Aequorea.
In demselben Maasse als die Breite abnimmt, nimmt der Dickendurchmesser zu, so dass hierdurch
der obere Nervenring dem der Trachymedusen mehr und mehr ähnlich wird. Bei einem Theil, bei
Octorchis Gegenbauri (Taf. VII. Fig. 13) und Phialidium viridicans (Taf. VII. Fig. 7), steht diese
Veränderung im Zusammenhang mit der geringen Breite, welche bei den genannten Arten der Ring-
kanal besitzt; bei Mitrocoma Annae dagegen ist das nicht der Fall; wie erwähnt, ist bei dieser Meduse
(Taf. VII. Fig. 14) der Ringkanal sehr gross, gleichwohl ist der Nerven wulst scharf abgegrenzt
und schmal, so dass er kaum bis zur halben Höhe des Ringkanals heraufreicht.
Aehnliche Verhältnisse, wie wir sie im Obigen für den oberen Nervenring von Aequorea
kennen gelernt haben, kehren bei dem unteren wieder; wie jener auf der oberen Seite des Schirm-
rands einen breiten Saum mit einer dünnen Lage bedeckt, so ist auch dieser flächenhaft aus-
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gebreitet, was sich umsomehr bemerkbar macht, als er auch bei anderen Medusen, wie den
Geryoniden und Aeginiden, nicht gerade aus dicken Faserzügen besteht. Demgemäss ist denn auch
die charakteristische muskelfreie Stelle auf der unteren Seite des Schirmrands mehr als sonst aus-
gebildet, weniger auf Seiten des Yelum als auf Seiten der Subumbrella, welch letztere erst in
ziemlicher Entfernung von dem Rand, < entsprechend der Mitte des sehr breiten Ringkanals, beginnt
(Taf. VI. Fig. 2).
Im frischen Zustand ist der untere Nervenring nicht wahrnehmbar; und auch nach Be-
handlung mit Osmiumsäure gelingt der Nachweis nur dann, wenn zuvor das Präparat gut zubereitet
war. Zu dem Zweck muss man, was nur bei macerirten Thieren möglich ist, den oberen Nerven-
ring durch Pinseln entfernen, weiterhin die Gallerte im Zusammenhang abziehen und schliesslich
auch noch das Präparat vom Epithel des Ringkanals reinigen. Zunächst fällt dann die veränderte
Beschaffenheit des Epithels auf, welches aus viel kleineren Zellen besteht, als das der Subumbrella
(Taf. VI. Fig. 10 und 11 nr2). Die Zellen besitzen meist eine in radialer Richtung verlängerte Form
und sind nur wenig grösser, als der von ihnen umschlossene Kern. Unter dem Epithel liegt eine
dünne Schicht feiner blasser Fasern, in der man nach Carminfärbung und bei Anwendung stärkerer
Vergrösserungen kleine runde oder ovale Kerne bemerkt. Letztere sind schwer zu erkennen,
namentlich im Verhältnis zu Cunina und Carmarina, bei welchen sie, wie wir früher gesehen haben,
sofort die Aufmerksamkeit des Beobachters auf sich lenken. Die Fasern sind am dichtesten in
der Mitte des muskelfreien Saums. Hier ordnen sie sich zu Bündeln, die circulär dem Schirmrand
parallel ziehen, einen gewellten Verlauf einhalten und ab und zu sich mit einander verbinden oder
aus einander weichen. Im Uebrigen lassen sich die einzelnen Bestandteile des Faserzugs nicht
genauer erkennen, da sie sich zu dicht mit einander berühren.
Den geschilderten Haupttheil des unteren Nervenrings trennt von dem Rand der Subumbrella
eine schmale Zone, in welcher die Elemente weniger dicht bei einander lagern. Hier durchkreuzen
sich feine, isolirt verlaufende Fibrillen und bilden ein lockeres Geflecht, das auf der einen Seite an
die Subumbrella, auf der anderen Seite an den Hauptstrang des Nervenrings anstösst; es ist am
schönsten zu sehen, wenn ein Spalt im darüber liegenden Epithel durch das Herrichten des Präparats
entstanden ist, wie es Figur 11 auf Tafel VI zeigt, wodurch die Nervenfasern stellen weis freigelegt
worden sind. Ferner finden sich hier Ganglienzellen mit mehreren Ausläufern, die zum Theil in
die Subumbrella, zum Theil in den Nervenring übertreten; die Gestalt dieser Zellen lässt sich
bei genauer Einstellung des Mikroskops ermitteln, da sie eine vereinzelte Lagerung einnehmen
(Fig. 11g); bei allen übrigen Theilen dagegen bedarf es einer völligen Isolation , um über ihre
Formen Klarheit zu bekommen.
Die Isolation der Nervenfasern und Ganglienzellen stösst bei der ganz ausser-
ordentlichen Feinheit der Elemente auf vielfache Schwierigkeiten und kann nur durch Zerklopfen
von abgezupften Fetzen des unteren Nervenrings herbeigeführt werden. Die Bestandteile, die man
auf diesem Wege erhält, sind viel mannigfaltiger, als es beim oberen Nervenring der Fall war.
Wie bei den Tracliymedusen mischen sich zwischen die feinen Fibrillen, welche die Hauptmasse
des unteren Nervenrings ausmachen, zahlreiche starke Fasern, deren Durchmesser bis zu 0,4 /li
betragen kann. An den von uns untersuchten Präparaten zeigten sie eine schwach ausgeprägte
faserige Beschaffenheit, die vielleicht auf eine fibrilläre Structur zurückzuführen, vielleicht aber
auch nur als eine Folge der Behandlung mit Reagentien anzusehen ist. Besonders gross aber ist
der Reichthum jni Ganglienzellen (Taf. VI. Fig. 6); wie auch sonst sind dieselben zumeist bipolar,
doch trifft man gar nicht selten auch auf Zellen, bei denen man 3 — 4 Fortsätze nachweisen kann,
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einmal sogar konnten wir ein Exemplar mit fünf Ausläufern isoliren, von denen einer sich in
seinem Verlauf abermals theilte. Diese multipolaren Ganglienzellen haben wir zum grössten Theil
in den Theil des Nervenrings zu verlegen, der an die Subumbrella grenzt. — In der Stärke der
Ausläufer herrschen dieselben Unterschiede, wie in der Stärke der Nervenfasern. Ein grosser Theil
der Ganglienzellen steht mit jenen breiten Fasern im Zusammenhang, die wir oben erwähnt haben,
und bildet im Verlauf derselben höckerartige Vorsprünge, die nach dem Epithel zu gerichtet sind;
ein anderer Theil wiederum bildet nur feinste Fibrillen.
Das den unteren Nervenring bedeckende Epithel besteht aus zweierlei Zellformen. Die
eine derselben (Taf. VI. Fig. 7 a) zeigt die eigenthümliche Beschaffenheit, die wir bei den Aeginiden
zuerst kennen gelernt haben. Die Zellen besitzen im Grossen und Ganzen eine cubisclie Gestalt
mit einer gewölbten Oberfläche, die von einer deutlichen Cuticula überzogen wird ; auf ihrer unteren
Seite bilden sie protoplasmatische Fäden und Platten, die sich zwischen die Elemente des Nerven-
rings einschieben und namentlich die Ganglienzellen umscheiden. Sie erfüllen somit gleichzeitig
die Function eines Stütz- und Deckepithels. Die zweite Art der Epithelzellen (Taf. VI. Fig. 8 a)
ist viel seltener und daher leicht zu übersehen. Ihr Bau deutet darauf hin, dass sie mit dem
Nervenring in Zusammenhang stehen und dem Sinnesepithel zugerechnet werden müssen. Diese
Zellen sind klein von Gestalt, fast nicht grösser als der Kern, den sie umschliessen ; sie senden
feine Fortsätze aus, die sich nicht selten in ihrem Verlauf mehrfach verästeln. Ihr freies Ende
verlängert sich in ein dünnes hellglänzendes Spitzchen, von dem ein feines kurzes Haar entspringt.
Diese Sinneszellen lagern vereinzelt zwischen den Deckzellen und lassen sich auch auf Quer-
schnitten erkennen, indem auf denselben ab und zu ein feines Haar über die Oberfläche der Cuticula
hervorragt, welches einer darunter gelegenen Sinneszelle entspricht (Taf. VI. Fig. 5 a). Im Uebrigen
zeigen Querschnitte vom unteren Nervenring sehr wenig, da es nirgends zu einer Anhäufung von
stärkeren Nervenbündeln kommt. Nur an sehr feinen Schnitten gewahrt man kleine mattgraue
runde Kreise und ab und zu in ihnen ein oder zwei Kerne. Es sind dies die durchschnittenen
stärkeren Fasern und die in sie eingeschalteten gangliösen Anschwellungen.
In das Bereich des unteren Nervenrings fällt die Subumbrellapapille, jener schon früher
besprochene Zapfen, der durch eine Ausstülpung des Ringkanals entsteht und auf seiner Spitze
eine Ausmündung desselben trägt. Die Papille ist auf ihrer Oberfläche von einem Cylinderepithel
bedeckt, unter dem zahlreiche Ganglienzellen lagern. Auch hier können wir im Epithel zwischen
Sinnes- und Deckzellen unterscheiden. Die ersteren (Taf. VI. Fig. 8 ß) stimmen in ihrem Bau ganz
mit den von anderen Stellen des unteren Nervenrings geschilderten Elementen überein. Der kleine,
meist nur einen Kern umschliessende Zellkörper trägt ein einziges Haar und verlängert sich an seinem
centralen Ende in nervöse Fortsätze, deren Zahl eine ansehnliche ist und bis zu sechs betragen
kann ; die Zellen finden sich häufiger, als es sonst im unteren Nervenring der Fall ist. Die Deck-
zellen (Taf. VI. Fig. 7 ß) dagegen besitzen keine Häärchen und keine Nervenausläufer ; in ihrem
Bau gleichen sie den Deckzellen des unteren Nervenrings, von denen sie sich nur durch geringere
Breite und grössere Höhe unterscheiden. An ihrer Basis bilden sie ebenfalls faserige Fortsätze,
mit denen sie die unter ihnen hinziehenden Ganglienzellen und theilweise auch die gleichfalls etwas
tiefer gelegenen Sinneszellen umhüllen. Erstere sind nicht so zahlreich wie im unteren Nervenring,
sind meist bipolar und senden nur sehr feine Ausläufer aus, während stärkere Nervenfasern völlig
fehlen. Wie man auf Querschnitten erkennt, sind die Sinneszellen vereinzelt oder zu Gruppen
zwischen den Deckzellen vertheilt; da ihre Körper kleiner sind als die der letzteren, ragen die
Sinneshaare isolirt oder büschelweise aus grübchenartigen Vertiefungen im Epithel hervor.
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Dem Gesagten zu Folge besitzt das Ektoderm, welches die Subumbrellapapille bedeckt, im
Grossen und Ganzen die gleiche Beschaffenheit, wie das Ektoderm innerhalb des muskelfreien, dem
Nervenring entsprechenden Randsaums und kann somit nach Lage und Beschaffenheit als ein Theil
desselben angesehen werden. Die Vermehrung der Sinneszellen auf der Oberfläche der Papille
steht offenbar mit ihrer Hervorwölbung im Zusammenhang, da durch dieselbe eine für das Empfinden
sinnlicher Eindrücke günstigere Lagerung geschaffen wird.
Ueber den Bau des unteren Nervenrings bei den übrigen Vesiculaten haben wir, mit
Ausnahme von Mitrocoma, keine Beobachtungen angestellt. Bei letzterer Meduse zeigten einige,
wenn auch unvollkommene Isolationspräparate, dass feinere und dickere Nervenfasern hier unter
dem Epithel verlaufen (Taf. VII. Fig. 18/3). Querschnitte, die wir ausser Obelia von allen Medusen
(Phialidium Fig. 7 und 8; Octorchis Fig. 13; Mitrocoma Fig. 14 auf Taf. VII) angefertigt haben,
constatirten überall die wichtige Thatsache, dass sich zwischen Subumbrella und Velum eine Lage
von Epithelzellen findet, welche keine Muskeln bilden, in deren Bereich somit zweifellos ein unterer
Nervenring zur Entwicklung kommt.
Um die Ausbreitung des peripheren Nervensystems bei den Vesiculaten zu verfolgen,
haben wir, ausgehend von unseren Beobachtungen über die Trachymedusen , die Subumbrella zum
Untersuchungsobject gewählt. Wie wir bei der allgemeinen Besprechung der Organisation hervor-
gehoben haben, besitzt dieselbe innerhalb der Gruppe einen verschiedenen Bau, je nachdem die
Muskellage vom Epithel aus gebildet wird und demgemäss direct unter diesem liegt oder das Product
einer besonderen Zellschicht ist, die sich zwischen Epithel und Musculatur einschiebt. Dem ent-
sprechend gestaltet sich auch die Anordnung des gangliösen Plexus der Subumbrella bei den ein-
zelnen Vesiculaten verschieden.
Da wo die Muskeln unmittelbar unter dem Epithel liegen, wie z. B. bei Octorchis und
Phialidium, den beiden von uns untersuchten Arten, ist die Anordnung dieselbe wie bei den Trachy-
medusen. Wer die Subumbrella der letzteren kennt, wird mit einiger Aufmerksamkeit die gleichen
vielverzweigten Zellen (Taf. VII. Fig. 6 von Phialidium, Fig. 21 von Octorchis) wiederfinden wie
dort, wenn er die mit Carmin-Osmium behandelte Subumbrella von der Gallerte in continuo abzieht
und flächenhaft ausbreitet. Die Zellen liegen zwischen Epithel und Muskelschicht; wie alle Zellen
der Vesiculaten sind sie sehr klein und ist dies der einzige Punkt, der die Untersuchung etwas
erschwert. Einen Zusammenhang mit dem unteren Nervenring haben wir nicht beobachten können,
da wir gezwungen waren die Untersuchung an in Spiritus erhärtetem Material vorzunehmen, an dem
sich der den Nervenring verdeckende Ringkanal nicht entfernen liess.
Die Ausscheidung der Muskelzellen aus dem Epithel ist am vollständigsten bei Aequorea
durchgeführt, wir haben deshalb diese Meduse benutzt, um die Lagerung zu studiren, welche die
Ganglienzellen bei der veränderten Beschaffenheit der Subumbrella einnehmen. Bei Aequorea findet
sich der Plexus zwischen dem Epithel und der Zellschicht, welche die Muskelfasern bildet. Um
ihn sichtbar zu machen, muss man zunächst die Subumbrella von der Gallerte abziehen. Dieselbe
ist eine an und für sich wenig durchsichtige Lage, da sie sich aus der mehrfach gefalteten Muskel-
faserschicht, der, dicken myogenen Zelllage und dem Epithel zusammensetzt; ihre Undurchsichtigkeit
wird aber noch vermehrt, indem eine von Radialkanal zu Radialkanal ziehende Lage trüber cubischer
Entodermzeflen an ihr hängen bleibt. Entodermzellen- und Muskelzellenschicht greifen mit Falten
in einander und sind daher schwer zu trennen. Dagegen kann man sie im Zusammenhang von der
darüber liegenden Epithelmembran ablösen. Letztere ist im isolirten Zustand ein zartes Häutchen
(Taf. VI. Fig. 9) von körnig streifiger Beschaffenheit. Zellgrenzen lassen sich in ihr nicht nach-
80
weisen und nur die zahlreich zerstreuten Kerne lassen die zellige Zusammensetzung erkennen. Um
die Kerne herum ist eine grosse Menge Zellsubstanz angehäuft; es entstehen so auf der äusseren
Seite der Epithelmembran rundliche, scharf umschriebene Höckerchen, oder flache hügelige Er-
hebungen, die ganz allmählich sich in die Umgehung verlieren. Auf der Innenseite des Epithels
liegen die Ganglienzellen, wie es schien, in der ganzen Suhumhrella gleichmässig zahlreich verbreitet.
Sie sind sehr kleine spindelige oder sternförmige Körper (Fig. 9 g) mit ein oder zwei Kernen und
meist ( zahlreichen langen Ausläufern, die sich in ihrem Verlauf nicht selten ein- oder zweimal ver-
ästeln und dabei so zart werden, dass sie nicht weiter verfolgt werden können. Leichter als hei
anderen Medusen gelingt es die Ganglienzellen, die der unteren Fläche des Epithels nur locker
anhaften, vollständig zu isoliren (Fig. 11) oder an den Rändern abgezupfter Epithelstücken ihre frei
hervorragenden Fortsätze aufzufinden. Auch der Zusammenhang mit dem unteren Nervenring ist
an guten Präparaten nicht schwer nachzuweisen; er wird durch die lockere Faserlage, die am
Rand des Hauptstrangs des unteren Nervenrings verläuft, und durch die multipolaren Ganglienzellen,
die in diese Faserlage eingestreut sind, an allen Punkten des Schirmrands in gleichmässiger
Weise vermittelt.
Literatur. Wenn wir von P. J. v. Beneden (10) abselien, welcher die Geschlechtsorgane einer
Obelia für Ganglien hielt, ein Irrthum, der schon kurze Zeit später von Desor (21) und Krohn
(54) berichtigt wurde, so ist Louis Agassiz (3) der erste, welcher bei einer Vesiculate ein Nerven-
system beschrieben hat. Bei Tiaropsis diademata lässt er dasselbe einen dünnen Nervenstrang
bilden, der nach innen vom Ringkanal — hierbei haben wir uns die Meduse mit eingeschlagenem
Velum zu denken — am Rand der Scheibe verläuft; mit dieser kurzen Schilderung hat Agassiz
schon damals im Allgemeinen das Richtige getroffen. — Von diesen Angaben Agassiz’s beeinflusst,
hat dann später Mc. Crady (63) eine ähnliche Schilderung vom Nervensystem einer Eucheilota
gegeben; es soll bei dieser Meduse in Gestalt eines gefärbten Strangs auftreten, der dem Sehirm-
rand folgt und grössere Anschwellungen an der Basis der Tentakeln, kleinere, entsprechend den
Sinnesbläschen, bildet. Aus dieser Darstellung, sowie aus der zugehörigen Abbildung geht jedoch
mit Sicherheit hervor, dass Mc. Crady nicht wie Agassiz den Nervenring, sondern das verdickte
untere Epithel des Ringkanals vor Augen gehabt hat.
Auch bei zwei nicht näher bestimmten Eucopiden wurde von Hensen (41) und Leuckart (59)
ein Nervenring aufgefunden; ersterer beschränkt sich auf die Bemerkung, „dass er für die Existenz
eines Nervensystems im Sinne von Agassiz einstehe“; letzterer dagegen ist ausführlicher; er will
sich auf das Bestimmteste von der Anwesenheit eines besonderen, neben dem Ringgefäss ver-
laufenden Randfadens überzeugt haben. Die Anschwellungen, die dieser Randfaden an der An-
heftungsstelle der Randkapseln und Tentakeln zeige, sollen aus Zellen von ziemlich indifferentem
Charakter bestehen, während die dazwischen ausgespannten Commissuren eine Längsstreifung
erkennen Hessen.
Diese sich auf Eucopiden beziehenden Angaben Hensen’s und Leuckart’s wurden von Claus
(18) und Allman (7) bestritten. Claus giebt die Existenz „einer zarten Zellenlage, welche den jj
Schirmrand in ganzem Umfang begleitet“, zu, will dieselbe aber nicht als Nervenring gedeutet
wissen, sondern als einfaches Epithel, da sie mit dem Epithel der Tentakeln continuirlich zusammen- |
hänge und ausserdem Nesselzellen erzeuge. Ebenso hat Allman namentlich aus der Untersuchung \
der Eucopiden die Ueberzeugung gewonnen, dass der scheinbare Strang nur eine Ektodermschicht ist,
die unmittelbar auf der distalen Seite des Ringkanals liegt und den äussersten Schirmrand bildet,
während die angeblichen Ganglien nur Ektodermverdickungen an der Basis der Sinnesbläschen seien.
81
Ganz neuerdings endlich hat Harting (40) eine Eucopide (?) auf ihr Nervensystem unter-
sucht; er ist überrascht über die Leichtigkeit, mit der sich der Nervenring ohne Weiteres nach-
weisen Hess, und schildert und bildet ihn ab als einen namentlich nach kurzer Osmiumbehandlung
scharf hervortretenden Zug äusserst feiner Fasern, die zum Tlieil in die Sinnesorgane einbiegen.
c. Die Gehörorgane der Vesiculaten.
Die Gehörorgane der Vesiculaten besitzen in ihrem Aussehen eine grosse Aehnlichkeit mit
den Hörbläschen der Geryoniden und mancher Trachynemideu und sind daher in den Schilderungen
früherer Forscher nicht genauer von denselben unterschieden worden. In der That aber sind sie
morphologisch vollkommen verschiedene Bildungen, insofern sie sowohl nach einem anderen Typus
gebaut sind, als auch eine andere Verbindungs weise mit dem Nervenring und eine andere Lagerung
erkennen lassen. Auch innerhalb der Gruppe ergeben sich bei einer genaueren Untersuchung der
einzelnen Arten erheblichere Differenzen in der Beschaffenheit der Organe, als die in der Literatur
vorliegenden Angaben erwarten lassen, indessen berühren dieselben nicht die Grundzüge des Baus,
sondern lassen sich darauf zurückführen, dass die Organe auf verschiedenen Stufen der Ausbildung
eines allen gemeinsamen Typus stehen geblieben sind. Wir können somit auch bei den Vesiculaten
eine Entwicklungsreihe in der Vervollkommnung der Hörorgane nachweisen, wie wir es in ähnlicher
Weise schon für die Trachymedusen gethan haben. Am Anfang der Entwicklungsreihe stehen
unter den von uns untersuchten Medusen die Organe von Mitrocoma Annae, welche daher
hier auch an erster Stelle besprochen werden sollen.
Die Gehörorgane liegen nach aussen vom Nervenring und gehören somit schon dem Velum
an und zwar dem an den Schirmrand grenzenden Anfangstheil desselben. Jedesmal ein Organ
findet sich in dem Zwischenraum zwischen zwei schlauchförmigen Haupttentakeln, nicht immer
genau in der Mitte, sondern bald mehr dem einen, bald mehr dem anderen genähert (Taf. X.
Fig. 8hb). Da nun die Zahl der Haupttentakeln sich bei einer geschlechtsreifen Mitrocoma auf 80
beläuft, so sind auch im Ganzen ungefähr 80 Gehörorgane vorhanden.
Das Aussehen der Organe verändert sich ganz ungemein beim Wechsel der Lagerung, je
nachdem sie mehr von oben, von unten oder von der Seite betrachtet werden. Die Ansicht von
oben verschafft man sich am besten, wenn man aus einem in Osmiumsäure getödteten Thier einen
Theil des Schirmrands herausschneidet, flach ausbreitet und das Velum unter der Schirmgallerte
hervorzieht. Bei dieser Lagerung des Organs würde man meinen, ein ovales, vollkommen geschlos-
senes Bläschen zu erblicken, dessen Längendurchmesser dem Schirmrand parallel verläuft und un-
gefähr doppelt so gross ist, als der Breitendurchmesser (Taf. VII. Fig. 10). Das Bläschen schmiegt
sich dicht an den Nervenring (nr ') an, ja drängt sich sogar etwas in ihn hinein und zwingt so die
Fibrillenzüge, etwas nach der Schirmgallerte zu auszuweichen. In gleicher Weise, wie der Ring-
nerv nach innen, beschreiben die Muskelfasern des Velum auf der anderen Seite einen Bogen nach
aussen. — Kehrt man jetzt die Meduse um, ohne im Uebrigen die Lagerung zu verändern, so
überzeugt man sich, dass der Binnenraum des scheinbaren Bläschens nach unten keineswegs ge-
schlossen ist, sondern sich hier breit nach aussen öffnet. Die Stelle der Communication liegt
zwischen Schirmrand und Velum und wird um so deutlicher, je mehr man letzteres nach aussen
hervorzieht. Demnach ist das Organ kein Bläschen, sondern vielmehr eine grubenförmige Vertiefung
auf der unteren Seite des Velum, die auf der oberen naturgemäss eine entsprechende hügelförmige
Hervorwölbung bedingt. — Eine Ansicht des Gehörorgans von unten, wie wir sie eben geschildert
Hertwig, Medusen. •
82
haben, bei massig hervorgezogenem Vel um, ist in Figur 11 auf Tafel YII abgebilclet; zu derselben
haben wir noch zu bemerken, dass auf ihr nur die an den Gallertschirm angrenzende Wand dar-
gestellt, dagegen die nach dem Velum zu liegende Wand, sowie dieses selbst weggelassen ist, da
die beiden letztgenannten Theile das Innere des Organs verdecken würden. Auf der Figur ist
die in tangentialer Richtung besonders weite Mündung der Grube sichtbar.
Noch überzeugendere Bilder erhält man durch Querschnitte, die in radialer Richtung
durch das Organ geführt sind (Taf. YII. Fig. 14); dieselben zeigen, dass die Membran, welche
die obere Wand des scheinbar vom Yelum vollkommen abgeschnürten Körpers bildet, nichts als ein
Theil des Yelum selbst ist, dass dagegen eine Membran, welche den Abschluss nach unten bedin-
gen würde, völlig fehlt. Wir werden daher die Gehörorgane der Mitrocoma im Folgenden als Hör-
gruben bezeichnen und an denselben eine proximale, dem Schirmrand angehörige und eine distale,
in der Verlängerung des Velum liegende Wand, ferner eine untere concave und eine obere convexe
Seite unterscheiden.
Da die Wand der Hörgrube im Wesentlichen nur ein Theil des Yelum ist, so setzt sie sich
natürlich auch aus denselben Schichten wie dieses zusammen, mit Ausschluss der Ringmusculatur,
welche am Rand der Einsenkung aufhört. Wir können somit an der Hörgrube ein oberes und
unteres Epithel (d1 und d'-) und eine zwischen beiden liegende Stützlamelle (s) lachweisen. Letztere
ist eine dünne Membran, die noch innerhalb der proximalen Wand der Hörgrube in die Stützlamelle
der Subumbrella übergeht, ohne im Uebrigen Besonderheiten zu zeigen; die beiden Epithelschichten
dagegen verlangen eine genauere Besprechung*.
Das dorsale Epithel ist eine Lage grosser Cylinderzellen , die von derben Membranen
umgeben sich gegenseitig polyedrisch abplatten. Von der Fläche gesehen (Taf. VII. Fig. 10 d1 auf
der rechten Seite) bilden sie ein Mosaik polygonaler Figuren von ungefähr 1 /i Durchmesser, das
einige Aehnliclikeit mit der F acettirung eines Arthropodenauges hat ; auf dem Querschnitt (Taf. VII.
Fig. 1 0 d 1 links, Fig. 1 1 d l, Fig. 1 4 d ') stehen sie wie Pallisaden eine dicht neben der anderen. Ihr
Inhalt besteht zum grössten Theil aus einer wasserklaren Flüssigkeit, welche das Protoplasma auf
eine dünne Rindenschicht zusammendrängt; in derselben und zwar meist im basalen Ende der Zelle
liegt der Kern, der in das Lumen der letzteren einen kleinen Vorsprung bildet. Da die Wände
benachbarter Zellen mit einander verschmelzen, so entsteht eine Bildung, die man völlig einer ge-
deckelten Bienenwabe vergleichen kann. Die geschilderte Modiiication des Epithels ist auf den
Umkreis der Hörgrube beschränkt und schneidet ebensowohl gegen das Epithel des Nervenrings
wie gegen das des Velum scharf und ohne vermittelnde Uebergänge ab.
Das Epithel auf der concaven unteren Fläche der Gehörgrube ist ein Theil der Epithel-
schicht, welche einerseits die Subumbrella, andererseits die untere Seite des Velum bedeckt. Es
ist der bei weitem wichtigste Bestandtlieil des ganzen Organs und wird von dreierlei verschiedenen
Zellformen gebildet: Concrementzellen, Sinneszellen und einfachen Epithelzellen.
Die Concrementzellen (o) fallen am meisten in die Augen; es sind blasige Gebilde, die
den Epithelzellen der oberen Seite im Allgemeinen gleichen, sie aber an Grösse bedeutend über-
treffen. Ihr wahrscheinlich flüssiger Inhalt wird von einer doppelt contourirten Membran um-
schlossen und enthält eine fettglänzende Concretion suspendirt, ein Körperchen von unregelmässig
kugeliger Gestalt, das als Otolith zu deuten ist und stets an einer Stelle der Oberfläche eine kleine
nabelartige Vertiefung besitzt. Wenn man nach letzterer die Lagerung der Körperchen in der
Zellflüssigkeit bestimmt, so ist dieselbe in den einzelnen Fällen sehr verschieden. In dünnen
Säuren löst sich die Concretion nach einiger Zeit auf und hinterlässt ein feines Häutchen, das an
83
dem freien Ende der Zelle befestigt ist. Ebendaselbst kann man durch Färbung in Carmin einen
kleinen ovalen Kern nacliweisen.
Die Concrementzellen finden sich in grosser Anzahl zu 10 — 20 in einer Gehörgrube vor;
sie nehmen die tiefste Stelle der muldenförmigen Einsenkung ein und ordnen sich meistentheils in
zwei Reihen an, die dem Schirmrand parallel verlaufen; zuweilen bemerkt man sogar Ansätze zu
einer dritten Reihe, die dann distal von den beiden übrigen liegt. Weder Zellen noch Concretionen
sind in einer Gehörgrube von gleicher Grösse und zwar finden sich die ansehnlichsten in der Mitte
der proximalen oder ersten Reihe; von hier aus werden sie nach beiden Seiten kleiner, so wie
auch die Elemente der zweiten und dritten Reihe geringere Grösse besitzen. Zwischen die aus-
gebildeten Concrementzellen schieben sich vereinzelte abortive Bildungen, blasige Körper, deren
Inneres keinen Otolithen beherbergt. Da die Zellen einer Gehörgrube auf einen kleinen Raum
zusammengedrängt sind, schliessen sie seitlich dicht aneinander und bilden so ein ganz ähnliches
Gewebe, wie wir es vom Epithel der convexen Seite schon kennen gelernt haben.
Die Reihen der Concrementzellen scheiden die Sinnesgrube in einen distalen und einen proxima-
len Theil. Ersterer ist von einem einfachen Plattenepithel bedeckt, das sich in das Epithel der unteren
Yelumseite fortsetzt. Von demselben unterscheidet es sich dadurch, dass es die Fähigkeit Muskel-
fasern zu erzeugen verloren hat, es ist dem entsprechend protoplasmaarm und bildet einen sehr
dünnen unscheinbaren Ueberzug. Der proximale Theil der Hörgrube enthält die Sinneszellen.
Die Hör zellen sind bei Mitrocoma schwieriger als bei irgend einer anderen Meduse zu
beobachten, da sie nicht allein von grosser Feinheit sind, was bei allen Vesiculaten der Fall ist,
sondern ausserdem noch von dem bienenwabenartigen Epithel der oberen Seite verdeckt werden.
Wir haben sie untersucht, indem wir frisch in dünner Osmiumsäure abgetödtete Thiere in der
oben geschilderten Weise ausbreiteten und von oben betrachteten; zuvorige Carminfärbung ist sehr
empfehlenswerth, da sich die Hörzellen ziemlich stark imbibiren, das blasige sie bedeckende Epithel
dagegen vollkommen farblos bleibt. Sieht man an einem derartig hergerichteten Präparat genau
von oben auf die Hörgrube, so erblickt man eine ungefähr 0,4 a dicke Lage kleiner auf dem
optischen Querschnitt cubisch erscheinender Zellen (Taf. YII. Fig. 10 h). Dieselben bedecken die
an den Nervenring grenzende Wand der Grube und sind demnach Zellen, die in einer Flucht sich
in das Deckepithel des unteren Nervenrings fortsetzen, wie dies namentlich auch auf Querschnitten
(Taf. VII. Fig. 14) nachzuweisen ist. Durch Veränderung der Einstellung des Mikroskops kann
man die Zellenlage continuirlich bis an die erste Reihe der Concrementblasen heran verfolgen
(Taf. VII. Fig. 19 h) und sehen, wie hier die einzelnen Elemente scharf abgeschnitten alle in einer
Linie enden. An jede Blase treten 3 — 5 Zellen, im Ganzen stehen daher, da ungefähr 10 Con-
crementblasen die erste Reihe bilden, 40 Zellen in einer einzigen Phalanx. Von dem Ende jeder
Zelle entspringt ein Hör haar, das an der Wand der Concrementblase herabsteigt und sich der
Krümmung derselben aufs Innigste anschmiegt. Bei der Betrachtung von oben kann man natürlich
diesen Verlauf der Haare nicht auf einmal überblicken, vielmehr sieht man nur die Querschnitts-
bilder der letzteren als hellleuchtende Punkte auf der proximalen Seite der Concrementzelle , die
bei oberflächlicher Einstellung (Fig. 19) am Ende der Hörzellen liegen, je mehr man den Tubus
senkt, um so weiter sich von diesen entfernen (Fig. 10). Auf jede Concrementblase kommen ent-
sprechend der Anzahl der Hörzellen 4-5 derartige Hörhaare, welche sie von unten umgreifen und
somit gleichsam eine Art Trage für sie bilden.
Die Reihe der Hörzellen lässt sich deutlicher zur Anschauung bringen, wenn man an
Macerationspräparaten durch Pinseln das blasige Epithel der oberen Seite entfernt. Leider werden
li*
84
bei diesem Verfahren die Elemente aus ihrer natürlichen Lage gebracht und der Zusammenhang
der Concrement- und Sinneszellen gelöst, ferner bleiben die Hörhaare nicht erhalten, wenigstens
war dies bei den von uns untersuchten Präparaten nicht der Fall. Dafür gewinnt man eine ge-
nauere Kenntniss von der Form der Hörzellen und der an sie grenzenden Epithelzellen, zumal
wenn man noch weiterhin durch fortgesetztes Zerzupfen die gesammte Epithellage der proximalen
Seite der Hörgrube im Zusammenhang ablöst und durch vorsichtiges Klopfen in ihre einzelnen
Bestandtlieile zerlegt.
Im Zusammenhang isolirt bildet das Epithel (Taf. VII. Fig. 20) eine Lage kleiner cubischer
Zellen, die kaum grösser sind als die von ihnen umschlossenen Kerne und an tingirten Präparaten
daher eine nahezu gleichmässig gefärbte Masse darstellen. Die ganze Lage schliesst mit einem
schwach gekrümmten Rand ab, welchem entlang die Reihe der Hörzellen angeordnet ist. Diese
besitzen ebenfalls einen kleinen cubisclien Körper mit grossem Kern, verlängern sich aber weiter-
hin noch in einen dünnen spatelartigen Fortsatz, der sich häufig umlegt und dann von der Seite
gesehen wie ein feines Fädchen erscheint. Die Fortsätze grenzen sich gegen den Körper der
Zelle mit einer scharfen Linie ab und sind am längsten an den in der Mitte der Reihe gelegenen
Hörzellen, welche zugleich an die grössten Concrementblasen stossen, von hier aus werden sie
nach beiden Seiten hin kleiner.
Nur mit grosser Mühe ist es uns gelungen, einzelne der Hörzellen völlig zu isoliren, da
sie sowohl unter einander als auch mit dem cubisclien Epithel fest Zusammenhängen (Fig. 20/?).
Dieselben verlängerten sich au dem vom spatelförmigen Fortsatz abgewandten Ende in eine feine
Spitze, ohne dass es uns jedoch geglückt wäre, von derselben eine Nervenfibrille ausgehen zu sehen.
In welchem Verhältniss stehen nun die durch Isolationen gewonnenen Re-
sultate zu den Bildern, welche die Betrachtung einfacher Situspräparate ergeben
hat? — Bei der Erörterung dieser Frage müssen wir sehr bedauern, dass an den Macerations-
präparaten die Hörhaare nicht mehr erhalten waren, dass es somit nicht möglich war, durch directe
Beobachtung die Stelle des Zellenkörpers zu bestimmen, von der jene entspringen. Dieser Punkt
aber ist für die Beurtheilung der Gestalt der Sinneszelle von der grössten Bedeutung.
Am meisten Wahrscheinlichkeit hat die auch sonst durch Beobachtungen bei Octorchis und
Aequorea gestützte Annahme für sich, dass die scharfe Grenze, welche den eigentlichen Zellkörper
und den spatelförmigen Fortsatz von einander trennt, der hellen Linie entspricht, die an Situs-
präparaten als Ende der Zelle erscheint und von der aus das Hörhaar entspringt, und dass ferner
der Fortsatz als ein Tlieil der Zelle anzusehen ist, der im Situspräparat nicht beobachtet wurde
und der sich zwischen die Wand der Concrementzelle und die Stützmembran einschiebt. Dieser
Annahme zufolge wäre der Fortsatz keineswegs das periphere freie Ende der Zelle, für das man
ihn auf den ersten Blick wohl halten möchte, sondern als solches wäre die kleine über dem Kem
gelegene Fläche anzusehen, deren eine Kante an die Lage cubischer Zellen stösst, deren andere
Kante sich mit der Concrementblase berührt und dem Hörliaar zum Ursprung dient. So würden
wir denn zu folgender Vorstellung vom Bau der Hörzelle gelangen. Die Hörzelle ist eine Zelle
von cubischer Gestalt, deren centrales auf der Stützlamelle liegendes Ende sich auf einer Seite in
einen dünnen Fortsatz verlängert und mit diesem sich unter die Wand der Concrementzelle schiebt,
auf der andern Seite dagegen in einen Nervenfortsatz übergeht. Im Gegensatz zu dem stark ver-
breiterten centralen Ende ist das periphere schmal und trägt da, wo es die Concrementzelle berührt,
das Hörhaar. Durch diese Deutung der Beobachtungen wird die eigentümliche Stellung der Hör-
zellen und Hörhaare zu den Concrementzellen verständlich und lässt sich die Anordnung des
85
gesammten Hörapparats unmittelbar aus einem Zustand ableiten, wo die Elemente desselben neben
einander als indifferente Epithelzellen lagerten.
Die besprochene Phalanx der Hörzellen tritt nur an die erste Reihe der Concrementblasen
heran, die zweite und dritte Reihe der- letzteren steht dagegen, wie wir uns an Situsbildern wie
an Macerationspräparaten auf das bestimmteste versichert haben, mit keinerlei Elementen in Zu-
sammenhang, welche eine Hörempfindung vermitteln könnten, namentlich fehlen die charakteristischen
Hörhaare, die sonst der Wand der Concrementblasen auf liegen. Die Blasen der distalen Reihen
können somit höchstens als Hilfsapparate angesehen werden, welche die Function der in der proxi-
malen Reihe stehenden verstärken.
Was die Bedeutung des so eigenthümlichen, auf die obere Seite der Hörgrube beschränkten
Cylinderepithels anlangt, so hat Herr Professor W. Müller, dem wir gelegentlich unsere Präparate
zeigten, die gewiss ganz zutreffende Ansicht geäussert, dass die blasigen derbwandigen Zellen der
gewölbten Fläche zur Stütze dienen und dadurch ein Einsinken derselben bei den Contractionen
des Yelum verhindern.
Literatur. Ueber die Gehörorgane der Mitrocoma liegt zur Zeit allein eine kurze Notiz
vor, welche Haeckel in seiner als vorläufige Mittheilung erschienenen „Beschreibung neuer cras-
pedoter Medusen“ gegeben hat. „Randbläschen“, heisst es daselbst, „80, je eines in der Mitte
zwischen zwei Haupttentakeln, von 0,15 mm. Durchmesser und von sehr eigenthümlichem Bau, den
ich an einem andern Orte beschreiben werde und der sich am nächsten an die entsprechenden
Verhältnisse von Tiaropsis anzuschliessen scheint.“
Wenn wir die einzige genauere Beschreibung der Gehörorgane von Tiaropsis, die von
Agassiz (3 und 4) gegeben worden ist , vergleichen , so lässt es sich wohl kaum bezweifeln , dass
hier in der That die gleichen Bildungen vorliegen, wenn wir von dem Pigmentfleck absehen, der
bei Tiaropsis noch ausserdem vorhanden ist, bei Mitrocoma dagegen fehlt. Agassiz bezeichnet das
Organ als ein zusammengesetztes Auge und schildert es als einen querovalen dicken Körper, der
mit einem breiten und dicken Stiel auf der Scheibe aufsitzt und aus zwei Schichten besteht. Die
äussere Schicht soll mit der äusseren Schicht der Scheibe Zusammenhängen und aus einer einzigen
Lage von grossen hyalinen, breiten, scharf polygonalen Zellen bestehen, die innere dagegen soll
die ganze Breite, Dicke und Länge des Organs ausfüllen und sich in die innere Wand der
Scheibe (das Entoderm) fortsetzen; die Zellen sollen zu durchsichtig sein, um mit gewöhnlichen
Systemen erkannt zu werden. Der eigentliche optische Apparat bestehe aus 14 in einer halbmond-
förmigen Reihe angeordneten Linsen, deren jede von einer Zellwand umschlossen sei.
Diese von Agassiz gegebene Darstellung ist zweifellos in den wichtigsten Punkten eine ver-
fehlte. Keinenfalls ist das Organ bei Tiaropsis ein solider Körper, sondern jedenfalls enthält es
einen Hohlraum, bei dem es allein fraglich erscheinen kann, ob er nach unten geschlossen ist und
somit ein Bläschen bildet, wie wir es bei den übrigen Vesiculaten kennen lernen werden, oder ob
er wie bei Mitrocoma sich nach unten öffnet und Grubenform besitzt; ebenso sicher ist es, dass
das Sinnesepithel des Hohlraums nicht mit dem Entoderm zusammenhängt. Geben uns somit die
Angaben Agassiz’s gerade über den Punkt, auf den es am meisten ankommt, über die Beschaffen-
heit des Hohlraums keinen Aufschluss, so lässt doch ein Merkmal von untergeordneter Bedeutung,
die Bildung des oberen Epithels, es uns wahrscheinlich erscheinen, dass Tiaropsis sich der
Mitrocoma und nicht den übrigen Vesiculaten anschliesst, dass es Hörgruben nicht Hörbläschen
besitzt. Das obere Epithel zeigt bei Tiaropsis dieselbe blasige Beschaffenheit wie bei Mitrocoma.
Es deutet dies auf eine nahe Verwandtschaft beider Arten hin.
86
Die hier ausgesprochene Vermuthung gewinnt noch mehr an Sicherheit, wenn wir Beobach-
tungen des jüngeren Agassiz (2) zum Vergleich heranziehen. Derselbe theilt in seinem Catalogue
of tlie Museum of comparative Zoology mit, dass die gleichen zusammengesetzten Augen wie hei
Tiaropsis ausserdem noch hei der Gattung Halopsis Vorkommen. Von den beiden zu dieser Gattung
gehörenden Arten stimmt eine, die H. cruciata, in ihrem gesammten Bau so ganz ausserordentlich
mit Mitrocoma Annae überein, dass es sich wohl kaum rechtfertigen lässt, sie generisch von der-
selben zu trennen. Nicht allein dass der ganze Habitus derselbe ist : die gleiche Form der Glocke,
des Magens, der Geschlechtsorgane, es kehren auch dieselben zwei Arten der Tentakeln wieder,
und als einziger Unterschied bleibt nur die geringere Zahl der Gehörorgane, welche 1 2 im Ganzen
beträgt, und die geringere Zahl der Concretionen — 4 bis 5 — in einem Bläschen. In diesem
Punkt stimmt aber die zweite Halopsisart, die Halopsis ocellata, mit ihren 96 Gehörorganen, in
denen jedesmal 12 bis 14 Otolithen in zwei Reihen angeordnet sind, mit Mitrocoma überein; sie unter-
scheidet sich von dieser sowohl wie von Halopsis cruciata durch die Anwesenheit von 16 Radial-
kanälen. Aus dieser Vergleichung ergiebt sich, dass Mitrocoma eine Mittelform zwischen Halopsis
cruciata und H. ocellata ist. Dies macht es denn weiterhin sehr wahrscheinlich, dass die Gehör-
organe wohl nicht allein in ihrem äusseren Ansehen, sondern auch in ihrem feineren hei Halopsis
noch nicht genauer untersuchten Bau einander gleichen werden.
Auf Grund aller der hier kurz mitgetheilten Erwägungen sind wir zu der Ueberzeugung
gelangt, dass die Grubenform der Gehörorgane nicht auf Mitrocoma beschränkt ist, sondern auch
hei anderen Vesiculaten, wie bei Tiaropsis und Halopsis, auftritt. Wir betonen zum Schluss noch
einmal, dass es sehr leicht geschehen kann, dass hei der Betrachtung von oben Gehörgruben für
Hörbläschen gehalten werden; ein solcher Irrthum liegt um so näher, als bisher nur Hörbläschen
bekannt waren, jeder Beobachter daher an die Untersuchung zunächst wohl mit der vorgefassten
Meinung heranging, derartige Organe zu finden.
Während die Gehörorgane bei Mitrocoma grubenartige Vertiefungen sind, bilden sie bei
allen übrigen von uns untersuchten Vesiculaten vollkommen geschlossene Bläschen, die in ihrem
Bau im Wesentlichen mit einander übereinstimmen , so dass wir uns darauf beschränken können,
nur von einer Art — wir wählen hierzu Aequorea Forskalea — eine genauere Beschreibung zu
geben. Im Anschluss an dieselbe werden wir dann noch kurz die Eigen thiimlichkeiten hervor-
heben, welche für die übrigen Arten charakteristisch sind und sich im Grossen und Ganzen allein
auf Lagerung, Zahl und Form der Organe beziehen.
Die Aequo rea Forskalea (Taf. X. Fig. 9hb) zeichnet sich durch die aussergewöhnlich
grosse Zahl der Hörbläschen aus; in jedem Intertentakularraum stehen 10 — 15 derselben, so dass
man ihre Gesammtzahl, da an 50 Tentakeln vorhanden sind, nahezu auf 600 wird schätzen können.
Je nach der Zahl ihrer Concretionen sind sie von sehr verschiedener Grösse und Form. Die
kleinsten Hörbläschen mit nur einer Concretion besitzen einen Durchmesser von 0,06 mm. und
sind von mehr oder minder kugeliger Gestalt; die grössten dagegen, welche 5 oder 6 Otolithen
umschliessen, sind oval, wobei der längste Durchmesser des Ovals dem Schirmrand parallel verläuft
und ungefähr 0,13 mm. beträgt. Beide Formen sind selten, während mittelgrosse Bläschen mit 2 bis
4 Concretionen am meisten vertreten sind.
Die Hörbläschen sind häufig zu zweien oder dreien einander genähert; dies führt zu Zwil-
lingsbildungen, wie sie bei Aequorea gar nicht selten sind, indem zwei Bläschen so dicht an
einander rücken, dass die zugekehrten Wandungen zum Theil mit einander verschmelzen und ein
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einziger ovaler Körper entsteht, dessen Binnenraum durch eine Scheidewand untergetheilt wird
(Taf. VII. Fig. 12).
Wie die Hörgruben von Mitrocoma, so liegen auch die Hörbläschen von Aequorea auf dem
Anfangstheil des Velum nach aussen vom Nervenring. Letzterem sind sie so dicht angedrückt,
dass die Nervenfasern aus ihrer Bahn gelenkt werden und etwas nach der Seite des Schirms hin
ausbiegen müssen. Der am Schirmrand verlaufende Hauptstrang des Nervenrings wird, man könnte
fast sagen, von der Seite zusammengepresst, was eine erhebliche Dickenzunahme zur Folge hat.
Letzteres kann man besonders an Querschnitten (Taf. VI. Fig. 5) nacliweisen, auf denen fast der
gesammte Raum hinter dem Sinnesbläschen, zwischen ihm und dem Ringkanal, von Nervenmasse
ausgefüllt erscheint.
Bei der Beschreibung des feineren Baues haben wir an den Hörbläschen drei Schichten zu
unterscheiden, die schon im frischen Zustand erkennbar sind, noch deutlicher aber auf Querschnitten
oder an Macerationspräparaten hervortreten. Die Schichten sind von aussen nach innen aufgezählt
1) das äussere Epithel (d1), 2) die Stützmembran (s), 3) das innere Epithel (d2).
Das äussere Epithel besteht aus kleinen platten Zellen und bedeckt die Oberfläche, so
weit dieselbe frei zu Tage liegt. Da sich nun unterhalb das Velum befindet und auf der proxi-
malen Seite die Fibrillenbündel des Ringnerven hinziehen, so sind es allein die obere, die distale
und die beiden seitlichen Flächen, die von Epithel überzogen sind.
Die Stützlamelle ist eine dünne, aber sehr feste Membran, die mit dem gleichnamigen
Gebilde des Velum in Zusammenhang steht. An feinen Querschnitten, die genau durch die Mitte
des Hörbläschens gelegt sind (Taf. VI. Fig. 5 s) , kann man verfolgen , wie die Stützlamelle des
Velum bis nahe an den Schirmrand herantritt, dann, noch bevor sie denselben erreicht hat, unter
einem sehr spitzen Winkel umbiegt und in der distalen Wand des Bläschens emporsteigt. Hier
wird sie zur Stützlamelle des letzteren ; als solche trennt sie zunächst äusseres und inneres Epithel
von einander, weiterhin in der proximalen Wand das innere Epithel vom Sinnesepithel und von
den Faserzügen des Nervenrings; schliesslich verschmilzt sie mit der schon oben besprochenen
Membran, die sich zwischen dem Nervenring und dem Ringkanal befindet. Ueberblicken wir diesen
Verlauf, so ist klar, dass die Stiitzlamelle für sich allein kein vollständig geschlossenes Bläschen
bilden würde; vielmehr würde in den Binnenraum hinein eine in der unteren Wand gelegene Oeff-
nung führen, die zwischen der Umbiegungsstelle und der Insertion der Membran erhalten bleibt.
Die besprochene Oeffnung lässt sich sehr schön an Macerationspräparaten erkennen
(Taf. VI. Fig. 4), wenn man durch Abpinseln des Epithels der oberen und unteren Seite die Stütz-
lamelle des Velum und den benachbarten Theil des Gallertschirms blosslegt. An der Grenze beider
sitzen dann die ebenfalls ihres Epithelüberzugs beraubten Hörbläschen als kleine dünnwandige
Säckchen, deren Membran, da die geschrumpfte innere Epithelauskleidung sich von ihr zurück-
gezogen hat, vollkommen isolirt ist und als ein faltiges kaum doppelt contourirtes Häutchen erscheint.
Sehr deutlich ist hierbei die Oeffnung, welche von unten in das Innere des Säckchens führt, um
so deutlicher, als durch sie ein Zellstrang tritt, der das Binnenepithel des Hörbläschens mit dem
Epithel der unteren Schirm- und Velumseite verbindet. Derartige Macerationspräparate stellen es
ausser Zweifel, dass die Stützlamelle des Hörbläschens und die Stützlamelle des Velum ein und
dieselbe Membran bilden, dass erstere nur ein von unten hervorgestülpter Theil der letzteren ist,
der sich an seiner Basis ein wenig abgeschnürt hat.
Das auf der inneren Seite des Hörbläschens gelegene Epithel setzt sich aus denselben
Bestandteilen , welche die untere Fläche der Hörgrube von Mitrocoma auskleiden, zusammen; wir
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haben somit nach einander die Concrementzellen, die indifferenten Epithelzellen und die Sinneszellen
zu besprechen.
Die Concrementzellen (Taf. VII. Fig. 22) sind grosse blasige Körper mit einer derben
Membran, mit spärlichem Protoplasma und einem im basalen Abschnitt gelegenen Kern. Da sie
nicht wie bei Mitrocoma dicht zusammengedrängt sind, können sie ungehindert ihre Gestalt ent-
falten , ohne sich durch gegenseitigen Druck abzuplatten ; demgemäss entspringen sie mit breiter
Basis unmittelbar auf der Stützlamelle und ragen mit ihrem stark gewölbten freien Ende in das
Lumen des Bläschens hinein. Im peripheren Ende der Zelle liegt die Concretion, ein bimförmiges,
stark lichtbrechendes Körperchen, das bei Behandlung mit Säuren nur einen geringen organischen
Rückstand hinterlässt. Die Concretion ist stets in der Weise befestigt, dass ihr verbreitertes Ende
nach der Basis der Zelle gewandt ist, das mässig zugespitzte dagegen in das Lumen des Hör-
bläschens vorspringt und dabei von der Membran der Zelle eingefasst wird.
Wo eine Concrementzelle in einem Hörbläschen vorhanden ist, liegt dieselbe der Oeffnung
in der Stützlamelle gegenüber; eine grössere Anzahl dagegen vertheilt sich ziemlich unregelmässig,
wenn auch im Allgemeinen in der Art, dass eine dem Schirmrand parallele Reihe entsteht. Distal-
wärts von dieser Reihe ist die Innenwand des Bläschens von sehr dünnen indifferenten Epithel-
zellen gebildet, dagegen lagern proximalwärts von ihr die wichtigen Bestandteile, die Ilörzellen
und ein dickes aus Ganglien- und Sinneszellen gebildetes Polster. Letzteres werden wir zunächst
einer genaueren Besprechung unterziehen.
Bei der Schilderung der Stiitzlamelle haben wir hervorgehoben, dass durch die in ihr be-
findliche Oeffnung ein starker Zellstrang eintritt, der von dem Epithel der unteren Schirm-
fläche, genauer gesagt, vom Epithel des unteren Nervenrings herkommt (Taf. VI. Fig. 10 nz). Auf
Querschnitten (Fig. 5 nz) erscheint derselbe als ein Pfropf, der das Lumen der Oeffnung vollständig
verscliliesst und eine Strecke weit in das Innere des Bläschens sich fortsetzt, um auf der Seite
des Nervenrings eine dicke Zellenlage zu bilden. Diese Zellenlage fällt schon im frischen Zustand,
wenn man genau von oben auf ein Hörbläschen blickt, als eine Anschwellung am Grunde desselben
auf (Taf. VII. Fig. 12np); sie zeichnet sich an Carmin - Osmiumpräparaten durch einen grossen
Reichthum kleiner rundlicher Kerne aus ; bei Anwendung macerirender Reagentien (Taf. VI. Fig. 4)
löst sie sich in zahlreiche feinste Nervenfasern und Ganglienzellen auf, die nach dem Lumen des
Bläschens zu von kleinen cubischen Epithelzellen bedeckt sind und beim Zerzupfen als ein Büschel
feinster Fibrillen durch die Oeffnung der Stiitzlamelle hervortreten. Die meisten Ganglienzellen
sind bipolar und nur wenige sind mit drei oder vier Ausläufern versehen.
An die Anschwellung am Grund des Bläschens schliessen sich mehrere Reihen kleiner rund-
licher Zellen, die fast nur von dem Kerne gebildet werden und gemeinsam eine einschichtige Lage
zusammensetzen. Sie reichen bis an die Basis der Concrementblasen heran, um hier mit den Hör-
zellen abzuschliessen. Einzelne Nervenfäserchen lassen sich über die basale Anschwellung hinaus
bis in die geschilderte Zellschicht verfolgen, ohne dass es jedoch gelungen wäre, ihren Zusammen-
hang mit Hörzellen nachzuweisen.
Die Hörzellen vertheilen sich in der Weise auf die einzelnen Concrementblasen, dass
6 — 8 auf der proximalen Seite einer jeden in einem flachen Bogen gestellt sind. Sie sind Gebilde
von ganz ausserordentlicher Feinheit und im frischen Zustand kaum sichtbar; erst bei genauer
Untersuchung mit starken Systemen bemerkt man einen breiten scheinbar feinfaserigen Streifen,
der in der proximalen Wand des Bläschens bis an die Basis der Concrementblasen hinzieht und
allen 6 — 8 Hörzellen zusammen genommen entspricht. Bei Osmiumsäurebehandlung wird der Streifen
89
etwas deutlicher und lässt eine Zusammensetzung aus Zellen erkennen, die die Gestalt schmaler
viereckiger Plättchen besitzen und mit ihren Rändern dicht an einander gefügt sind; Kerne von
ovaler Form treten in ihnen erst hei Carminfärbung hervor (Taf. VII. Fig. 121i).
An den Concrementblasen enden die Hörzellen alle in einer Linie mit einer hellglänzenden
Contour; jede einzelne trägt hier ein starkes Haar, das ganz in der Weise, wie wir es von Mitro-
coma schon geschildert haben, der Oberfläche der Concrementblase sich anschmiegt und der Wöl-
bung derselben entsprechend gebogen ist. Das Haar ist im frischen Zustand schon nachweisbar, am
deutlichsten aber zu sehen, wenn das Concrement in Osmiumsäure gelöst ist. Bei der Betrachtung
von oben erscheint es auch hier wiederum auf dem optischen Durchschnitt als ein hellleuchtender
Punkt und lässt sich als solcher durch Wechseln der Einstellung bis an den Kranz der Hörzellen
heran verfolgen; nur sein unterster umgebogener Abschnitt lässt sich auf einmal überblicken.
Auch auf Querschnitten ist es uns einmal gelungen, eine Ansicht der Hörhaare zu erhalten.
In den Querschnitt, welcher in Figur 5 auf Tafel YI dargestellt und der genau durch die Mitte
eines Hörbläschens gelegt ist, haben wir vom nächstfolgenden Schnitt die Hörzellen eingezeichnet.
Dieselben tragen ausnahmslos noch ihre bogenförmig gekrümmten Hörhaare, dagegen sind die
zugehörigen Concrementblasen durch den Schnitt entfernt worden, was indessen nur zur Deutlich-
keit des Bildes beiträgt.
An Macerationspräparaten lassen sich die Hörzellen nur mühsam durch lange fortgesetztes
Klopfen isoliren, (Taf. VI. Fig. 16a und ß). Ihre Gestalt erinnert vollkommen an die bei Mitrocoma
geschilderte. Der eigentliche Zellkörper ist klein und ebenso breit als hoch; auf der Seite, mit
der er an die nächste Reihe der Epithelzellen stösst, verlängert er sich in eine feine Spitze, auf
der anderen dagegen sendet er einen dünnen platten Fortsatz aus. Gegen diesen setzt sich der Körper
mit einer scharfen Kante ab, die bei seitlicher Ansicht der Zelle (ß) einen Vorsprung bildet, auf
dem Flächenbild (a) dagegen wie eine hellglänzende Leiste erscheint. Die Vorsprünge der einzelnen
Zellen bilden gemeinsam eine fortlaufende Linie. — Die Hörhaare waren leider nirgends erhalten,
so dass auch hier der Ursprung nicht direct beobachtet werden konnte ; indessen kann es hier noch
weniger fraglich sein als bei Mitrocoma, dass die hellglänzende Leiste der scharfen Contour ent-
spricht, mit welcher auf dem Situspräparat die Zellen an den Concrementblasen abschneiden, und
dass somit an jener die Ursprungsstellen der Hörhaare zu suchen sind (cf. Tafelerklärung VII).
Ueberblicken wir zum Schluss noch einmal die Schilderung, welche wir vom Bau der
Sinnesbläschen von Aequorea entworfen haben, so ergiebt sich eine ganz ausserordentliche Aehn-
lichkeit im feineren Bau mit den Gehörgruben der Mitrocoma. Vornehmlich sind die mor-
phologisch und physiologisch wichtigsten Bestandtheile, die Concrement- und Hörzellen, bei beiden
Arten isolirt fast kaum von einander zu unterscheiden. — Die Aehnlichkeit im feineren Bau ge-
winnt noch weiter dadurch an Bedeutung, dass die Lagerung und die Beziehungen zu
umliegenden Theilen bei den Organen der beiden Medusen dieselben sind. Hierbei
kommen namentlich zwei Punkte in Betracht, 1) dass die Organe nach aussen vom Nervenring
liegen und 2) dass die Sinneszellen durch eine Membran vom oberen Nervenring getrennt werden,
dagegen mit dem unteren in directem Zusammenhang stehen. Wir können es somit als ein fest-
stehendes Resultat der anatomischen Untersuchung betrachten, dass die Ilörbläschen von
Aequorea und die Hörgruben von Mitrocoma einander homolog sind.
Der auf den ersten Blick bedeutsam erscheinende Unterschied, dass die Hörorgane bei der
ersteren nach unten geschlossen sind, bei der letzteren dagegen weit geöffnet, stellt sich ebenfalls
bei einer genaueren Untersuchung als unwichtig heraus. Dies geht namentlich aus dem Verhalten
Hertwig, Medusen. 12
90
der Stützlamelle hervor, welches hei Aequorea das gleiche ist wie bei Mitrocoma, indem die Stütz-
lamelle bei ersterer ebenfalls auf der unteren Seite eine Oeffnung besitzt. Durch diesen Nachweis
wird der hervorgehobene Unterschied auf eine Verschiedenheit im Ausbildungsgrad der Organe
zurückgeführt und dadurch erklärt, dass sich bei Mitrocoma die ursprünglichere Form des Gehör-
organs, die Form der Gehörgrube, erhalten hat, während es bei Aequorea zu einer Abschnürung
gekommen ist.
Die regellose Vertlieilung der Hörbläschen bei Aequorea hat bei den übrigen Vesiculaten
einer gesetzmässigen Anordnung derselben Platz gemacht. Hand in Hand hiermit geht eine Re-
duetion der Zahl, welche bei den Gattungen Eueheilota und Octorchis am meisten ausgesprochen ist.
Euch eil ota besitzt 16 Hörbläschen, die sich in regelmässigen Abständen auf den Schirm-
rand vertheilen. Da die Zahl der Haupttentakeln sich auf acht beschränkt, vier radiale und vier
interradiale, so liegen in jedem Intertentakularraum zwei Bläschen (Taf. X. Fig. 13 hb). Dieselben
sind von ovaler Gestalt und mit ihrer Hauptaxe dem Schirmrand parallel gestellt; ein jedes von
ihnen umscliliesst vier, seltener fünf kugelige Concretionen , die in einer Reihe derartig angeordnet
sind, dass zwei bei der Ansicht von oben dem Beobachter zugewandt sind, während die beiden
anderen von der Seite gesehen werden (Taf. VII. Fig. 16 und 17). An die Concrementzellen treten
fünf breite mit Hörhaaren (hh) versehene Hörzellen (li) heran, welche schwer zu sehen sind, da
das äussere Epithel (d1) nicht sehr durchsichtig ist. Es wird von cubischen relativ grossen Zellen
gebildet, von denen eine jede auf ihrem peripheren Ende eine lebhaft schwingende Geissei trägt.
Von der Fläche gesehen, ergeben die Zellen eine polyedrische Zeichnung in ähnlicher Weise, wie
die entsprechenden Gebilde auf der Gehörgrube der Mitrocoma; sie besitzen jedoch nicht die blasige
Beschaffenheit der letzteren, sondern sind Zellen mit grossem Kern und reichlichem Protoplasma.
Noch geringer als bei Eueheilota ist die Zahl der Gehörbläschen bei Octorchis Gegen-
bauri (Taf. X. Fig. llhb), indem nur ein Bläschen in einem Intertentakularraum liegt, während
die Zahl der Haupttentakeln sich wie dort auf acht beläuft. In der querovalen Gestalt stimmen
die Bläschen mit denen von Eueheilota überein, sind aber grösser und von dem unterliegenden
Velum schärfer abgeschnürt wie diese; ausserdem enthalten sie eine grössere Anzahl von Concrement-
zellen, die gewöhnlich zu acht vorhanden sind. Letztere besassen bei dem einzigen Exemplar, was
wir untersuchen konnten, eine sehr regelmässige Anordnung; alle standen einander paarweis ge-
nähert in einer einzigen dem Schirmrand parallelen Reihe, welche das Bläschen in zwei annähernd
gleiche Theile zerlegte; die Concretionen waren wie die von Aequorea bimförmig gestaltet und
wurden vom peripheren Zellende fest umschlossen. An jede Concrementzelle treten bei Octorchis i
6—8 Hörzellen heran, deren Hörhaare gut zu sehen sind, weil die Bläschen wand dünn ist und
nur von einem unscheinbaren Epithel überzogen wird. Wie bei Aequorea gelang es uns auch hier,
die Hörhaare auf Querschnitten (Taf. VIII. Fig. 5) nachzuweisen, im vorliegenden Fall sogar im
Zusammenhang mit den Concrementzellen. Zugleich wurden wir darauf aufmerksam, dass die ■
Hörzellen sich über den Ursprung der Haare hinaus in Fortsätze verlängern, die sich unter die f
Concrementzellen einschieben. Diese Fortsätze entsprechen zweifellos den spatelförmigen Fortsätzen
bei Mitrocoma und Aequorea, es ist daher diese Beobachtung ein weiterer Fingerzeig, dass die von j
uns oben entwickelte Auffassung vom Bau der Hörzellen der Vesiculaten eine richtige ist. Leider
hatten wir von Octorchis kein Maeerationsmaterial, so dass wir den Bau der Hörzellen iln isolirten 1
Zustand nicht untersuchen konnten.
Da acht Concrementzellen vorhanden sind und mit jeder sich über acht Hörzellen verbinden, j
so mögen auf jedes Hörbläschen ungefähr 60 der letzteren kommen. Dieser aussergewöhnlich grossen
91
Anzahl entspricht die bedeutende Stärke der von Ganglienzellen und Nervenfasern gebildeten An-
schwellung am Grund des Hörbläschens, welche sich bei keiner anderen der von uns untersuchten
Medusen so gut nachweisen lässt; das Epithel auf der Oberfläche der Anschwellung ist mit Flim-
mern bedeckt, was vielleicht auch bei anderen Vesiculaten der Fall ist, von uns jedoch nur hier
beobachtet wurde (Taf. VII. Fig. 3 und 4 np).
Die Hörbläschen von Obelia polystyla und Phialidium viridicans stimmen in ihrem
Bau so sehr tiberein, dass wir sie hier gemeinsam besprechen können; wir gehen auf ihre Schil-
derung noch einmal näher ein, da sie bei weitem am geeignetsten sind] um sich über den Bau der
Hörbläschen bei den Vesiculaten zu orientiren, namentlich aber geeignet, um die Hörhaare und
Hörzellen zu sehen.
Bei beiden Arten sind die Bläschen sehr klein, bei Phialidium 50, u, bei Obelia sogar nur
30 ft gross. Bei letzterer sind sie stets in Achtzahl vorhanden und liegen hier an der Basis der
Tentakeln distalwärts von denselben (Taf. VII. Fig. 1. Taf. X. Fig. 7). Nach innen von ihnen
springt in das Lumen der Schirmglocke jener schon früher erwähnte Höcker vor, der aus einer
einzigen Zelle besteht und an der Basis eines jeden Tentakels sich vorfindet. Bei Phialidium
(Taf. X. Fig. 10) wechselt die Zahl mit dem Alter des Thieres. Sehr junge Exemplare besitzen
acht Bläschen, erwachsene geschlechtsreife Individuen dagegen bis zu 32; da nur halb so viel
Tentakeln angelegt sind, so finden sich gewöhnlich zwei Sinnesbläschen in einem Intertentakular-
raum. Im Lauf des Wachsthums kommen jedoch mannigfache Unregelmässigkeiten vor, indem
in einem Intertentakularraum die Vermehrung der Sinnesbläschen eine verlangsamte oder eine be-
schleunigte sein kann. Man kann so an demselben Thier zwischen zwei Tentakeln an verschie-
denen Stellen des Körpers ein, zwei oder drei Sinnesbläschen wahrnehmen.
Normaler Weise enthalten die Sinnesbläschen nur einen Otolithen, doch haben wir ver-
einzelt bei Phialidium eine Art Zwillingsbildung beobachtet. In diesen Fällen (Taf. VII. Fig. 5)
war das Bläschen der Quere nach beträchtlich verlängert und zerfiel durch eine bisquitförmige
Einschnürung in zwei unvollständig von einander getrennte Abschnitte, von denen ein jeder einen
Otolithen umschloss. Da sich die Zwillingsbildung allein in einem Intertentakularraum vorfand, in
dem sonst zwei Gehörorgane vorzukommen pflegen, so liegt es nahe, sie sich aus Verschmelzung
der Anlagen zweier Bläschen entstanden zu denken.
Das äussere Epithel (Taf. VII. Fig. 1. 2. 15 d *) bildet einen namentlich bei Obelia ver-
schwindend dünnen Ueberzug und ist nur an den Kernen zu erkennen, die hier und dort über die
Oberfläche nach aussen hervorragen. Das Gleiche gilt von dem inneren Epithel (d2), dessen
Kerne in entsprechender Weise in das Lumen des Bläschens vorspringen.
Die blasige Co ncrementzelle (o) erhebt sich mit breiter Basis von der Innenwand des
Hörbläschens und zwar gegenüber der Stelle, an der letzteres dem Schirmrand aufsitzt (Fig. 8).
In ihrem peripheren Ende, welches in den Hohlraum hineinragt, umschliesst sie den sphärischen
Otolithen, während ein rundlicher Kern in der Seitenwand der Zelle lagert. Sinn es zellen (h)
sind 4 — 7 vorhanden, ihre Zahl ist gewöhnlich grösser bei Phialidium als bei Obelia. Sie sind im
frischen Zustand leichter als bei den übrigen Medusen zu erkennen und besitzen dann eine fein-
faserige Beschaffenheit, so dass man sie für eine dünne Lage von Fibrillen halten könnte, die
vom Nervenring an die Otolithenblase herantreten. An letzterer hören die Zellen alle in einer
Linie mit einem glänzenden Contour auf, von dem aus die Hörhaare leicht zu finden sind. Bei
der Betrachtung von oben entspricht jeder Hörzelle ein leuchtender Punkt, jedesmal der optische
Querschnitt eines Haares. Bei Obelia sieht man daher gewöhnlich vier, bei Phialidium meist sechs
12*
92
solche Punkte genau an den Stellen, wo die Hörzellen die Concrementblase berühren (Taf. VII.
Fig. 2 a hh). Stellt man dann tiefer ein, so erblickt man die gleiche Zahl heller Punkte, doch
diesmal in einiger Entfernung von den Hörzellen, da die Membran der Concrementblase jetzt ent-
fernter liegt (/?); schliesslich erhält man den untersten umgebogenen Theil des Haares zur An-
sicht {y). Alle Bilder, welche successive beim Wechsel der Einstellung entstehen, sind in den
Figuren 2 a — y von einer Obelia wiedergegeben.
Die geschilderten Sinnesbläschen von Obelia und Phialidium entfernen sich unter allen von
uns untersuchten Vesiculaten am meisten von den Hörgruben der Mitrocoma. Immerhin sind die
Unterschiede, wenn wir von dem einen Hauptmerkmal absehen, dass diese offene, jene geschlossene
Organe sind, von keiner grossen Bedeutung; sie äussern sich darin, dass die Zahl der Otolithen
eine Beschränkung erfahren hat und zugleich eine gesetzmässige geworden ist. In dieser Hinsicht
lassen sich die Hörbläschen der Eucopidenfamilie wohl als die höchstentwickelten betrachten.
Ob mit den beschriebenen Formen die Mannigfaltigkeit, welche die Hörorgane bei den Vesi-
culaten in ihrem Bau zu erkennen geben, erschöpft ist, müssen wir dahingestellt sein lassen; fast will
es uns aber scheinen, dass dem nicht so sei. Wir halten es für wahrscheinlich, dass noch primi-
tivere Bildungen vorhanden sind als die Hörgruben der Mitrocoma; vielleicht existiren noch Me-
dusen, bei denen isolirte Concrementzellen im Epithel des unteren Nervenrings zerstreut Vorkommen.
Den Nachweis von derartigen ersten Anfängen eines Gehörorgans haben wir vielleicht von einer
genaueren Untersuchung derjenigen Vesiculatenfamilien zu erwarten, bei denen bisher keine Hör-
bläschen beobachtet worden sind, wie bei den Thaumantiaden s. str., den Melicertiden u. s. w.
Literatur. Die Hörbläschen der Vesiculaten wurden von M. Saks (77) entdeckt, der zum
ersten Male bei einer Thaiunantias (?) multicirrhata acht Randkörper auffand. Im Laufe der näch-
sten zehn Jahre mehrten sich die Beobachtungen. Milse Edwards (23) beschrieb die Organe bei
der Aequorea violacea, Kölliker (50), v. Beneden (10) und Krohn (53) von jungen Obelien,
Will (86) und Forbes (29) von einigen Eucopiden und Geryonopsiden. Hinsichtlich des Baues
beschränkten sich die meisten Beobachter auf die Angabe, dass dem Schirmrand Bläschen aufsitzen,
die je nach den einzelnen Arten ein oder mehrere stark lichtbrechende Körperchen umschliessen.
Kölliker, Krohn und Will machten ausserdem noch darauf aufmerksam, dass die Körperchen sich
in Säuren lösen und daher wahrscheinlich aus kohlensaurem Kalk bestehen ; van Beneden dagegen
erkannte, dass die Concretion noch von einem besonderen Bläschen umschlossen sei; nach ihm sind
bei Obelia zwei Bläschen in einander geschachtelt, von denen das innere den kugeligen Körper j
umschliesst; dass letzteres — die Concrementzeüe — mit der Wand des grösseren Bläschens fest
verbunden ist, blieb dem belgischen Forscher verborgen. Bei der Deutung der Function der Organe '
gingen die Ansichten auseinander. Während v. Beneden zweifelhaft war, ob er die Organe für
Augen oder Hörbläschen, die Concremente für Linsen oder für Otolithen halten sollte, erklärte sich J
Kölliker und Will mit Bestimmtheit für die Deutung als Gehörorgane, indem sie die Aehnlichkeit j
des Bläschens mit den Hörbläschen der Mollusken und die in beiden Fällen gleiche chemische ;
Zusammensetzung der Concretionen hervorhoben. Busk (14) dagegen sprach sich in einer einige j
Jahre später erschienenen kurzen Abhandlung dahin aus, dass die Randkörper der Vesiculaten wie
die der übrigen Medusen sich noch am ehesten als Augen betrachten Hessen.
Ein weiterer Fortschritt in der Kenntniss der Gehörorgane der Vesiculaten wurde durch den
Nachweis herbeigeführt, dass das von v. Beneden beschriebene den Otolithen enthaltende Bläschen n
nicht frei im Innern des Hörbläschens schwebt, sondern von der Wand desselben entspringt. Nach j
Leuckart (58) sind die Organe bei Phialidium „rundliche Kapseln mit einem sphärischen Otolith, j
93
der fest und unbeweglich in eine eigene zweite Zellenhülle eingebettet und an den äusseren Rand
der Kapsel befestigt ist“; ebenso konnte Gegenbaue (32 und 33) „bei mehreren Thaumantiasförmigen
Medusenarten den Einschluss der Concretion in eine besondere Zelle und deren bald mehr bald
minder stielförmige Verbindung mit der Wandung des Randkörperhohlraums“ constatiren. Beide
Forscher vergleichen die Hörbläschen der Vesiculaten mit denen der Geryoniden und schreiben
beiderlei Gebilden denselben Bau zu; das Irrthümliche dieses Vergleichs liegt jedoch mehr in einer
unrichtigen Beurtheilung des Baues des Geryonidenbläschens , als in einer unvollständigen Kennt-
niss der Organe der Vesiculaten. Mit Leuckakt und Gegenbaue stimmen ferner Kefeestein und
Ehlees (47 und 48) überein, indem sie angeben, dass von der „äusseren Wand der Randbläschen bei
Eucope polystyla (Obelia polystyla) nach innen ein Zapfen vorragt, der den runden Otolitlien trägt“.
Während von den genannten Autoren sich Leuckaet bestimmt für die KöLLiKEE'sche Deu-
tung der Bläschen als Gehörorgane erklärt, bezeichnet Louis Agassiz (4) letztere in seinen fast
zu gleicher Zeit gemeinsam mit James Claek herausgegebenen Contributions to the Nat. Hist, mit
gleicher Bestimmtheit als Augen, indem er den Concretionen die Function von Linsen beimisst.
Hierbei bleibt jedoch die anatomische Schilderung der Organe von Clytia volubilis und Obelia
commissuralis in so fern hinter den Angaben Leuckaet’s, Gegenbaue’s u. A. zurück, als sie der
Zelle, welche die Concretion in ihrem Innern birgt, mit keinem Wort Erwähnung tliut.
Bei der Discussion über die Function der Randbläschen wurde gegen die Auffassung Köl-
likee’s stets der vollkommen berechtigte Einwand erhoben, dass noch keine Hörhaare beobachtet
worden seien. Dieser Einwand schien eine Zeit lang durch eine kurze Notiz, die Hensen (41) in
seine Studien über das Gehörorgan der Decapoden einschaltete, beseitigt zu sein. Der genahnte
Forscher giebt hier in einer Anmerkung folgende Schilderung von dem Hörbläsclien einer nicht
näher bestimmten Eucopide. „In den zahlreichen Otolithensäcken fand sich an der centralen Seite
eine verdickte Stelle, als verdickte Epithelschicht zu deuten. Von hier aus sah man sehr feine
Haare nach einem Steine zu strahlen, der in der Mitte des Sackes lag. Der Stein aber war in
einer inneren Blase, die er nicht ganz ausfüllte, und an die eine Seite dieser Blase gingen noch
wieder Haare heran.“ „Die Härchen waren zwar sehr blass und wenig lichtbrechend, jedoch schon
mit Oberhäuser Syst. 8 und allen Stiplinsen zu erkennen.“
Vergleichen wir diese Angaben mit den Resultaten unserer Untersuchung, so kann es keinem
Zweifel unterliegen, dass Hensen die Hörhaare nicht gesehen hat. Die feinen Linien, die zum
Theil an den Otolithen, zum Theil an die Otolithenblase herantreten und als blasse Härchen ge-
deutet wurden, sind wahrscheinlich die Grenzcontouren der Hörzellen; die verdickte Epithelschicht,
von welcher die Haare entspringen sollen, ist Nichts anderes als die am Grund des Bläschens
befindliche aus Ganglien- und Epithelzellen gebildete Anschwellung, von welcher die Hörzellen
ausgehen. Da Hensen die Hörbläschen allein von oben betrachtete, hat er auch die Befestigung
der Concrementzelle an der Wand nicht beobachten können; dies erklärt, wesshalb er seine Re-
sultate mit denen Gegenbaue’s, Leuckaet’s u. A. nicht hat in Uebereinstimmung bringen können.
Die Darstellung Hensen’s ist zwar zum Theil in die Lehrbücher übergegangen (vergl. Claus :
Zoologie, Gegenbaue: Grundzüge der vergl. Anat.), hat aber von Seiten der meisten Forscher, die
sich mit dem Gegenstand näher beschäftigt haben, Widerspruch erfahren. F. Müllee (71), der in
der physiologischen Deutung mit Agassiz überein stimmt, hebt mit Recht hervor, dass die Con-
crementblase sich an der Wand des Organs befestige, geht jedoch im Uebrigen bei seiner Polemik
von der falschen Voraussetzung aus, dass die Randkörper der Vesiculaten dieselben Bildungen
seien wie die der Trachymedusen, und bestreitet daher unberechtigter Weise die Bläschennatur der
94
Concrementzellen. Fast gleichzeitig giebt auch Haeckel (37) auf Grund ausgedehnterer Unter-
suchungen eine Kritik der HENSEN’schen Beobachtungen. Haeckel ist gleichfalls der Ansicht, dass
die Organe der Vesiculaten in den wichtigsten Punkten denen der Trachymedusen gleichen; in der
Concrementzelle erblickt er das Homologon des Gehörkölbchens der Geryoniden (Sinnesganglion
nach Haeckel), die hei letzteren von ihm nachgewiesenen zwei Nervenstämme sollen hei den Euco-
piden durch einen unpaaren Nerven vertreten sein, ,,der wie ein Stiel das die Concretion um-
schliessende Sinnesganglion trage“. Ferner geht aus der Schilderung von Octorchis (36) hervor,
dass Haeckel auch die Anschwellung am Grund der Hörbläschen beobachtet hat; er beschreibt
dieselbe als ein .„Zellpolster, auf welchem 6 — 10 glänzende Kugeln sitzen, jede in ein zartwandiges
Bläschen eingeschlossen“. Indem nun Haeckel eine Umdeutung des HENSEN’schen Bildes versucht,
„führt er die von Hensen als Härchen aufgefassten feinen blassen Linien auf die Fasern des
Sinnesnerven und die beiden äussersten Härchen auf die Contouren des Nerven zurück“. Der hier
referirten Darstellung Haeckel’s können wir in zwei Punkten nicht beistimmen, einmal dass er die
Summe der Hörzellen für einen Sinnesnerv hält, zweitens dass er die als eine einfache Zelle
anzusehende Concrementblase als Ganglion bezeichnet.
Gegen Hensen hat sich weiterhin auch Allman ausgesprochen, zuerst auf der British Asso-
ciation im Jahr 1867 (6), später ausführlicher in seiner Monographie der Tubulariden (7). Nach ihm
sind die Bandbläschen kleine structurlose Kapseln, die zum grossen Tlieil von einer kugeligen
weichen Masse (pulp) erfüllt sind, in dem distalen Pole der letzteren befindet sich eine tiefe scharf
umschriebene Aushöhlung und in dieser die runde stark lichtbrechende Concretion, die Oberfläche
zeigt 12 — 15 oft kaum sichtbare zarte Streifen, welche ungefähr in gleichen Abständen einen
meridionalen Verlauf einhalten. Am distalen Pole enden sie genau mit dem Band der Aushöhlung
und können von hier aus eine Strecke nach dem anderen Pole verfolgt werden. Diese meridionalen
Streifen entsprechen offenbar den Linien, die Haeckel für Fasern der Sinnesnerven, wir für die
Grenzen der Hörzellen halten; damit stimmt denn auch überein, dass sie Allman den von Hensen
fälschlich als Haare gedeuteten Bildungen vergleicht. Ist unsere Annahme richtig, so würde an
der Schilderung, noch mehr aber an der Abbildung der meridionalen Streifen nur das Eine aus-
zusetzen sein, dass Allman sie auf allen Seiten der Otolithen zeichnet, während ja die Hörzellen
auf die proximale Seite des Hörbläschens beschränkt sind. Was ferner den Bläscheninhalt anlangt,
so ist klar, dass Allman die das Lumen erfüllende Flüssigkeit für eine pulpöse Masse, die Oto-
lithenzelle dagegen für einen Hohlraum in derselben gehalten hat; dies erklärt dann, wesshalb der
englische Forscher sich gegen Keferstein und Ehlers ausspricht , welche die Concrementzelle als
Stiel des Otolithen bezeichnen.
Bei der Beurtheilung der Function der Organe nimmt Allman eine neutrale Stellung ein;
die Analogie mit den Hörbläschen der Mollusken, sagt er, sei keinenfalls so gross, um den frag-
lichen Organen die Bedeutung von Gehörorganen beizumessen, da sich in ihrer Structur mindestens
ebenso nahe Beziehungen zur Licht- wie zur Tonempfindung ausdriickten.
Die neueste Untersuchung des Gehörorgans einer Vesiculate stammt von Harting (40), der
eine irrigerweise als Eucopide bestimmte Eucheilota oder eine Geryonopside vor Augen gehabt zu
haben scheint. Harting lässt den Nervenring in das Innere des Bläschens eindringen und hier ein
Polster bilden ; die Fasern dieses Polsters, das offenbar der basalen Epithelverdickung Hensen’s ent-
spricht, hält er mit Unrecht für die HENSEN’schen Hörhaare. Da er keinen Zusammenhang zwischen
dem Nervenkissen und den Otolithen, die an der Innenwand des Bläschens umschlossen von einem
kleinen durchsichtigen Säckchen liegen, hat nachweisen können, will er sich hinsichtlich der Function
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der Organe nicht entscheiden, zumal da es nicht ausgemacht sei, oh nicht die Medusen Sinnes-
organe von ganz anderer Qualität besässen.
Schliesslich haben wir noch zwei Arbeiten zu erwähnen, die der Zeit ihres Erscheinens nach
vor Allman’s Tubularidenmonographie fallen, die wir aber erst hier besprechen, da sie in keiner
Beziehung zu der durch Hensen angeregten Streitfrage stehen; es sind dies des jüngeren Agassiz
Catalog des Museums für vergleichende Zoologie (2) und Hincks British Zoopliytes (43). Hin-
sichtlich der Anatomie der Hörbläschen sind beide Arbeiten von keinem Belang, wie daraus schon
zur Genüge hervorgeht, dass in keiner auch nur der Befestigungsweise der Concretion gedacht wird.
Agassiz’s Catalog ist in so fern von Interesse, als er Uber die Zahl der Sinnesbläschen und der in
ihnen enthaltenen Concretionen bei den einzelnen Arten zahlreiche Angaben enthält. Wie sein Vater
hält auch er an der Ansicht fest, dass die Bläschen Augen seien, während Hincks die Frage als
eine offene behandelt.
III. Ocellatae.
Die formenreiche Abtheilung der Ocellaten schliesst sich an die Vesiculaten durch ihre
gemeinsame Abstammung von Hydroidpolypen am nächsten an, unterscheidet sich aber von ihnen
sowohl durch die verschiedene Beschaffenheit der Hydroidengeneration, als auch durch mehrere ana-
tomisch wichtige Charaktere. Während die Vesiculaten von den Campanulariden aufgeammt werden,
bilden die Ammenformen der Ocellaten die Tubulariden. Als die wichtigsten Merkmale in ana-
tomischer Hinsicht sind die Lage der Geschlechtsorgane am Magen und der Mangel von besonderen
Gehörorganen hervorzuheben, die wir bis jetzt bei allen besprochenen Medusenfamilien vorgefunden
haben. Nie kommt es hier zur Entwicklung von besonderen Concrement- oder Otolitlienzellen. An-
statt dessen treten in reicher Verbreitung an der Basis der Tentakeln pigmentirte Stellen, die soge-
nannten Augenflecke auf, wegen deren Haeckel der ganzen Abtheilung, den Oceaniden Gegen-
baur’s, den Namen der Ocellaten beigelegt hat. Systematisch erscheinen indessen diese Ocelli den
drei oben hervorgehobenen Charakteren gegenüber von geringerer Bedeutung, da sie einmal zahl-
reichen Arten fehlen und zweitens auch anderen Medusen, wie namentlich vielen Acraspeden zukommen.
Aus den zahlreichen Familien der Ocellaten haben wir nur zwei Formen, eine Bougainvillide
und eine Oceanide, die Lizzia Koellikeri (Gegenbaur) und die Oceania conica (Esch) beob-
achtet und haben wir die erstgenannte Art einer genaueren histologischen Analyse unterworfen.
a. Die Anatomie des Schirmrands von Lizzia.
Der Schirm ran d von Lizzia erinnert in seiner Beschaffenheit an die bei den Vesiculaten
besprochenen Verhältnisse. Der Ektodermüberzug des Schirms gewinnt hier plötzlich ein verän-
dertes Aussehen. An Stelle der sonst überall verbreiteten grossen und platten Epithelzellen, von
denen man gewöhnlich kaum mehr als den Kern erkennen kann, tritt ein breiter Streifen eines
hohen einschichtigen Epithels, das dicht mit Flimmerhaaren bedeckt ist und von den unterliegenden
Theilen durch eine homogene und dünne Stützlamelle geschieden wird (Taf. VIII. Fig. 1 1 a).
An den unteren Rand dieses flimmernden Epithelstreifens setzt sich das ungemein zarte Velum
an, welches aus den schon mehrfach besprochenen vier Lamellen besteht. Eine eigenthtimliche Er-
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scheinung konnten wir hier an der lebenden Lizzia beobachten. Die auf der Oberfläche des Yelum
liegenden Zellen erheben sich zu sehr verschieden gestalteten, bald mehr buckelförmigen, bald coni-
sclien Fortsätzen, die wieder mit Spitzchen und Zäckchen besetzt sind. Letztere kommen und ver-
schwinden und auch die Fortsätze selbst ändern in mannigfaltigster Weise ihre Gestalt. Die Epithel-
zellen zeigen uns so in auffälligster Weise amöboide Bewegungserscheinungen, die auch sonst schon
im ganzen Stamme der Coelenteraten und bei niederen Würmern an verschiedenen Zellelementen
beobachtet worden sind. Die zarte Stützlamelle des Velum spaltet sich an ihrem Ansatz am Schirm-
rand und geht hier einerseits in die Stützlamelle des flimmernden Epithelstreifens, andererseits in
diejenige der Subumbrella über, wo sie der Ringmusculatur zur Grundlage dient.
Die Subumbrella besitzt bei Lizzia eine eigenartige Beschaffenheit, welche auf die Ver-
breitung des peripheren Nervensystems, wie wir später sehen werden, nicht ohne Einfluss ist. Sie
besteht aus einer an der- unteren Seite der Glocke überall gleichmässig entwickelten Ringfaserschicht,
die in geringer Entfernung vom Schirmrand beginnt und mit der Musculatur des Velum daher nicht
continuirlich zusammenhängt. Die circulären Muskelfasern sind deutlich quergestreifte breite Bänder
(Taf. VIII. Fig. 16). Abweichend von den früher beschriebenen Medusen sind sie auf ihrer der
Schirmhöhle zugekehrten Fläche nicht von einer deutlich gesonderten Epithelschicht bedeckt, viel-
mehr sind nur hie und da ovale Kerne wahrzunehmen, die sich den Muskelfasern innig anschmiegen
und beim Zerzupfen eines Subumbrellastückcliens mit ihnen im Zusammenhang isolirt werden. Wahr-
scheinlich ist dieses Verhältniss in der Weise zu erklären, dass die Epithellage der Subumbrella
endothelartig dünn geworden ist und dass daher die Zellcontouren bei den angewandten Reagentien
nicht deutlich geworden sind. Die Kerne der Epithelzellen hätten wir dann in den ovalen, den
Muskelfibrillen anliegenden Kernen zu suchen.
Eine andere Beschaffenheit zeigt die Subumbrella in der Umgebung der vier Radialkanäle.
Unter denselben lässt sich gleichfalls die Ringmusculatur in continuo verfolgen. Sie nimmt aber
hier nicht an der Begrenzung der Aussenfläche Theil, sondern wird noch von einer feinen radiär
streifigen Zellenlage überzogen (Taf. VIII. Fig. 14). Um sich ein klares Bild von der Verbreitung
dieser Lage zu machen, breite man ein Antimer einer in Osmium-Essigsäure macerirten Lizzia flach
aus. Es fallen dann sofort die radiär streifigen Züge in die Augen, die sich mit glatten scharfen
Rändern von den übrigen Theilen der Subumbrella absetzen. Sie beginnen ziemlich breit am Ring-
kanal und verschmälern sich nach dem Mittelpunkt der Glocke zu in der Weise, dass ihr Rand
eine bogenförmige Contour erhält; stets aber bleiben sie um ein mehrfaches breiter als die Radial-
kanäle, welche sie beiderseits überragen. Durch Zerzupfen lässt sich die rädiärstreifige Lage in
einzelnen Stücken von der Ringmusculatur der Subumbrella als dünnes Häutchen abziehen (Taf. VIII.
Fig. 14). Sie ist aus platten Epithelzellen zusammengesetzt, deren Grenzen sich schwer unterscheiden
lassen; dagegen sind die querovalen Kerne an gefärbten Präparaten gut sichtbar. Ausserdem ver-
laufen in dem dünnen Häutchen noch feine glänzende glatte Fasern in geringen Abständen von ein- !
ander. Die Meisten sind einander parallel gerichtet, einige aber treffen die anderen unter spitzem
Winkel und scheinen mit ihnen zu verschmelzen. Ob diese glatten Fasern nur locale Verdickungen
des Zellhäutchens darstellen oder ob sie vielleicht musculöser Natur sind, darüber haben wir uns
kein sicheres Urtheil bilden können. Die vom Zellhäutchen bedeckte Lage der quergestreiften Mus-
kelfibrillen (m) ist noch mit besonderen vereinzelten Kernen versehen.
Die verschiedene Beschaffenheit, die nach den mitgetheilten Befunden die Subumbrella unter- |
halb der Radialkanäle annimmt, wird wohl auf denselben Umbildungsprocess zurückgeführt werden
müssen, den wir unter den Vesiculaten bei Aequorea und Mitrocoma kennen gelernt haben. Im j
97
Bereiche des Gastrovascularsystems sind bei Lizzia diejenigen Zellen, welche die quergestreiften
Ringfasern gebildet haben, aus dem Epithelüberzug ausgeschieden. Dadurch ist überall wo dieser
Process stattgefunden hat, noch ein besonderes leicht ablösbares Epithelhäutchen über der kern-
haltigen Ringmusculatur entstanden. Im ganzen übrigen Theil der Subumbrella ist dagegen eine
solche Ausscheidung nicht eingetreten, vielmehr sind hier die endothelartig abgeplatteten Zellen, wie
bei den meisten Medusen, Epithel- und Muskelzellen zugleich geblieben.
Dem Schirmrand entlang verläuft unmittelbar unter dem flimmernden Epithelstreifen der Ring-
kanal, der bei Lizzia von ansehnlicher Weite ist (Taf. VIII. Fig. llr). In regelmässigen Abstän-
den zeigt er acht erweiterte Stellen, von denen sich vier am Ende der Radialkanäle, vier andere
aber zwischen denselben interradial vorfinden. Hier ist in den Entodermzellen reichlich ein roth-
bräunliches Pigment abgelagert, so dass acht Flecken am Rande entstehen, die schon dem unbe-
waffneten Auge auffallen. An den erweiterten Stellen des Ringkanals nehmen die Tentakeln
ihren Ursprung; dieselben sind in einer für die Lizzien charakteristischen Weise auf acht Büschel,
vier radiale und vier interradiale zusammengedrängt (Taf. VIII. Fig. 15). In jedem Büschel nimmt
ihre Anzahl mit dem Alter des Thieres zu und beläuft sich bei grossen geschlechtsreifen Exemplaren
auf etwa 15. Die Tentakeln eines Büschels sind in einer Ebene am Schirmrand befestigt und
berühren sich an der Basis mit ihren Seitenflächen, von hier weichen sie in geringem Grade fächer-
förmig auseinander. Sie besitzen eine feste Axe von grossblasigen , derbwandigen Zellen, die an
der Basis in zwei Reihen angeordnet sind, dann aber in einer Reihe wie die Stücke einer Geld-
rolle sich folgen. Die Basis der Tentakeln ist daher ein wenig verdickt. Auch dringt ganz in
ihren Anfang ein kleiner Fortsatz des Ringkanals ein, dessen Wandungen mit rothbraunen Pigment-
körnchen erfüllt sind.
b. Das Nervensystem der Ocellaten.
Zur Untersuchung des Nervensystems ist Lizzia ein nicht ungeeignetes Object, da bei
der gruppenweisen Vertheilung der Tentakeln grosse Strecken des Randes tentakelfrei sind. Es
gelang uns daher den Nervenring sowohl in situ zu beobachten, als auch in seinen feineren Bau
weiter einzudringen. Ueber seine Lage wollen wir uns zunächst auf einem Durchschnitt durch den
Schirmrand orientiren. Wie aus der Figur 11. Taf. VIII. zu sehen ist, liegt nach Aussen von dem
weiten Ringkanal (r) der flimmernde Epithelstreifen (a) des Mantelrandes. Beide Theile sind nur
durch eine feine Stützlamelle von einander geschieden. Nach oben ist der Epithelstreifen gegen
das nicht flimmernde Plattenepithel der Schirmoberfläche scharf abgegrenzt, nach unten schneidet
er mit der Insertion des Velum ab. Hier ist es nun, wo der Epithelstreifen am meisten verdickt ist
und auf dem Durchschnitt einen kleinen Wulst bildet. Der Wulst wird dadurch bedingt, dass unter-
halb des Epithels zwischen ihm und der Stützlamelle sich noch eine feinkörnige gebräunte Masse (nr)
vorfindet, der Durchschnitt des oberen Nervenrings. Derselbe liegt daher gerade über der Insertion
des Velum nach aussen vom Ringkanal, von dem er nur durch die Stützlamelle geschieden ist.
Durch Abpinseln oder Zerzupfen mit Präparirnadeln haben wir den Nervenring mit dem
ihn bedeckenden Epithel, in dem wir auch hier wieder ein Sinnesepithel kennen lernen werden,
weiter isolirt. Von der Fläche betrachtet zeigt letzteres ein zierliches Mosaik, das durch die Enden
der kleinen Cylinderzellen gebildet wird. Unter ihm erscheint bei etwas tieferer Einstellung des
Tubus eine Lage feiner Fasern, zwischen welchen hie und da auch einzelne spindelförmige Zellen
auftreten. Noch lehrreichere Bilder bietet der freigelegte Strang, wenn er sich so gelagert hat, dass
Hartwig, Medusen. 13
98
die Epithellage von der Seite erblickt wird (Taf. VIII. Fig. 13). Auf dem optischen Durchschnitt
überzeugt man sich dann, dass die Cy linderzellen (a) des flimmernden Epithelstreifens von der Faser-
lage sich nicht scharf abgrenzen, vielmehr mit verschmälerter Basis in dieselbe unmittelbar über-
gehen. Die einzelnen Elemente des Nervenrings, Fasern sowohl als Zellen können durch Zerzupfen
oder durch Zerklopfen vollständig isolirt werden. An einem derartigen Präparat verdient vor Allem
die ungleiche Stärke der Nervenfibrillen hervorgehoben zu werden. Der Hauptmasse nach sind es
feinste varicöse Fibrillen von kaum messbarer Stärke, dazwischen finden sich einige gröbere Fasern,
die seitlich dünne Aestchen abgeben, welche meistens wegen ungenügender Maeeration kurz abge-
rissen sind (Taf. VIII. Fig. 12 c). Die Ganglienzellen, die in geringer Anzahl im Verlauf der Nerven-
fibrillen, namentlich der stärkeren Vorkommen, besitzen eine langgestreckte spindelförmige Gestalt
und sind wie alle Zellen der Ocellaten von sehr geringer Grösse. Die Isolation aller dieser Theile
gelingt, wie die Figuren 12 c und 13 zeigen, auf sehr grosse Strecken hin. Hierbei kommen auch
isolirte Zellen aus dem Si; uesepithel mit langen Ausläufern nicht selten zur Beobachtung (Taf. VIII.
Fig. 1 3 a). Zum Theil si , 1 dieselben von kurz eylindrischer Gestalt mit breitem peripheren Ende,
das von einer Cuticula überzogen wird, zum Theil sind sie mehr spindelförmig beschaffen mit ver-
dickter, kernführender Mitte und einem peripheren und centralen spitzen Fortsatz. Beide Zellen-
arten alterniren im Epithellager mit einander, beide sind an ihrem basalen Ende mit langen feinen
varicösen Ausläufern versehen, die von einer Nervenfibrille nicht zu unterscheiden sind, beide tragen
auf ihrer Cuticula ein feines Geisselhaar.
Oh ausser dem oberen Nervenring auch noch ein unterer vorhanden ist, müssen wir bei
Lizzia unentschieden lassen. Während bei den Trachymedusen und Vesiculaten ein solcher isolirt
werden konnte, wollte uns dies hier nicht glücken, weil der Ringkanal auf dem unter ihm liegenden
Theil der Subumbrella, der kritischen Stelle, fest anhaftet. Für sein Vorhandensein möchte indess
die grosse Uebereinstimmung in allen übrigen Verhältnissen geltend zu machen sein, sowie auch
besonders der Umstand, dass die Ringmusculatur an der Unterfläche des Schirmrandes und der
Ansatzstelle des Velum fehlt. — Einige weitere Beiträge zur Kenntniss des peripheren Nervensystems
der Medusen wurden durch die Untersuchung der Subumbrella und der Tentakelbasis von Lizzia
gewonnen. An beiden Orten konnten Ganglienzellen mit langen Ausläufern nachgewiesen werden.
In der Subumbrella sind dieselben auf die oben beschriebenen radiärgestreiften Partieen beschränkt,
welche unterhalb der vier Radialkanäle verlaufen (Taf. VIII. Fig. 14g), fehlen dagegen überall
da, wo die Ringmusculatur direct an die Oberfläche tritt. Die Ganglienzellen sind schon, wenn
auch undeutlich, bei Durchmusterung der flach ausgebreiteten Subumbrella zu beobachten; doch
gewinnt man erst deutlichere Bilder dann, wenn man das faserige Epithelhäutehen von der Ring-
musculatur abzieht. Die Ganglienzellen, welche zwischen beiden Lagen eingebettet sind, bleiben
meist auf der erstgenannten Lamelle haften. Am zahlreichsten finden sie sich unmittelbar unter
den Radialkanälen, wo sie nach Entfernung des Epithels des Gastrovascularsystems zu bemerken
sind. Die Ganglienzellen sind ziemlich klein, trotzdem aber durch ihre starke Bräunnng in Osmium-
säure nicht schwer aufzufinden, sie besitzen entweder eine sternförmige oder eine mehr spindlige
Gestalt und verlängern sich in drei und mehr feine varicöse Ausläufer, die in verschiedenen Rich-
tungen die sie bedeckenden Faserlagen kreuzen und hier und da Seitenfädchen abgeben (Taf. VIII.
Fig. 12b). Oft konnten sie in beträchtlicher Länge verfolgt werden, namentlich wenn alle Theile
des Präparates durch das Zerzupfen etwas gelockert waren. Auch trafen wir nicht selten ziemlich
vollständig isolirte Ganglienzellen, die aus einem zerzupften Stückchen der Subumbrella zum Theil
herausgezerrt waren.
99
Aelmliche Elemente wie in der Subumbrella kommen auch in dem Epithelüberzug der Ten-
takelbasis vor. Bei Maceration in sehr verdünnter Essigsäure zerfällt hier das Epithel in dreierlei
Arten von Zellen: in Muskel-, Nessel- und Ganglienzellen. Die ersteren, welche an Zahl iiber-
wiegen, bestehen aus einem epithelialen Theil und einer Lage Muskelfibrillen (Taf. VIII. Fig. 17).
Der epitheliale Theil ist von cubischer Form und auf seiner peripheren Fläche, mit welcher er nach
aussen hervortritt, von einer dünnen Cuticula bedeckt. Nach der Basis zu breitet sich das Proto-
plasma flach aus und hat hier eine Lage feiner quergestreifter Muskelfibrillen, den contractilen
Theil der Epithelzelle, ausgeschieden. Die Fibrillen haften unmittelbar auf der Stiitzlamelle des
Tentakels. Zwischen diese Elemente sind in geringer Anzahl auch kleine sternförmige Ganglien-
zellen eingebettet, die mit zahlreichen und langen Ausläufern versehen sind (Taf. VIII. Fig. 12a).
Die Ausläufer sind an den Essigsäurepräparaten hie und da mit kleinen Knötchen besetzt; sie
theilen sich zuweilen in zwei oder mehr feine Seitenästchen. Alles in Allem gleichen sie den in
der Subumbrella als Ganglienzellen bezeichneten Gebilden, mit welchen sie auch in ihrer Lagerung
übereinstimmen. Denn sie befinden sich nach Aussen von der Muskelfibrillenlage und sind hier
von den protoplasmatischen Körpern der Epithelzellen in der Weise überzogen, dass sie von
den peripheren verbreiterten Enden derselben umschlossen und von der Oberfläche ganz aus-
geschlossen werden.
Literatur. Angaben über ein Nervensystem bei den Ocellaten hat schon im Jahre 1849
L. Agassiz (3) in seiner Beschreibung von Sarsia und Bougainvillia gemacht. Er hebt hier be-
sonders hervor, dass die Medusen einen eigenartigen Typus des Nervensystems besitzen, der von
allen den Typen verschieden ist, welche bis jetzt im Thierreich erkannt worden sind, denn es
fehlen besondere Nervenfasern und Ganglienknoten. Das Nervensystem besteht einzig und allein,
indem die Gewebe noch wenig differenzirt sind, aus sensibeln ovalen Zellen. Diese Zellen bilden
in fünf bis sechs Reihen angeordnet einen Nervenring am unteren Rand der Glocke, indem sie
dem Laufe des Ringgefässes folgen. Sie verbinden die einzelnen Ocelli untereinander und schwellen
unter ihnen zu einem kleinen Knoten an, der eine Art von Ganglion bildet. Von hier nehmen
Radialäste ihren Ursprung, die an der Innenwand der Glocke nach einwärts von den Radialkanälen
verlaufen und sich am Ursprung des Magenstiels unter einander zu einem zweiten Nervenring ver-
binden, von welchem rücklaufende interradiale Nerven entstehen.
Keferstetn und Ehlers (47) haben diese Angaben von Agassiz nicht bestätigen können
und halten die von ihm beschriebenen Nerven für ,, Falten des Schwimmsackes oder der Gallert-
glocke oder für die scharfen aus Zellen gebildeten Contouren der Radialkanäle“.
Agasstz selbst hat später in seinem grossen Werk über die Acalephen der Vereinigten
Staaten (4) seine Darstellung vom Nervensystem der Medusen zurückgenommen und erklärt, dass
dieselbe auf einer irrigen Deutung beruhe. Dem gegenüber müssen wir hervorheben, dass der von
Agassiz entdeckte Zellstrang am Rande der Schirmglocke mit unserem Nervenring und dem ihn
bedeckenden Sinnesepithel wohl identisch ist, dass dagegen die von ihm gemachten Beobachtungen
bei der mangelhaften Erkenntniss der histologischen Zusammensetzung der Tlieile zu der Deutung
eines Nervensystems nicht berechtigen.
Genaueres über den Nervenring der Ocellaten hat allein F. Eilhard Schulze (79) bei Sarsia
tubulosa ermittelt. Er beschreibt hier nach unten und etwas nach aussen vom Ringkanal einen band-
förmigen Strang, welchen er für einen Nervenring hält. Derselbe besteht aus 6—8 gleichmässig
dicken, mässig stark lichtbrechenden Fasern. Zwischen oder an diesen wurde eine grosse Menge
ovaler Kerne bemerkt, welche von wenig körniger Masse umgeben waren.
13*
100
c. Die Sinnesorgane der Ocellaten.
Wie schon am Eingang- hervorgelioben wurde, entbehren die Ocellaten der Gehörorgane und
werden für diesen Mangel zum Theil wenigstens durch den Besitz scharf umgrenzter Pigmentflecke
entschädigt, die sich im Ektoderm des Körpers entwickelt haben. Dieselben werden ziemlich allge-
mein als Augen von primitiver Beschaffenheit gedeutet und demgemäss als Ocelli oder Augen-
flecke bezeichnet. Durch unsere Untersuchung ihres feineren Baues glauben wir diese Auffassung
noch weiter begründen zu können.
Während die Gehörorgane am Rande des Schirmes angebracht sind, ist der gewöhnliche Sitz
der Ocelli die Basis der Tentakeln. Bei Lizzia Koellikeri, die wir zunächst betrachten werden,
befinden sie sich an der unteren ventralen Seite derselben am Ende des früher schon erwähnten
dickeren basalen Abschnitts. Sie sind daher vom Schirmrand durch einen ziemlich beträchtlichen
Abstand getrennt (Taf. VIII. Fig. 15oc). Der Abstand fällt bei den 15 Tentakeln, die zu einem
Büschel gehören, verschieden gross aus. Am beträchtlichsten ist er bei den in der Mitte gelegenen
und nimmt von hier nach beiden Seiten hin allmählich ab. Hierdurch werden die Ocelli, da sie
an allen Tentakeln entwickelt sind, in einer regelmässigen bogenförmigen Linie angeordnet. Diese
verschiedene Stellung erklärt sich aus dem verschiedenen Alter und der verschiedenen Grösse der
Tentakeln. Die mittleren sind die zuerst gebildeten und daher auch die grössten, die seitlichen
dagegen sind erst successive auf späteren Entwicklungsstadien hervorgesprosst und besitzen dem-
gemäss auch eine etwas geringere Grösse. Die Lage der Ocelli an der unteren Seite würde für
ihre Verwerthung als Sehorgane eine wenig günstige sein, wenn die Tentakeln, wie bei den meisten
Medusen, vom Schirmrand nach abwärts herabhingen. Dies ist aber bei Lizzia nicht der Fall, viel-
mehr werden, wenn das Thier ruhig im Wasser schwebt, alle Tentakeln eines Büschels nach oben
gehalten, so dass sie an der Aussenwand der Schirmglocke eine Strecke weit emporsteigen, mit
ihren Enden dann umbiegen und bogenförmig nach abwärts hängen. Hierdurch kommen die Ocelli
vollkommen frei nach Aussen an den Schirmrand zu liegen, den sie in acht Halbbogen garniren.
Ueber den anatomischen Bau der Ocelli lässt sich Folgendes feststellen. Wenn man
einen isolirten Tentakel bei stärkerer Verg-rösserung betrachtet und hierbei so wendet, dass der
Oeellus seitlich zu liegen kommt (Taf. VIII. Fig. 10), so bemerkt man, dass der dünne einschichtige
Epithelüberzug am Ende des basalen Tentakelabschnitts sich plötzlich bedeutend verdickt und zu
einem kleinen Hügel anschwillt, auf dessen Höhe der braunrothe Pigmentfleck (oc) eingebettet ist.
Auf seiner Oberfläche ist der Epithelhügel in der Umgebung der pigmentirten Stelle mit langen
Geisselhaaren besetzt, die auch sonst an der Basis des Tentakels überall verbreitet sind. Die in
seiner Mitte gelegenen Zellen grenzen sich von den übrigen als rundlicher Körper ab. Die peripheren
Enden dieser Zellen sind es, in welchen sich kleinere und grössere braunrothe Pigmentkömchen
abgelagert haben. Im Pigmentfleck selbst fällt ein kleiner linsenförmiger durchsichtiger Körper (1)
auf, der in einer Grube eingebettet ist und nach Aussen mit convexer Fläche vorspringt. Die
genannten Theile sind auch bei Betrachtung der Ocelli von der Oberfläche wohl zu unterscheiden.
Auf der Höhe des* Hügels erscheint der linsenförmige Körper als milder heller Fleck, der von
einem Pigmentring umgeben ist, dann folgt in geringer Entfernung wieder eine kreisförmige Con-
tour, die Grenze zwischen den enger zusammengehörigen Epithelzellen der Mitte des Hügels und
den nach Aussen liegenden Zellen.
Um den Augenfleck in seine einzelnen Bestandteile zu zerlegen, wurde ein Tentakelbüschel
in 0,2 °/o Essigsäure macerirt und unter dem Präparinnikroskop zerzupft. Hierbei kann der Oeellus
101
aus der hügelförmigen Ektodermverdickung als kugelförmiges Gebilde vollständig herausgeschält
werden. Eine weitere Isolirung muss dann noch hei der Kleinheit des Objectes durch vorsichtiges
Klopfen auf das Deckglas herbeigeführt werden. Dieselbe ergibt, dass der Ocellus aus dreierlei
Elementen zusammengesetzt wird, die wir als Pigmentzellen, Sehzellen und Ganglienzellen beschreiben
werden (Taf. VIII. Fig. 9). Die Pigmentzellen (p) sind cylinderförmig und namentlich dadurch aus-
gezeichnet, dass sie ein breites peripheres Ende besitzen, welches mit rothbraunen Pigmentkörnchen
dicht angefüllt ist. Die Basis in welcher der Kern liegt, verschmälert sich und geht in einen dünnen
Fortsatz über. Als Sehzellen (se) bezeichnen wir fadenförmige Gebilde, die etwa in ihrer Mitte
eine spindelförmige Anschwellung mit einem ovalen Kern enthalten. Hierdurch wird der Zellenfaden
in einen centralen und peripheren Abschnitt zerlegt. Die peripheren Fortsätze wechseln in ihrer
Länge , je nachdem die Kerne der Sehzellen der Oberfläche des Ocellus bald näher bald ferner
liegen ; sie schieben sich zwischen die Pigmentzellen hinein, und dringen mit ihrer Spitze bis an die
Oberfläche vor. Die centralen Fortsätze sind sehr fein und bleiben nur selten in grösserer Aus-
dehnung erhalten. Die vollständige Isolation der Pigment- und Sehzellen gelingt nicht leicht, da
sie mit ihren peripheren Enden an einer dünnen aber festen Cuticula ansitzen. Meist erhält man
kleinere Zellenbündel, deren einzelne Bestandtheile peripher durch die Cuticula noch zusammen-
gehalten werden, central dagegen radienartig auseinander weichen. Drittens haben wir an den Ma-
cerationspräparaten noch kleine sternförmige Zellen (g) mit zahlreichen feinen Ausläufern angetroffen.
Sie scheinen uns an der Basis der vorhergenannten zu liegen. Wegen ihrer Uebereinstimmung mit
den Ganglienzellen der Subumbrella und der Tentakelbasis glauben wir sie auch als solche deuten
zu müssen.
Der in der Mitte des Ocellus eingebettete durchsichtige Körper (1) kann gleichfalls vollständig
isolirt werden. Er bildet eine kleine schwach biconvexe Scheibe, und wird daher eine Ablenkung
und Sammlung der durchgehenden Lichtstrahlen bewirken müssen. Morphologisch kann er nichts
anderes sein als eine verdickte Stelle in der dünnen Cuticula, von welcher der Epithelhügel und
Ocellus überzogen wird.
Die zweite der von uns untersuchten Ocellaten, die Oceania conica (Taf. X. Fig. 12) ist
gleichfalls mit zahlreichen Pigmentflecken (oc) versehen, welche an den Tentakeln sitzen. Tentakeln
und Pigmentflecke wachsen an Zahl mit dem Alter des Thieres. Bei sehr jungen Exemplaren sind
deren nur vier, je einer am Ende der vier Radialkanäle (rr) entwickelt, später sprossen in den Inter-
radien vier weitere hervor und auf einem dritten Stadium endlich beläuft sich ihre Anzahl auf 16.
Vielleicht kann auch diese Summe noch wreiter überschritten werden. Die jungen Tentakeln werden
als kleine Höcker angelegt, in welche ein Fortsatz des Ringkanals eindringt. Schon früh tritt in
ihrer Oberfläche eine kleine pigmentirte Stelle auf. Im ausgebildeten Zustand sind sie an ihrer
Basis bulbusartig verdickt (Taf. VIII. Fig. 7). Sie sitzen der dicken Mantelgallerte schräg auf, in-
dem die Aussenwand des Bulbus vreit kürzer als die innere ist. Ihr Ektodermüberzug besteht aus
langen dünnen Cylinderzellen und setzt sich derselbe auf die Schirmoberfläche als ein schmaler mit
Nesselzellen dicht besetzter Streifen fort (Taf. X. Fig. 12x. Taf. VIII. Fig. 7x). An den entwickelten
Tentakeln findet sich der Ocellus (oc) dicht über der Stelle, wo die Aussenwand des Bulbus an
den Schirmrand sich ansetzt und der Nesselstreifen beginnt. Diese Lagerung, welche der von Lizzia
beschriebenen gerade entgegengesetzt ist, erklärt sich aus der verschiedenen Haltung der Tentakeln.
Während dieselben bei Lizzia an der Aussenwand der Glocke nach oben emporgehalten werden,
hängen sie bei Oceania nach abwärts herab. In dem einen wie in dem andern Falle kommt der
Ocellus frei nach aussen zu liegen. Bemerkenswerth ist das Fehlen eines besondern linsenförmigen
102
Körpers bei Oceania. Das Sehorgan stellt daher liier, wenn anders die Deutung eine richtige ist,
auf einer niederen morphologischen Entwicklungsstufe. Von dem Fehlen der Linse abgesehen,
ist die histologische Zusammensetzung des Ocellus die gleiche wie bei Lizzia (Taf. VIII. Fig. 8).
Auch hier trifft man an Macerationspräparaten cylinderförmige mit schwarzbraunem Pigment erfüllte
Zellen (p) und feinere fadenförmige Sinneszellen (se), deren periphere Fortsätze von ersteren allseitig
umhüllt werden.
Die Augenflecke, deren feineren histologischen Bau wir an zwei Arten, Oceania conica und
Lizzia Koellikeri, soeben kennen gelernt haben, sind in der grossen formenreichen Ocellatenabthei-
lung weit verbreitet. Entweder sind sie einfache circumscripte Ansammlungen von Pigment im
Ektoderm, oder dieselben sind dadurch, dass noch ein lichtbrechender Körper hinzutritt, höher ent-
wickelt. Wir haben daher Ocellen mit und ohne Linse zu unterscheiden. Ueberall ist ihr
Vorkommen auf die Basis der Tentakeln und zwar meist auf die dorsale Seite beschränkt. In allen
Fällen wo sie an der centralen Seite sich vorfinden, werden die Tentakeln am Schirmrand nach
oben getragen. Pigmentflecke ohne Linse besitzen zum Beispiel die verschiedenen Arten von Syn-
coryne, Corymopsis, Turris, Bougainvillia u. s. w. Dagegen sind mit der höher entwickelten Ocellen-
form Cladonema, Clavatella und Eleutheria versehen. Hier scheint die Linse noch deutlicher aus-
gebildet zu sein, als bei der von uns untersuchten Lizzia Koellikeri. Die Farbe des Pigmentes
wechselt in den Ocellen nach den einzelnen Arten und ist bald eine rotlie, bald eine rothbraune
oder schwarze. Wie die Hörbläschen werden auch die Ocellen schon früh im Laufe der Entwicklung
angelegt. Schon an den kleinen am Stückchen noch festsitzenden Medusen sind sie deutlich wahr-
zunehmen. Gewöhnlich ist ihre Anzahl hier eine geringe und erst mit dem Alter wächst sie in
demselben Maasse wie die Tentakeln zunehmen.
Nicht alle Medusen der Ocellatenabtheilung sind indessen mit Pigmentflecken versehen. Eine
grosse Anzahl von Arten, wie die sich ablösenden Glocken von Gemmaria, Perigonus, Corymorpha
u. s. w. entbehren derselben. Ebenso scheinen die Hydroiden mit festsitzenden medusoiden Ge-
schlechtsglocken niemals Ocelli an diesen zu entwickeln, eine Thatsache, die wir für die Hörbläschen
gleichfalls schon hervorzuheben hatten (vergleiche Allman (7)).
Literatur. Wenn wir jetzt noch einen Blick auf die Literatur dieses Gegenstandes werfen,
so scheint die Deutung der Pigmentflecke der Medusen als Augen durch Ehrenberg (24) veran-
lasst worden zu sein in seiner Untersuchung über Aurelia aurita, die bei den Acraspeden noch
besprochen werden wird. Bei jungen noch festsitzenden Medusensprösslingen von Syncoryne hat
zuerst Loven (61) an der Basis der Randfäden vier glänzend rotlie Pigmentflecke beobachtet und
als Augen bezeichnet, indem er sich auf Ehrenberg beruft, der „dergleichen Organe bei Acalephen
und Echinodenuen als Augen zu deuten gelehrt habe“. Nach ihm beschrieben Steenstrup (82) und
Sars (78) bei ihren Untersuchungen über den Generationswechsel der Medusen Pigmentflecke bei
noch anderen jungen Sprösslingen von Hydroiden. Sars macht bei der Gelegenheit darauf auf-
merksam, dass die jungen Medusen immer nach der dem Lichte zugekehrten Seite des Glases hin-
schwimmen, er mochte das Glas drehen wie er wollte. „Es zeige dies, dass sie die Einwirkung
des Lichtes empfinden; ob die Empfindung aber den vier braunrothen Punkten, die Loven für Augen
halte, zugeschueben werden könne, müsse er dahin gestellt sein lassen.“
Eine weitere Stütze erhielt die Deutung der Pigmentflecke als Sehorgane der Medusen durch
Quatrefages 1842 (74). Bei Eleutheria machte derselbe die Entdeckung, dass in dem Pigment-
häufchen an der Basis eines jeden Tentakels eine vollkommen durchsichtige Linse eingebettet sei,
die nothwendigerweise das Licht sammeln müsse. Nach Ermittlung dieser Thatsache scheint es ihm
103
unmöglich zu sein, die Ansicht noch zurückzuweisen, dass das von ihm beschriebene Organ ein
Sehwerkzeug, ein wahrhaftes Auge sei. Kurze Zeit nach dem Aufsatz von Quatrefages, dessen
Angaben später durch Krohn (56) und Claparede (17) bestätigt wurden, beobachtete Dujardin (22)
auch in den Augenflecken von Cladonema lichtbrechende Körper.
Durch die Beobachtungen zahlreicher Forscher wurde die weite Y erbreitung der Ocellen inner-
halb der Medusenabtheilungen jetzt immer mehr festgestellt. So fand Gegenbaur (32) Gelegenheit,
auf die systematische Bedeutung dieser Bildungen zuerst die Aufmerksamkeit zu lenken. In seinen
Bemerkungen über die Randkörper der Medusen weist er nach, dass die Pigmentflecke und Hör-
bläschen in ihrem Vorkommen sich gegenseitig ausschliessen, so dass dadurch zwei leicht abgrenz-
bare Gruppen von Familien formirt werden, die bei der Systematik der Medusen recht gut zu
verwerthen seien. Als Medusen mit Pigmentflecken bezeichnet er die Familien der Oceaniden und
Thaumantiaden , als solche mit Hörbläschen die Geryoniden, Aeginiden, Aequoriden. Zugleich
berichtigt er eine Angabe von Forbes, nach welcher bei Oceania turrita an der Basis eines jeden
Tentakels ein Otolithenbläschen combinirt mit einem scharlaclirothem Ocellus Vorkommen solle. Das
vermeintliche Bläschen ist hier nichts anderes als der flimmernde Hohlraum des Gastrovascular-
systems in der bulbusartig angeschwollenen Tentakelbasis.
Die von Gegenbaur angebahnte Trennung hat darauf Haeckel (38) in seiner generellen
Morphologie durchgefiihrt, indem er die mit Randbläschen versehenen Medusen als besondere Ordnung
der Vesiculaten der Ordnung der Ocellaten oder Augenfleckmedusen gegenüberstellte. Auch wir
haben diese Eintlieilung unserer Untersuchung zu Grunde gelegt, obwohl man jetzt meist die
Medusen nach der Ilydroidengeneration zu classificiren pflegt.
In allerneuster Zeit hat über den Ocellus der Tubulariden noch Allmann (7) gehandelt, der
ihm in seiner Monographie einen besondern Abschnitt unter den Sinnesorganen widmet. Seinen
Untersuchungen zufolge besteht der Ocellus aus sehr kleinen Zellen, von denen jede mit Pigment
erfüllt ist und zu denen zuweilen noch ein lichtbrechender Körper sich hinzugesellt. Die Function
desselben lässt er dahin gestellt sein.
04
B. Acraspeda.
Die zweite Hauptabtheilung der Medusen, die Acraspeden, weichen von den Craspedoten
so wesentlich in der Ausbildung fast aller Organsysteme ab, dass, je genauer wir in ihre Organi-
sation eindringen, um so schärfer sich die Grenze zwischen beiden ziehen lässt. Schon ältere
Forscher, wie Eschscholz und Forbes, haben dies herausgefunden und haben die auch noch jetzt
gerechtfertigte Zweitheilung der Medusen eingeführt. Aber Beide waren in dem Auffinden der
Hauptunterscheidungscharaktere nicht glücklich, Eschscholz (26), indem er nach dem angeblichen
Fehlen oder Vorkommen der Geschlechtsorgane die Medusen in Discophorae phanerocarpae und
cryptocarpae trennte, Forbes (29), indem er von den Randkörpern ausgehend die Abtheilungen der
Steganophtlialmata und Gymnoplithalmata schuf. Zwar sind die beiden Abtheilungen der genannten
Forscher durchaus naturgemässe , aber ihre Eintheilungsprincipicn , welche auf noch mangelhafter
anatomischer Kenntniss beruhen, sind nicht haltbar. Auf eines der wichtigsten unterscheidenden
Merkmale in der Medusenorganisation hat zuerst Gegenbaur (33) aufmerksam gemacht, indem er
die Beschaffenheit des Schirmrandes als die Eigenschaft bezeichnet, „welche mit aller Schärfe die
Medusen in grössere Abtheilungen scheidet und mit welcher sich zugleich tiefer gehende physio-
logische und anatomische Unterschiede verbinden“. Hiermit hat Gegenbaur, wenn wir von der
Entwicklungsgeschichte absehen, nach unserer Ansicht den Hauptunterschied im Bau der beiden
altbegründeten Abtheilungen, welchen er jetzt den Namen der Craspedoten und Acraspeden bei-
legt, berührt.
Die hohe Bedeutung, welche dem Schirmrand in der Organisation der craspedoten Medusen
zukommt, haben wir auf den vorhergehenden Seiten schon genugsam würdigen lernen. Sie besteht,
wenn wir die einzelnen Momente noch einmal kurz zusamraenfassen , darin, dass am Schirmrand
eine Anzahl der wichtigsten Organsysteme in typischer Weise zusammentreten. Velum und Sub-
umbrella, Ringkanal und Nervenring berühren sich hier in einer kreisförmigen Begrenzungslinie.
In diesem Merkmal stimmen Trachymedusen, Vesiculaten und Ocellaten mit einander überein. Bei
den Acraspeden dagegen vermissen wir überall entweder die obengenannten Organe, oder wenigstens
das bei den Craspedoten als gesetzmässig wiederkehrende Lageverhältniss derselben. Schon äusser-
lich zeigt uns der Schirmrand eine abweichende Beschaffenheit. Während er bei den Craspedoten
ganzrandig ist (Taf. X. Fig. 1 — 13), ist er hier stets ausgezackt oder gelappt (Taf. X. Fig. 14 -19).
Dieser schon äusserlich hervortretende Unterschied erhält eine grössere Bedeutung dadurch, dass
ein Mangel anatomisch wichtiger Organe mit der Lappung des Schirmrandes verbunden ist, der
Mangel eines Velums, eines Ringkanals und eines Nervenrings. Zwar besitzen einige Acraspeden,
wie Aurelia, in der Nähe des Randes an der Unterfläche des Schirms eine schmale musculöse
herabhängende Haut. Dieselbe kann aber nicht als ein Homologon des Velum bezeichnet werden,
da sie andere Lagebeziehungen aufweist, da sie nicht unmittelbar am Schirmrand und an der
Aussenseite eines Ringkanals befestigt ist. Aehnliches gilt vom Ringkanal. Auch bei einzelnen
Acraspeden sehen wir die Radialkanäle durch Anastomosen ringförmig untereinander verbunden.
Aber dieser Pseudoringkanal entspricht in seiner Lage nicht demjenigen der Craspedoten, indem er
nie vollkommen den Schirmrand einnimmt. Auch ist er, wie die Entwicklungsgeschichte lehrt,
eine secundäre Bildung, die erst spät dadurch entsteht, dass die primitiven Magentaschen Seiten-
zweige bilden und vermittelst derselben untereinander in Verbindung treten.
105
Wie wichtig- die Beschaffenheit des Schirmrandes für die Gesammtorganisation der Medusen
ist, das geht so recht deutlich auch aus dem Einfluss hervor, welchen die Lappenbildung hei den
Acraspeden auf die Entwicklung des Nervensystems ausüht. Während hei den Craspedoten es zur
Anlage eines geschlossenen Nervenrings kommt, fehlt ein solcher, wie schon jetzt hervorgehoben
werden mag, bei den Acraspeden. Das Nervensystem setzt sich hei ihnen aus einer Anzahl von
einander getrennter Anlagen zusammen. Hiermit lässt sich gleichzeitig zwischen einem Central-
theil desselben und ihm angefügten Sinnesorganen eine noch weniger scharfe Grenze als bei den
Craspedoten ziehen. In jeder Beziehung treten uns daher hier ganz neue und eigenartige Verhält-
nisse entgegen, die besonders dadurch von Interesse werden, dass sie uns mit noch primitiveren
Zuständen als den bereits besprochenen bekannt machen. Auf den Gang unserer Darstellung ist
dies nicht ohne Einfluss geblieben. Während wir früher das Nervensystem und die Sinnesorgane
in getrennten Capiteln besprochen haben, werden wir sie von jetzt ab wegen ihrer geringen morpho-
logischen Sonderung gemeinsam behandeln. Eine kurze Beschreibung des Schirmrandes wird auch
hier ihrer Untersuchung vorausgeschickt werden.
Von acraspeden Medusen haben wir während unseres Winteraufenthaltes in Messina vier
Arten, Nausithoe albida, Pelagia noctiluca, Phacellophora camtschatica und Aurelia
aurita kennen gelernt. Von denselben standen uns die beiden erstgenannten in hinreichender
Menge zur Verfügung, während wir von den letzteren nur je ein Exemplar haben erhalten können.
Die in unseren Meeren seltene Charybdea hatten wir keine Gelegenheit uns zu verschaffen, was
wir um so mehr bedauern, als hier vielfach abweichende Verhältnisse vorliegen. Nach den Beschrei-
bungen anderer Forscher werden wir diese Lücke in unserer Untersuchung auszufüllen versuchen.
In der folgenden Darstellung haben wir es für zweckmässig befunden, die einzelnen Arten
der Acraspeden nach der Beschaffenheit ihrer Randkörper in drei Gruppen zu besprechen. Die
erste derselben wird allein durch Nausithoe repräsentirt; zu der zweiten rechnen wir alle übrigen
Acraspeden nach Ausschluss der Charybdeiden, welche die dritte Gruppe bilden.
I. Nausithoe albida (Gegenbaur).
Nausithoe, welche von Kölliker (51) entdeckt, aber erst von Gegenbaur (33) ausführlicher
untersucht wurde, ist die kleinste der sonst allgemein zu einer sehr ansehnlichen Grösse heran-
wachsenden Acraspeden. In ihrem ganzen Habitus zeigt sie eine grosse Aehnlichkeit mit der
Ephyra, der Jugendform der grossen Scheiben quallen. Louis Agassiz (4) sprach daher die Ver-
muthung aus: es möchte Nausithoe keine besondere Art, sondern nur der Jugendzustand einer
Pelagia sein, eine Vermuthung, die als unbegründet bezeichnet werden muss; denn einmal legten
die von uns eingefangenen Exemplare reichlich reife Eier ab, die sich auch zu entwickeln beganuen,
und zweitens sind sie auch in ihrem anatomischen Bau erheblich anders als die erwachsenen Pela-
gien und als ihre Jugendformen gestaltet.
Der Schirmrand von Nausithoe (Taf. X. Fig. 17) ist in 16 zungenförmige Lappen
zerfallen, welche aus Gallerte bestehen und von einer Lage dünner, platter Zellen auf ihrer oberen
und unteren Seite überzogen werden. Die Einkerbungen, welche die Lappung des Schirms bedingen,
sind nicht gleich tief, sondern in der Weise angeordnet, dass tiefere mit weniger tiefen alterniren.
Am Grunde der ersteren nehmen die acht Tentakeln (t) ihren Ursprung, am Grunde der letzteren
Uertwig, Medusen. 14
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sind die sogenannten Randkörper (sk) angebracht. Da wir diese für die Centraltheile des Nerven-
systems glauben deuten zu müssen, so führen wir für sie den Namen Sinneskörper ein und
bezeichnen dementsprechend die Einkerbung, in welcher sie liegen, als Sinnesbucht und die au
ihrer Seite entspringenden Randlappen als Sinneslappen (sl). Von der Sinnesbucht unterscheiden
wir die tiefere Einkerbung als Tentakelbucht.
In Folge der Lappung des Schirmrandes ist das Gast rovasc ul ar System in einer für die
Acraspeden besonders charakteristischen Weise entwickelt. Vom Magen aus entspringen weite
taschenförmige Fortsätze, welche bis zu den Einbuchtungen des Schirmrandes reichen. Sowohl am
lebenden Thiere als auch an gefärbten Präparaten sind sie nicht leicht wahrzunehmen, da sie von
platten Zellen ausgekleidet werden. Nach Gegenbaur (33) sollen ihrer nur acht vorhanden sein,
welche zur Basis der Sinneskörper verlaufen und hier sich gabeln, um mit je einem Ast in die
zwei zusammengehörigen Sinneslappen einzudringen. Auf Durchschnitten haben wir indessen noch
acht weitere kleinere Fortsätze des Gastro vascularsystems nachweisen können, welche bis zur In-
sertion der Tentakeln Vordringen. Im Ganzen gehen daher vom Magen 16 Taschen aus. Ein
dieselben verbindender Ringkanal fehlt.
Ebenso fehlt ein Velum und auch die Ringmusculatur (m) der Subumbrella ist in anderer
Weise als bei den Craspedoten entwickelt. Sie beschränkt sicli auf ein breites Band, das etwas
nach einwärts von der Basis der Sinneslappen liegt und sich von einer Tentakelbucht zur anderen
quer hinüberzieht. Die äussere Begrenzung des Bandes bildet daher ein achtseitiges Polygon, dessen
Ecken den Tentakelbuchten entsprechen, und dessen Seiten den Sinneskörpern gegenüberliegen und
durch einen geringen Abstand von ihrer Basis getrennt sind. Die Museulatur besteht aus feinen
quergestreiften Fibrillen, die auf ihrer unteren Fläche von einem cubischen Epithel überzogen sind,
das von dem übrigen Plattenepithel der Subumbrella verschieden ist, dagegen demjenigen der Ten-
takeln vollständig gleicht.
In den tiefen Einkerbungen des Schirmrandes an den Ecken des vom Ringmuskel gebildeten
Polygons entspringen die acht soliden Tentakeln von Nausithoe. Ihr Axentheil zeigt gross-
blasige dem Entoderm entstammende Zellen. Ihr Ektoderm liegt einer dicken Stützlamelle auf
und setzt sich aus einer Schicht von Muskelfibrillen und einer einfachen Lage von cubischen Epithel-
zellen zusammen. Diese letzteren gehen nach einwärts in die Epithelbekleidung des Muskelrings
der Subumbrella über, dagegen findet sich zwischen der Tentakelbasis und dem Sinneskörper, welche
beiden durch den vorspringenden Sinneslappen (sl) getrennt werden, nur einfaches Plattenepithel
vor; es fehlt somit bei Nausithoe der Streifen Sinnesepithel, der bei allen Craspedoten in so charak-
teristischer Weise die am Schirmrand gelegenen Organe verbindet.
Die acht Sinneskörper (sk), zu deren Betrachtung wir jetzt übergehen, sind schon mit
unbewaffnetem Auge als kleine weisse Pünktchen zu bemerken ; unter dem Mikroskop betrachtet bil-
den sie zwischen zwei zusammengehörigen Sinneslappen einen zungenförmigen Vorsprung, an dem man
einen einfacher gebauten basalen Theil von einem peripheren unterscheiden kann (Taf. IX. Fig. 5).
Der basale Theil besitzt die Gestalt eines stark gewölbten Hügels mit steil abfallenden
Wänden. In seinem Inneren enthält er eine geräumige Höhle, die mit dem Gastrovascularsystem
zusammenhängt und wie dieses eine lebhafte Flimmerung aufweist (Taf. IX. Fig. 2 ga). Die Wan-
dungen des Sinneshügels lassen drei verschiedene Schichten erkennen, ein inneres und ein
äusseres Epithel und eine zwischen beiden liegende Stützsubstanz.
Das innere Epithel oder das Entoderm ist einschichtig und mit Flimmern bedeckt
(Taf. IX. Fig. 2en). An der dorsalen Wand (cl) des Sinneskörpers besteht es, wie im grössten
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Tlieil des Gastrovascularsystems , aus grossen platten Zellen. Von da an nimmt es an Höhe zu
und erreicht seine grösste Dicke auf der ventralen Fläche des Hohlraums, wo sich flimmernde
Cylinderzellen finden.
Die mittlere Schicht (s) ist am ansehnlichsten in der dorsalen Wand (fl) entwickelt. Sie
besteht hier aus einer dicken Gallertschicht, der directen Fortsetzung der Gallerte des Schirm-
randes. In den übrigen Theilen des Hügels ist sie auf eine dünne Stützlamelle reducirt, die eine
etwas resistentere Beschaffenheit angenommen hat.
Die dritte Schicht oder das äussere Epithel ändert wie das Entoderm seinen Charakter
auf den verschiedenen Seiten des Sinneskörpers. Dorsalwärts findet sich dasselbe Plattenepithel (d1),
welches auch die ganze Schirmoberfläche überzieht. Seitlich dagegen und besonders ventralwärts
verdickt sich der Epithelüberzug (a) ganz bedeutend und übertrifft hier das ventrale, gleichfalls
verdickte Entoderm noch um das zwei- und dreifache an Höhe. Er ist auf seiner ganzen Ober-
fläche mit einem dichten Wald langer abstehender Haare bedeckt, die man am besten bei Beobachtung
des lebenden Objectes erkennt. Das Epithel setzt sich aus sehr langen und feinen Elementen
zusammen, welche, wie Macerationspräparate lehren, bald mehr cylinderförmig , bald mehr spindel-
förmig gestaltet sind (Taf. IX. Fig. 10 und 11). Die schmalen Cylinderzellen sind mit einem breiten
peripheren kernführenden Ende versehen, verschmälern sich basalwärts und gehen in einen oder
in zwei Fortsätze über. Die spindelförmigen Zellen dagegen, welche an Zahl überwiegen, bergen
den Kern in dem mittleren verdickten Tlieil und zeigen einen dünnen peripheren und centralen
Fortsatz; von diesen ist je nach der höheren oder tieferen Lage des Kerns bald der eine, bald
der andere länger oder kürzer. Der centrale Fortsatz ist sehr fein und reisst leicht ab. An guten
Macerationspräparaten indessen lässt er sich in einer Länge isoliren, welche die Dicke des Epithel-
überzugs übertrifft. Er muss daher unter dem Epithel sicli umbiegen und auf der mittleren Stütz-
lamelle weiter verlaufen. Hier findet sich auch eine Faserschicht vor, die bei der kleinen Nausithoe
sehr dünn, bei anderen Acraspeden dagegen mächtiger entwickelt ist. Auf ihrer Oberfläche sind
die Epithelzellen von einer ziemlich resistenten Cuticula überzogen, von der sie sich schwer ablösen.
Beim Zerzupfen trifft man sie daher meist zu Büscheln vereint und zwar mit ihren peripheren
Enden verbunden, mit den centralen dagegen pinselförmig auseinanderweichend. Jede einzelne
Epithelzelle ist mit einer sehr langen Geissei versehen.
Das so charakteristisch beschaffene Epithel des Sinneskörpers nimmt nach der Basis und
nach der dorsalen Wand an Höhe etwas ab, doch geht es nicht in das Plattenepithel continuir-
lich über, von welchem die untere und obere Fläche des Schirms überzogen wird, grenzt sich
vielmehr mit einem scharfen Rande überall gegen dasselbe ab. Auch hört die Wimperung an dieser
Grenzlinie auf.
Es bleibt uns jetzt noch im Ektodermüberzug, den wir seiner ganzen Beschaffenheit nach
als Sinnesepithel in Anspruch nehmen müssen, eine besonders modificirte Stelle zu beschreiben
übrig, die bisher ganz unerwähnt gelassen worden war. Es ist dies ein runder pigmentirter
Fleck, der am Uebergang der ventralen in die distale Fläche des Hügels an der Stelle liegt,
wo das Ektoderm die grösste Dicke erreicht (Taf. IX. Fig. 2 und 5 oc). In seiner Mitte ist bei
seitlicher Betrachtung ein sehr kleiner heller linsenartiger Körper (1) wahrzunehmen ; der pigmenfirte
Fleck gleicht daher dem Ocellus von Lizzia und ist wie dieser als ein primitives' Sehorgan zu
deuten. Die Zellen, welche zum Ocellus gehören, sind gemeinsam von den übrigen Elementen des
Ektoderms deutlich abgegrenzt und haften auch an Macerationspräparaten fester aneinander; sie
bilden einen nahezu kugeligen Körper, der sich aus dem Epithel herausschälen lässt. Im Uebrigen
14*
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gleichen sie in ihrer Form den sie umgebenden Zellen. Sie sind daher, wenn wir den Ocellus
in seine feineren Elemente zerlegen, theils cylindrisch, theils spindel- oder fadenförmig gestaltet
(Taf. IX. Fig. 13). Die cylindrischen Gebilde enthalten allein die braunen Pigmentkörnchen ab-
gelagert, die peripheren Enden der spindelförmigen Zellen dagegen bleiben pigmentfrei und dringen
zwischen den Cylinderzellen und von ihnen allseitig eingehüllt bis zur Oberfläche vor. Endlich
waren noch auf Durchschnitten an der Basis des Pigmentflecks unmittelbar über der Stützlamelle
Kerne wahrzunehmen (Taf. IX. Fig. 2g). Dieselben mögen wohl Zellen angehören, die von der
Oberfläche des Ektoderms ganz ausgeschieden sind und vielleicht die Bedeutung von Ganglien-
zellen besitzen.
Von dem Basaltheil des Sinneskörpers nehmen zwei Bildungen ihren Ursprung, welche wir
als Hörkölbchen (hk) und Hörfalte (sf) bezeichnen wollen. Das Hörkölbchen, dessen äussere
Form schon durch den Namen gekennzeichnet wird, ist mit einem dünnen Stiel an der distalen
freien Fläche des Sinneshügels ventralwärts von der Hörfalte befestigt (Taf. IX. Fig. 2). Es zeigt in
seinem feineren Bau eine grosse Uebereinstimmung mit den gleichnamigen Gebilden, die am Schirm-
rand der Aeginiden in einem früheren Capitel beschrieben worden sind. Es besteht daher aus
einem mittleren Theil, der Axe, und einem Ektodenniiberzug. Der Axentheil ist am freien Ende
kugelig angeschwollen und birgt in demselben ein grosses Concrement (o), das von vielen kleinen
polygonalen Flächen begrenzt wird. Nach dem Stiel des Kölbchens zu liegen ihm meist noch
einige sehr kleine unregelmässig geformte Concremente an. Diese sowohl als das grosse lösen
sich schon in sehr verdünnten Säuren auf. Nach ihrer Entfernung werden im kugelig erweiterten
Theil des Hörkölbchens zwei Kerne sichtbar, welche den nur in Zweizahl vorhandenen Concrement-
zellen angehören. Von diesen geht die unterste in einen dünnen körnigen Faden über, der in der
Mitte des dünnen Stieles verläuft und an seinem Ursprung mit dem Epithel des Gastrovascular-
systems zusammenhängt. Der Axentheil wird von einer deutlich doppelt contourirten Membran
umhüllt, die in die Stützlamelle des Sinneshügels übergeht. Das ihn bedeckende Epithel wird auf
seiner ventralen Seite und über dem concrcmenthaltigen Theil von dünnen platten Zellen gebildet,
auf der dorsalen Seite dagegen geht es in hohe und feine Cylinderzellen über. Letztere sind ins-
gesammt mit langen und starren Haaren besetzt, während solche an anderen Stellen der Obeifläche
des Kölbchens nur spärlich sich finden.
Von der dorsalen und zum Theil auch der seitlichen Wand des Sinneshügels entspringt die
Hörfalte (Taf. IX. Fig. 2 und 5 sf). Sie wölbt sich über das Ende des kolbenförmigen Körpers und
umschliesst ihn vom Rücken und der Seite vollständig. Der Körper kommt so in eine nach unten
offene Nische zu stehen, aus der er allein durch die ventrale halbkreisförmige Oeffnung nach
abwärts herausgedrängt werden kann. Die umhüllende Falte ist eine directe Verlängerung der
dorsalen Wand des Sinneshügels und besteht gleich dieser aus einer dünnen Lage der Schirm-
gallerte, welche von einem zarten Plattenepithel überzogen wird. Im Plattenepithel liegen hie und
da Gruppen kleiner Nesselzellen.
Bei der Untersuchung der lebenden Nausithoe erblickt man den Sinneskörper gewöhnlich
nur von seiner dorsalen oder ventralen Seite (Taf. IX. Fig. 5). Bei dieser Lagerung erhält man
in die Verbindung des Hörkölbchens mit dem Basaltheil keinen Einblick, da seine Insertionsstelle
durch den vorspringenden Rand des undurchsichtigen Sinneshügels (sh) verdeckt wird. Auch kann
die ventrale Oeffnung in der Hörfalte bei der hohen Durchsichtigkeit des ganzen Gebildes leicht
übersehen und so die Vorstellung wachgerufen werden, als läge das Hörkölbchen in einem ge-
schlossenen Bläschen, wie dies frühere Forscher gelehrt haben. Ein weit klareres und vollstän-
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digeres Bild erhält man bei seitlicher Ansicht des Sinneskörpers (Taf. IX. Fig. 2). In diese Lagerung
kann man das zu untersuchende Object bringen, wenn man eine in dünner Osmiumsäure getödtete
Nausithoe oder ein kleines Randstück derselben in der Weise zusammenlegt, dass der Umschlag
gerade zwischen zwei zusammengehörige Läppchen in die Sinnesbucht fällt. Die Begrenzung der
Nischenöffnung und die Befestigung des Kölbchens sind dann deutlich zu sehen. Auch feine Quer-
schnitte, die sich leicht gewinnen lassen, führen zu demselben Ergebniss.
Von den Sinneskörpern von Nausithoe, welche Kölliker (51) bei der Diagnose der von ihm
untersuchten Art nur kurz erwähnt, hat bis jetzt allein Gegenbaur (32) eine ausführlichere Dar-
stellung gegeben. Er schildert den Sinneshügel als einen gelblich gefärbten vorstehenden Wulst, der
auf seiner Höhe einen dunklen Pigmentfleck mit lichtbrechendem Körper trägt. Bei der Beschreibung
des peripheren Theils des Sinneskörpers hat er die ventrale Oeffnung in der Hörfalte übersehen.
Er betrachtet daher die offene Nische als einen geschlossenen mit Wimpern ausgekleideten Hohl-
raum, vergleicht denselben der Ampulle des Pelagienrandkörpers und lässt ihn wie dort mit dem
Gastrovascularsystem Zusammenhängen. Das Hörkölbchen bezeichnet er als „ein kleines, dem An-
schein nach an den gelblichen Wulst befestigtes Säckchen“, welches „ein mit Krystallen erfülltes
Bläschen, das Analogon des Krystallsackes der Pelagien umschliesst“.
Nach Gegenbaur haben nur noch Keferstein und Ehlers (47) die Sinneskörper von Nau-
sithoe untersucht und haben hierbei die Angaben desselben bestätigt.
II. Peliigiii noctiluca (Per. Los.). Phacellopliora caiiitscliatiea (Brandt). Aiirelia
aurlta L.
Zn der zweiten Gruppe von Acraspeden, die wir nach der Form der Sinnesk.örper aufgestellt
haben, gehören unter den von uns untersuchten Arten Pelagia, Phacellopliora und Aurelia. Unter
diesen scldiesst sich Pelagia in ihrem Bau und Habitus so nahe an Nausithoe an, dass man beide
in der Familie der Pelagidae vereint hat. Wie bei Nausithoe ist der Schirmrand durch acht tiefere
und acht seichtere Einkerbungen, die mit einander alterniren, in 1(5 Sinneslappen zerfallen (Taf. X.
Fig. 1 8 sl). Der Unterschied in der Tiefe der Einkerbung ist indessen hier ein so bedeutender,
dass die Zusammengehörigkeit von je zwei Sinnesläppchen schon bei oberflächlicher Betrachtung
sofort auffällt. Man wird daher die Beschaffenheit des Schirmrandes vielleicht besser noch in der
Weise schildern, dass man von acht grösseren Lappen spricht, deren jeder wieder an seinem freien
Rande in zwei kleinere Läppchen untergetheilt ist. Zwischen den grossen Lappen, in den so-
genannten Tentakelbuchten, entspringen acht lange Fangfäden (t), die indessen nicht wie bei
Nausithoe solid, sondern wie bei allen übrigen Acraspeden hohl und schlauchförmig sind. In den
Buchten zwischen je einem Paar von Sinnesläppchen sind die acht Sinneskörper angebracht. Nach
den 16 Einkerbungen des Randes zu verlängert sich der Magen in 16 Taschen, von diesen sind
die acht nach den Sinnesbuchten zu verlaufenden die grössten und weitesten, sie geben am Rande
drei schmalere Fortsätze ab, einen mittleren unpaaren, der für den Sinneskörper bestimmt ist, und
zwei seitliche, die in die Sinnesläppchen hineindringen. Die acht übrigen Taschen sind schmäler
und verlängern sich gleichfalls in die Sinnesläppchen und ausserdem noch in die hohlen Ten-
takeln. Ein Velum und ein dem Rande entlang laufender Streifen von Sinnesepithel fehlt. Die
Ringmusculatur der Subunrbrella zeigt die bei Nausithoe beschriebene Anordnung.
Die acht Sinneskörper (Taf. IX. Fig. 4 und 6) sind, wie hei allen grossen Scheiben-
quallen , von ziemlich ansehnlicher Grösse und können leicht mit unbewaffnetem Auge durch die
umhüllende Gallertsubstanz als gelblich-weisse Körper wahrgenommen werden. Sie liegen nicht frei
in der Sinnesbucht wie bei Nausithoe albida, sondern zeigen im Gegentheil hier und ebenso bei den
weiter zu beschreibenden Arten eine versteckte Lage, ein Verhältniss, durch welches Forises (29)
veranlasst wurde, die Acraspeden als Steganophtlialmata zu bezeichnen. Ihre versteckte Lage wird
dadurch herbeigeführt , dass sie durch drei Fortsatzbildungen des Schirmrandes allseitig eingehüllt
Averden. Von der oberen Scheibenfläche aus sind die Sinneskörper gar nicht zugänglich, hier wer-
den sie von einer aus Gallertsubstanz gebildeten Lamelle (ß) überragt, welche nach oben die Basis
der beiden Sinnesläppchen verbindet und dergestalt den Einschnitt zwischen ihnen weniger tief
erscheinen lässt. Aber auch nach der unteren Fläche des Schirms zu ist die Lage der Sinnes-
körper eine ziemlich geschützte. Zwei zarte Falten (Taf. IX. Fig. 4 sf) entspringen hier von den
unteren inneren Rändern der Sinnesläppchen und legen sich von links und rechts zum Theil über
einander. Gemeinsam mit der oberen Lamelle begrenzen sie einen röhrenförmigen Hohlraum, der
nur an seinen beiden Enden eine kleine Oeffnung besitzt. Um die Sinneskörper von unten frei zu
legen, muss man die beiden Falten mit zAvei Präparirnadeln auseinandersehlagen.
Den hier beschriebenen Fortsatzbildungen des Schirmrandes, welche wir auch bei anderen
Acraspeden in mannigfach veränderter Weise wieder antreffen werden, wollen wir fortan besondere
Namen beilegen, die obere Lamelle werden wir als Deckplatte (<)') und die zwei an der unteren
Seite vorspringenden Falten als Sinnesfalten (sf) bezeichnen. Sie bestehen alle aus der gleichen
Gallertsubstanz wie der Schirm und sind auf ihrer Oberfläche von einer einschichtigen Lage von
Ektodermzellen überzogen.
Der Sinneskörper (sk) seihst ist bei Pelagia einfacher als bei Nausithoe gebaut. In seiner
äusseren Form lässt er sich einem gekrümmten Finger vergleichen (Taf. IX. Fig. G). Er entspringt
mit verdünnter Basis in der Bucht zwischen den zwei Sinnesläppchen von der unteren Fläche der
Deckplatte (<V); unmittelbar an seinem Ursprung krümmt er sich rechtwinklig um, so dass er parallel
zu der Fläche, an welcher er befestigt ist, zu liegen kommt. Durch eine leichte Einkerbung wird
er in einen kurzen kolbig . verdickten Endtheil und in einen grösseren basalen Abschnitt zerlegt.
Von diesen ist der erstere solid und im Innern mit kleinen glänzenden Krystallen (o) dicht erfüllt,
der letztere dagegen umschliesst eine Ausstülpung des Gastro vascularsystems (ga). Dieselbe hängt
mit dem mittleren der drei Fortsätze zusammen, in welche die nach der Sinnesbucht verlaufende
Magentasche zerfällt (Taf. X. Fig. 18). Der mittlere Fortsatz reicht nämlich in die Deckplatte bis
zur Insertion des Sinneskörpers und dringt von hier durch eine kleine Oeffnung in der Ansatzstelle
in das Innere desselben ein, das er bis zu dem mit Krystallen erfüllten Endabschnitt aushöhlt.
Bei der histologischen Untersuchung der Sinneskörper haben wir dieselben drei
Schichten wie bei Nausithoe zu unterscheiden: ein äusseres Epithel, eine mittlere Stützsubstanz
und die nach Innen von ihr gelegenen Zellen des Entoderms.
Das äussere Epithel bildet über dem mit Krystallen erfüllten Endtheil eine einfache Lage
platter Zellen, nach dem basalen Abschnitt zu verdickt es sich rasch und geht hier in ein sehr hohes
Cylindercpithel über, das auf seiner ganzen Oberfläche mit langen Geisseih aaren bedeckt ist. Am
Ursprung des Sinneskörpers nimmt es wieder an Höhe ab und hängt hier mit dem dünnen Zell-
häutchen, welches die Gallerte bekleidet, zusammen. Die Zellen des hohen Cylinderepithels (Taf. VIII.
Fig. 3) zeichnen sich durch eine grosse Feinheit aus, so dass man die stärksten Vergrösserungen
bei ihrer Untersuchung amvenden muss. Auf ihrer Oberfläche Averden sie von einer feinen Cuticula
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überzogen, wodurch ein festerer Zusammenhalt der einzelnen Elemente auch an ’Macerationspräpa-
raten herbeigeführt wird. Die einzelnen Zellen besitzen, je nachdem ihre Kerne näher oder ent-
fernter zur Oberfläche liegen, bald eine cylindrische, bald eine spindelförmige Gestalt (Taf. IX.
Fig. 7. 8. 12); an ihrer Basis gehen sie, wenn sie gut isolirt sind, in feine varicöse Ausläufer über,
die sich oft in beträchtlicher Länge erhalten zeigen. Die Ausläufer sind theils einfach, theils gabeln
sie sich nach ihrem Ursprung, theils sind sie mit mehreren secundären Aestchen besetzt. Sie biegen
unter der Epithellage um und verlaufen unter derselben auf der Stützlamelle. Unter einem zer-
zupften kleinen Epithelstückchen (Taf. IX. Fig. 7) gewahrt man daher bei seitlicher Lagerung ein
dichtes Gewirr feinster sich verschlingender Fäserchen oder Fibrillen. Es gleicht dieses Bild in vieler
Hinsicht demjenigen, welches ein Epithelstückchen bietet, das vom oberen Nervenring der Cras-
pedoten abgezupft ist. Auch an feinen Durchschnitten durch einen in Osmiumsäure erhärteten
Sinneskörper ist die von den basalen Verlängerungen der Epithelzellen gebildete Fibrillenlage als
eine besondere dünne Schicht nachzuweisen (Taf. VIII. Fig. 3n). Sie erscheint auf dem Durch-
schnitt als ein feinkörniger gelbbraun gefärbter Streifen, der sich zwischen die helleren Epithel-
zellen und die Stützlamelle einschiebt.
Die Mittelschicht, welche aus Stütz Substanz besteht, scheidet die zum Entoderm und
Ektoderm gehörenden Theile von einander (Taf. IX. Fig. 6 s). In den einzelnen Abschnitten des
Sinneskörpers zeigt sie eine verschiedene Mächtigkeit. Soweit das Plattenepithel reicht, erscheint
sie als eine dünne, aber resistente Membran, welche unmittelbar den Krystallhaufen umschliesst.
Nach abwärts verdickt sie sich und erreicht etwa die gleiche Dicke, wie das äussere Cylinder-
epithel. Sie ist vollkommen homogen und durchsichtig und gleicht der Gallerte des Schirms, mit
dem Unterschied vielleicht, dass sie eine grössere Dichtigkeit als diese besitzt. Von dem Entoderm
aus dringen feine Fädchen oder Röhrchen in sie hinein, welchen wohl die Bedeutung von Ernährungs-
kanälchen zukommt.
Die innere Schicht (en) wird, soweit sie den zum Gastro vascularsystem gehörigen Hohl-
raum auskleidet, von einer einfachen Lage schmaler und hoher Cylinderzellen zusammengesetzt. Auf
ihrer ganzen Oberfläche ist sie mit lebhaft schwingenden Flimmerhaaren bedeckt. Im Endtheil des
Sinneskörpers dagegen ist die innere Schicht eine solide Masse, die vollständig ' mit zahlreichen,
kleinen Coneremcnten (o) erfüllt ist. Dieselben liegen so dicht hei einander, dass sie bei durch-
fallendem Licht einen schwarzen Fleck hervorrufen; bei auffallendem Licht dagegen kreidigweiss
erscheinen. Der Conerementhaufen ist allseitig scharf umgrenzt, so dass frühere Forscher ihn als
ein mit Krystallen erfülltes Säckchen beschrieben haben. Dies ist insofern nicht richtig, als sich
abwärts nach dem Holilraume zu eine bebildere Membran nicht nachweisen lässt. Nur nach dem
Ektoderm zu ist eine solche in der Form der schon früher beschriebenen Stützlamelle vorhanden.
Wenn man den Ueberzug des Concrementhaufens mit Nadeln anritzt, so tritt sein Inhalt zum Theil
in das umgebende Medium heraus und zertheilt sieh in demselben, so dass man die einzelnen Bestand-
teile jetzt besser erkennen kann. Die Concrcmente sind mit wohl entwickelten Kanten versehen
und zeigen eine deutlich krystallinische Beschaffenheit; meist sind sie von nadelförmiger oder pris-
matischer Gestalt. In verdünnten Säuren, selbst in Osmiumsäure sind sie löslich, ohne hierbei Gas-
blasen zu entwickeln, und gleichen sie hierin den Concrementen , welche in den Hörorganen der
Craspedoten auftreten. Nach der Auflösung der Krystalle bleibt ein spongiöses Gewebe zurück,
Uber dessen histologische Eigenschaften feine Querschnitte weitere Aufschlüsse gehen (Taf. VIII.
Fig- 4). Dasselbe wird von grösseren und kleineren vaeuoligen Räumen (o) durchsetzt, in welchen
die durch Säuren aufgelösten Concremente enthalten waren. Die Räume sind von einander durch
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Scheidewände getrennt, die ans einer feinkörnigen Substanz bestehen und etwa den einzelnen Vacuolen
entsprechend Kerne eingebettet enthalten. Nach abwärts geht dieses spongiöse Gewebe ohne scharfe
Grenze in die Epithelschicht über, von welcher der Hohlraum des Sinneskörpers ausgekleidet wird.
Es ist daher genetisch als eine Bildung des Entoderms zu betrachten, in gleicher Weise wie die
Concrementzellen in den Hörkölbchen der Trachymedusen, deren Abstammung vom Entoderm bereits
von uns nachgewiesen wurde.
An die Beschreibung der ausgebildeten Sinneskörper mögen sich einige Angaben über frühere
Entwicklungszustände anreihen, die wir an kleinen Ephyraformen haben beobachten können, die
während des Winters und Frühjahrs in grosser Zahl neben den gesehlechtsreifen Pelagien auftraten.
Die jungen Ephyren (Taf. X. Fig. 15) von etwa 5 Millimeter Umfang bilden eine flache Scheibe,
die durch tiefe breite Einschnitte, die späteren Tentakelbuchten, in acht Lappen zerlegt ist. Jeder
Lappen, der eine breite taschenförmige Aussackung des Gastrovascularsystems (ga) empfängt, zerfällt
selbst wieder an seinem freien Rand in zwei kleinere Sinnesläppchen (sl). Tentakeln sind noch
nicht angelegt, dagegen sind die Sinneskörper (sk) schon wohl entwickelt und bilden einen kleinen
fingerförmig gestalteten Fortsatz in der Bucht zwischen zwei Sinnesläppchen (Taf. IX. Fig. 1 und 3).
Vor Allem ist nun hier hervorzuheben, dass die Lage der Sinneskörper noch eine vollkommen freie
ist und an die Verhältnisse erinnert, welche wir bei Nausithoe auch am erwachsenen Thiere vor-
gefunden haben. Indessen kann man schon jetzt an der Form des Schirmrandes den Vorgang
erratheil , durch welchen auf späteren Entwicklungszuständen die Umhüllung der Sinneskörper zu
Stande kommt. Bei etwas älteren Ephyraformen sieht man von der Verbindungsstelle der beiden
Sinnesläppchen eine Falte (J) ausgehen, die von oben die Basis des kleinen Sinneskörpers zudeckt.
Durch die mächtige Entwicklung derselben entsteht später die Deckplatte, welche den Grund der
Sinnesbucht von der Schirmoberfläclie aus unzugänglich macht. Zweitens ist schon jetzt an der
unteren und inneren Seite eines jeden Läppchens eine vorspringende Kante (sf) zu bemerken. Durch
und rechts ventralwärts Zusammenlegen und dadurch einen cylinderförmig gestalteten Hohlraum
abgrenzen.
Die kleinen Sinneskörper zeigen eine von den Verhältnissen, die wir beim erwachsenen
Thiere kennen gelernt haben, darin abweichende Gestaltung, dass sic nicht nur in ihrem peripheren,
sondern auch in ihrem basalen Theile eine solide Beschaffenheit besitzen. Sie werden noch ganz
von einer Wucherung des Entoderms ausgefüllt, in welcher sich bräunliche Pigmentkörnchen wie
in allen Zellen des Gastrovascularsystems eingebettet finden. Im peripheren Tlieil ist schon eine
grössere Anzahl prismatischer Krystalle entwickelt; an die Basis des Sinneskörpers grenzt die oben
beschriebene Aussackung (ga) des Magens dicht an und schickt in dieselbe noch einen kleinen Fort-
satz hinein, durch dessen weiteres Vordringen später die Aushöhlung des basalen Abschnitts herbei-
geführt wird. Auf ihrer Oberfläche sind die Sinneskörper mit einem geisseltragenden Cylinderepithel
überzogen, welches sich von dem Plattenepithel der Umgebung deutlich absetzt. Wie hieraus zu
ersehen ist, sind die Abänderungen, die noch eintreten müssen, um diese Jugendform in die bleibende
überzuführen, geringfügiger Art und beschränken sich hauptsächlich darauf, dass noch zahlreichere
Krystalle ausgeschieden werden und dass die Aushöhlung des Sinneskörpers bis zum Krystallhaufen
selbst vorschreitet.
Mit Pelagia zeigen die zwei weiteren von uns untersuchten Arten, Phacellophora und
Aurel ia, welche die Vertreter zweier besonderer Familien, der Sthenonidae und der Aurelidae sind,
eine grosse Aehnlichkeit sowohl in der äusseren Form als auch in dem feineren Bau ihrer Sinnes-
113
kprper. Diese Aehnlichkeit ist so bedeutend, dass nur geringfügige Differenzen eine Unterscheidung
überhaupt ermöglichen. Die Sinneskörper besitzen auch hier etwa die gleiche Grösse und die gleiche
Form eines gekrümmten Fingers wie bei Pelagia (Taf. VIII. Fig. 6. Taf. IX. Fig. 15). In ihrem
verbreiterten, durch eine Ringfurche etwas eingeschnürten Endtheil umschliessen sie einen kugligen
Haufen zahlreicher nadelförmiger Krystalle. Bei allen dringt bis zum Krystallhaufen ein schlauch-
förmiger Fortsatz des Gastrovascularsystems (ga) ein. Auch die histologischen Verhältnisse sind im
Allgemeinen die gleichen, so dass wir hinsichtlich derselben auf Pelagia verweisen können. Nur
Aurelia zeigt uns noch zwei Besonderheiten (Taf. VIII. Fig. 3. 4. 6). Erstens treten in der Mittel-
schicht des Sinneskörpers, welche Entoderm und Ektoderm von einander trennt, kleine sternförmige
Zellen (e) mit verästelten Ausläufern auf, wie sie auch sonst sich in der Schirmgallerte von Aurelia
finden. Zweitens hat sich an einer umschriebenen Stelle in den Ektodermzellen Pigment abgelagert,
so dass ein kleiner Ocellus (oc) entstanden ist. Derselbe liegt an der dorsalen Seite des Sinnes-
körpers am Beginn des kolbig verdickten und mit Krystallen erfüllten Endtheils (Taf. VIII. Fig. 6).
Er besitzt keinen besonderen linsenförmigen Körper und ist daher dem von Oceania beschriebenen
Augenfleck gleich gebildet.
Auffälligere Unterschiede zwischen Pelagia einerseits, Phacellophora und Aurelia anderer-
seits werden dagegen durch die verschiedene Anzahl der Sinneskörper und durch die Art und Weise
veranlasst, wie diese durch Fortsatzbildungen des Schirmrandes umhüllt werden. Die Anzahl der
Sinneskörper beläuft sich bei Aurelia auf acht, bei Phacellophora dagegen auf das Doppelte.
In ihrer Lagerung ergeben sich im Verhältniss zu Pelagia ziemlich abweichende Verhältnisse, die
durch eine verschiedene Lappung des Schirmrandes bedingt sind.
Bei Phacellophora (Taf. X. Fig. 16) ist der Schirmrand in 10 grössere und 16 kleinere
Lappen zerfallen, die mit einander alterniren. Von diesen tragen die grösseren (tl) in einiger Ent-
fernung vom Rande auf ihrer unteren Fläche ein Büschel von neun langen schlauchförmigen Ten-
takeln (t), und werden wir sie daher als Tentakellappen bezeichnen. Die mit ihnen alternirenden
kleinen Lappen sind an ihrem Ende durch eine Einkerbung abermals in zwei Läppchen (sl) unter-
getheilt, die wie zwei Flügel auseinanderweichen und nach ihrer Lagerung den Sinnesläppchen
von Pelagia und Nausithoe entsprechen. Es geht dies daraus hervor, dass in der Bucht zwischen
ihnen der Sinneskörper liegt, der schon mit unbewaffnetem Auge als gelbes Korn wahrzunehmen
ist. Derselbe wird in ähnlicher Weise wie bei Pelagia allseitig durch Faltenbildung des Schirm-
randes eingehüllt (Taf. IX. Fig. 15). Nach oben wird er von einer dicken Lamelle bedeckt, an
deren unterer Fläche er selbst seinen Ursprung nimmt. Ventralwärts legen sich zwei Sinnes-
falten (sf) schützend über ihn her. Während die Deckplatte sich zwischen der Basis der Sinnes-
läppchen (sl) ausspannt, gehen die beiden Falten vom unteren inneren Rand derselben aus.
In noch höherem Maasse als Phacellophora weicht Aurelia in der Bildung ihres Schirm-
randes von Pelagia ab (Taf. X. Fig. 14). In systematischen Werken wird die flache Scheibe ge-
wöhnlich als achtlappig bezeichnet und wird sie auf den ersten Blick auch wohl stets einen solchen
Eindruck hervorrufen. Die in die Augen fällenden Lappen (tl) sind sehr breit, wenig gekrümmt
und durch sehr seichte Einkerbungen von einander geschieden. Sie sind mit zahlreichen, sehr
kurzen Tentakeln versehen und entsprechen daher in ihrer Bedeutung den 16 Tentakellappen
von Phacellophora. Bei genauerer Untersuchung sind aber in den seichten Einkerbungen zwischen
ihnen noch weitere acht Paare von verhältnissmässig sehr kleinen Läppchen (sl) aufzufinden, die
dadurch sich auszeichnen, dass sie jedesmal einen Sinneskörper umschliessen (Taf. VIII. Fig. 1 und 2).
In ihrer äusseren Form lassen sie sich einem Flügel vergleichen; sie sind nicht horizontal, sondern
Heitwig, Medusen. 15
114
senkrecht zur Schirm Oberfläche gestellt und legen sich mit ihren Breitseiten dicht aneinander. An
ihrem Ursprung sind sie mit ihren oberen Rändern unter einander durch eine Lamelle (d) ver-
bunden, welche der bei Pelagia und Phacellophora beschriebenen Deckplatte entspricht. Dieselbe
zeigt bei Aurelia eine charakteristische Beschaffenheit, indem sie nach oben sich zu einem ovalen
Polster verdickt, welches in radialer Richtung auf den Schirm selbst noch Ubergreift und Uber seine
Oberfläche hervorspringt. Auf seinem vordersten Abschnitt ist das Polster noch einmal zu einem
kleinen halbkugeligen Körper (Taf. VIII. Fig. 1 und 2*) hervorgewölbt, der sich durch eine Furche
an seiner Basis vom übrigen Theil abgrenzt und ausserdem noch auf seiner proximalen Fläche
eine grubenförmige Vertiefung besitzt. Gerade unterhalb dieser Vertiefung ist der Sinneskörper (sk)
an der Unterfläche der polsterförmig gestalteten Deckplatte befestigt. Er kommt daher auch bei
Aurelia in eine Art Nische zu liegen, die nach oben von dem vorderen zu einem halbkugeligen
Körper verdickten Theil des Polsters und seitlich von den sich aneinander schmiegenden Sinnes-
läppchen gebildet wird.
Ein Einblick in die hier beschriebenen Verhältnisse lässt sich schon bei Betrachtung des
Schirmrandes von der Fläche oder bei seitlicher Ansicht eines ausgeschnittenen Stückes gewinnen.
Weiteren Aufschluss über Form und Lage der einzelnen Theile liefern dann ausserdem noch in
radialer Richtung an gefertigte Querschnitte (Taf. VIII. Fig. 6).
Wie in der Lappung des Schirmrandes, so ergeben sich auch in der Beschaffenheit des
Gastro vaseul arsy stems wichtige Unterschiede zwischen Pelagia und zwischen Phacellophora
und Aurelia. Anstatt tasehenförmiger Ausstülpungen des Magens linden wir hier eine grössere
Anzahl von schmäleren, radiär verlaufenden Kanälen vor, die sich zum Theil nach der Peripherie
zu dichotomiscli gabeln und in der Nähe des Randes durch ein schmales Ringgcfäss untereinander
verbunden werden (Taf. X. Fig. 14 und 1(3). Dasselbe verläuft in einiger Entfernung nach einwärts
von den Sinneskörpem und giebt hier einen Ast ab, der sich alsbald in drei Stämmchen theilt:
einen unpaaren mittleren und zwei seitliche (Taf. VIII. Fig. 2 und 15). Der unpaare dringt in die
Deckplatte und von da in den Sinneskörper ein, die zwei seitlichen nehmen ihren Weg zu den
Sinnesläppchen Alle drei entsprechen mithin den drei Fortsätzen, mit welchen die acht nach der
Sinnesbucht reichenden Magentaschen von Pelagia enden.
Es bleibt uns jetzt noch die so verschiedenartige Lappung des Sehirmrandes zu erklären,
welche bei der grossen Ueberein Stimmung in Bau und Form der Sinneskörper unsere Aufmerk-
samkeit besonders auf sich ziehen muss. Wenn wir die bei Pelagia, Phacellophora und Aurelia
(Taf. X. Fig. 14. 16. 18) beschriebenen Bildungen unter einander vergleichen, so finden wir bei
allen drei als typisch wiederkehrende Theile die Sinnesläppchen vor, welche bei einer
Vergleichung den Ausgangspunkt bilden müssen. Die Homologie derselben ergiebt sich sowohl
aus ihrer übereinstimmenden Lage zum Sinneskörper, als auch aus ihrer Beziehung zum Gastro-
vascularsystem , das hier bei allen drei Acraspeden mit drei Fortsätzen endet. Während aber bei
Pelagia die Sinnesläppchen von beträchtlicher Grösse sind und allein den gelappten Rand zusammen-
setzen, haben sie bei den zwei anderen Arten an Umfang verloren und nehmen nur geringen An-
theil an der Umgrenzung des Schirms. Am abweichendsten von Pelagia (Taf. X. Fig. 1 8) ist hierin
Aurelia (Taf. X. Fig. 14) beschaffen, während Phacellophora (Taf. X. Fig. 16) gleichsam verbindend
zwischen beide zu stehen kommt. Mit der geringeren Ausbildung der Sinnesläppchen haben sich
zwischen ihnen als eine neue Bildung und gewissennassen zum Ersatz die Ten takellappen (tl)
entwickelt. Dieselben können, wenn sie auf die bei Pelagia gegebene Einrichtung zurückgeftihrt
werden sollen, mit nichts anderem als den Tentakelbuchten verglichen werden.
115
Was schon die Vergleichung' lehrt, darüber giebt uns die Entwicklungsgeschichte von Aurelia,
die durch L. Agassiz (4) ziembeb vollständig bekannt geworden ist, einen viel sicherem Aufschluss.
Sie zeigt uns, dass auch Aurelia aus einer Ephyra sich entwickelt, die mit der Pelagienephyra
die grösste Aehnlichkeit besitzt (Taf. X. Fig. 15). Der flache Schirm ist durch tiefe Einschnitte
gleichfalls in acht Lappen zerfallen. Diese theilen sich wieder an ihrem Ende in zwei Sinnes-
läppchen, zwischen denen die acht Sinneskörper als kleine Höcker frei zu Tage liegen.
Bei Pelagia erhält sich nun diese primitive Lappung des Schirmrandes auch heim erwach-
senen Thiere mehr oder minder, und sprossen nur acht Tentakeln in den Einschnitten zwischen
den acht Paar Sinnesläppchen, den Tentakelbuchten, hervor. (Wir müssen daher diese Art als eine
Ausgangsform für die übrigen Acraspeden betrachten.) Bei Aurelia aber tritt eine weitgehende
Metamorphose des Schirmrandes ein, die sich auf ein sehr ungleiches Wachsthum der einzelnen
Theile zurückführen lässt (Taf. X. Fig. 19). Die acht Paar Sinnesläppchen (sl) nämlich wachsen
verhältnissmässig nur langsam weiter. Dagegen beginnt die eingebuchtete Randstrecke zwischen
ihnen sich weit rascher zu entwickeln und einen besonderen lappenförmigen Vorsprung (tl) zu bil-
den, an dessen Unterseite sich kleine Tentakeln (t) anlegen. Bald sind diese Tentakellappen so
weit hervorgewachsen, dass sie auf gleiche Höhe mit den acht Paar Sinneslappen zu liegen kom-
men und mit ihnen alternirend den nun 1 Glappigen Schirmrand zusammensetzen. Auf diesem Stadium
besitzt die kaum einen Zoll grosse Aurelia, von der ungleichen Anzahl der Lappen abgesehen, in
der Bildung des Schirmrandes die grösste Aehnlichkeit mit der erwachsenen Phacellophora (ver-
gleiche Taf. X. Fig. 16 und 19). Mit der weiteren Grössenzunahme schwindet aber auch diese
Aehnlichkeit. Die acht Tentakellappen gewinnen mehr und mehr durch stärkeres Wachstkum das
Uebergewicht über die Sinnesläppchen, bis diese endlich ganz in den Hintergrund gedrängt werden.
So kommt es, dass beim erwachsenen Thier (Taf. X. Fig. 14) der Schirmrand nur aus den acht
sehr breiten tentakeltragenden Lappen zu bestehen scheint. Erst bei sorgfältigem Zusehen wird
man in den Buchten zwischen ihnen auch die acht Paar relativ kleiner Sinnesläppchen gewahr,
die im Vergleich zu früher und zu Pelagia uns gleichsam als rudimentäre Organe erscheinen.
Wenn wir jetzt am Schluss dieses Abschnittes noch einen Blick auf die übrigen von uns
nicht beobachteten Acraspeden werfen, so zeigen uns die Untersuchungen von Agassiz, Haeckel,
Grenacher, Brandt u. s. w., dass überall in der Form und dem Bau der Sinneskörper eine grosse
Einförmigkeit herrscht. Auch findet bei allen Arten eine Umhüllung derselben von zwei Sinnes-
läppchen, wie bei Pelagia, Phacellophora und Aurelia, in mannigfach modificirter Weise Statt.
Verschiedenheiten lassen die einzelnen Familien der Acraspeden unter einander in der Anzahl
der Sinneskörper erkennen, welche zu acht, zwölf oder sechzehn am Schirmrand auftreten
können. Am weitesten verbreitet ist die Zahl acht. Sie findet sich bei den Nausithoidae, Pelagidae,
Cyanidae, Aurelidae, Rhizostomidae , Cepheidae, Cassiopeidae und Crambessidae ; mit zwölf Sinnes-
körpern sind allein die Polyclonidae und mit sechzehn die Sthenonidae (Phacellophora und Heccae-
decomma) versehen.
Literatur. Von den Sinnesorganen der Medusen sind die Randkörper der Acraspeden, da
sie durch ihre ansehnlichere Grösse auch dem unbewaffneten Auge sichtbar sind, am frühesten
bekannt geworden und haben den älteren Zoologen zu den verschiedensten Deutungen Veranlassung
gegeben. Schon Otto Friedrich Müller (66) beschreibt in seiner Zoologia Danica am Schirmrand
von Aurelia aurita am Ende von acht radial verlaufenden Kanälen acht hohle Körper, deren Enden
mit einer schwärzlichen pulverigen Substanz erfüllt sind. Da er letztere öfters in das Wasser
(wahrscheinlich durch Verletzung bei der Präparation) austreten und sich zertheilen sah , so deutet
15*
116
er sie als Excremente, die acht Kanäle für Därme und unsere Sinnesorgane für die acht After
der Meduse. Nach ihm hat Gaede (31) wieder die Randkörper bei Aurelia aurita beobachtet und
gefunden, dass die körnige aus sechseckigen Partikelchen bestehende Substanz in eine feine Haut
eingeschlossen ist und nur durch ein Zerreissen derselben austreten kann; er verwirft daher die
Deutung Müller’s, ohne indessen eine andere an ihre Stelle setzen zu können. Auch Eysenitardt (27)
spricht in seiner genauen Anatomie von Rhizostoma nur von acht räthselhaften Körpern. Er be-
schreibt über ihnen ganz richtig eine ovale Verdickung der Schirmgallerte, unsere Decklamelle,
und in derselben eine längliche Grube. Rosenthal (76) betrachtet die von 0. F. Müller entdeckten
Gebilde als Schleim absondernde Organe. Er macht auf die erdige Beschaffenheit der Concremente
aufmerksam und da er dieselben sich nicht in Schwefelsäure auflösen sah, erklärt er sie für Sand-
körnchen. Eschscholz (26) führt den Namen „Randkörper“ ein; er lässt die Organe, in welchen
der durch die Kanäle hingeleitete Nahrungssaft eine Umänderung erleiden soll, die Stelle der Leber
vertreten. Tilesius (83) nennt sie Schirmrandbläschen und erblickt in ihnen Respirations- und
Excretionsorgane, die Nachts „einen matten Phosphorschein aushauchen“. Oken (73) möchte in
ihnen Ansätze zu Rippen wie bei den Rippenquallen sehen.
Die hier gegebenen kurzen Referate zeigen deutlich, wie sich die älteren Beobachter in
ihrem Urtheil über die Function der Randkörper nicht haben einigen können. Erst Ehrenberg (24)
hat in seiner Abhandlung „über die Acalephen des rothen Meeres und über den Organismus der
Medusen der Ostsee“, eine Wendung in dieser Frage herbeigeführt. Er findet, dass die von
Rosenthal beschriebenen Krystalle in Säuren löslich sind, und schliesst daraus, dass sie nicht aus
Kieselerde, sondern aus kohlensaurem Kalk bestehen; ferner entdeckt er, dass der Randkörper von
Aurelia auf seiner dorsalen Fläche mit einem rothbraunen Pigmentfleck versehen ist. Diese beiden
Beobachtungen werden für Ehrenberg bei seiner Deutung maassgebend. Während er früher an-
nahm, dass, die Randkörper der Medusen zu einem männlichen Zeugungsapparate gehörten, weil sie
bei den Contractionen des Schirms immer in die Nähe der Eierstocksötfnungen gebracht würden,
erklärt er sie jetzt für Sinnesorgane, den Pigmentfleck für ein Auge, die verdickten Epithelpartieen
für Markknoten und Augennerven, die umhüllenden Theile für eine Augenkapsel. Diese Ansicht
sucht er unter Anderem dadurch zu begründen, dass eine Ansammlung von Kalkkrystallen bei
Thieren häufig in der Nähe von Nervensubstanz stattfinden solle (Kalksäcke an den Rückenmarks-
wurzeln der Frösche).
Die von Ehrenberg ausgesprochene Deutung fand bei einem Theil der Forscher Anklang,
bei anderen Widerspruch. So hält Brandt (12) in seiner Beschreibung der von Mertens beobach-
teten Schirmquallen die Annahme, dass die Randkörper Augen seien, wohl für sicher. Ferner zeigt
Sars (78), dass schon bei den von der Strobila sich ablösenden Ephyrae von Aurelia die von
Ehrenberg als Augen bezeichneten Theile in den tiefen Einschnitten des Schirms entwickelt sind,
und dass ein jeder Randkörper auch bereits an seiner Spitze den gelbrothen Pigmentfleck trägt.
Dagegen sprechen sich Milne Edwards und Deshayes (57) gegen Ehrenberg aus : „rothes Pigment
sei kein Auge; es sei ein G'irkelschluss, weisse Partien als Ganglien und Nerv zu bezeichnen, weil
sie an einem Pigmentfleck endeten“.
Einen neuen Gesichtspunkt führte Kölliker (50), ausgehend von den damals bekannt gewor-
denen Gehörbläschen der Mollusken, in das Studium der Randkörper ein. Er beschreibt sie als
bimförmige Bläschen, die an einem Ende ein Häufchen Krystalle von kohlensaurem Kalk und an
ihren inneren Wänden Flimmerhaare besitzen. Ihren Binnenraum lässt er irriger Weise nicht mit
dem Gastrovascularsystem Zusammenhängen, sondern durch ein rundes Loch an der oberen Fläche
117
der Scheibe direct nach Aussen münden. Indem Kölliker in der Deutung der Pigmentflecke der
Ansicht Ehrenberg’s sich anschliesst, hierbei aber hervorhebt, dass nur wenige Discophoren Pigment-
flecke besitzen, wirft er zugleich die Frage auf, was für eine Bedeutung man den Kiystallhaufen
oder da wo keine Augen sich finden, den Randkörpern zuschreiben solle? ,,Die Thatsache des Vor-
kommens von Augen“, heisst es in seiner kurzen Abhandlung, „und höchst wahrscheinlich von
Nerven und einem Ganglion an dieser Stelle des Leibes einiger Medusen zeigt uns schon die Mög-
lichkeit, dass andere Sinnesorgane, wenn sie bei diesen Thieren sich finden sollten, wohl an dieser
Stelle Vorkommen könnten, und in der That, je mehr man über die Structur dieser bis dahin
räthselhaften Organe nachdenkt, um so plausibler erscheint es, in den Krystalle umschliessenden
Kapseln Gehörbläschen zu sehen. Bedenken wir, dass die einfachste Form des Gehörorgans, wie
uns die Entwicklungsgeschichte und vergleichende Anatomie lehrt, ein mit Conerementen von kohlen-
saurem Kalk gefülltes Bläschen ist, an dem ein Nerv sich verzweigt, so steht wahrlich meiner
Deutung nur das im Wege, dass man die Nerven der Kapsel der Randkörper noch nicht gefunden
hat, worauf aber bei unserer sonstigen mangelhaften Kenntniss des Nervensystems dieser Thiere
Niemand grosses Gewicht legen wird.“
In demselben Jahre wie Kölliker erklärte auch Will (85 und 86) in einem Schreiben aus
Triest, dass die Randkörperchen der Medusen, wenigstens nach seinen Untersuchungen an Cephea,
Gehörorgane sind. — Die KöLLiKER’sche Ansicht brach sich jetzt rasch Bahn. So wurden in Siebold s
Lehrbuch der vergleichenden Anatomie die Randkörper im Capitel über Sinnesorgane abgehandelt
und als Gehörwerkzeuge deswegen bezeichnet, weil „die in den Kapseln enthaltenen und durch
Säuren brausend löslichen Krystalle den Otolithen der höheren Thiere vergleichbar seien“.
Bei dem Bestreben die ' Randkörper der Acraspeden als Hörbläschen zu deuten, war in der
anatomischen Kenntniss ihres Baues ein Rückschritt darin gemacht worden, dass Kölliker die
Communication des Binnenraums mit dem Darmkanal in Abrede gestellt hatte. Dieser Irrthum wurde
schon nach kurzer Zeit in den Arbeiten von Huxley, Leuckart und Gegenbaur berichtigt. Gegen-
baur, welcher sich am meisten mit dem Bau und der vergleichenden Anatomie der Sinnesorgane
der Medusen beschäftigt hat, weist an Pelagia nach, dass der Hohlraum des Randkörpers, den er
Ampulle nennt, eine Ausstülpung des Gastrovascularsystems ist und dass eine nach Aussen com-
municirende Oeffnung fehlt. Die zahlreichen, auf einen Haufen zusammengedrängten Krystalle lässt
er von einer Membran allseitig umhüllt sein. Das so entstandene Gebilde bezeichnet er als das
Krystallsäckchen und vergleicht er dieses allein den Gehörbläschen der Mollusken und den Rand-
bläschen der craspedoten Medusen. Er weicht somit bei der Deutung der einzelnen Theile wesent-
lich von Kölliker ab, der die Ampulle des Randkörpers gemeinsam mit dem Krystallhaufen als
Hörbläschen aufgefasst hat. Ueber die Function der Organe selbst giebt Gegenbaur kein bestimmtes
Urtheil ab. Zu den Sinnesorganen möchte er sie gerechnet wissen, weil sie erstens mit augenähn-
lichen Bildungen vicariirend auftreten und zweitens nur bei den freilebenden Medusen Vorkommen,
bei den sessilen Geschlechtsgemmen aber fehlen. Dass Gehörwerkzeuge vorliegen, erscheint ihm
zweifelhaft, weil in dem Krystallsack der Acraspeden und den Randbläsclien der Craspedoten keine
Flimmerung zu beobachten ist und die Otolithen daher bewegungslos sind, während sie bei den
Hörbläschen der Wirbellosen durch Cilien in zitternde Bewegung versetzt werden.
Eine sehr abweichende Beschreibung und Deutung erfuhren die Randkörper der Acraspeden
in dem im Jahre 1862 erschienenen Medusenwerk von Agassiz und Clark (4). Sie werden hier
als zusammengesetzte Augen bezeichnet. Diese Deutung läuft aber nicht auf die früher von Ehren-
berg gegebene hinaus. Nicht der Pigmentfleck ist das Auge, wie die meisten Forscher seitdem
118
angenommen haben, sondern das als Krystallsäckchen gedeutete Gebilde. Clark, welcher die genauere
histologische Untersuchung des Organs übernommen hatte, empfiehlt zum Studium jugendliche Aurelien.
Er betrachtet das Krystallsäckchen als Facettenauge, den unterliegenden Theil als Augenstiel, die
einhüllenden Theile des Schirms als Augenlappen. Bei der mikroskopischen Untersuchung entdeckt
er einen hochentwickelten Bau am Facettenauge. Das Plattenepithel auf dem Krystallsäckchen
bildet nach ihm eine Cornea, die Krystalle sind Linsen; auch Augenkammern mit Humor aqueus,
eine Membrana pupillaris, und ein Corpus vitreum fehlen nicht. Wie gänzlich haltlos diese Angaben
sind, die nur aus einer von vornherein befangenen Anschauungsweise entsprungen sein können, geht
schon aus der Darstellung unserer eigenen Beobachtungen zur Genüge hervor.
Von jetzt ab sehen wir die Randkörper der Acraspeden bald als Auge, bald als Hörorgane
aufgeführt werden. Fritz Müller erklärt sich für die Deutung Clark’s, wenn die von ihm gegebene
Darstellung die richtige sei. Haeckel führt die RandköYper der Crambessiden, die er freilich nicht
mikroskopisch hat untersuchen können, als acht in Einschnitten des Schirmrandes (Augenbuchten)
gelegene Augen auf und bezeichnet zwei sie einhüllendc Zipfel des Schirmrandes wie Agassiz als
Augenläppchen (lobi oculares). Gegenuaur dagegen hält in dem Grundriss der vergleichenden Ana-
tomie an der allen Deutung fest.
Die neueste Arbeit über die Randkörper der Medusen hat Eimer (25) im Jahre 1874 geliefert.
In derselben macht er uns mit einigen interessanten physiologischen Experimenten bekannt, die wir
im synthetischen Theil noch genauer besprechen werden. Hinsichtlich des morphologischen Baues
beschränkt er sich auf einige kurze Andeutungen, die er in einer speciellcn Arbeit weiter auszu-
führen verspricht. „Die Verbindung der einzelnen Strahlstiiekc der Scheibenqualle werde durch
Nervenfädchen von ungemeiner Feinheit vermittelt, welche überall den Gallertschirm dieser Thiere
durchziehen; ihr Nervensystem sei somit ähnlich beschaffen, wie dasjenige, welches er von Beroe
beschrieben habe.“ Körperliche Ganglien habe er bis jetzt bei den Acraspeden nicht auffinden können.
Dagegen treffe er in der Umgebung der Randkörper ungewöhnlich zahlreiche Nervenelemente
(Fasern und Zellen), „Elemente, welchen ohne Zweifel zum Theil die Aufgabe zufalle, die contractilen
Zonen zu beherrschen, während sie zum anderen Theil zu den Randkörpern selbst treten.“
Welche Theile Eimer für nervöse Gebilde bei Aurelia erklärt, können wir aus diesen kurzen
Andeutungen nicht ersehen. Wir können nur auf Grund unserer Beobachtungen die von früheren
Autoren gemachten Angaben bestätigen, dass in der Gallerte sich Stützfasern und Bindegewebs-
zellen vorfinden, und haben weiterhin hinzuzutügen, dass bei den Medusen keinerlei Anknüpfungs-
punkte an den von Eimer bei Beroe in der Gallert Substanz des Körpers beschriebenen Nervenplexus
sich ergeben.
Schliesslich gehen wir noch auf die so eben erschienene Abhandlung von Claus (20) ein,
in der eine Anzahl Beobachtungen über die Sinnesorgane und das Nervensystem einiger 'Acras-
peden mitgetheilt werden. Claus beschreibt ein besonderes Riechorgan auf der dorsalen Fläche
der über jedem Randkürper von Aurelia gelegenen Deckplatte, welche er Trichterplatte nennt. Er
findet hier eine Grube, deren „im lebenden Zustand wimperndes Epithel eine ganz andere Beschaffen-
heit als das der Umgebung und namentlich zahlreiche sehr hohe und schmale Cvlinderzellen besitzt, j
welche alle Charaktere eines Sinnesepithels tragen“. Unter diesem verlaufen fibrilläre Streifen, welche j
sich wie Bündel von Nervenfibrillen verhalten. Leider sind wir bei unseren Untersuchungen von
Aurelia, welche uns nur in einem Exemplar frisch zur Verfügung stand, auf das von Claus zuerst
entdeckte Organ nicht aufmerksam geworden. Als eine zweite Art von Sinnesorganen führt Claus
die Randkörper auf. Bei ihrer histologischen Untersuchung hat er erstens in dem verdickten und
119
Wimpern tragenden Ektodermepithel des Stiels eine tiefe Lage von Ganglienzellen und Nerven-
fibrillen beobachtet; zweitens bat er noch auf eine paarige in Form zweier Zapfen angeschwollene
Verdickung aufmerksam gemacht, die an der Basis des Randkörpers liegt und durch eine Anhäufung
von Ganglienzellen und Nervenfibrillen unter dem Epithel gebildet wird. Endlich konnten noch hei
Chrysaora eine grössere Menge von Ganglienzellen aufgefunden werden, die unter dem Epithel der
mächtig entwickelten, quergestreiften Ringmusculatur zerstreut liegen und die motorischen Centren
derselben sind. Claus weist mithin bei Aurelia und Chrysaora ähnliche Zellelemente nach, wie wir
sie bei Cräspedoten sowohl, als auch bei Acraspeden als Theile eines Nervensystems beschrieben
haben. Dagegen ist ihm die nervöse Beschaffenheit des Epithels der Sinneskörper entgangen.
Ferner bestehen zwischen seinen Angaben und den unsrigen einige Differenzen, die durch erneute
Untersuchungen ausgeglichen werden müssen; wir meinen das Vorkommen von Ganglienzellen in
der Nervenfaserschicht unter dem Sinnesepithel und die paarige an der Basis eines Randkörpers
als Ganglion gedeutete Verdickung.
III. Die CharyMeiden.
Eine dritte Form von Sinneskörpern zeigt uns unter den Acraspeden die so eigenartig
organisirte Familie der Charybdeiden , über deren systematische Stellung die Anschauungen noch
vielfach auseinander weichen. Wenn wir die Gruppe an dieser Stelle aufführen, so geschieht dies
allein wegen der Beschaffenheit ihrer Sinneskörper, welche sich an diejenigen der Acraspeden am
meisten anschliessen. Da wir selbst nicht Gelegenheit hatten, die in unseren Meeren seltene Charybdea
marsupialis zu beobachten, so geben wir, um unsere Darstellung von den Sinnesorganen der Medusen
nach allen Seiten zu vervollständigen, eine ausführliche Schilderung der Ergebnisse, zu welchen
frühere Forscher wie namentlich Gegenbaur und Fritz Müller gelangt sind. — Die Sinneskörper
von Charybdea marsupialis hat zuerst Milne Edwards beobachtet und da er seine Untersuchung
wahrscheinlich nur mit der Lupe anstelltc, für Ovarien gehalten, indem er die lichtbrechenden
Körper und die Krystalle im Krystallsacke als Eier deutete und für diese Verhältnisse Analogien
mit anderen Thieren aufzusuchen sieh bestrebte (32). Gegenbaur (32) hat diesen Irrtlium aufgeklärt
und gleichzeitig von den augenartigen Sinneskörpern dieser Meduse eine genaue Beschreibung und
Abbildung gegeben, die uns in die vorliegenden Verhältnisse einen vollen Einblick gewährt. Wir
lassen daher seine Beschreibung hier wörtlich folgen und haben wir dieselbe unserem Leser dadurch
anschaulicher zu machen gesucht, dass wir auch die Abbildungen Gegenbaur’s auf unsere Tafel IX.
Fig. 9 und 14 mit aufgenommen haben.
,, Charybdea marsupialis trägt ihre vier Randkörper auf schlanken Stielen und birgt sie in
vier noch weit oberhalb der Randausschnitte des glockenförmigen Körpers eingegrabenen Nischen,
die zu zwei Dritttheilen ihrer Höhe von einem dünnen, am freien Rande zierlich ausgeschweiften
Blättchen überdeckt werden. In Fig. 14 ist dieses Verhalten bei geringer Vergrösserung veran-
schaulicht; sk stellt den Randkörper mit seinem Stiele, sb die Nische vor, d ist die deckende
Lamelle, die nichts anderes ist, als eine Fortsetzung der glashellen Substanz der Glocke.“
„Der Randkörper selbst (Fig. 9) ist von unregelmässig viereckiger oder ovaler Gestalt mit
schräg gestellter Längsaxe und an das dünne Ende eines beweglichen contractilen Stieles befestigt.
Dieser inserirt sich mit seiner dicker gewordenen Basis genau in der Mitte des oberen querlinearen
120
Nischenrandes, und bildet dort, indem er mit dem Deckplättchen und der Substanz der Glocke ver-
schmilzt, eine doppelwulstig- nach aussen vorragende Anschwellung. In seiner Längsaxe besitzt der
Stiel einen Kanal, der mit trichterförmiger Erweiterung beginnend, mit beträchtlich verengtem Lumen
in die Substanz des Randkörpers hineintritt, sich etwas weniges erweitert, um dann nach kurzer Ein-
schnürung sich in eine unregelmässig viereckig gestaltete Ampulle (ga) fortzusetzen und damit zu
enden. Diese Ampulle, deren Gestalt am besten aus der gegebenen Abbildung* (Fig. 9) zu ersehen
ist, nimmt einen beträchtlichen Tlieil des Inneren vom Randkörper ein und wird theils von einem
kleinzelligen gelblichen Gewebe, das gewissermassen die Grundsubstanz des Randkörpers bildet,
theils von sogleich zu beschreibenden Gebilden begrenzt. An dem Ursprünge des Stiels von der
Glocke lässt sich der Kanal in Fortsätze des Magens verfolgen, so dass auch hier der Zusammen-
hang der Randkörperampulle mit dem Gastro vascularsystem nachzuweisen ist. Die ganze Innen-
fläche des Kanals sowohl wie der Ampulle, ist mit Cilien ausgekleidet, und der Inhalt besteht aus
einem hellen Fluidum, welches zahlreiche Zellen einschliesst , nebst feinen Molecülen und vielen
kleinen Körperchen verschiedener Art und Form. Alle diese wirbeln vielfach durcheinander und
finden sich in grösserer Anzahl an der etwas verbreiterten und ausgebuchteten Partie der Ampulle,
welche schräg gegenüber dem Eintritte des Kanales liegt. Die Strömung der Flüssigkeit geht in
bestimmter Richtung vor sich, so dass immer an einer Wand das Absteigen und an der gegenüber-
stehenden das Aufsteigen der Formelemente gesehen wird.“
„An der vorhin erwähnten grösseren Fläche der Ampulle und in dem meist nach abwärts
gerichteten Theile des Randkörpers und am weitesten von der Eintrittsstelle des Kanales entfernt
liegt ein etwas abgeplatteter von der Seite gesehen nierenförmiger Sack (o) von 0,14'" im Durch-
messer. Er lagert so dicht an der Ampullenwand, dass er sie an mehreren Stellen etwas eindrängt.
Das Contentum dieses Sackes besteht dicht aus Krystallen, die rhombische oder trigonale Be-
grenzungsfiächen darbieten und von bedeutender Härte sind. Ich fand sie gleichfalls in Säuren
(Chrom- und Essigsäure) unlöslich. Die Membran des Sackes ist sehr dünn, scheinbar structurlos
und elastisch.“
„Gerade der Insertionsstelle des Stieles gegenüber und in der verlängerten Axe des Kanales
erblickt man ferner eine unregelmässig gefonnte, zuweilen rundliche Masse schwarzen Pigmentes (oc),
die an Umfang etwa dem des Krystallsackee gleichkommt, in Fällen ihn auch übertrifft. Aus dieser
ragt mit fast halbkugeliger Fläche ein heller lichtbrechender Körper (1) von 0,1"' Durchmesser,
und giebt sich als vollkommene Kugel zu erkennen, sobald man ihn aus der Pigmentmasse heraus-
geschält hat. Er wird, soweit er im Randkörper steckt, ausschliesslich von der Pigmentmasse um-
fasst, ohne dass noch eine andere Substanz sich dazwischen lagert. Ebenso wenig ist an seiner
unteren Partie ein besonderer Ueberzug sichtbar. Die Pigmentmasse selbst, welche hie und da um
die lichtbrechende Kugel mit kleinen Vorragungen sich herumwölbt, wird ringsum von der gelb-
lichen Grundsubstanz des Randkörpers umlagert und wird sogar an der vorderen Fläche bis zum
Rande der Kugel davon überdeckt; nur mit ihrer hinteren Fläche berührt sie einen Theil der Wand
der flimmernden Ampulle. Seitlich von diesem ungewöhnlichen Organe bemerkt man noch ein solches
kleineres, welches fast im rechten Winkel zur Axe des vorigen nach oben gerichtet ist; dicht dabei,
zuweilen zwischen diesen beiden Organen sieht man noch ein drittes, ebenso gebaut aber von viel
geringerer Grösse und häufig (wie in Fig. 9) mit einem langen Pigmentstreifen in die Grundsubstanz
ragend. Ausserdem kommen in den einzelnen Randkörpern noch mehrere des lichtbrechenden Kör-
pers entbehrende Pigmentflecken vor, deren Gestalt und Lagerung durchaus unbeständig ist. Diese
Unbeständigkeit erstreckt sieb zuweilen auch auf die grösseren Organe, und ich fand von den
121
acht Randkörpern der zwei untersuchten Exemplare von Cliarybdea marsupialis kein völlig gleich
zusammengesetztes Paar.“
Nach Gegenbaue hat Fkitz Müller (70) bei zwei anderen Arten der Charybdeiden , bei
Tamoya haplonema und quadrumana, die Sinneskörper beschrieben und gleichzeitig auch Angaben
über die Anwesenheit eines ,,mit überraschender Deutlichkeit ausgeprägten Nervensystems“ gemacht.
Wie bei Charybdea entspringen die vier Randkörper im Grunde einer Nische mit einem dünnen
Stiel von der oberen Wand derselben. Es sind unregelmässig kugelige Körper, deren Oberfläche
mit Cilien bedeckt ist. Sie enthalten ein Krystallsäckchen und einen kleineren und grösseren licht-
brechenden Körper, der von Pigment umhüllt ist. Fritz Müller deutet die Pigmentflecke als
Augen, hält es dagegen für zweifelhaft, ob man den unregelmässig krystallinischen Endkörper ohne
Weiteres den frei in einer Blase bewegten Otolithen der Mollusken oder den Randbläschen der
niederen Schirmquallen parallelisiren und als Gehörorgan deuten dürfe.
Das Nervensystem der Charybdeiden glaubt Müller in einem weisslichen oder gelblichen
Streifen zu erkennen, der in der Höhe der Randkörper in der inneren Wand der Seitentaschen ring-
förmig um die Höhle der Glocke verläuft, sich auch an bestimmten Stellen zu Ganglien verdickt
und einen ansehnlichen Nerven in den Stiel der Randkörperchen sendet.
Einige kurze Andeutungen über die Sinnesorgane der Charybdeiden giebt endlich noch
Semper (80) in einem Bericht über seine Reise nach den Philippinen. Die vier Randkörper sitzen
nach ihm über dem Scheibenrand in vier verscliliessbaren Taschen. Ein Nervenring, welchen er
gleichfalls beobachtete, „steigt vom Randkörper etwas in die Höhe, biegt sieh dann herunter und
erreicht in der Mittellinie des Basalstückes eines Tentakels dicht am Aussenrand der Scheibe seine
tiefste Stelle und steigt dann im nächsten Octant des Scheibenumkreises wieder zu dem nächsten
Randkörper empor.“
Bert
Medusen.
16
SYNTHETISCHER THEIL.
In dem analytischen Theil dieser Arbeit haben wir eine grössere Anzahl von Medusen auf
den Bau ihres Nervensystems und ihrer Sinnesorgane untersucht; wir konnten hierbei über ein
Material verfügen, welches alle Hauptgruppen der Medusen umfasst und auch einen grossen Theil
der innerhalb der Ilauptgruppen unterschiedenen Familien durch eine oder mehrere Arten vertreten
enthält. Den vollständigsten Ueberblick haben wir über die Trachymedusen gewonnen, von
denen uns keine der von früheren Forschern aufgestellten Familien fehlt. Da uns hier sogar
Repräsentanten der wichtigsten Gattungen Vorgelegen haben, so können wir uns wohl mit Be-
stimmtheit dahin aussprechen, dass eine Untersuchung der wenigen von uns nicht beobachteten
Genera keine wesentlich neuen Gesichtspunkte ergeben wird.
Weniger vollständig ist die Reihe der Acraspeden, Ocellaten und Vesiculaten. Von den Vesi-
culaten, welche nach A. Agassi z (2) in sieben Familien zerfallen würden, haben wir drei Fami-
lien nicht kennen gelernt: die Polyorchidae, Laodiceidae und Melicertidae, somit Medusen, die nach
den Angaben der Autoren keine Hörbläschen besitzen; es ist dies in so fern zu bedauern, als
möglicherweise sich hei denselben noch primitivere Formzustände der Gehörorgane finden als bei
Mitrocoma Annae, der in dieser Hinsicht am einfachsten gebauten unter den von uns berücksich-
tigten Arten. Wenn wir indessen hiervon absehen, so sind wir mit den wichtigsten Modifieationen
bekannt geworden , in welchen nach den vorliegenden Schilderungen zu schliessen — die den
Gegenstand unserer Arbeit bildenden Organe Vorkommen.
Noch grösser möchte auf den ersten Blick die Lücke bei den Acraspeden erscheinen;
allein eine Prüfung der einschlägigen Literatur ergiebt, dass hier eine grosse Einförmigkeit in der
Bildung des Nervensystems und der Sinnesorgane herrscht, dass daher unsere in den wichtigsten
Punkten unter sich übereinstimmenden Beobachtungen an Phacellophora, Pelagia und Aurelia
uns zugleich einen Maassstab für die Beurtheilung der übrigen Acraspeden an die Hand geben.
Besonderheiten scheinen nur bei Nausithoe und bei den Charybdeiden vorhanden zu sein; da
nun die erstere in zahlreichen Exemplaren uns zu Gebote stand, so haben wir nur zu be-
klagen, dass wir die zuweilen im Mittelmeer auftretende Charybdea marsupialis nicht haben
erhalten können.
123
Was schliesslich die Ocellaten anlangt, so ist es uns am wenigsten fühlbar geworden,
dass die Zahl der untersuchten Arten im Yerhältniss zur grossen Menge der bekannten Formen
ausserordentlich spärlich ist. So mannigfaltig im Allgemeinen die Gruppe gestaltet ist, so einfach
verhält sie sich in Bezug auf den Bau des Nervensystems und der Sinnesorgane.
Aus den erörterten Gründen sind wir der Ansicht, dass die beobachteten Arten uns ein
ziemlich erschöpfendes Bild von den Formen geben, in denen das Nervensystem und die Sinnes-
organe, speciell die Ocellen und Gehörorgane, bei den Medusen auftreten.
Bei der anatomischen Untersuchung waren wir einerseits bemüht, den allgemeinen Aufbau
der Organe und ihre Lagebeziehungen zu den umgebenden Theilen festzustellen, andererseits haben
wir überall, wo wir über ein genügendes Material zu verfügen hatten, eine möglichst genaue histo-
logische Analyse angestrebt. Hierbei kam es uns sehr zu Statten, dass wir aus jeder Hauptgruppe
ein oder mehrere günstige Objecte in reichlicher Anzahl erhalten konnten. An diesen haben wir die
histologische Untersuchung bis zur völligen Isolirung der jedesmal das Organ zusammensetzenden
Elementartheile fortgeführt und glauben so zu der Vollständigkeit im Verständniss des Baues gelangt
zu sein, welche man ausgehend von den entsprechenden Organen höherer Thiere verlangen kann.
Auf Grund der erhaltenen Resultate scheint es uns jetzt schon möglich, eine zusammen-
fassende Darstellung vom Nervensystem und den Sinnesorganen der Medusen zu geben, indem wir
die im analytischen Theil gewonnenen Bausteine zu einem einheitlichen Ganzen zusammenfügen.
Bei dieser zusammenfassenden Darstellung werden wir einerseits die morphologischen Beziehungen,
in welchen die in den einzelnen Familien oft so verschiedenartig gestalteten Organe zu einander
stehen, näher zu erörtern haben, andererseits müssen wir uns noch über die functionelle Bedeutung,
welche den Organen zukommt, eingehender aussprechen. Im analytischen Abschnitt haben wir die
Bezeichnungen Nervensystem, Hörbläschen, Ocellen u. s. w. für Theile angewandt, welche den ent-
sprechenden Theilen anderer Thiere keineswegs so ähnlich sind, dass ihre physiologische Gleicli-
werthigkeit so ohne Weiteres als unbestreitbar angesehen werden dürfte. Besonders gilt dies von
den sogenannten Randkörpern, den Hörbläschen und Hörkölbchen, deren Function bis in die Neu-
zeit in sehr verschiedenem Sinne gedeutet worden ist. Wir haben somit noch nachträglich die aus
praktischen Gründen schon im Voraus eingeführten Benennungen zu rechtfertigen. Wie bei den
Einzelschilderungen behandeln wir auch hier das Nervensystem und die Sinnesorgane getrennt und
schicken jedesmal einen geschichtlichen Abriss von dem Entwicklungsgang voraus, den unsere
Kenntnisse vom Bau und von der Function der betreffenden Organsysteme genommen haben.
Die Ergebnisse unserer Beobachtungen haben uns weiterhin zu Reflexionen veranlasst, welche
Uber den engeren Kreis der sich unmittelbar aus den Einzeluntersuchungen ergebenden Folgerungen
hinausgehen und in zwei weiteren Capiteln erörtert werden sollen. — Jede vergleichend anatomische
Bearbeitung eines wichtigen Organsystems innerhalb einer Thiergruppe regt die Frage an: In wie
weit stimmt die zur Zeit gütige systematische Anordnung der Gruppe mit der Anordnung überein,
welche man unter Zugrundelegcn des betreffenden Organsysteras erhalten würde. Kann zwar ein
einzelner Theil der Organisation nie allein maassgebend sein, um die systematische Verwandtschaft
der Thiere festzusetzen, so ist er doch immer ein Prüfstein, in wie weit richtige Eintheilungs-
principien im einzelnen Fall zur Anwendung gekommen sind. Als einen solchen Prüfstein von
hervorragendem Werth für die Bestimmung der Verwandtschaftsbeziehungen zwischen den Familien
und Ordnungen der Medusen betrachten wir den Bau des Nervensystems und der Sinnesorgane.
Zweitens sind die von uns bei den Medusen gewonnenen Resultate geeignet, zu Fragen
nach der Genese des Nervensystems und der Sinnesorgane in der Thierreihe anzuregen. Ist doch
t6*
gerade der Ursprung dieser Organe eines der interessantesten Probleme, welche die histogenetische
Forschung sich stellen kann.
Der synthetische Theil gliedert sich somit in drei Abschnitte; von diesen behandelt der
erste Abschnitt die Morphologie und Physiologie 1. des Nervensystems und 2. der Sinnesorgane,
der zweite die systematische Bedeutung dieser Organe, im dritten Abschnitt werden wir ver-
suchen, eine Theorie von der Genese des Nervensystems und der Sinnesorgane zu geben.
Erster Abschnitt.
1. 3lorpliologie und Physiologie des Nervensystems der Medusen.
Die Frage nach der Existenz eines Nervensystems bei den Medusen ist eine sehr alte; sie
wurde am Ende des vorigen und am Anfang des jetzigen Jahrhunderts, als man die Medusen einer
genaueren anatomischen Prüfung zu unterziehen begann, schon aufgeworfen und ist von da bis in
die Neuzeit einer der zweifelhaftesten Punkte in der Medusenanatomie geblieben. Auf der einen
Seite schien es. ein physiologisches Erforderniss zu sein, ein Nervensystem Thieren zuzusprechen,
die eine so beträchtliche Vollendung in ihren animalen Leistungen erkennen lassen und sich zum
Theil wenigstens durch eine grosse Reizbarkeit und Präcision in ihren Bewegungen auszeichnen;
auf der anderen Seite suchte die anatomische Forschung vergeblich nach Theilen, die dem Nerven-
system anderer Thiere verglichen werden konnten, oder sie war, wenn sie sich einen weiteren Spiel-
raum in der Deutung gestattete und einzelne nicht gerade einem Nervensystem ähnliche Bildungen
für nervös erklärte, um Gründe verlegen, diese Auffassung zu stützen. Das hervorgehobene Ver-
hältniss ist nicht ohne Einfluss auf den geschichtlichen Entwicklungsgang unserer Kenntnisse vom
Nervensystem der Medusen geblieben. Die Forscher, welche bei der anatomischen Beurtheilung den
physiologischen Gesichtspunkten in ausgedehnterem Maasse Rechnung trugen, beruhigten sich bei
der Deutung einzelner Körpertheile als Ganglien oder Nervenstränge leichter als andere, die einen
kritischen Standpunkt einnahmen und nur von der anatomischen Beschaffenheit der Theile ausgingen.
Da nun die meisten Angaben über ein Nervensystem der Medusen anatomisch ungenügend begründet
sind und sich mehr oder minder auf das an und für sich berechtigte Bestreben, ein Nervensystem
zu finden, zurückführen lassen, so wird das Schwanken der Ansichten verständlich, welches lange
Zeit auf diesem Gebiet geherrscht hat.
Wenn auch schon Petrus Forskal (30) im Jahre 1775 bei einer Pelagia rothe Streifen,
welche von der Spitze der Scheibe nach dem Rande verlaufen sollten, als Nerven deutete, so über-
wog doch am Ausgang des 18. und während der ersten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts die An-
sicht, dass die Medusen Organismen ohne Nerven seien. So hoben Chamisso und Eysenitardt (16) in
ihrer Charakteristik der Medusen hervor: corpus gelatinosum etc. nervis destitutum. Rosentiial (76),
der anfänglich selbst glaubte, einen Nervenring mit Radialnerven beobachtet zu haben, entschied
sich schliesslich gegen die Existenz eines solchen, und auch Oken (73) sprach sich in seiner Natur-
geschichte dahin aus, dass Nichts von Nerven vorhanden sei.
Es ist bezeichnend, dass der erste, welcher mit Bestimmtheit den Medusen ein Nervensystem
zuschrieb, Ehrenberg (24) ist, der Erfinder des „ihm eigenen Princips überall gleich vollendeter
Entwicklung“. Derselbe schilderte bei Aiuelia aurita zahlreiche Ganglienknoten, zu denen auch die
125
Anschwellungen der Sinneskörper gehören, und leitete hiermit, wenn schon seine Darstellung viel-
fach auf Widerspruch stiess und namentlich von Milne Edwards (57) auf das lebhafteste bestritten
wurde, eine Periode der Forschung ein, in der die Ueberzeugung von der Anwesenheit eines Nerven-
systems bei den Medusen zu immer allgemeinerer Geltung gelangte. Die erste Zeit über wurden
sehr heterogene Gebilde als Tlieile eines Nervensystems in Anspruch genommen; so hielt Kölliker (50)
den Radialmuskel der Geryonia für nervös und v. Bene den (10) erklärte die Geschlechtsorgane von
Obelia für Ganglien, eine Annahme, die jedoch sehr bald durch Desor (21) und Krohn (54) wider-
legt wurde. Später richtete sich die Aufmerksamkeit mehr auf den Schirmrand als denjenigen Theil
des Medusenkörpers, der sich experimentell als der empfindlichste auswies und ausserdem durch die
Anwesenheit der Sinnesorgane sich auszeichnete. Wenn wir von Mc. Crady (62) absehen, der noch
einen Theil des Ringkanals als Nerven deutete, so ist es bei den Craspedoten wenigstens fortan
nur ein bestimmter Zellstrang, über dessen nervöse oder nicht nervöse Natur die Ansichten der
Forscher auseinandergingen. Derselbe liegt nach aussen vom Ringkanal und bildet einen am Schirm-
rand verlaufenden Wulst, der auch von uns bei einigen Arten g’anz, bei anderen wenigstens zum
Theil dem Nervensystem zugerechnet wird.
Der fragliche Zellstrang wurde zum ersten Mal von L. Agassiz (3) bei einigen Ocellaten
(Hippocrene und Sarsia) und Vesiculaten (Tiaropsis) beobachtet und als Ringnerv bezeichnet. Später
wurden die Angaben von Agassiz von verschiedenen Seiten, so von Leuckart (59), TIensen (4 1 ) und
Semper (80) bestätigt, während andererseits Claus (18) und Allman (6) sich gegen sie erklärten;
einen sehr entschiedenen Vertreter fanden sie in Fritz Müller (67 — 71), der bei Cuninen, Geryo-
niden und Charybdeiden den Ringnerv als einen Strang mit gangliösen Anschwellungen an der
Basis der Sinnesorgane beschrieb.
Unter den genannten Autoren spricht nur Leuckart von einer fibrillären Beschaffenheit des
sogenannten Ringnerven, alle übrigen dagegen wurden bei ihrer Deutung allein durch einige äusser-
liche Aehnlichkeiten bestimmt, welche der Zellstrang mit der Ganglienkette der Wirbellosen besitzt;
es fehlte somit an einer histologischen Begründung der Auffassung; namentlich war der Nachweis
von Nervenfasern und Ganglienzellen nicht beigebracht. Wir müssen es daher als einen wichtigen
Fortschritt ansehen, dass Haeckel (37) bei den Geryoniden in dem Randwulst einen faserigen Strang
nachwies und in demselben Nervenfasern und Ganglienzellen unterschied. Ferner ist von Bedeutung,
dass Haeckel im Zusammenhang mit dem Nervenring die an das Hörbläschen herantretenden Nerven-
stämme beobachtete. Dieser Darstellung pflichteten später Claus (19) und Allman (7) bei, wenn
auch letzterer sich der Uebertragung der Beobachtungen auf andere Medusen, wie z. B. auf die von
ihm untersuchten Eucopiden, widersetzte; sie wurde ferner von Harting (40) und F. E. Schulze (79)
bestätigt; namentlich schilderte letzterer von Syncoryne Sarsii nach aussen vom Ringkanal einen
feinfaserigen Strang mit ovalen eingestreuten Kernen, den er nur für einen Nervenring glaubt
halten zu können.
Schliesslich ist in der Neuzeit noch von Eimer (25) und Romanes (75) der Versuch gemacht
worden, die Frage nach der Existenz eines Nervensystems auf experimentellem Wege zu lösen;
ersterer untersuchte die Äcraspeden, letzterer dehnte ausserdem seine Beobachtungen auf die Cras-
pedoten aus; beide kamen zu dem Resultat, dass die Bewegungserscheinungen nur durch ein
bei Äcraspeden und Craspedoten in verschiedener Weise am Schirmrand localisirtes Nervensystem
zu erklären seien.
Fassen wir zum Schluss das Resultat, zu dem die Untersuchungen unserer Vorgänger geführt
haben, kurz zusammen, so können wir uns dahin aussprechen, dass nach den histologischen Unter-
126
suchungen Haeckel’s und den Experimenten von Eimer und Romanes die Existenz eines Nerven-
systems in hohem Grad wahrscheinlich geworden war. Dagegen fehlten genauere Angaben über
die Beschaffenheit und die Anordnung der nervösen Bestandteile , eine Lücke, die wir durch An-
wendung vervollkommneter Methoden nun glauben ausgefüllt zu haben. —
Bei einem Ueberblick über die von uns gewonnenen Resultate fällt sofort der fundamentale
Unterschied auf, der im Bau des Nervensystems zwischen allen Craspedoten einerseits und
allen Acraspeden andererseits obwaltet. Dieser Unterschied ist so durchgreifend, dass eine einheit-
liche Betrachtung beider Gruppen überhaupt nicht möglich ist, dass wir beide getrennt besprechen
müssen, wobei wir mit den Craspedoten beginnen.
Das Nervensystem der Craspedoten besteht stets aus einem centralen und einem
peripheren Abschnitt; ersterer hat sich am Rand der Schwimmglocke localisirt und bildet hier den
Nervenring, der durch den Ursprung des Velum in zwei Portionen, den oberen und den unteren
Nervenring, geschieden wird.
Der obere Nervenring ist bei vielen Vesiculaten und Ocellaten am ausgesprochensten
ist das Verhalten bei Aequorea Forskalea — in einer Hachen Schicht ausgebreitet, die sich nur da,
wo sie auf der Stützlamelle des Velum' liegt, etwas wulstartig verdickt. Der Nervenring setzt sich
daher bei den betreffenden Medusen nur undeutlich gegen die Umgebung ab, was uns zu der An-
nahme berechtigt, dass wir es hier mit einem niederen Grad der Ausbildung zu thun haben. Bei
anderen Vesiculaten drängen sich die Nervenfasern am Ursprung des Velum zusammen, wodurch
eine grössere Concentration des Organs bedingt wird. Noch in höherem Maass ist dies bei den
Trachymedusen der Fall, bei denen der obere Nervenring ein ansehnlicher gegen das Epithel des
Velum und des Schirms scharf abgegrenzter Wulst ist; bei den Gcryoniden und Trachynemiden
wird dieser Wulst noch durch ein eigenthümlich modificirtes Nesselgewebe beträchtlich verstärkt.
Bei allen Craspedoten liegt der obere Nervenring durchaus im Ektoderm; er wird sowohl
von der Gallerte, die wir als Vorläufer eines zelligen Mesoderms zu betrachten haben, als auch von
dem Entoderm des Ringkanals durch eine Stützmembran getrennt, die histologisch den als Basement-
raembranes bezeichneten Bildungen anderer Thiere verglichen werden kann. Der Hauptmasse nach
wird er von Fibrillen gebildet, die sich durch ihre ganz ausserordentliche Feinheit auszeichnen;
zwischen den Eibrillen linden sich verhältnissmässig spärlich eingestreute Ganglienzellen mit meist
zwei, selten zahlreicheren Ausläufern, die den Fibrillen an Feinheit nicht nachstehen, im Verlauf sich
denselben beimengen und dann nicht weiter verfolgt werden können. Das den Nervenstrang über-
ziehende Epithel verbindet sich mit diesem aufs innigste und unterscheidet sich in auffälliger Weise
vom Plattenepithel der Umgebung. Seine Zellen besitzen einen langgestreckten cylindrischen oder
fadenförmigen Körper, der am peripheren Ende ein zartes Haar trägt, am centralen Ende in feine
Ausläufer sich verlängert. Die Ausläufer zeigen wie die der Ganglienzellen durchaus die Charaktere
der Nervenfibrillen , lassen sich auf weite Strecken isoliren und treten in natürlicher Lagerung in
den Faserverlauf des Nervenrings über. Am leichtesten sind diese Verhältnisse bei Carmarina fest-
zustellen; zugleich gelang es uns bei dieser Meduse noch zwei weitere Elemente im Nervenring
nachzuweisen: Stützzellen und eigenthiimliche Zeitformen, welche einen Uebergang zwischen den
Ganglien- und Epithelzellen vermitteln. Die ersteren sind lange cylindrische Gebilde, die mit ihrem
freien Ende bis zur Oberfläche des Epithels reichen, nach der Basis zu sich vielfach zerfasern und
so sich an die Stützlamelle inseriren. Die zweite Zellform verlangt eine genauere Besprechung.
Unter den Epithelzellen fallen stets einige durch die Grösse ihres Körpers und die Masse der von
demselben entspringenden Fortsätze auf; sie liegen aussergewöhnlich tief unter der Oberfläche und
erreichen letztere nur mittelst eines langen Fortsatzes, der an seinem freien Ende ein Haar trägt.
Bei anderen Zellen ist der periphere Fortsatz kleiner und hört zugespitzt auf, ohne an der Bildung
der Oberfläche sich zu betheiligen. Wir haben jetzt eine Ganglienzelle, welche sich nach dem
Epithel zu in eine Spitze auszieht und den gewöhnlichen Ganglienzellen um so ähnlicher wird, je
mehr die kleine Spitze sich zurückbildet. Diese Beobachtungen machen es uns wahrscheinlich, dass
continuirlich Zellen aus dem Epithel ausscheiden und zu Ganglienzellen werden. Dasselbe wird
wohl auch von den übrigen Craspedoten gelten, da bei ihnen die gleichen Beziehungen zwischen
dem Epithel und dem Faserstrang des Nervenrings vorliegen. Wir werden durch diese Beobach-
tungen sowie durch theoretische Erwägungen zu der Annahme geführt, dass der obere Nervenring
ursprünglich nur von den Ausläufern der Epithelzellen hergestellt wurde, und dass erst später, als
diese in die Tiefe rückten und ihren peripheren Fortsatz mit dem Geisselhaar verloren, Ganglien-
zellen sich entwickelten.
Unterhalb des oberen liegt der untere Nervenring, eingeschaltet zwischen die Musculatur
des Velum und der Subumbrella, inmitten eines breiten Saums, in welchem Muskelfasern vollkommen
fehlen. Hier bildet er eine dünne aber breite Schicht, die ebenfalls dem Ektoderm angehört und
daher von der Gallerte und dem Ringkanal durch eine derbe Stützlamelle getrennt wird. Er besteht
aus denselben Elementen wie der obere Nervenring, aus Nervenfasern und Ganglienzellen; beiderlei
Bestandtlieile besitzen aber eine so wesentlich verschiedene Beschaffenheit, dass man einem isolirten
Bündel sofort ansehen kann, aus welchem Theil es stammt. Im unteren Nervenring sind nämlich
zahlreiche Nervenfasern von ganz bedeutender Dicke, so dass sie in einem auffälligen Gegensatz
zu den, man könnte fast sagen, unmessbar feinen Fibrillen des oberen Nervenrings stehen. Ein
zweites unterscheidendes Merkmal ist durch den überraschenden Reichtlmm an Ganglienzellen ge-
geben, der sich schon bei oberflächlicher Betrachtung bemerkbar macht. Zugleich sind die Ganglien-
zellen von einer eigenthümlichen Gestalt, indem ihr Körper höckerartig in das bedeckende Epithel
hinein vorspringt.
Von der angrenzenden Subumbrella wird der untere Nervenring durch eine schmale Zone
getrennt, in welcher sich isolirte Züge von Nervenfasern und einzelne multipolare Ganglienzellen
finden. Diese schicken sehr zahlreiche Ausläufer zum Theil in die Subumbrella, zum Theil in den
unteren Nervenring hinein und vermitteln so den Zusammenhang zwischen dem letzteren und einem
der Subumbrella ungehörigen Plexus, der als Theil des peripheren Nervensystems sogleich besprochen
werden soll.
Die geschilderten Elemente werden nach aussen von platten Epithelzellen bedeckt, welche
die Ganglienzellen mit zahlreichen Fortsätzen umhüllen, wie die Pigmentzellen der Retina die
Stäbchen und Zapfen. Zwischen ihnen sind nur spärliche Sinneszellen eingestreut, welche den-
selben Charakter besitzen wie die Sinneszellen des oberen Nervenrings, sie sind verhältnissmässig
kleine Körper mit nervösen Fortsätzen und einem Sinneshaar.
Wenn wir das Gesagte überblicken, so nimmt ohne Zweifel der untere Nervenring einen
höheren Grad der Ausbildung ein als der obere. Für diese Annahme sprechen besonders zwei
Momente, 1. die grosse Mannigfaltigkeit der Nervenfasern und Ganglienzellen, 2. das Verhalten des
Epithels. In letzterer Hinsicht halten wir cs für wichtig, dass die Verbindung mit dem Epithel nahezu
völlig gelöst ist. Der Nervenring hat sich gleichsam von seinem Mutterboden abgetrennt und bildet
nunmehr eine selbstständige Lage unter dem Epithel. Freilich ist hiermit noch keine Ausscheidung
aus dem Ektoderm erfolgt; es würde dies die nächst höhere Stufe der Differenzirung des Nerven-
systems sein, die aber von keiner Meduse erreicht wird.
128
Die beiden Tlieile des Nerven rings werden von einander durch eine meist feine Membran
getrennt. Dieselbe ist nichts als ein Theil der Stützlamelle des Velum, die unmittelbar am Sehirm-
rand sich ausserordentlich verdünnt. Bei Carmarina haben wir Züge von Nervenfasern die Mem-
bran durchbohren und so eine Verbindung vom oberen und unteren Nervenring vermitteln sehen.
Es kann wohl kaum zweifelhaft erscheinen, dass derartige Verbindungen auch bei den übrigen
Medusen verbreitet sind.
Von derselben einfachen Beschaffenheit, wie der eben besprochene Nervenring, ist auch das
periphere Nervensystem der Craspedoten; gleichfalls im Ektoderm zwischen dem Epithel
und der Basalmembran gelegen, lässt es keine gesonderten Nervenstämme erkennen, sondern tritt
uns als ein Plexus von Nervenfasern und Ganglienzellen entgegen. Ein solcher konnte bei allen
Medusen in der Subumbrella und bei einigen ausserdem noch in den Tentakeln nachgewiesen wer-
den. In beiden Fällen schiebt er sich zwischen die Muskelfibrillenlage und die Epithelzellenschicht
ein und ist am besten an der Subumbrella zu studiren, wo er von schönen, gleichmässig verteilten
multipolaren Ganglienzellen gebildet wird. Die Ausläufer benachbarter Ganglienzellen verschmelzen
mit einander oder legen sich in ihrem Verlauf zu kleinen Nervenziigen von zwei bis drei Fäserchen
an einander; am Schirmrand vereinigen sie sich mit den Elementen des Nervenrings.
Während ein Theil der Fibrillen des Nervenplexus die Verbindung zwischen den Ganglien-
zellen, ein anderer Theil die Verbindung mit dem Nervenring herstellt, hängen weitere Fibrillen
wahrscheinlich mit den Epithelzellen ihres Verbreitungsbezirks zusammen. Innerhalb der Subum-
brella sind letztere ausschliesslich Zellen, welche Muskelfasern an ihrer Basis ausgeschieden haben
und von Kleinenberg (49) als Neuromuskelzellen bezeichnet wurden; an den Tentakeln gesellen
sich zu den Neuromuskelzellen noch Sinneszellen hinzu, deren Anwesenheit bei einigen Medusen
von uns durch directe Beobachtung festgestellt worden ist und wegen der Beschaffenheit des Epithels
auch bei den übrigen nicht zweifelhaft sein kann.
Wie verhalten sich nun in Bezug auf die Verbreitung des Nervensystems die übrigen Tlieile
des Medusenkörpers, die obere Schirmfiäehe lind das Velum? — Auf der Convexität des Schirms
haben wir nur platte Epithelzellen und spärliche Nesselzellen gefunden, dagegen jegliche nervösen
Bestandtheile vermisst, ein Verhalten, das mit der Unempfindlichkeit der betreffenden Körperober-
fläche in Uebereinstimmung steht. Sinneszellen uml Nervenfäserchen finden sich nur in den Mantel-
spangen und Nesselstreifen der Trachymedusen, Bildungen, die auf den marginalen Theil des Schirms
beschränkt sind.
Was das Velum anlangt, so sind unsere Untersuchungen zu keinem bestimmten Abschluss
gekommen. Ein Plexus wie in der Subumbrella ist jedenfalls nicht vorhanden, da er uns wohl
kaum hätte verborgen bleiben können, wo wir mehrfach nach ihm gesucht haben; entweder fehlen
Ganglienzellen überhaupt oder sie sind nur spärlich entwickelt. Wie wir bei nochmaliger Prüfung
der Frage neuerdings bei Trachynema und andeutungsweise auch bei Cuninen gesehen haben, ver-
laufen hier feine Fäserchen, die vielleicht nervöser Natur sind, unter dem Epithel auf der unteren
Seite des Velum in radialer Richtung vom Nervenring nach dem freien Rande hin. Da dieselben
keine Kerne enthalten, so spricht diese Beobachtung für die Ansicht, dass die Nervenfibrillen für
die Museulatur des Velum direct von Ganglienzellen des Nervenrings abstammen. Sollte sich diese
Ansicht bestätigen, so würde das Velum in einem auffälligen Contrast zur Subumbrella stehen.
Trotz der einfachen Beschaffenheit des peripheren Nervensystems der Medusen sind bei einigen
Arten die Ansätze zu einer höheren Differenzirung nicht zu verkennen. Bei Carmarina, die unter
allen Medusen wohl in morphologischer wie physiologischer Hinsicht am entwickeltsten ist, drängen
129
sich zahlreiche Fibrillen und Ganglienzellen an den Rändern der blattförmigen Geschlechtsorgane
und theilweise auch an den Rändern der Centripetalkanäle zusammen, so dass hier Bildungen ent-
stehen, die, wenn sie auch nicht scharf umgrenzt sind, immerhin schon als Nervenstämme bezeichnet
werden können. Noch in einer anderen Weise kommt es zur Bildung von Nervenstämmen , indem
Organe, die dem Nervenring anfänglich aufsassen und direct von demselben versorgt wurden, sich
von ihrem ursprünglichen Orte entfernen, was dann zur Folge hat, dass die zugehörigen Nerven-
fasern zu einem gemeinsamen Bündel ausgezogen werden. Auf diese Art entstehen namentlich die
beiden Stämmchen, welche an das Gehörkölbchen der Geryoniden treten, sowie die Faserzüge, welche
bei den Aeginiden in den Radialfurchen nach den Basen der Tentakeln verlaufen. Mit diesen wenigen
Beispielen sind indessen schon die Fälle erschöpft, in denen wir periphere Nervenstämmchen bei
den Craspedoten beobachtet haben, im Uebrigen findet sich nur die gleichmässige Ausbreitung der
Nervenfibrillen in Form von Geflechten, wie sie bisher bei keinem anderen Thierstamm aufgefunden
worden sind.
Bei der zweiten Grundform des Nervensystems, welche den Acraspeden eigen-
thümlich ist, wird der centrale Theil von einer Anzahl getrennter Abschnitte gebildet, die unter-
einander durch keine Commissuren Zusammenhängen. Die einzelnen Nervencentren sind wie der
Nervenring der Craspedoten am Schirmrand entwickelt und nehmen hier die Basis der Sinneskörper
ein, die in den Einkerbungen des Schirmrandes zwischen zwei Sinneslappen liegen und meist zu 8,
seltener zu 12 oder gar wie bei Phacellophora zu 16 Vorkommen. Sie sind Ektodermverdickungen,
welche entweder die Basen der Sinneskörper rings umgreifen (bei der Mehrzahl der Acraspeden)
oder nur die ventrale Seite derselben bedecken (bei Nausithoe). Histologisch betrachtet bestehen
sie aus Sinneszellen und einer dicken Schicht feinster Nervenfibrillen, die sieh zwischen jene und
die Basalmembran einschiebt, dagegen scheinen Ganglienzellen wenigstens bei den von uns unter-
suchten Arten vollständig zu fehlen, so dass sich die Nervenfaserschicht nur aus den Ausläufern
der Epithelzellen zusammen setzen würde.
Ueber das periphere Nervensystem der Acraspeden haben wir keine Beobachtungen gesam-
melt, zweifeln aber nicht, dass hier ähnliche Verhältnisse wie bei den Craspedoten wiederkehren.
In der Tliat hat auch neuerdings Claus (20) zahlreiche Ganglienzellen in der Submnbrella von
Chrysaora entdeckt.
Wenn wir nunmehr das Nervensystem der Acraspeden mit dem der Craspedoten vergleichen,
so gelangen wir im Gegensatz zu der herrschenden Auffassungsweise zu dem Resultat, dass das
erstere eine viel niedere Entwicklungsstufe einnimmt, als das letztere; es lässt sich diese Ansicht
nach jeder Richtung hin vertheidigen. Histologisch zeigt das Nervensystem eine primitivere Be-
schaffenheit, insofern in seinem centralen Theil keine oder nur sehr spärliche Ganglienzellen Vor-
kommen; ferner ist seine Masse eine geringere, da die 8 — 16 Nervenknoten, welche in den Ein-
schnitten des Mantelrandes liegen, zusammengenommen ausserordentlich viel weniger Nervenfasern
enthalten als der Nervenring der Craspedoten. Endlich ist auch die Centralisation eine unvoll-
kommenere, wie daraus hervorgeht, dass das Centralorgan aus einer grösseren Anzahl (8 — 16)
von Einzelorganen gebildet wird.
Was die genetischen Beziehungen der beiden Formen des Nervensystems zu einander anlangt,
so ist es im höchsten Grade unwahrscheinlich, dass sich die eine aus der anderen durch Umbildung
entwickelt hat; vielmehr sind wir der Meinung, dass beide aus einer gemeinsamen indifferenten
Grundform entstanden sind. Hierbei ist es keineswegs nöthig, dass diese Grundform sich bei einer
niedrig organisirten Meduse vorgefunden habe. In der Neuzeit ist es wohl allgemein als sicher
Hertwig, Medusen. 17
130
anerkannt, dass die Medusen umgewandelte , an eine pelagische Lebensweise angepasste Polypen
darstellen und dass die Grundzüge ihrer Organisation schon bei diesen vorgebildet sind. So Hesse
sich denn auch das Nervensystem der beiden Medusenahtheilungen aus einer primitiven Form des
Nervensystems hei den Hydroiden ahleiten. Da der Schirmrand der Medusen, wie wir sogleich
noch näher begründen werden, dem Tentakeln tragenden Saum des Hydroidenperistoms entspricht,
so würden wir in der anatomischen Beschaffenheit dieses Körpertheils den Ausgangspunkt zu suchen
haben, und würde daher die Frage zu beantworten sein, ob sich schon bei den Polypen eine An-
häufung nervöser Elemente am Rand des Peristoms nachweisen lässt.
Die Beantwortung der aufgeworfenen Frage würde noch aus einem zweiten Grund von
Interesse sein, da sie wahrscheinlich eine auffallende Eigenthümlichkeit im Bau des Nervenrings
der Craspedoten erklären würde. Wie wir gesehen haben, wird derselbe durch die Stützlamelle
des Velum in eine obere und untere Portion geschieden; thatsächlich sind somit zwei Nervenringe,
zwei Centralorgane vorhanden, die zwei verschiedenen Körperseiten angehören und nur äusserlicli
durch Aneinanderlagerung zu einem Ganzen vereinigt erscheinen. Dies kann wohl schwerlich ein
ursprüngliches Yerhältniss s6in, vielmehr müssen wir nach Analogie mit anderen Thieren es zunächst
für wahrscheinlich halten, dass das Centralnervensystem anfangs nur aus einer Anlage bestand,
die erst später in zwei zerfallen ist. Es sind nun zwei Möglichkeiten gegeben, wie ein solcher
Zerfall hätte eintreten können. Einmal wäre es denkbar, dass der Nervenring nur auf einer Seite
der Stützlamelle und zwar auf der oberen Seite vorhanden war, und dass der untere Tlieil sich
abgeschnürt hat. Dem widerspricht jedoch die Beschaffenheit des unteren Nervenrings, namentlich
der Umstand, dass derselbe mit Sinneszellen und sogar mit specifischen Sinnesorganen, wie den Hür-
bläsclien der Vesieulaten, in Verbindung steht, was auf eine Genese aus dem Epithel der unteren
Seite deutet. Zweitens wäre es möglich, dass die Anlage des Nervenrings älter ist als das Velum,
und dass die Thcilung des ersteren erst durch das Hervorsprossen des letzteren herbeigeführt wurde.
Eine derartige Annahme geht von der Voraussetzung aus, dass das Velum eine Neubildung ist,
die von der Medusengeneration durch Anpassung an eine schwimmende Lebensweise erworben
wurde, mit anderen Worten, dass der Schirmrand der Medusen dem Peristomrand der Hydroiden
entspricht. Dies letztere lässt sich in der That beweisen; denn in beiden Fällen tragen die ge-
nannten Ränder die Tentakeln, und was noch wichtiger ist, sie bezeichnen die Grenze, bis zu
welcher das Gastro vascularsvstem reicht. Wie wir an einem anderen Orte zeigen werden, lässt
sich das Gastrovascularsystem der Medusen aus dem der Hydroiden dadurch ableiten, dass der
einheitliche grosse Magenraum der letzteren eine theilweise Rückbildung erfahren hat. Bei der-
selben blieben nur ein central gelegener Theil, der Magen der Meduse, ein peripherer Abschnitt,
der Ringkanal, und Communicationen zwischen diesen beiden, die Radialkanäle, erhalten. Inner-
halb des Rahmens, der von dem Ringkanal, den Radialkanälen und dem Magen gebildet wird,
führte die starke Entwicklung der Gallerte zu einer Verödung des Hohlraums, so dass hier nur
Spuren der früheren Existenz des Gastrovascularsystems in einer dünnen Schicht von Entoderm-
zellen erhalten sind, die meist unmittelbar auf der Stützlamelle der Subumbrella liegt. — Dieser
Auseinandersetzung zu Folge würde die ganze Peristomscheibe der unteren Schirmfläche der Medusen,
der Peristomrand "dem Schirmrand zu vergleichen sein und ferner das Velum eine Neubildung dar-
stellen, die sich wahrscheinlich erst entwickelte, als bereits eine wenn auch noch so unvollkommene
Localisation des Nervensystems erfolgt war.
Wir kommen nunmehr zur Beantwortung der Frage: Mit welchem Recht können wir
die geschilderten Theile der Medusen dem Nervensystem zurechnen? — Gleich zu
Anfang* müssen wir hier hervorheben, dass das Nervensystem hei den Medusen eine wesentlich
andere Beschaffenheit als hei den übrigen Tliieren besitzt. Von den Würmern an aufwärts können
wir in allen Stämmen des Thierreichs ein scharf gesondertes centrales und peripheres Nervensystem
unterscheiden. Mag das erstere nun wie hei den niederen Würmern allein aus einem oberen Schlund-
ganglion, oder wie hei den Gliederwürmern, Mollusken und Arthropoden aus einer Ganglienkette,
oder endlich wie hei den Wirbelthieren aus einem Medullarrohr bestehen, stets ist es ein einheit-
liches Organ, das sich gegen die Umgehung deutlich abgrenzt und von derselben sogar meist durch
besondere Umhüllungen getrennt wird. Ebenso sind auch die peripheren Nerven Stämme, die sich bei
genügender Grösse mit dem Messer als scharf umschriebene Theile aus den anliegenden Geweben
herausschälen lassen.
Von Alledem müssen wir bei dem Nervensystem der Medusen absehen. Zwar haben wir
an demselben ebenfalls einen centralen und einen peripheren Abschnitt nachgewiesen, allein beide
gehen unmittelbar in einander über, so dass man nirgends angeben kann, wo der eine aufhört und
der andere beginnt. Ferner können wir auch das Centralnervensystem nicht als ein distinctes
Organ ansehen, da die Faserschicht, welche den Nervenring der Craspedoten, sowie die einzelnen
Nervencentren der Acraspeden bildet, nur von dem Entoderm und der Gallerte durch eine Membran
geschieden wird, dagegen seitlich sowie gegen das darüber liegende Epithel keine scharfe Ab-
grenzung erkennen lässt. In dem peripheren Nervensystem fehlen besondere Nervenstämme mit
Ausnahme der Sinnesnerven der Geryoniden und der Radialstränge der Aeginiden vollkommen. Wir
gelangen somit zu dem Resultat, dass wir in der gesammten Verbreitungsweise und der Anordnung
des Nervensystems der Medusen Nichts entdecken können, was die angewandte Bezeichnung recht-
fertigen würde. Dies ist nur möglich 1. durch eine genaue Analyse des feineren Baues
und 2. durch das physiologische Experiment.
Wenn wir bei histologischen Untersuchungen Theile für Nerven und Ganglienzellen erklären,
so lassen wir uns meist von den Formen und dem mikrochemischen Verhalten der Elemente leiten;
ist dies Verfahren in den meisten Fällen auch ausreichend und vielfach sogar das einzig mögliche,
so gewinnt doch unser Urtheil wesentlich an Sicherheit, wenn wir weiter zeigen, dass die Elemente
mit den beiden Polen des Nervensystems, mit Sinnes- und Muskelzellen, in Verbindung stehen.
Beide Wege der histologischen Beweisführung sollen daher hier betreten werden.
Im Nervensystem der Medusen treffen wir zweierlei Bestandtbeile an: Fibrillen und Zellen
mit Ausläufern. Erstere besitzen eine sehr wechselnde Stärke und variiren von feinsten Fädcken
bis zu starken Fasern; ihr Aussehen und ihr Verhalten gegenüber Reagentien, besonders ihr Ver-
halten gegen Essigsäure, lässt erkennen, dass sie aus einer weichen, dem Protoplasma ähnlichen
Substanz bestellen. Alle diese Eigenschaften verbieten es uns, in ihnen Bindegewebsfibrillen zu
erblicken, wie denn eine solche Deutung schon durch die Lagerung im Ektoderm sehr unwahr-
scheinlich gemacht wird.
Ebenso wird der Gedanke an Muskelfasern ausgeschlossen, wenn wir die Beschaffenheit,
welche dieselben bei den Medusen besitzen, vergleichen. Wir kennen von den Medusen glatte und
quergestreifte Muskelfasern, von welchen selbstverständlich hier nur die ersteren in Frage kommen
könnten; indessen auch diese sind so gut charakterisirt, dass an eine Verwechselung nicht gedacht
werden kann. Sie sind stets von nahezu gleichmässiger Stärke und besonders im frischen Zustand
viel schärfer contourirt als die Nervenfasern.
Während sich somit die Fibrillen sowohl von Muskeln als auch von Bindegewebsfasern
mit Sicherheit unterscheiden lassen, stimmen sie in ihrem gesammten Verhalten mit den Nerven-
132
fädchen überein, wie sie bei den Wirbelthieren in dem Centralnervensystem und in manchen Sinnes-
epitlielien, wie z. B. in der Retina, Vorkommen, so dass ihre nervöse Natur wohl kaum bezweifelt
werden kann.
Die zeitigen Elemente im Nervensystem der Medusen zeichnen sich stets durch zwei oder
mehrere feine, an guten Isolationspräparaten auf weite Strecken hin isolirbare Fortsätze aus; sie
sehen den Ganglienzellen, welche wir von den Wirbelthieren und vielen Wirbellosen her kennen
und als Typen der Nervenzelle zu betrachten gewohnt sind, nicht gerade besonders ähnlich;
namentlich vermissen wir an ihnen den protoplasmareichen Zellkörper und den grossen Kern mit
seinem charakteristischen Kernkörperchen. Indessen diess sind alles Eigenthümlichkeiten , welche
zwar sehr in die Augen fallen, im Uebrigen aber nur von untergeordneter Bedeutung sind und
auf eine höhere Differenzirung des Nervensystems zurückgeführt werden können. Viel wichtiger
für die Charakteristik der Ganglienzelle ist die Anwesenheit von Ausläufern, welche die Beschaffen-
heit von Nervenfasern besitzen; solche Ausläufer finden sich sowohl bei den Zellen des peripheren
als auch des centralen Theils des Nervensystems vor. Ueberhaupt könnte allein eine Verwechselung
mit sternförmigen Bindegewebskörperchen in Betracht kommen; dieselbe ist aber im vorliegenden
Falle kaum zu befürchten, da die Zellen in keiner Grundsubstanz, sondern im Epithel liegen. Auch
möchten Bindegewebszellen mit derartig langen, gleichmässig starken Ausläufern, wie wir sie
aus dem unteren Nervenring isolirt haben, wohl schwerlich je beobachtet worden sein.
Die erörterten Bestandteile des Nervensystems stehen zweifellos mit specifischen Endorganen
im Zusammenhang; besonders ist dies von uns für die Sinnesorgane mit aller Sicherheit nach-
gewiesen worden. Da wir auf diesen Punkt noch einmal bei der allgemeinen Besprechung der
letzteren zuriickkommen werden, so sei hier nur kurz hervorgehoben, dass wir einerseits eine Ver-
bindung mit specifischen Hör- und Sehzellen, andererseits mit indifferenten Sinneszellen, wie sie
in Form eines flimmernden Cylinderepithels den Nervenring bedecken, beobachtet haben. Weniger
erfolgreich sind unsere Bemühungen gewesen, die Endigungsweise der Nerven in der Musculatur
durch directe Beobachtung festzustellen, da wir die feinen Fäserchen zwar zwischen die als Muskel-
körperchen fungirenden Epithelzellen und die Muskelfibrillen eintreten sahen, aber nicht bis zu
ihrem Ende verfolgen konnten. Wer jedoch mit dem heutigen Standpunkt der Frage nach der
Nervenendigung im Muskel vertraut ist, wird uns zugeben müssen, dass auch bei den höheren
Thieren dieselbe keineswegs gelöst ist; auch hier wissen wir nur, dass die terminalen Fädchen der
Muskelnerven innerhalb des Sarkolemms in der Muskelsubstanz sich verbreiten , ohne dass bisher
Beziehungen zu den beiden Theilen des Muskels, zu den contractilen Fibrillen oder zu den Muskel-
körperchen, sicher erkannt worden wären.
Wenn schon der histologische Bau der dem Nervensystem zugerechneten Theile kaum eine
andere als die von uns gegebene Deutung zulässt, so wird dieselbe durch das physiologische
Experiment ausser allen Zweifel gestellt. Wir selbst haben freilich keine Versuche ausgeführt,
da unsere Zeit durch die Erforschung der morphologischen Verhältnisse zu sehr in Anspruch
genommen war. Dagegen haben Eimer und Romanes auf experimentellem Wege die Anwesenheit
eines Nervensystems nachgewiesen. Wir lernten die Arbeiten der genannten Forscher erst nach
Abschluss unserer Beobachtungen kennen und waren ganz überrascht, wie sehr die Beschaffenheit
des Nervensystems, die wir auf anatomischem Wege ermittelt hatten, mit der allgemeinen Vorstellung
zusammenfällt, die Romanes sich auf Grund seiner Experimente vom Bau des Nervensystems der
Medusen glaubte machen zu müssen. Der Wichtigkeit des Gegenstandes halber gehen wir aus-
führlicher auf den Inhalt der betreffenden (75 und 25) Arbeiten ein.
133
Die craspedoten Medusen liat nur Romanes untersucht; unter den zahlreichen Arten, die
ihm zur Verfügung" standen und ausnahmslos den von Hydroiden aufgeammten Medusen, den Vesi-
culaten und Ocellaten angehörten, hat er sich besonders eingehend mit Sarsia tubulosa beschäftigt.
Wenn er bei dieser sehr beweglichen Oeellate den ganzen Rand entfernte, so trat völlige Lähmung
ein, woraus er schloss, dass sich hier ein hochgradig localisirtes System von Willenscentren (centres
of spontaneity) vorfindet; blieb nur ein kleiner Theil des Schirmrandes erhalten, so dauerten die
selbstständigen Bewegungen, wenn auch beträchtlich abgeschwächt, fort; besonders deutlich war
dies, wenn ein Augenfleck in diesem Stück lag, wie denn auch andererseits Ausschneiden der
Augenflecke in sehr auffälliger Weise, die Beweglichkeit herabsetzte. Gestützt auf diese Versuche
kommt Romanes zu dem Resultat, dass die locomotorischen Centren an allen Punkten des Schirm-
randes Vorkommen, besonders reichlich aber im Umkreis der Ocellen. Die ihres Randes beraubte
Schwimmglocke antwortet auf jeden Reiz mit einer einmaligen Contraction und kann durch häu-
fige Wiederholung der Reize, in ähnlicher Weise wie ein decapitirter Frosch, in Bewegung ver-
setzt werden.
Um Uber die Art, in welcher sich Reize fortpflanzen, Sicherheit zu bekommen, machte
Romanes in die Medusenglocke radiale Einschnitte, die vom Rand nach der Mitte zu gingen und
mit ebenfalls radialen Schnitten alternirten, die von der Mitte aus bis in die Nähe des Randes
reichten. In einem anderen Falle löste er durch einen kreisförmigen Schnitt die locomotorischen
Centren des Schirmrandes (den Nervenring) bis auf eine umschriebene Stelle ab und zerschnitt
von derselben aus den Schirm in Form eines spiralig gewundenen Streifens. In beiden Fällen
pflanzte sich der Reiz, welcher eine Stelle des Randes traf, durch alle Theile des Schirmes fort.
War aber der spiralige Streifen oder die Verbindungsbrücke, die zwischen zwei radialen Ein-
schnitten erhalten war, zu schmal, so kam es vor, dass die Contractionswelle einen Stillstand
erfuhr, obwohl der jenseits gelegene Theil noch erregbar war. Aus diesem Stillstand der Con-
tractionswelle folgert Romanes, dass bestimmte Nervenbahnen im Schirm vorhanden sind, welche
die Erregung vom Centralorgan aus übertragen und dass nicht das einfache Zellprotoplasma der
Gewebe den Reiz fortleitet; den Stillstand erklärt er daraus, dass in der schmalen Verbindungs-
brücke jegliche nervöse Verbindung' unterbrochen war. Die Nervenbahnen können aber nicht nach
Art der Nerven bei höheren Thieren beschaffen sein; denn Nervenstränge von regelmässigem Ver-
lauf müssten entweder durch die radialen oder die spiralig verlaufenden Schnitte an mehrfachen
Punkten unterbrochen werden und es müsste eine völlige Lähmung der Meduse eintreten. Da dies
nicht der Fall ist, können die Leitungsbahnen nach der Ansicht des englischen Forschers nur die
Form eines nervösen Plexus besitzen.
Wir haben hier nur die für uns wichtigsten Punkte der RoMANEs’schen Untersuchungen mit-
getheilt; dagegen alle Angaben über die Einwirkung der Elektricität und der Gifte auf die Medusen,
so interessant dieselben auch sind, ausgelassen, da sie nur im Allgemeinen den Zweck haben, die
Existenz eines Nervensystems darzuthun. Indessen das Mitgetheilte genügt, um zu zeigen, wie
sehr die Resultate der physiologischen und morphologischen Beobachtung übereinstimmen. Die
Anordnung des Nervensystems, die Romanes nach seinen Experimenten gleichsam voraussagte,
einen Nervenring und einen von diesem Nervenring ausgehenden Plexus, haben wir durch directe
Beobachtung nachgewiesen.
In ähnlicher Weise wie die Craspedoten hat Romanes auch die Acraspeden auf die An-
wesenheit eines Nervensystems geprüft und ein Centralorgan in den acht Randkörpern gefunden,
während die dazwischenliegenden Partieen des Schirmrandes sicli als völlig bedeutungslos für die
134
Reizung“ des Körpers herausstellten. Indessen ist die Centralisation des Nervensystems nicht so
weit wie hei den Craspedoten gediehen. Die Zerstörung der Sinneskörper ruft nur eine vorüber-
gehende Lähmung hervor; nach einer bei den meisten Arten verschieden langen Zeit treten aufs
Neue Contractionen ein , wenngleich dieselben weniger kräftig als gewöhnlich verlaufen. Es ist
dies gleichfalls ein auf physiologischem Weg gewonnener Beweis für unsere vom Bau abstrahirte
Auffassung, dass in der Ausbildung des Centralnervensystems die Acraspeden hinter den Cras-
pedoten zurückstehen. Was endlich das periphere Nervensystem anlangt, so haben methodisch
angelegte Schnitte auch hier Romanes zur Annahme eines nervösen Plexus veranlasst. Wenn uns
hier auch keine Beobachtungen zu Gebote stehen , so kann es doch nicht zweifelhaft sein , dass
der englische Forscher das Richtige getroffen hat.
Gleichzeitig mit Romanes und unabhängig von demselben stellte Eimer Versuche an acras-
peden Medusen an, welche zum Zweck hatten, die Frage nach der Existenz eines Nervensystems
auf experimentellem Weg zu lösen; zum Theil wurden hierbei übereinstimmende Resultate erzielt,
zum Theil ergaben sich wichtige Unterschiede. Eine Lähmung der Meduse, die auch nach Eimer
keine vollkommene ist, soll nur dann eintreten, wenn man ausser den Randkörpern die umliegende
wenige Millimeter breite Gewebszone, welche als contractile Zone bezeichnet wird, herausschneidet.
Letztere zieht sicli dann im gewöhnlichen Rhythmus unbehelligt weiter zusammen; ihre Bewegung
wird durch Zerstören der Randkörper nur vorübergehend sistirt, um nach einiger Zeit in gewohntem
Tempo zu beginnen. Schnitte, welche zum Theil in ähnlicher Weise wie von Romanes durch die
Schirmscheibe gelegt wurden, führten zu dem Ergebniss, dass die Erregungen von einem Theil
auf den anderen übertragen werden, wenn die Verbindungsbrücke zwischen beiden nicht zu schmal
ist. Eimer ist daher der Ansicht, dass, wenn Nervenfäden überhaupt die Verbindung besorgen,
diese in hohem Grade für einander zu vicariiren vermögen.
Die Differenzpunkte, die sich zwischen Eimer und Romanes hinsichtlich der Localisation
des Centralnervensystems ergeben, bedürfen erneuter physiologischer Prüfung; die anatomische
Untersuchung spricht zweifellos zu Gunsten der RoMANEs'sclien Ansicht. Sollte letztere sich be-
wahrheiten, so wäre auch hier der directe Nachweis geliefert, dass die Nervenfaserschicht des
Sinneskörpers bei den Acraspeden als Centralorgan fungirt.
Ueber die Function des Nervensystems der Medusen können wir uns zur Zeit nur
ungenügende Vorstellungen bilden. Aus den referirten experimentellen Untersuchungen wissen wir,
dass dem Nervenring der Craspedoten und den Sinneskörpern der Acraspeden die Bedeutung von
Centralorganen zukommt und dass von diesen aus jeder Reiz sich durch den ganzen Nervenplexus
fortpflanzt. Ferner macht die verschiedene histologische Beschaffenheit des oberen und unteren
Nervenrings der Craspedoten es wahrscheinlich, dass beide Abschnitte sich auch functionell unter-
scheiden. Der obere Nervenring ist vorwiegend sensibler, der untere vorwiegend motorischer Natur.
Von dem erstereil werden hauptsächlich die Sinnesorgane versorgt, der letztere dagegen giebt die
Nerven für die musculösen Theile ab. Diese Differenzirung steht damit im Zusammenhang, dass
die Bewegungsorgane bei den Medusen auf der unteren Seite der Schirmglocke liegen, die Sinnes-
organe dagegen sich auf der oberen Fläche, die ja allseitiger mit der Umgebung in Berührung ist,
localisirt haben. Keinenfalls jedoch ist diese Differenzirung eine durchgreifende; denn einerseits
erhalten die Gehörorgane der Vesiculaten ihre Nerven von dem unteren Nervenring, wie denn dieser
auch stets von vereinzelten Sinneszellen bedeckt ist, andererseits werden bei allen Medusen die
muskelreichen Tentakeln von dem oberen Nervenring innervirt. Hierbei ist es von Interesse, dass
die zu den Tentakeln herantretenden Fasern bei den Aeginiden wenigstens ein ganz anderes Aus-
135
sehen besitzen, als die sonstigen Elemente des oberen Nervenrings und wegen ihrer Dicke lind
wegen des Reichthums an Ganglienzellen mehr an den unteren Nervenring erinnern.
Zum Schluss mögen noch einige Vermuthungen über das Verhältnis des Nervensystems
zum Meerleuchten Platz finden. Im speciellen Theil haben wir darauf aufmerksam gemacht, dass
die Nervenfasern und noch mehr die Ganglienzellen ausserordentlich rasch die Osmiumsäure reduciren.
Da sie somit aus Substanzen bestehen, die sich leichter oxydiren, als anderweitige Theile der Me-
duse, so wird die Annahme nahe gelegt, in den nervösen Elementen den Sitz des Meerleuchtens zu
suchen. Diese Annahme gewinnt dadurch an Wahrscheinlichkeit, dass das Phänomen durch äussere
Reize hervorgerufen werden kann und somit offenbar unter dem Einfluss des Nervensystems steht.
Ausserdem spricht zu ihren Gunsten. der Umstand, dass nach den Untersuchungen M. Schultze’s
auch bei Lampyris besondere Zellen des Leuchtorgans, welche die Osmiumsäure stark reduciren und
mit Nervenfibrillen sich verbinden, das Lieht ausstrahlen.
2. Morphologie und Physiologie der Sinnesorgane der Medusen.
Von den Sinnesorganen der Medusen wurden am frühesten die sogenannten Randkörper der
Acraspeden wahrgenommen, aber lange Zeit für nichts weniger als für Sinnesorgane gehalten. Der
dänische Forscher 0. F. Müller (66), welcher dieselben zuerst bei Aurelia aurita entdeckt hat,
deutet sie als die After der Medusen; Gaede (31) und Eysenhardt (27) sprechen von ihnen als
von räthselhaften Körpern; Rosenthal (76), Eschscholz (26), Tilesius (83) bezeichnen sie als
excretorische oder secretorische Organe, welche nach dem einen zur Schleimabsonderung dienen,
nach dem andern bei der Verdauung oder bei der Athmung eine Rolle spielen. Ein Umschwung
in der Auffassung trat erst ein, als Ehrenberg (24) die Randkörper bei seiner Untersuchung von
Aurelia als nervöse und sensorielle Apparate in Anspruch nahm. Er verglich den Krystallhaufen
den Kalkansammlungen an den Rückenmarksnerven des Frosches und zog daraus den Schluss,
dass in seiner Nähe auch Ganglien und Nerven anwesend sein müssten, Theile, die er denn auch
in bestimmten Knötchen und Faserzügen glaubte gefunden zu haben. Den roth pigmentirten Fleck
am Ende der Randkörper erklärte er für ein Auge. Diese letztere Deutung Ehrenberg’s fand An-
klang. Raid nach dem Erscheinen seiner Abhandlung entdeckten Loven (61), Steenstrup (82) und
Sars (78) Pigmentflecke an der Tentakelbasis von mehreren kleinen Medusen aus der Gruppe der
Ocellaten und bezeichneten sie im Anschluss an Ehrenberg als einfachste Augenbildungen. Noch
grössere Wahrscheinlichkeit gewann diese Ansicht, als später Quatrefages (74) und Düjardin (22)
lichtbrechende Körper in den Pigmentflecken von Eleutheria und Cladonema nachwiesen. Seitdem
hat die Deutung von pigmentirten Stellen im Ektoderm der Medusen als Augen sich allgemein Ein-
gang verschafft und ist dieselbe namentlich durch physiologische Experimente von Romanes (75) in
den letzten Jahren ganz sicher gestellt worden.
Pliermit war aber die Frage nach der Bedeutung der Randkörper der Acraspeden noch nicht
gelöst. Denn es zeigte sich gar bald, dass bei den meisten Arten die Randkörper nicht Pigment-
flecke wie bei Aurelia besitzen, dass ihre Hauptfunction daher nicht diejenige von Augen sein könne.
Bald wurde auch die Beurtheilung dieser Organe dadurch in eine andere Richtung gelenkt, dass
mit der Ausdehnung der mikroskopischen Forschung auf niedere Seetliiere kleine pigmentlose, mit
einem oder mehreren Kalkkrystallen erfüllte Bläschen am Schirmrand vieler craspedoter Medusen
136
von Saks (77), Kölliker (50), Will (86) und andern aufgefunden wurden. Diese Bildungen stimmten
einerseits im Besitz von Kalkkrystallen mit den Bandkörpern der Acraspeden überein, andererseits
zeigten sie eine grosse Aehnlicbkeit mit den von Siebold kurz zuvor entdeckten Hörbläscben der
Mollusken. Auf diese Aehnlichkeit wies zuerst Kölliker hin, der am Meer zahlreiche Mollusken
auf ihre Hörbläschen untersuchte und gleichzeitig die Randbläschen bei einer Eucope und ver-
schiedenen anderen Medusen beobachtete. In einem kleinen Aufsatz in Froriep’s Notizen (50)
sprach er die Ansicht aus, dass auch die Medusen gleich den Mollusken Gehörorgane besitzen, eine
Ansicht, die bald vom grössten Theil der Zoologen getheilt und auch in Siebold’s Lehrbuch der
vergleichenden Anatomie aufgenommen wurde. Indem Kölliker und die ihm beistimmenden Forscher
von diesem Gesichtspunkt aus die Randkörper der Medusen betrachteten, suchten sie die morpho-
logisch so verschiedenartigen Bildungen, mit denen wir im analytischen Theil dieser Abhandlung
bekannt geworden sind, auf eine Grundform zu reduciren. Um das Resultat dieser im Grossen und
Ganzen nach sehr äusserliclien Aehnlichkeiten angestellten Vergleichungen zu verstehen, muss man
vor allen Dingen im Auge behalten , dass in der damaligen Zeit bei der mangelhaften Kenntniss
des feineren Baues der Organe die Kalkconcremente oder die Otolitlien sowohl den Ausgangspunkt,
als auch den Schwerpunkt bei jedem Vergleiche bildeten. So kam es, dass man zu ganz falschen
Homologien geführt wurde, dass man die Concrementzelle der Aeginiden und Trachynemiden den
echten, mit Flüssigkeit erfüllten Bläschen der Geryoniden und diese wieder den Hörbläschen der
Vesiculaten für gleich werthig hielt. Einen geringfügigen Unterschied zwischen den so ganz ver-
schiedenen Formen erkannte man allein darin, dass die einen dem Schirmrand unmittelbar aufliegen,
die andern aber an einem Stielchen befestigt sein sollten. Man sprach daher von runden und von
gestielten Randbläschen. (Vesiculaten, Geryoniden, — Aeginiden, Trachynemiden.) Auch die Rand-
körper der Acraspeden suchte man auf diesen Typus zu reduciren. Kölliker verglich den flimmernden
Hohlraum, den er mit dem Gastrovascularsystem nicht Zusammenhängen, sondern durch eine kleine
Oeffnung nach aussen münden liess, dem Hörbläschen und den in seiner Wand gelegenen Krystall-
haufen verglich er den Otolitlien.
An der Auffassung von der morphologischen Gleichwertigkeit der Gehörorgane der Medusen
hielt im Wesentlichen auch Gegenbaur (32) fest, der im Jahre 1856 die erste und bis jetzt die
einzige zusammenfassende Darstellung über die Randkörper der Medusen gegeben hat. Dagegen
weicht er im Einzelnen von Kölliker in der Deutung der Sinneskörper der Acraspeden ab, bei
denen er die Communication des Binnenraums (der Ampulle) mit dem Gastrovascularsystem wieder
nachwies. Er will allein das Krystallsäckehen , an dessen Wänden er vergeblich nach einer
Flimmerung suchte, mit den Randbläschen der Craspedoten verglichen wissen. Gegen die Be-
deutung der Organe als Gehörwerkzeuge erhebt Gegenbaur von seinem Standpunkt aus mit Recht
verschiedene Bedenken. Die Aehnlichkeit mit den Hörbläschen anderer niederer Thiere schwinde
dadurch um ein Bedeutendes, dass erstens die Concremente nicht frei im Raum des Bläschens liegen
und zweitens keine Flimmerung an der Innenwand desselben vorhanden sei. Er erblickt daher nur
Sinnesorgane in ihnen, ohne sich für eine bestimmte Function zu entscheiden. Endlich hebt Gegen-
baur in seiner Schrift noch besonders den systematischen Werth der Sinnesorgane bei den Medusen
hervor und zeigt, dass die Randbläschen und Ocelli in zwei Abtheilungen der Craspedoten getrennt
und gleichsam vicariirend für einander, dagegen bei den Acraspeden meist zu einem Organ, dem
Randkörper, vereint auftreten.
Die von Gegenbaur in seiner Schrift entwickelten Anschauungen über die Morphologie der
Gehörorgane der Medusen sind durch die nachfolgenden Untersuchungen nicht wesentlich geändert
137
worden. Es rührt dies vornehmlich daher, dass die einzelnen Forscher, welche sich seitdem mit den
Medusen beschäftigten, meist nur auf ein einzelnes Object ihre Beobachtungen beschränkt und von
den überkommenen Ansichten ausgehend nicht seihst vergleichend anatomisch den Gegenstand be-
handelt haben. Dadurch ist in den letzten zwanzig Jahren das morphologische Verständniss der
Gehörorgane im Ganzen nur wenig gefördert worden, obwohl wir im Einzelnen verschiedene Ent-
deckungen im feineren Bau dieser Bildungen zu verzeichnen haben. Wir verweisen hier auf die
Abhandlungen von Fritz Müller (71), Busk (14), Allman (7), Harting (40) und besonders auf die
Monographie der Geryoniden von Haeckel (37), welcher die Randbläschen von Carmarina am ge-
nauesten histologisch untersucht und durch die Entdeckung eines besonderen Sinnesnerven die
Deutung als Sinnesorgan sicherer begründet hat.
Noch weniger ist etwas Durchgreifendes für die physiologische Erklärung der Organe in der
neueren Zeit geschehen; im Gegentheil sind die verschiedensten und widersprechendsten Ansichten
über ihre Function seit Kölliker’s erstem Versuche aufgestellt worden. Auf der einen Seite er-
klärten Agassiz und Clark (4) die Randkörper der Acraspeden, Fritz Müller und Busk diejenigen
der Craspedoten für Augen. Sie gingen von der Ansicht aus, dass Pigment zu einem Auge nicht
unbedingt nothwendig sei und dass die Concremente als lichtbrechende Körper wirkten. Diese
Deutung hat indessen wohl wenig Anklang gefunden, da die bei vielen Arten unregelmässige Form
der Concremente den Eigenschaften eines lichtbrechenden Körpers zu wenig entspricht. Auf der
andern Seite erhielt die Deutung der Randbläschen als Gehörorgane vorübergehend eine Stütze durch
die Mittheilung Hensen’s (41), dass er bei einer Eucope Haare von der Bläschen wand zu den
Otolithen habe herantreten sehen. Diese Beobachtung Hensen’s war aber nur eine gelegentlich an-
gestellte und verlor hierdurch und durch den weiteren Umstand an Werth, dass andere Forscher,
wie Fritz Müller, Haeckel, Allman, die Angaben nicht bestätigen konnten. Eine dritte, gleich-
sam vermittelnde Ansicht wurde endlich von Haeckel aufgestellt. Derselbe bezeichnete die Rand-
bläschen der Medusen als gemischte Sinnesorgane, für welche die höheren Thiere keine analogen
Verhältnisse darbieten. Diese gemischten Sinnesorgane seien eingerichtet für Empfindungen , von
deren eigentlicher Qualität wir uns keine bestimmte Vorstellung machen könnten.
Wenn wir jetzt auf den kurz skizzirten Entwicklungsgang unserer Kenntnisse einen Rück-
blick werfen und bei einer Beurtheilung desselben nach den Ursachen fragen, durch welche das
Verständniss der Gehörorgane der Medusen erschwert und aufgehalten worden ist, so glauben wir
noch Folgendes hervorheben zu müssen. Das morphologische Verständniss der Gehörorgane scheiterte
namentlich daran, dass man bei der Vergleichung der verschiedenen Formen auf den Otolithen den
Schwerpunkt legte und gleichzeitig hierbei von der irrigen Auffassung geleitet wurde, Otolithen
müssten in ein Bläschen eingeschlossen sein. Man übersah daher die richtigen Beziehungen zwischen
den von uns als Hörkölbchen bezeiclineten Gebilden zu den wirklichen Hörbläschen. Dagegen war
die typische und eigenartige Beschaffenheit der Gehörorgane der Vesiculaten schon schwieriger und
nur auf Grund genauerer histologischer Untersuchung festzustellen. Die functionelle Bedeutung der
Organe endlich ist bis jetzt besonders darum eine fragliche geblieben, weil von allen Forschern
die Sinneszellen mit ihren Hörhaaren übersehen worden sind.
Unsere eigenen im analytischen Theil beschriebenen Beobachtungen, die wir jetzt zusammen-
fassen und beurtheilen wollen, haben uns zu dem allgemeinen Ergebniss geführt, dass bei den
Medusen alle Sinnesorgane dem Ektoderm angehören. Ueberall sind es modificirte Epithelzellen,
welche als die Endigungen sensibler Nervenfibrillen nachgewiesen werden können. Zum Theil
bieten diese Epithelzellen weder in ihrer Lagerung, noch in ihrem feineren Bau, noch in irgend
Hertwig, Medusen. lg
138
einer anderen Beziehung' Merkmale dar, welche auf eine bestimmte Sinnesfunction schliessen
lassen. Von andern nicht sensiblen Zellen des Ektoderms unterscheiden sie sich anatomisch nur
dadurch, dass sie auf ihrem peripheren Ende ein Geisselhaar tragen und an ihrer Basis in eine oder
mehrere Nervenfibrillen übergehen, dass sie eine mehr fadenförmige, cylin drisch e oder spindlige Ge-
stalt besitzen. Derartige indifferente Sinneszellen sind bei den Medusen namentlich in bestimmten
Bezirken des Ektoderms entwickelt. Bei den Craspedoten sind sie in reichlicher Menge am Schirm-
rand anzutreffen; hier bilden sie, mit gewöhnlichen Ektoderm- oder Stützzellen untermischt, über
der Fibrillenmasse des oberen Nervenrings eine Epithelform, die wir als Sinnesepithel bezeichnet
haben. Ein gleichbeschaffenes Sinnesepithel über einem nervösen Fibrillenlager haben wir auf den
Sinneskörpern der Acraspeden kennen gelernt. Es sind dies alles Hautstrecken, die besonders reizbar
und empfindlich sind, wie aus den früher angeführten Experimenten von Eimer und Romanes, sowie
überhaupt aus jeder Beobachtung der Lebensverrichtungen der Medusen unzweifelhaft hervorgeht.
Als Körperabschnitte, die mit Sinneszellen ausgestattet sein müssen, sind ferner die Tentakeln
zu nennen. Obwohl wir den histologischen Nachweis hier selbst nicht versucht haben, so spricht
für unsere Annahme doch der ganze Charakter des Epithels und die grosse Reizbarkeit , durch
welche sich die Tentakeln auszeichnen und derentwegen sie auch gewöhnlich als Tastorgane an-
gesehen werden. Vereinzelte Sinneszellen finden sich endlich noch bei den Craspedoten im Epithel-
überzug des unteren Nervenrings und in den sogenannten Nesselstreifen, welche bei den Aeginiden
und Geryoniden vom Rand auf die Oberfläche des Schirms sich fortsetzen. Dagegen fehlen sie auf
andern Theilen des Medusenkörpers entweder vollständig oder fast vollständig, so auf der Oberfläche
des Schirms, in der Suburabrella und auf der oberen und unteren Seite des Velum. Auch hier
lehrt das Experiment, dass diese Tlieile gegen äussere Reize unempfindlich sind.
Indem wir die soeben in ihrer Verbreitung beschriebenen Sinneszellen vom anatomischen Ge-
sichtspunkt aus als indifferente bezeichnen, sind wir zugleich der Ansicht, dass sie auch physiologisch
diesen Namen verdienen, insofern sie Eindrücke unbestimmter und allgemeiner Natur dem Organis-
mus übermitteln werden. Wir halten daher dieselben in morphologischer und physiologischer Be-
ziehung für die primitivsten Sinneselemente und erblicken in ihnen die Grundlage,
aus welcher sich die specifischen Sinnesorgane allmählich hervorgebildet haben.
Bei der Zusammenstellung unserer weiteren Beobachtungen werden wir diese Anschauung im Ein-
zelnen durchzuführen und zu begründen versuchen.
Ausser den indifferenten Sinneszellen sind in diesen und jenen Abtheilungen der Medusen
noch specifische Sinnesorgane zur Entwicklung gekommen. Dieselben treten uns — und
hierauf möchten wir zunächst die Aufmerksamkeit lenken — als besonders modificirte Abschnitte
des eben besprochenen Sinnesepithels entgegen. Auch hier sind die empfindenden Elemente Zellen,
welche dem Ektoderm angehören. Wenn wir diesen eine specifische Sinnesempfindung glauben zu-
ertheilen zu müssen, so sind wir bei unserer Beurtheilung von folgenden Erwägungen geleitet worden.
Um die Natur eines Sinnesorganes zu bestimmen, gibt es zwei Mittel; das eine ist das
physiologische Experiment, welches den Nachweis zu bringen hat, dass ein bestimmtes Sinnes-
organ allein auf einen bestimmten Reiz reagirt; das zweite Mittel ist die morphologische Unter-
suchung, welche bisher bei diesen Fragen am meisten den Ausschlag gegeben hat und auch von
uns im vorliegenden Fall ausschliesslich gehandhabt worden ist.
Aus dem Bau eines Sinnesorgans können wir seine Function desswegen bestimmen, weil,
wie die zahlreichen Untersuchungen der verschiedensten Thiere uns gelehrt haben, der specifischen
Function stets auch eine specifische Organisation zu Grunde liegt. Die morphologischen Merkmale,
139
durch die wir hierbei in unserem Urtheil bestimmt werden, lassen sich in zwei Gruppen sondern.
Es zeigen nämlich entweder schon die Sinneszellen selbst in ihrem feineren Bau besondere Modi-
ficationen, die mit ihrer Function in ursächlichem Zusammenhang stehen, oder es sind mit ihnen
noch besondere Hülfsapparate verbunden, welche bewirken, dass ihnen nur specifische Sinnes-
eindrücke vermittelt werden. Das erste Merkmal kann bei der Beurtheilung eines Sinnesorgans
nur in beschränktem Maass zur Anwendung kommen, da bei der Beschaffenheit unserer jetzigen
Erkenntnissmittel es zwar in einzelnen Fällen, aber nicht durchweg möglich ist, die Sinneszellen
nach ihrer feineren Constitution zu unterscheiden. Einen grösseren Werth für die morphologische
Deutung besitzt daher das zweite Merkmal, dass mit den Sinneszellen meist noch besondere Hülfs-
apparate verbunden sind. Wenn wir hinter lichtbrechenden Medien Sinneszellen angebracht und
sie noch ausserdem von Pigment eingescheidet sehen , so wird Niemand darüber in Zweifel sein,
dass ein Sehorgan vorliegt. Wenn in einem mit Flüssigkeit erfüllten Bläschen Sinneszellen sich
finden, die steife Haare tragen, und wenn hierzu noch eine leicht bewegliche aus Kalk bestehende
Concretion hinzukommt, so schliessen wir nach Analogie auf ein Gehörorgan.
Von dem hier angedeuteten Gesichtspunkt aus haben wir bei den Medusen dreierlei ver-
schiedene Sinnesorgane: Tast-, Seh- und Gehörorgane unterschieden.
Als Tastorgane bezeichnen wir Sinneszellen, die mit langen steifen über die Oberfläche
hervorragenden Borsten versehen sind. Wir beurtheilen hier nach der Anwesenheit einer Borste,
welche von Berührungen zumeist betroffen werden muss, die specifische Function der Zelle. Bei
den Trachynemiden sind derartige Tastapparate in reichem Maasse entwickelt. An den keulen-
förmig verdickten Enden der interradialen Tentakeln von Rhopalonema sind borstentragende Tast-
zellen in mehreren Kreisen angebracht. Bei derselben Meduse sowie bei Aglaura ist der Schirmrand
mit eigen thümlichen Tastkämmen besetzt, die aus Gruppen von 10 — 15 in einer Linie nebeneinander
gereihter Tastzellen bestehen. Sie sind zur Seite der Tentakeln und zwischen ihnen immer paar-
weise angeordnet und sind fast unmittelbar mit dem oberen Nervenring verbunden.
Als die am weitesten verbreiteten Tastorgane der Medusen haben wir möglicher Weise die
Nesselzellen zu betrachten, deren verschieden lange Cnidocils wir Tastborsten gleichstellen können; wir
sagen möglicher Weise: denn bei unseren Isolationen ist es uns nie gelungen, einen Zusammenhang
mit Nervenfibrillen zu beobachten. Es muss daher vorläufig noch dahin gestellt bleiben, ob von
dem Cnidocil der Reiz nur in der Nesselzelle allein ausgelöst oder ob er gleichzeitig auch von
dieser durch Nervenleitung auf andere Tlieile des Körpers, wie auf die Musculatur, übertragen wird.
Nur in letzterem Falle würde die Nesselzelle den Tastorganen zuzurechnen sein.
Ein zweites specifisches Sinnesorgan der Medusen ist in den Oc eilen gegeben, mit denen
eine Anzahl von Acraspeden (Nausithoe, Aurelia und Charybdea) und eine Abtheilung der Cras-
pedoten, die Ocellaten, versehen sind. Im Bau dieser Sinnesorgane lassen sich zwei Grade der
Ausbildung unterscheiden. Die einfachsten Ocellen erscheinen als kleine Pigmentflecke im übrigen
Sinnesepithel und sind Gruppen von Sinneszellen, die von Pigmentzellen eingehüllt werden. Mit
diesen Theilen verbindet sich bei der zweiten höher entwickelten Form noch ein besonderer kleiner
lichtbrechender Körper, der aus einer Verdickung der Cuticula des Epithels hervorgegangen ist.
(Lizzia, Eleutheria, Cladonema, Nausithoe, Charybdea.) Bei den Ocellaten sind die Sehflecke an
der meist* bulbusartig angeschwollenen Basis der Tentakeln angebracht und zwar finden sie sich
je nach der Haltung der letzteren entweder an ihrer inneren oder äusseren Seite vor. Nach aussen
liegen sie bei den meisten Medusen, deren Tentakeln vom Schirmrand gerade nach abwärts hängen;
bei den Bougainvilliden dagegen liegen sie auf der Innenseite, werden aber hier dadurch, dass
18*
140
die Tentakelbüschel am Schirmrand beim ruhigen Schweben des Thieres in die Höhe geschlagen
werden, gleichfalls nach Anssen gewandt. Bei den Acraspeden bilden die Ocellen einen Theil des
Sinnesepithels der Sinneskörper.
Wenn wir diese Bildungen als Sehorgane primitivster Art in Anspruch nehmen, so brauchen
wir diese Deutung wohl kaum zu rechtfertigen. Zu derselben werden wir einmal durch die Er-
wägung geführt, dass Pigment bei der Zusammensetzung eines jeden Sehorgans eine sehr wesentliche
Rolle spielt, und dass zweitens zwischen einfachen Pigmentflecken und besser charakterisirten Augen
in der Thierreihe und zum Theil auch bei den Medusen alle möglichen Uebergänge zu erkennen
sind. So manifestirt sich wenigstens der einfache Pigmentfleck bei einigen Medusen durch den Besitz
einer Linse schon deutlicher als lichtpercipirender Apparat. Ferner muss es wohl auch von vorn-
herein einleuchten, dass in Pigment eingehüllte Sinneszellen bei der lichtabsorbirenden Eigenschaft
desselben unter ganz anderen Bedingungen stehen müssen, als die übrigen Sinneszellen am Schirm-
rand. Sie werden dadurch für das Licht empfindlicher gemacht werden. Besonders aber wird die
Richtigkeit unserer Deutung durch die Beobachtung und durch das physiologische Experiment be-
wiesen, aus welchem mit Sicherheit hervorgeht, dass die Medusen das Vermögen besitzen, Licht und
Dunkel zu unterscheiden, und dass dieses Vermögen an die Ocellen gebunden ist. Schon Sars (78)
hat vor mehreren Jahrzehnten gefunden, dass junge Ocellaten immer die Lichtseite des Gefässes
aufsuchen. Entscheidende Experimente hat dann neuerdings Romanes (75) angestellt. Er brachte
in eine im Dunkeln gehaltene grosse Glasglocke 300 Exemplare von Sarsia. Wenn er nun einen
intensiven Lichtstrahl in das Wasser einfallen liess, so sammelten sich in seinem Bereich die
Medusen am zahlreichsten an der dem Licht zunächst gelegenen Seite des Gefässes an. Sie bil-
deten hier einen dichten Haufen, welcher allen Bewegungen des Lichtes folgte. Dass nun gerade
die Ocelli der Sitz der Lichtempfindung sind, geht aus einem zweiten von Romanes angestellten
Experimente hervor. Unter den gleichen Verhältnissen wie oben wurden in ein Gefäss neun
der Augenflecke beraubte und drei gesunde Individuen gesetzt. Während letztere das Licht auf-
suchten, schwammen erstere hierhin und dorthin, ohne dem Lichtstrahl irgend welche Beachtung
zu schenken.
Die dritte und letzte Art specifischer Sinnesorgane, welche wir bei den Medusen auf ihren
Bau genauer untersucht haben, sind die Gehörorgane. Dieselben sind sowohl in morphologischer
als auch in physiologischer Hinsicht besonders interessante Organe, so dass uns auch ihr Studium
am meisten angezogen und beschäftigt hat.
Die von uns als Gehörorgane gedeuteten Bildungen, die wir jetzt zunächst vom morpholo-
gischen Gesichtspunkt aus näher in das Auge fassen wollen, finden sich nur auf einzelne Abthei-
lungen der Medusen beschränkt. Sie sind stets in vielfacher Anzahl bei dem grössten Theil der
Vesiculaten, bei allen Trachymedusen und bei allen Acraspeden entwickelt, fehlen dagegen allen
Ocellaten. Innerhalb der drei genannten Abtheilungen lassen sich zwei nach Bau
und Genese ganz abweichende Typen von Gehörorganen unterscheiden. Der eine
Typus ist für die Vesiculaten, der andere dagegen für die Trachymedusen und
Acraspeden charakteristisch.
I. Die Gehörorgane des ersten Typus sind in jeder Beziehung am einfachsten gebaut,
indem sie erstens allein von verschiedenartig modificirten Zellen des Ektoderms gebildet werden und
zweitens von jenem schmalen Streifen Epithelzellen abstammen, welcher sich auf der unteren Seite
des Velum, unmittelbar unter dem unteren Nervenring, hinzieht und die Muskelzellen der Subum-
brella von denen des Velum trennt.
141
Die Epitlielzellen sind in den Gehörorganen der Vesiculaten in einer dop-
pelten Weise um ge hi Id et. Zum Theil sind sie von einer Flüssigkeit erfüllt und stellen grosse
mit einer derben Wandung versehene Blasen vor, die einerseits mit abgeplatteter Basis der unter
ihnen liegenden Stützmembran aufsitzen, andererseits mit der entgegengesetzten kugelig gewölbten
Seite über die Oberfläche des Epithels weit vorspringen. In der Flüssigkeit liegt jedesmal ein
Concrement, das etwa halb so gross als die Blase selbst ist und am peripheren gewölbten Ende der
Zelle fest sitzt. Es besteht aus einer organischen Grundsubstanz und einer in Säuren leicht löslichen
Kalkverbindung. Es ist entweder vollkommen rund oder oval oder es besitzt auf einer Seite eine
kleine grubenförmige Vertiefung. Der Kern der Concrementzelle ist der Blasen wand dicht an-
geschmiegt. Eine zweite Form bilden die sehr eigentümlich gestalteten Hörzellen. Je nach den
einzelnen Medusenarten sind sie in wechselnder Anzahl um eine Concrementblase in der Weise an-
geordnet, dass sie stets ihrer proximalen Seite in einer einfachen Reihe anliegen. Es sind niedrige
und abgeplattete Elemente, welche der Stützlamelle fest anhaften. Ihre Basis verlängert sich proximal-
wärts in eine Nervenfibrille, distal geht sie in einen spatelförmigen Fortsatz über, der sich zwischen
die Stützlamelle und die kugelig vorspringende Concrementblase einschiebt und einen schmalen
Zwischenraum zwischen beiden ausfüllt. Hierdurch gewinnt die Hörzelle, von der Fläche gesehen,
eine bandförmige Gestalt. Vom peripheren Zellenende entspringt ein kurzes, aber ziemlich dickes
Haar ; es entspringt von einer kleinen Firste, welche gerade an der Abgangsstelle des spatelförmigen
Fortsatzes sich vorfindet und an der Wand der Concrementblase parallel zu ihr verläuft. Das kurze
Hörhaar ist wie ein Bügel gebogen, so dass man, um es vollständig zu übersehen, auf verschiedene
Ebenen das Mikroskop einstellen muss; hierdurch schmiegt es sich der gekrümmten Oberfläche der
Concrementblase dicht an. Die letztere wird somit von den Hörhaaren der in einer Reihe angeord-
neten fünf bis zehn Sinneszellen gewissermaassen wie von einer Bahre getragen.
In dem Besitz und der Anordnung dieser zwei typischen, dem Ektoderm angehörenden Zellen-
formen stimmen die Gehörorgane aller Vesiculaten überein, zeigen aber im Uebrigen in ihrem Bau
verschiedene Modificationen bei den einzelnen Familien und Arten. Indem das eine Mal die Concre-
ment- und Hörzellen frei auf der Oberfläche des Integuments etwas nach aussen vom unteren
Nervenring lagern, das andere Mal in ein Bläschen eingeschlossen sind, haben wir bei den Vesicu-
laten eine freie und eine geschlossene Form des Gehörorgans zu unterscheiden.
Mit freien Gehörorganen ist die von uns genauer untersuchte, von Haeckel (36) entdeckte
Mitrocoma Annae, sowie die von den beiden Agassiz (2 und 4) beschriebene Tiaropsis diademata,
Halopsis cruciata und II. ocellata ausgestattet. Bei Mitrocoma Annae liegen die Gehörorgane auf der
unteren Seite des Velum genau an der Stelle, wo dasselbe vom Schirmrand entspringt. Sie bilden
hier ungefähr 80 muldenförmige Vertiefungen, welche auf der oberen Seite des Velum als ebenso
viele Erhebungen hervorragen. Die tiefste Stelle der Muhle wird von etwa zwanzig Concrement-
zellen eingenommen, die in 2 — 3 Reihen angeordnet sind. An die dem Schirmrand zunächst ge-
legene Reihe treten Sinneszellen heran, von denen jedesmal etwa fünf auf eine Concrementzelle
kommen. Ueber den Hügeln, welche auf der oberen Seite des Velum durch die muldenförmigen
Vertiefungen hervorgerufen werden, ist das Epithel eigenthümlicli modificirt und besteht aus cylin-
drischen, derbwandigen, von Flüssigkeit erfüllten Zellen, die sich gegenseitig abplatten und gemein-
sam einen bienenwabenartigen Ueberzug bilden.
Aus den grubenförmigen Gehörorganen sind die bläschenförmigen der übrigen Vesiculaten
in der Weise entstanden, dass die primitive Grube sich vertieft und ihre nach unten gelegene Aus-
mündung sich geschlossen hat. Ein solcher Entstehungsmodus ergiebt sich leicht aus der genaueren
142
Untersuchung' der grossen Hörbläschen einer Aequorea, Octorchis, Eucheilota u. s. w. Die Bläschen
ragen hier auf der dorsalen Seite des Velum hervor und liegen dicht nach aussen und unten vom
oberen Nervenring, den sie aus seinem ursprünglichen Verlauf ein wenig weiter nach oben verdrängt
haben. Sie werden auf ihrer Oberfläche von einer einfachen Lage platter Zellen, einem Theil des
oberen Velumepithels überzogen. An der unteren Velumseite ist die Membran des Bläschens —
was für das Verständniss seiner Genese besonders wichtig ist — nicht vollständig geschlossen,
sondern besitzt eine mehr oder minder grosse Oeffnung, die allein von Epithelz eilen der ventralen
Fläche ausgefüllt wird. Durch diese Oeffnung dringen Ganglienzellen und Nervenfibrillen vom
unteren Nervenring in den Binnenraum ein und bilden ein Polster, von dem dann weiter die Gruppen
der zu den Concrementblasen tretenden proximal gelegenen Hörzellen ihren Ursprung nehmen. Die
durch den Zellenpfropf geschlossene Oeffnung in der Membran ist ohne Zweifel der weiten Mündung
der Hörgrube von Mitrocoma zu vergleichen und durch eine stattgehabte Verengerung von ihr
abzuleiten.
Die Hörbläschen der einzelnen Vesiculaten zeigen ausserdem noch untereinander Verschieden-
heiten in ihrer Grösse, in der Anzahl der in ihnen enthaltenen Concrementzellen, in ihrer Lage am
Schirmrand und in dem Zahlen verhältniss, in welchem sie an diesem auftreten. Die Anzahl der
Otolithen ist entweder eine für jede Art constante, — so besitzen z. B. Octorchis Gegenbauri acht
und Eucheilota deren vier, die Eucopiden nur einen einzigen — oder ihre Zahl ist eine schwankende
(l —5) wie hei den Aequoriden. Bei diesen ist auch die Vertheilung der Sinnesorgane auf den
Schirmrand eine regellose, während sie bei den übrigen durch die Ursprungsverhältnisse der Ten-
takeln mehr oder minder genau bestimmt wird. Auch in der Anzahl der am Schirmrand entwickelten
Hörbläschen zeigt sich mit Ausnahme der Aequoriden in der Regel für jede Species eine gewisse
Constanz. Hierbei ist aber zu bemerken, dass in gleicher Weise wie bei den Tentakeln, so auch
bei den Gehörorganen eine gesetzmässige Zunahme bis zu einem für die Art bestimmten Maximum
mit dem zunehmenden Alter der Meduse zu beobachten ist. So kann ihre Anzahl in einzelnen
Intervallen von 4 auf 8, IG u. s. w. ansteigen.
II. Die nach dem zweiten Typus gebauten Gehörorgane der Trachymedusen
und Aeraspeden besitzen eine Anzahl übereinstimmender Merkmale, in denen sic von den analogen
Bildungen der Vesiculaten abweichen; dabei zeigen sie aber untereinander in ihrem Bau so erheb-
liche Differenzen, dass eine getrennte Besprechung beider Gruppen geboten erscheint.
1. Die Gehörorgane der Trachymedusen sind im Unterschied zu den Vesiculaten
am Schirmrand oberhalb des Velum zur Entwicklung gekommen, wo sie, wenn wir von Carmarina
absehen , dem oberen Nervenring unmittelbar aufsitzen. Je nach den einzelnen Familien der Aegi-
niden, der Trachynemiden und der Geryoniden bieten sie untereinander geringere und ^grössere
Modificationen dar und lassen sich auf Grund derselben in ähnlicher Weise wie bei den Vesiculaten
in einer continuirlichen Entwicklungsreihe anordnen. An den Anfang dieser Entwicklungsreihe
kommen die Gehörorgane der Aeginiden zu stehen; ihnen schliessen sich diejenigen der Trachyne-
miden nahe an, während bei den Geryoniden die am meisten abgeänderten Zustände vorliegen.
An den Gehörorganen der Aeginiden haben wir zwei Theile, das Hörpolster und das
Hörkölbchen unterschieden. Das erstere ist eine modificirte hüglig hervorgewölbte Partie des den
oberen Nervenring überziehenden Sinnesepithels und kommt dasselbe in einfacher Weise dadurch zu
Stande, dass an einer umgrenzten Stelle die Zellen des Epithels beträchtlich verlängert sind. Das
Polster besteht mithin aus langen cvlindrischen Hörzellen, die an ihrem freien Ende je ein sehr
langes Hörhaar tragen und an ihrer Basis unmittelbar in die Fibrillen des oberen Nervenrings über-
143
gehen. Bei Cunina lativentris und Aeginopsis springt das Polster über die Oberfläche des Sinnes-
epithels nur wenig vor, es ist breit und flach gewölbt, bei Cunina sol maris dagegen bildet es einen
bedeutenderen Vorsprung und nimmt die Form einer Papille an, die an ihrer Basis eingeschnürt,
nach ihrer freien Fläche zu verbreitert und hier mit einer kleinen Vertiefung versehen ist.
In der Mitte des Polsters ist das Hörkölbchen befestigt, das frei in das Wasser herabhängt
und allseitig bis zu seiner Spitze von den Hörhaaren umgeben wird. Es besitzt bei Cunina lati-
ventris den grössten Umfang und eine walzenförmige Gestalt; bei Aeginopsis und Cunina sol maris
ist es bedeutend kleiner und bei ersterer mehr eiförmig, bei letzterer mehr rundlich beschaffen. Bei
allen Arten ist es durch ein sehr kurzes feines Stielchen mit dem Polster leicht beweglich ver-
bunden. Das Kölbchen setzt sich aus einem deutlich abgegrenzten Axentheil und einer denselben
umhüllenden einfachen Epithelschicht zusammen, von welcher kürzere und längere Haare entspringen.
Der Axentheil ist bei den einzelnen Arten der Aeginiden in verschiedenem Maasse, am stärksten
bei Cunina lativentris entwickelt. Während er hier aus einer Reihe grosser Zellen besteht, wie sie
in ähnlicher Weise in den soliden Tentakeln der Medusen Vorkommen, wird er bei Cunina sol maris
und Aeginopsis im Ganzen nur von zwei Zellen gebildet. Die am Ende des Kölbchens gelegene
Axenzelle ist stets dadurch ausgezeichnet, dass in ihr ein Concrement ausgeschieden ist, welches
eine mehr oder minder rundliche, nach den einzelnen Arten etwas abweichende Form zeigt. Das
Concrement oder der Otolith, welcher wahrscheinlich phosphorsauren Kalk enthält, löst sich wie bei
den Vesiculaten schon in verdünnten Säuren auf und lässt nur eine geringe organische Grund-
substanz zurück. Bei Cunina lativentris sind ausser diesem Hauptotolithen in den nächstfolgenden
Zellen noch einige kleinere Nebenotolithen wahrzunehmen. — Die beiden Bestandteile des Hör-
kölbchens, der Axentheil und sein Epithelüberzug, sind von einander durch eine homogene Membran
getrennt. Dieselbe zieht sich an der Basis in ein feines Fädchen aus, welches nach aussen von
spärlichen Nervenfibrillen und von Fortsätzen der Epithelzellen umgeben die Axe und die Haupt-
masse des Stielehens bildet, durch welches die Befestigung am Schirmrand bewerkstelligt wird. Das
Fädchen tritt nämlich durch die Mitte des Iiörpolsters hindurch und geht, wie sich an Macerations-
präparaten nachweisen lässt, in die Stützlamelle über, welche den Ektodermbildungen, dem Sinnes-
epithel und oberen Nervenring, zur Grundlage dient.
Die Entwicklung der Hörkölbchen kann bei jungen Exemplaren von Cunina lativentris leicht
verfolgt werden. Es ergiebt sich hierbei das wichtige Resultat, dass die Axenzellen vom Entoderm
abstammen. Durch Wucherung von Zellen des Ringkanals wird ein kleines Hügelchen gebildet,
welches vor sich das Sinnesepithel des oberen Nervenrings emporwölbt. Die Entodermknospe schnürt
sich dann vollkommen ab, und bleibt, indem sie in den Axentheil des Kölbchens auswächst, nur
noch vermittelst der zu einem dünnen Faden ausgezogenen Stützlamelle mit dem Ringkanal, ihrem
Mutterboden, in Verbindung. Die Otolithenzellen werden mithin hier vom Entoderm geliefert.
Die Gehörorgane der Trachynemiden reihen sich unmittelbar an diejenigen der Aegi-
niden an. Bei Aglaura hängen acht sehr kleine und wie bei Aeginopsis geformte Hörkölbchen vom
Sinnesepithel des oberen Nervenrings frei in das Wasser hinab. Sie enthalten nur zwei Entoderm-
zellen, von welchen die an der Spitze gelegene einen runden Otolithen einschliesst. Unterhalb des
letzteren ist der Epithelüberzug des Kölbchens verdickt und mit langen steifen Haaren besetzt. Die
Befestigung am Schirmrand wird durch die zu einem dünnen Faden ausgezogene Stützmembran ver-
mittelt. In mancher Beziehung liegt hier eine noch primitivere Bildung als bei den Aeginiden vor,
insofern nämlich das Sinnesepithel des oberen Nervenrings sich nicht zu einem besonderen Hör-
polster erhoben hat. Ebenso wie bei Aglaura sind die Gehörorgane bei den Jugendformen von
144
Rhopalonema velatum beschaffen. Bei älteren Tliieren dagegen tritt eine Weiterentwicklung ein,
die dazu führt, dass die ursprünglich freien Hörkölbchen in Hörbläschen einge-
schlossen werden. Es geschieht dies in folgender Weise: Im Umkreis des Kölbchens wuchert
das den oberen Nervenring bedeckende Epithel und bildet eine kleine ringförmige Falte. Durch
Vergrösserung derselben entsteht ein Grübchen, und dieses wandelt sich allmählich, indem seine
freien Ränder sich nähern und zuletzt verwachsen, in ein kleines Bläschen um, dessen Wand zwei
Lagen flimmernder platter Epithelzellen zeigt, die von einander durch eine zarte Membran getrennt
sind. Am Grund des Bläschens ist das kleine Gehörkölbchen mit seinem dünnen Stiel befestigt.
Von dem es bedeckenden Sinnesepithel entspringen starke Haare, die mit ihren peripheren Enden
an die Wandung des Bläschens anstossen und in dem mit Flüssigkeit erfüllten Raum gleichsam wie
Saiten ausgespannt sind; dagegen fehlen längere Haare in der Umgebung der Insertion des Kölb-
chens. Die Verbreitung der Hörzellen ist daher gerade entgegengesetzt wie bei den Aeginiden, bei
denen die langen Haare vom Hörpolster entspringen und auf dem Epithelüberzug des Kölbchens
nur kürzere Haare sich finden. Zwischen diesen beiden Zuständen bilden gewissermaassen ein
Stadium der Indifferenz die Aglauren und jungen Rhopälonemen , bei welchen sowohl an dem Hör-
kölbchen, als auch an dem es umgebenden Sinnesepithel des oberen Nervenrings längere Haare zu
beobachten sind.
Die Gehörorgane der Geryoniden entfernen sich am weitesten von der primitiven
Grundform, welche wir in den freien Hörkölbclien kennen gelernt haben. Sie sind wie bei Rho-
palonema allseitig geschlossene Bläschen von nicht unbeträchtlicher Grösse, sitzen aber nicht frei
dem oberen Nervenring auf, sondern sind allseitig in die Schirmgallerte eingebettet. Sie liegen
nach einwärts vom Nesselwulst, dicht Uber dem Ringkanal, und werden auf ihrer Aussenfläche
von einem festen Stützgebilde, der centripetalen Mantelspange, bedeckt. Von dieser vollkommen
veränderten Lage abgesehen, stimmen sie in den wesentlichen Theilen ihres Baues mit den homo-
logen Bildungen von Rhopalonema überein. An dem Grund des Bläschens, welcher sich dem
Nesselwulst gegenüber befindet, ist an einem dünnen Stiel ein Hörkölbchen befestigt, das sich aus
einem Axentheil und einer Epithelhülle zusammensetzt. Sein Axentheil enthält nur zwei Zellen,
von welchen die an der Spitze gelegene einen grossen ovalen Otolithen ausgeschieden hat. Der
einschichtige Epithelüberzug ist auf einer Seite zu einem starken Polster verdickt und besteht hier
aus Hörzellen, die in lange Nervenfibrillen übergehen und ziemlich dicke bis zur Bläschenwand
ausgespannte Haare tragen. An der Bläschenwand unterscheidet man eine homogene Membran, die
in die Stützlamelle des Nesselwulstes übergeht und hier eine kleine Oeffnung zeigt, und zweitens
einen endothelartig dünnen Epithelüberzug. In Folge der veränderten Lage des Bläschens müssen
die Nervenfibrillen, in welche die Hörzellen sich verlängern, um bis zum oberen Nervenring zu
gelangen, einen weiten Weg zurücklegen. Sie lassen sich mit Deutlichkeit als zwei Faserbündel
verfolgen, die von der Insertion des Kölbchens ausgehen, an der Innenwand des Bläschens nach
dem entgegengesetzten Pol desselben verlaufen, durch die hier befindliche kleine Oeffnung in den
Nesselwulst eintreten und ihn durchkreuzend mit dem Nervenring sich verbinden.
Da nach dieser Darlegung die Gehörbläschen von Carmarina und Rhopalonema in ihren
wichtigsten Bestandteilen (Besitz eines Hörkölbchens) mit einander übereinstimmen, da ferner gering-
fügigere Verschiedenheiten, wie die Hörnerven der Geryoniden, sich aus einer veränderten Lage-
beziehung ableiten lassen, so werden wir beide Formen für homolog erklären müssen. Zwischen
den Hörbläschen von Rhopalonema und denen der Geryoniden ergiebt sich nur der eine wichtige
Unterschied, dass die einen am Schirmrand frei liegen, die andern in die Mantelgallerte eingebettet
145
sind. Dieser Unterschied lässt sich aber wohl darauf zurückführen, dass in dem einen Fall die
Hörkölbchen durch Umwachsung, in dem andern Fall durch Einsenkung in ein Bläschen ein-
geschlossen werden.
Hinsichtlich der Anzahl variiren die Gehörorgane bei den Trachymedusen in derselben Weise
wie hei den Vesiculaten nicht allein nach den einzelnen Arten, sondern auch nach dem Alter des
einzelnen Thieres. Bei Cunina lativentris und Cunina sol maris können sie hei grossen Exemplaren
gegen 100 betragen; hei Aeginopsis dagegen ist ihre Anzahl auf acht beschränkt. Bei den Trachy-
nemiden und bei Glossocodon werden zuerst vier, bei Carmarina sechs Gehörorgane angelegt und
findet später eine Verdoppelung dieser Zahlen statt.
Aus den hier kurz zusammengestellten Beobachtungen rechtfertigt es sich wohl von selbst,
wenn wir die Gehörorgane der Vesiculaten und der Trachymedusen nicht für homologe Bildungen,
sondern für Organe halten, die unabhängig von einander entstanden und nach einem ganz ver-
schiedenen Typus entwickelt sind. Dieser verschiedene Typus spricht sich nicht nur in ihrer
Lagerung, sondern auch in ihrem gesammten feineren Bau aus. Während die Gehörorgane bei
den Vesiculaten unterhalb des Velum am Schirmrand zur Entwicklung gelangen und demgemäss
vom unteren Nervenring auch innervirt werden, entspringen sie bei den Trachymedusen vom oberen
Schirmrand und stehen mit dem oberen Nervenring in Verbindung. Während ferner bei den Vesi-
culaten die Gehörorgane in ihren wesentlichen Bestandtheilen nur von verschiedenartig modificirten
Zellen des Ektoderms, von Otolitlien- und von Hörzellen, gebildet werden, nehmen bei den Trachy-
medusen an ihrer Zusammensetzung sowohl Ektoderm- als auch Entodermzellen Antheil. Die Hör-
zellen stammen vom Sinnesepithel des oberen Nervenrings ab, die Otolithenzellen dagegen vom
Entoderm des Ringkanals, aus dessen Wucherung das Hörkölbchen der Trachymedusen hervor-
gegangen ist.
2. Eine eigenartige Stellung nehmen die Sinneskörper der Acraspeden ein. Die-
selben lassen sich morphologisch an die Gehörorgane der Trachymedusen und zwar an die als
Hörkölbchen bezeiehnete Grundform derselben anreihen; physiologisch dagegen entfernen sie sich
von ihnen, insofern als ihr feinerer Bau, wie wir später sehen werden, bei der Mehrzahl keinen
Schluss auf eine specifische Sinnesfunction gestattet. Wir haben daher auch vorgezogen, ihnen den
indifferenten Namen der Sinneskörper zu geben.
Bei allen Acraspeden sind die Sinneskörper Fortsatzbildungen des Schirmrandes, welche an
ihrem peripheren Ende in Zellen, die vom Entoderm abstammen, eine Anzahl von Concrementen
umschliessen. Für alle sind folgende drei Punkte besonders charakteristisch: Erstlich liegen die
Sinneskörper in tiefen Ausbuchtungen des Schirms und werden seitlich von je zwei Sinneslappen
begrenzt. Zweitens ist ihr Inneres ausgehöhlt, indem eine Verlängerung des Gastrovascularsystems
in dasselbe mehr oder minder weit eindringt. Drittens sind die Sinneskörper zugleich die einzigen
Centralorgane des Nervensystems und sind als solche bereits früher von uns besprochen worden.
Bei den Acraspeden sind somit die Sinnesorgane und das centrale Nervensystem noch weniger als
bei den Craspedoten von einander differenzirt.
Während in diesen drei Punkten alle Acraspeden übereinstimmen und hierdurch gemeinsam
von den Trachymedusen abweichen, lassen sie sich selbst nach einzelnen Modificationen im Bau
ihrer Sinneskörper in drei Gruppen bringen, von welchen die erste und dritte allein durch Nausithoe
und die Charybdeiden vertreten wird, die zweite alle übrigen Arten umfasst.
Bei Nausithoe treten die Fortsatzbildungen des Schirmrandes, die acht Sinneskörper, am
Grund zwischen je zwei zusammengehörigen Sinneslappen frei hervor und sind in einer besonders
llertwig, Medusen. 19
146
charakteristischen Weise deutlich in zwei functionell verseliiedene Abschnitte gesondert. Der untere
Abschnitt oder der Sinneshügel besitzt die Gestalt eines abgestumpften Kegels und umschliesst
allein den Hohlraum, der mit dem Gastrovascularsystem zusammenhängt. Von ihm ist der periphere
Theil als Hörkölbchen scharf abgegliedert, solid beschaffen und ähnlich gebaut wie das gleich-
namige Gebilde der Trachymedu sen . Es ist an seinem distalen Ende kolbig verdickt und geht
proximalwärts in einen diinen Stiel über, der in der Mitte des Sinneshügels inserirt. Wie bei den
Trachymedusen lässt es einen Axentheil, der von Entodermzellen abstammt, und eine Epithelhülle
erkennen. Letztere ist auf der ventralen Seite des Kölbchens dünn, dorsalwärts dagegen von hohen
und feinen Cylinderzellen gebildet, die mit langen und starren Haaren besetzt sind. Der Axentheil
enthält nur zwei Concrementzellen , von welchen die distal gelegene einen grossen mit polygonalen
Flächen versehenen Otolithen, die proximale einige kleinere Concremente birgt und mittels eines
feinen im Stiel des Kölbchens gelegenen Ausläufers mit dem Epithel der gastrovascularen Aus-
stülpung im Sinneshügel zusammenhängt. Ausser dem Hörkölbchen erhebt sich noch von der
Rückenfläche des Sinneshügels baldachinartig die Hörfalte, eine Gallertlamelle, welche von einem
dünnen Platten epithel überzogen wird. Indem sie von oben und von den Seiten das Kölbchen
umfasst, kommt dieses in eine nach unten offene Nische zu stehen, aus der es allein nach abwärts
herausgedrängt werden kann.
Die Sinneskörper aller übrigen Acraspeden zeigen in ihrer Form nicht die für Nausithoe
allein eigenthiimliche Zusammensetzung aus zwei verschiedenen Abschnitten.
Bei den zur zweiten Gruppe gehörigen Arten, bei Pelagia, Aurelia, Phacellophora,
Cyanea u. s. w. bilden die Sinneskörper einen walzenförmigen, am freien Ende abgerundeten, finger-
förmig gekrümmten Fortsatz, in welchen eine Ausstülpung des Gastrovascularsystems ein wenig
über die Hälfte hineindringt. Das Ende des Fortsatzes ist solid und von Entodermzellen erfüllt,
die zahlreiche Krystalle enthalten und dadurch in ihrer Gesammtheit das sogenannte Krystall-
säckchen früherer Forscher zusammensetzen. Der aus dem Entoderm entstandene Axentheil der
Sinneskörper wird durch eine dicke Stützlamelle vom äusseren Epithel geschieden. Dieses besteht
über dem Krystallsäckehen aus platten Elementen, im unteren Abschnitt dagegen aus hohen Cylinder-
zellen, die sich in Nervenfibrillen verlängern und auf ihrer Oberfläche Haare tragen. Bei jungen
Tliieren finden sich die hier beschriebenen Organe frei in der Bucht zwischen den Sinneslappen
des Schirmrandes, später werden sie von diesen allseitig umhüllt. Sie kommen hierbei in einen
kanalartigen Raum zu liegen, der nach oben von der Deckplatte, nach unten von den über einander
geschlagenen Sinnesfalten gebildet wird und durch Aufheben der letzteren in ganzer Ausdehnung
geöffnet werden kann. Die Anzahl der Sinneskörper ist bei den oben genannten Acraspeden eine
geringe und bei jungen und alten Tliieren eine und dieselbe; bei den meisten Arten beschränkt
sie sich auf 8, bei einigen wenigen steigt sie auf 12 oder 16.
Bei den Charybdeiden, der dritten von uns aufgestellten Gruppe, sind die stets
in Vierzahl vorhandenen Sinneskörper in nischenförmigen Vertiefungen der Schirmoberfläche angebracht.
Sie zeichnen sich besonders dadurch aus, dass ihre Basis zu einem Stiel eingeschnürt, ihr Endtheil
dagegen kugelig aufgetrieben ist. Der letztere ist von einer runden flimmernden Höhle, der Ampulle,
eingenommen, die durch einen engen Kanal im Stiel mit dem Gastrovascularsystem communicirt.
In der Wand der Ampulle findet sich ein Krystallsäckehen, im verdickten Ektoderm sind mehrere
Ocelli eingebettet, die unter allen Medusen wohl die grössten lichtbrechenden Körper enthalten.
Wenn wir nach dieser kurzen Zusammenstellung die dem zweiten Typus zugerechneten
Gehörorgane der Trachymedusen und die Sinneskörper der Acraspeden unter einander vergleichen, so
147
werden wir unsere schon früher ausgesprochene Ansicht, dass hier homologe Theile gegeben sind,
nur mit wenigen Worten zu rechtfertigen haben. Denn trotz der zahlreichen und mannigfaltigen
Modificationen kommt doch in allen diesen Organen die übereinstimmende Grundform immer wieder
zum Vorschein. Ueberall lässt sich eine kolbenförmig gestaltete Fortsatzbildung des Schirmrandes
nachweisen, welche entweder frei auf der Körperoberfläche angebracht oder secundär in ein Bläschen
eingeschlossen ist. Ueberall sind an ihrer Zusammensetzung in gleichem Maasse das Ektoderm und
das Entoderm betheiligt, wobei das erstere zum Theil zu einem Sinnesepithel umgewandelt ist, das
letztere ein oder zahlreiche Concremente an der Spitze des Fortsatzes ausgeschieden hat. Die
grosse Uebereinstimmung dieser Grundform mit den Tentakeln, den ursprünglichsten Organen des
Schirmrandes, ist offenbar, da ihr Bau, ihre Lage, ihre Genese aus dem Epithel des Ringkanals
im Grossen und Ganzen die gleiche ist. Die Verschiedenheiten zwischen diesen beiden Bildungen
reduciren sich vornehmlich einerseits auf die abweichenden Grössenverhältnisse, die bei morpholo-
gischen Vergleichungen so wenig ins Gewicht fallen, andererseits auf das Vorhandensein oder den
Mangel der Concremente. Beide Punkte sind von untergeordneter Bedeutung. Wir stehen daher
nicht an, die Hörkölbchen der Trachy medusen und die Sinneskörper der Acraspeden
für modificirte Tentakeln zu erklären, an deren Spitze in Zellen des Entoderms sich Con-
cremente angehäuft haben. Wie bei den Tentakeln können wir auch bei ihnen zwischen soliden
und hohlen schlauchförmigen Bildungen unterscheiden. Mit einer soliden Axe sind die Hörkölbchen
der Tracliymedusen versehen, die grösseren Sinneskörper der Acraspeden dagegen sind durch Fort-
sätze des Gastrovascularsystems bis an ihr concrementhaltiges Ende ausgehöhlt. Eine Mittelstellung
nimmt gewissermaassen Nausithoe ein, insofern an ihrem Sinneskörper ein solider kölbchenartiger
Endtheil von einem hohlen Basaltheil abgegliedert ist. Schon von einigen früheren Forschern ist
die morphologische Verwandtschaft dieser Organe erkannt worden. So bemerkt Leuckakt (58)
in seiner Medusenfauna von Nizza bei Besprechung von Aglaura, dass hier und in anderen Fällen
das Hörbläschen so augenscheinlich eine tentakelartige Gestalt hat, dass eine morphologische Be-
ziehung zu den Randfäden dadurch höchst wahrscheinlich wird. Ebenso hält L. Agassiz (3 und 4)
die Randkörper der Acraspeden für modificirte Tentakeln ; indessen verliert bei ihm dieser Vergleich
dadurch an Schärfe und Werth, dass er überhaupt alle Organe des Schirmrandes, wie z. B. auch
die Hörbläschen der Vesiculaten, als tentakelartige Bildungen bezeichnet. —
Bei unseren morphologischen Erörterungen haben wir bisher von den Gehörorganen und
Sinneskörpern der Medusen, von Hörzellen und von Otolithen gesprochen, ohne dass wir an irgend
einer Stelle diese Namengebung zu begründen versucht hätten. Das Versäumte soll jetzt nach-
geholt werden, indem wir noch im Zusammenhang über die physiologische Bedeutung der
erst anatomisch besprochenen Organe handeln. Hierbei können wir uns nicht — so
wünschenswert dies wäre — auf physiologische Experimente berufen, die weder wir selbst noch
Andere angestellt haben, obwohl sie gewiss bei geeigneten Vorkehrungen gut ausgeführt werden
könnten. Unsere Deutungen stützen sich daher einzig und allein auf morphologische Ana-
logieen, deren Werth für die Beurteilung der Sinnesorgane wir schon früher betont haben.
Wir vergleichen die Gehörorgane der Vesiculaten, der Tracliymedusen und der Nausithoe
den Hörbläschen der wirbellosen Thiere und wollen die Berechtigung dieses Vergleiches im Ein-
zelnen jetzt näher durchzuführen versuchen.
Bei fast allen Wirbellosen, bei den Würmern, Mollusken und Crustaceen sind die Gehör-
organe kleine, in das Körperparenchym eingebettete, mit Flüssigkeit erfüllte Bläschen, an deren
Wand der Hörnerv sich verbreitet. Während frühere Forscher auf diese Beschaffenheit ein grosses
148
Gewicht legten (eine Auffassung, die auch in der Geschichte unseres Gegenstandes ihre Rolle ge-
spielt hat), ist man in den letzten 20 Jahren mehr und mehr zu der Ansicht gekommen, dass die
Bläschenform, wenn auch sehr wichtig, doch nicht wesentlich für das Zustandekommen von Schall-
empfindungen sei. Denn einmal zeigte die Entwicklungsgeschichte, dass die Hörbläschen von der
Hautoberfläche aus entstehen, dass Grüben sich bilden und allmählich sich abschnüren; zweitens
lernte man bei einzelnen Thierarten, wie z. B. bei unserem Flusskrebs, nach aussen offene Gruben
des Integuments als Gehörorgane deuten. Es drängt somit sowohl die Entwicklungsgeschichte, als
auch die vergleichende Anatomie darauf hin, zwischen freien und geschlossenen Gehör-
organen zu unterscheiden und die ersteren als die ursprünglichen, die letzteren als die aus ihnen
abgeleiteten Bildungen zu betrachten. So wird sich denn von dieser Seite aus kein ernstlicher
Einwand dagegen erheben lassen, dass wir nicht nur bei den Geryoniden, Aequoriden und Euco-
piden, sondern auch bei den Aeginiden und Trachynemiden , bei Nausithoe und Mitrocoina von
Gehörorganen reden. Wir können dies um so eher thun, als wir zwischen der freien, auf der
Hautoberfläche gelegenen und der geschlossenen, zu einem Bläschen umgewandelten Form überall
den genetischen Zusammenhang bei den von uns untersuchten Medusen sicher nachgewiesen haben.
Nach den Ergebnissen genauerer histologischer Untersuchungen haben wir als wesentliche
Bestandtheile der Gehörorgane zweierlei Elemente anzusehen: 1) mit steifen Haaren ausgestattete
Sinneszellen und 2) die Otolithen, deren Bedeutung für den Akt des Hörens, wie aus ihrer weiten
Verbreitung in allen Stämmen des Thierreichs geschlossen werden kann , gewiss keine geringe ist.
Hörzellen sowohl als Otolithen sind bei den Medusen von uns aufgefunden worden, so dass wir,
um nach allen Richtungen die einzelnen Analogieen festzustellen, jetzt nur noch auf das Verhältniss,
in welchem diese zwei Bestandtheile in den Gehörorganen der Medusen und der übrigen Wirbel-
losen zu einander stehen, näher einzugehen haben. Namentlich sind cs zwei Punkte, die hier nicht
unberücksichtigt bleiben dürfen, erstens, die verschiedene Befestigungsweise der Otolithen und
zweitens die verschiedene Stellung, welche die Hörzellen zu ihnen einnehmen.
Was den eisten Punkt betrifft, so haben schon frühere Forscher (41 und 95) die Gehörorgane
in zwei Gruppen gesondert, je nachdem die Otolithen befestigt oder beweglich angebracht sind.
Befestigte Otolithen beobachten wir bei den meisten Würmern und bei den Tunicaten, bei denen das
kleine Concrement durch ein dünnes und kurzes Stielchen mit der Bläschenwand verbunden ist. In
diese Gruppe sind auch die Gehörorgane der Medusen zu zählen, deren Otolithen in einer zweifach
verschiedenen Weise befestigt sind. Bei den Vesiculaten liegen die Otolithen in Epithelzellen, die
durch Ansammlung von Flüssigkeit blasig aufgetrieben und zu Halbkugeln umgcstaltet sind, welche
mit breiter Fläche an der Stützlamelle haften. Das Hörsteinchen, welches nur zur Hälfte" den von
Flüssigkeit erfüllten Raum einnimmt, sitzt an der gewölbten, über die Oberfläche vorspringenden
inneren Fläche der elastischen Zellmembran fest. Bei den Trachymedusen und hei Nausithoe da-
gegen sind die Concremente in kolbenförmigen Fortsätzen des Schirmrands in Entodermzellen ein-
gebettet *). — Wenn wir im Vorhergehenden die Hörsteinchen der aufgeführten niederen Thierklassen
als befestigte bezeichnet und sie den beweglichen anderer Thiere gegenübergestellt haben, so soll
hiermit keineswegs ausgedrückt sein, dass die ersteren selbst auch unbeweglich seien. Im Gegen-
theil, ihre Befestigungsweise ist, wie unsere Untersuchungen gezeigt haben, eine solche, dass durch
1) Nach diesem bei den Medusen erhaltenen Resultat wäre es jetzt gewiss von Interesse, zu erfahren, wie die Otolithen bei
den Würmern und Tunicaten entstehen, oh die sie umschliessenden Kölbchen nur modificirte an der Bläschenwand vorspringende
Epithelzellen oder vielleicht gar Fortsatzbildungen des Mesoderms sind!
149
Bewegungen des umgebenden Medium auch die Concremente sehr leicht in Mithewegung versetzt
werden ; bei den Trachymedusen werden die an einem feinsten Stielclien aufgehängten Hörkölbchen,
bei den Vesiculaten die dünnen, den Stein tragenden elastischen Wandungen der Concrementblase
mitschwingen. Aelinliches wird bei den Würmern und Tunicaten stattfinden. Mit einem Wort, die
Otolithen sind überall beweglich auf ihrer Unterlage befestigt.
In der zweiten Gruppe bieten uns die Mollusken die lehrreichsten Beispiele dar. In einem
mit Flüssigkeit erfüllten Bläschen sind kleine Otolithen suspendirt, die durch ein die Wandung
überziehendes Wimperepithel in beständig rotirender Bewegung erhalten werden. Zwischen diesen
Wimperzellen vertheilt oder nur auf einen Bezirk beschränkt sind noch besondere Hörzellen mit
steiferen Hörhaaren an verschiedenen Objecten aufgefunden worden; dass diese letzteren und nicht
die Flimmerzellen die empfindenden Theile sind, kann jetzt wohl als sicher angenommen werden.
In welchem Verhältniss stehen nun diese schwingenden Otolithen zu den an der Bläschen-
wand befestigten? Schon Harless (95) suchte den Zweck der Bewegung’ in der Weise zu er-
klären, dass durch die Thätigkeit eines Flimmerorgans die Otolithen immer von der Innenwand des
Bläschens entfernt gehalten würden. In dieser Erklärung hat Harless schon vor Jahren das
Richtige getroffen. Es lässt sich nämlich nach weisen, dass die Hörbläschen mit schwingenden
Otolithen von solchen mit befestigten Otolithen abgeleitet werden müssen, dass die letzteren daher
nicht in einem Gegensatz zu ersteren stehen, sondern nur durch später erworbene Modificationen
sich abgeändert haben. Fol (92) macht uns in seinen Studien über die Entwicklung der Mollusken
mit der bemerkenswerthen Thatsache bekannt, dass die Otolithen nicht wie man nach ihrem späteren
Verhalten glauben könnte, durch einen Niederschlag in der Flüssigkeit der Hörbläschen, sondern
an der Wand derselben in einer Epithelzelle entstehen. Der Otolith springt mehr und mehr über
die Oberfläche der Wand vor und bleibt ihr bei einigen Arten längere Zeit, bei andern kürzere
Zeit noch angeheftet; dann fällt er in den Bläschenraum und wird durch das Flimmerepithel der
Wandung, welches vielleicht selbst durch seine Schwingungen die Ablösung des Otolithen mit herbei-
geführt hat, in Rotation versetzt. Die Flimmern übernehmen jetzt die Rolle des Stielchens, welches
ursprünglich den Otolithen getragen hat, indem sie durch ihre Bewegungen den letzteren in der
Mitte des Bläschens in Schwebe erhalten. In der ganzen Einrichtung ist daher nichts anderes als
ein modificirter und verbesserter Aufhängeapparat zu suchen, indem die in der Flüssig-
keit von Qilien getragenen Otolithen auf Schallschwingungen wohl noch besser als solche Otolithen
reagiren müssen, die mit der Bläschenwand durch ein Fädchen verbunden sind. Hiermit treten
die schwingenden zu den befestigten Otolithen sowohl anatomisch als physio-
logisch in ein sehr nahes Verhältniss.
Der zweite und letzte Punkt, der von uns noch erörtert werden muss, ist die verschiedene
Stellung, welche die Hörzellen zu den Otolithen einnehmen können. Bei den genauer untersuchten
Gehörorganen der Mollusken und Arthropoden treten die Hörhaare ausnahmslos von der Bläschen-
wand mit ihren peripheren Enden an die Concremente heran. Dagegen sind wir innerhalb der
einzelnen Abtheilungen der Medusen mit viel mannigfaltigeren Lagebeziehungen bekannt geworden.
Bei den Vesiculaten umgreifen die in einer Reihe angeordneten Hörhaare der Vesiculaten von einer
Seite mit ihren gekrümmten Borsten die kugelig gewölbte Wand je einer Concrementblase und
schmiegen sich ihr dicht an. Bei den Aeginiden werden die leicht beweglichen Hörkölbchen all-
seitig von parallel verlaufenden langen steifen Borsten umgeben, die von Sinneszellen an ihrer
Basis entspringen. Bei den bläschenförmigen Gehörorganen der Trachynemiden , der Geryoniden
und der Nausithoe endlich sind die Sinneszellen nicht an der Bläschenwand, wie bei den übrigen
150
Wirbellosen, sondern am Kölbchen selbst angebracht, so dass ihre steifen Hörhaare mit ihren Enden
die Wandung' und nicht den Otolithen berühren. Es liegt hier also geradezu ein dem Typischen
entgegengesetztes Verhältnis vor. Indessen lässt sich doch bei allen diesen Variationen ein ein-
heitliches Princip nicht verkennen, welches sowohl für die Medusen, als auch für die übrigen
Wirbellosen Geltung besitzt. Ueberall sind die Hörhaare so angebracht, dass eine Einwirkung der
Otolithen auf sie möglich ist. Welcher Art diese Einwirkung ist, lassen wir dahingestellt, da die
gewiss äusserst wichtige Rolle der Otolithen beim Hörakt bis jetzt experimentell so wenig bearbeitet
worden ist und nach dem vorliegenden Material ein sicherer Entscheid in dieser Frage wohl schwer
gewonnen werden kann. Doch wollen wir, um unsere Ansicht zu veranschaulichen, den Fall setzen,
dass durch Schallschwingungen der Otolith mit erschüttert wird. Dann werden von diesen Be-
wegungen in allen Fällen auch die Hörhaare direct mit beeinflusst werden müssen, mögen sie nun
wie bei den Mollusken und Arthropoden oder wie bei den Vesiculaten und Trachymedusen etc. an-
gebracht sein. Es muss hierbei von untergeordneter Bedeutung sein, ob die Hörhaare von der
Bläschenwand oder vom vibrirenden Kölbchen selbst entspringen.
Mit dieser Darlegung glauben wir die im speciellen Tlieil angewandte Namengebung be-
gründet zu haben und dürfen wir jetzt wohl mit gleichem Recht, wie bei den ‘übrigen Wirbellosen,
auch bei einzelnen Abtheilungen der Medusen von Gehörorganen sprechen, wobei wir uns freilich
jedes Urtheils über die Qualität dieses Hörens enthalten. Es ist selbstverständlich, dass man auch
hier, wie bei andern Sinnesorganen, zwischen niederen und höheren Graden der Leistung zu unter-
scheiden hat. Speciell von den Gehörorganen aber sei noch hervorgehoben, dass sie in ihren ersten
Anfängen von den Tastapparaten nicht so scharf zu sondern sein dürften.
Indem wir hiermit unsere Betrachtung über die Gehörorgane der Medusen abschliessen,
machen wir noch besonders auf zwei Punkte aufmerksam, die uns beim Studium dieser Gebilde
morphologisch und physiologisch von Interesse zu sein scheinen: erstens, dass dieselbe functionelle
Einrichtung in einer so kleinen Thierabtheilung auf eine morphologisch zweifache Weise erreicht
worden ist; zweitens, dass diese Organe sowohl in ihren primitivsten Anfängen, als auch in höherer
Ausbildung mannigfach modificirt uns vorliegen. Wir sehen hier gleichsam die Hörorgane in ihrem
Werden vor uns. Sinneszellen des allgemeinen Sinnesepithels werden bei den Vesi-
culaten zu Hörzellen, indem sie mit einer Ektodermzelle, in der ein Concrement
sich entwickelt hat, in Verbindung treten. In anderer Weise bildet sich bei den
Trachymedusen und bei Nausithoe ein Gehörorgan, indem eine Tentakelanlage
rudimentär wird, an ihrer Basis sich einschnürt und in ihrem Ende Concremente
ausscheidet, und indem gleichzeitig die Sinneszellen im Umkreis oder auf der so
modificirten Tentakelanlage zu Hörzellen werden. Die auf morphologisch ganz
verschiedener Grundlage entstandenen primitivsten Gehörorgane werden bei
Vesiculaten und Trachymedusen in gleicherweise vervollkommnet. Sie scheiden
von der Körperoberfläche aus, werden zuerst in grubenförmigen Vertiefungen
und dann in vollständig mit Flüssigkeit erfüllten Bläschen geborgen.
Bei der physiologischen Beurtheilung haben wir bis jetzt von den Acraspeden allein Nausithoe
berücksichtigt, alle übrigen Arten dagegen ausgeschlossen. Es geschah dies aus dem Grund, weil
wir den Sinneskörpern derselben, obwohl sie morphologisch den Gehörorganen der Trachymedusen
verwandte Bildungen sind, doch keine specifische Sinnesfunction glauben zuertheilen zu dürfen.
Denn einmal ist bei den Acraspeden weder der Sinneskörper als Ganzes betrachtet beweglich an
der Deckplatte befestigt, noch ist der otolithenhaltige Theil desselben wie bei Nausithoe zu einem
151
leicht beweglichen Kölbchen abgegliedert. Zweitens ist das Sinnesepithel auf seiner Oberfläche
zwar mit Haaren bedeckt, diese sind aber von zarterer Beschaffenheit, als die stärkeren und längeren
Hörhaare der übrigen Medusen. Es will uns daher richtiger erscheinen, für diese Sinnesorgane der
Acraspeden, obwohl in ihnen bereits einige für die Ausbildung eines Gehörorgans günstige Momente
gegeben sind, eine mehr indifferente Sinnesfunction anzunehmen und sie demgemäss auch mit einem
allgemeineren Namen als Sinneskörper zu bezeichnen.
i
152
Zweiter Abschnitt.
Systematische Bedeutung des Nervensystems und der Sinnesorgane der Medusen.
Das Nervensystem lind die Sinnesorgane der Medusen zeigen in ihrem Bau erhebliche Ver-
schiedenheiten, deren Verbreitung vielfach mit den Grenzen grösserer Abteilungen zusammcnfällt.
Sie müssen somit als Theile von hervorragender systematischer Bedeutung angesehen werden.
Für die Gehörorgane ist diese Ansicht schon vor Jahren von Will (86) aufgestellt worden.
Obwohl derselbe nur unvollkommen über die Structur und das Vorkommen der Gebilde unterrichtet
war, so äusserte er gleichwohl gestützt auf sein unzureichendes Beobachtungsmaterial die Ver-
mutung, dass genauere Untersuchungen gewiss typische Verhältnisse aufdecken würden, die für die
Charakteristik grösserer und kleinerer Abtheilungen der Schirmquallcn mit Vorteil benutzt werden
könnten. Wenige Jahre später begründete Forbes (29) sein Medusensystem auf die Beschatfenhcit
der Randkörper, indem er die Gruppen der Gymnophthalmata und Steganophthalmata unterschied.
Auch Gegenbaur (32 und 33) räumte ein, dass die Randkörper häufig einen besseren Aufschluss
über die Stellung des Thieres geben, als die Körperform und die Verhältnisse der Tentakeln, obwohl
er es im Uebrigen beanstandete, wie Forbes die genannten Organe zum obersten Einfheilungs-
princip zu machen.
In der Neuzeit ist es bei der Systematik der Ilydromedusen mehr und mehr Brauch ge-
worden, die Einteilung der Hydroidengeneration , sofern eine solche vorhanden ist, zu Grunde zu
legen und den auf diese Weise erhaltenen Hauptgruppen die Medusen einzuordnen; um so mehr
möchte es hier am Platz sein darauf hinzuweisen, dass auch bei diesen sich wichtige Unterscheidungs-
merkmale vorfinden, welche zur Aufstellung grösserer Abtheilungen geeignet sind, und dass solche
Merkmale namentlich durch den Bau des Nervensystems und der Sinnesorgane geboten werden.
In Bezug auf das Nervensystem liegen die Verhältnisse sehr einfach. Nach seiner Be-
schaffenheit würden wir zwei Gruppen bilden können, Medusen mit einem Nervenring und Medusen
mit getrennten Nervencentren. Die ersteren sind die Trachymedusen und alle frei schwimmenden
Geschlechtstliiere von Hydroidpolypen , beides Organismen, die sich durch die Anwesenheit eines
ächten Velum auszeichnen; die letzteren sind Medusen, welche entweder gar kein Velum oder doch
nur wie die Aurelien ein Pseudovelum besitzen. Der Bau des Nervensystems bestätigt somit die
Richtigkeit der von Gegenbaur vorgeschlagenen Einteilung in Acraspeden und Craspedoten.
Die verschiedenen Arten der Sinnesorgane sind offenbar von sehr ungleichem Werth für die
Systematik. Am unwichtigsten unter ihnen sind wohl die Tastapparate, welche im Allgemeinen
sehr indifferent gebaut und auch zur Zeit noch nicht genügend durch die gesammte Medusengruppe
hindurch verfolgt sind. Immerhin verdient hervorgehoben zu werden, dass die eigenthümlich ge-
formten Tastkämme, welche wir bei Rhopalonema und Aglaura aufgefunden haben, wahrscheinlich
ein der Tracliynemidengruppe gemeinsames Merkmal darstellen werden.
Die systematische Bedeutsamkeit der Ocellen ist bisher vielfach überschätzt worden. Wir
haben in denselben Organe vor uns, die bei niederen Thieren sehr oft wiederkehren und sich ganz
sicher unzählige Male unabhängig von einander entwickelt haben. Auch bei den Medusen lässt
sich Nichts zu Gunsten der Ansicht geltend machen, dass die Augenflecke einen einmal entstan-
denen, vielfach vererbten Charakter der Gruppe bilden, vielmehr muss gerade das Gegentheil
153
angenommen werden, wenn wir ihre Verbreitungs' weise lind ihre Lagerung berücksichtigen. Was
den ersten Punkt anlangt, so finden sich die Ocellen bei allen Hauptabtheilungen der Medusen
mit Ausnahme der Trachymedusen. Sporadisch treten sie bei den Acraspeden (Aurelia, Nausithoe)
und den Vesiculaten (Tiaropsis nach Agassiz) auf; weit verbreitet sind sie unter den sogenannten
Oeellaten; allein auch bei diesen sind sie so wenig typisch, dass sie ganzen Familien vollständig
fehlen können. Nirgends sind die Ocellen somit ein constantes Merkmal.
Die gleiche Regellosigkeit spricht sich in der Lagerung der Ocellen aus. Bei einem Theil
der Medusen sind sie zwischen den Tentakeln, bei einem anderen Theil an der Basis derselben
und hier wiederum bald auf ihrer oberen, bald auf ihrer unteren Seite angebracht. Die hervor-
gehobenen Verschiedenartigkeiten sind, wie wir -schon früher bemerkt haben, zum grössten Theil
durch physiologische Verhältnisse bedingt, indem die Augenflecke überall gleichsam. Orte aufsuchen,
welche ihnen den einfallenden Lichtstrahlen gegenüber eine günstige Stellung gewähren. Auch
dieses Moment berechtigt zu dem Schluss, dass die Ocellen häufig nur physiologisch, nicht mor-
phologisch gleichartige Bildungen sind, welche eine geringe systematische Bedeutung besitzen
und bei der anatomischen Charakteristik grösserer Abtheilungen, wie der Oeellaten, nicht verwandt
werden können. Wenn letztere nach Ausschluss der von Haeckel (38) ihnen früher zugerechneten
Thaumantiaden eine natürliche Gruppe bilden, so kommt dies daher, dass bei ihrer Zusammen-
fassung auch anderweitige wichtigere Merkmale Berücksichtigung gefunden haben. Unter diesen
Merkmalen scheint uns das wichtigste die Lage der Geschlechtsorgane in den Wandungen des
Magens zu sein, da ja bei den übrigen Craspedoten die Radialkanäle mit der Erzeugung der Ge-
schlechtsproducte betraut sind.
Im Gegensatz zu den Tastapparaten und den Ocellen sind die Gehörorgane nicht allein
für den Morphologen und Physiologen, sondern auch für den Systematiker von hohem Interesse,
denn sie ermöglichen uns Gruppen, die früher nur nach ihrer Entwicklung auseinander gehalten
werden konnten, auch anatomisch zu unterscheiden; es sind dies die Vesiculaten und Trachymedusen.
Die bisher gemachten Versuche, die Medusen, welche sich direct aus dem Ei entwickeln
und diejenigen, welche von Campanulariden aufgeammt werden, schon an ihrer Organisation zu
erkennen, müssen wohl als gescheitert angesehen werden. Wir mögen ein Organsystem heraus-
greifen, welches wir wollen, stets ist die Verschiedenartigkeit desselben innerhalb einer Gruppe
grösser, als es zwischen den sich am meisten ähnelnden Familien beider Gruppen der Fall ist.
Die Geryoniden gleichen zweifellos im Bau ihres Gastrovascularsystems und ihrer Geschlechts-
organe, sowie in der Beschaffenheit ihrer Schwimmglocke den Geryonopsiden in viel höherem Maasse
als den Aeginiden ; namentlich gilt dies von der vierstraliligen Gattung Liriope. Die meisten Trachy-
nemiden, wie z. B. die Rhopalonemen und Trachynemen, nähern sich ganz ausserordentlich den
Eucopiden, mit denen sie Gegenbaur (33), ausgehend von ihrer Anatomie, ganz folgerichtig vereint
hat; andererseits entfernen sie sich in vielen Theilen ihrer Organisation so sehr von den übrigen
Trachymedusen, dass nur die Art ihrer Entwicklung bisher ihre Vereinigung mit denselben recht-
fertigen konnte.
Die Gehörorgane allein liefern uns durchgreifende Charaktere, um auch ohne Kenntniss der
Ontogenese Trachymedusen und Vesiculaten aus einander zu halten. Eine craspedote Meduse mit
tentakelartigen Hörkölbchen, deren Sinneszellen aus dem Ektoderm, deren Otolithen aus dem
Entoderm stammen, können wir mit Sicherheit der erstgenannten Gruppe zurechnen, mag nun das
Hörkölbchen dem Nervenring frei aufsitzen oder in ein besonderes Bläschen eingeschlossen sein.
Auf der anderen Seite werden wir über die Zugehörigkeit zu den Vesiculaten nicht zweifelhaft
Hertwig, Moduson. 20
1 54
sein, wenn wir bei einer Meduse als Theile des Gehörorgans blasige dem Ektoderm angehörige
Otolithenzellen und zarte vom unteren Nervenring aus versorgte Hörzellen mit den charakteristisch
angeordneten Hörhaaren entweder am Grund einer Hörgrube oder im Innern eines Hörbläschens
nachgewiesen haben.
Die Bedeutsamkeit der Gehörorgane für die Systematik lässt sich noch weiter ins Einzelne
verfolgen, indem bestimmte Formen derselben sogar für bestimmte Familien charakteristisch sind.
Unter den Trachymedusen, für welche das Gesagte ganz besonders anwendbar ist, zeichnen
sich die Aeginiden dadurch aus, dass sie freie Hörkölbclien besitzen, die sich auf besonderen Hör-
polstern erheben. Bei den Trachynemiden dagegen befestigen sich die Hörkölbchen direct auf dem
Nervenring, wobei sie entweder in das umgebende Wasser hervorragen oder vom Epithel umwuchert
und in ein Bläschen eingeschlossen werden. Auch hierin spricht sich, indem sich Aglaura und
Rhopalonema sehr ähnlich verhalten, die nahe Verwandtschaft beider Gattungen aus, auf die wir
schon gelegentlich bei Besprechung der Tastkämme hingewiesen haben. In wie hohem Grade end-
lich die in die Tiefe eingesenkten Hörbläschen mit ihren seitlichen Nervenbändern für die Geryo-
niden typisch sind, bedarf kaum besonderer Erwähnung.
Eigentümliche Verhältnisse finden sich hinsichtlich der Verbreitung und Beschaffenheit der
Gehörorgane bei den VeSiculaten oder richtiger gesagt bei den von Campanulariden aufgeammten
Medusen. Nach den in der Literatur vorliegenden Angaben sind nur bei einem Theil der genannten
Thieye Hörbläschen oder Ilörgruben erkennbar, bei dem anderen Theil — hier sind besonders die
Laodiceiden und Melicertiden zu nennen — sind sie bisher nicht beobachtet worden. Zwischen den
Arten der beidien Abtheilungen, in welche somit die Campanulariden zerfallen würden, herrscht eine
überraschende Formenähnlichkeit, die zuweilen so gross ist, dass bei oberflächlicher Betrachtung
Arten der einen Abtheilung mit Arten der anderen verwechselt werden könnten. Sprechende Bei-
spiele hierfür sind die Thaumantias mediterranea und die Mitrocoma Annae, zwei Medusen, von
denen die eine keine Gehörorgane, die andere Hörgruben besitzt, während beide sonst im Bau der
Geschlechtsorgane, des Magens, der Gallertscheibe, sowie darin, dass sie mit zweierlei Tentakeln,
hohlen Haupt- und soliden Nebententakeln, ausgerüstet sind, einander nahezu völlig gleichen. Wenn
nun auch bei den meisten übrigen Arten die systematische Zusammengehörigkeit nicht so offen-
kundig ist, wie bei den beiden genannten, so ist doch ein gemeinsames Merkmal durch die ganze
Reihe hindurch zu verfolgen, die Lagerung der Geschlechtsorgane in der Gestalt von bandartigen
Falten längs den Radialkanälen. Dieses Merkmal in Verbindung mit anderweitigen Aehnlichkeiten
ist wichtig genug, um die Vesiculaten, auch abgesehen von ihrer gleichartigen Abstammung, als
eine zusammengehörige Gruppe zu betrachten, und so könnte denn die Ansicht aufgestellt werden,
dass sich bei den Vesiculaten die verwandtschaftlichen Beziehungen, wie sie sich aus der Ver-
breitung der Gehörorgane ergeben, sich keineswegs mit denen decken, zu welchen uns die Berück-
sichtigung anderweitiger Merkmale hinführt. Indessen müssen hier noch zwei weitere Möglichkeiten
in Erwägung gezogen werden.
Einmal ist es denkbar, dass bei den Laodiceiden und Melicertiden Gehörorgane vorhanden,
aber bisher noch nicht aufgefunden worden sind. Schon Mc. Crady (63) hat eine derartige Ver-
muthung ausgesprochen; er hält es auf Grund der Analogie von Thaumantias mit Eucopc für wahr-
scheinlich, dass die erstere, wenn auch vielleicht nur auf frühen Stufen ihrer Entwicklung, durch
Randbläschen charakterisirt sein möchte. Wir unsererseits haben noch mehr Veranlassung, daran
zu denken, dass die Gehörorgane bei den Laodiceiden u. s. w. bisher nur übersehen worden sind.
Der gesammte Entwicklungsgang, den die Hörbläschen in der Reihe der Vesiculaten genommen
155
haben, nöthigt uns zu der schon oben erörterten Annahme, dass noch ein ursprünglicherer Zustand
existirt haben muss, als er noch jetzt bei Mitrocoma erhalten ist. Bevor die Hör- und Otolithen-
zellen sich gruppenweise ansammelten und zu einem Organ vereint in eine besondere grubenförmige
Vertiefung oder ein Bläschen geborgen wurden, muss ein Stadium durchlaufen worden sein, auf
dem die Elemente im Bereich des unteren Nervenrings in einer Ebene ausgebreitet und unregel-
mässig zerstreut waren. Solche Gehörorgane primitivster Art werden sich aber sehr leicht der
Beobachtung entziehen können, so lange nicht die Aufmerksamkeit auf sie gelenkt ist; wir halten
es daher nicht für unwahrscheinlich , dass es noch gelingen werde, bei den Laodiceiden und Meli-
certiden die hypothetische Grundform des Gehörorgans der Vesiculaten aufzufinden.
Uebrigens sind wir keineswegs zu der Annahme, die wir hier wahrscheinlich zu machen
gesucht haben, genöthigt; denn unter allen Umständen ist noch die zweite Möglichkeit gegeben,
dass die Gehörorgane sich erst innerhalb der Vesiculateugruppe entwickelt haben, und dass ein
Theil noch auf dem primitiven Zustand verharrt, wo Gehörorgane überhaupt fehlen.
Mag nun der Entscheid durch erneute Beobachtungen zu Gunsten der einen oder der anderen
Möglichkeit gefällt werden, so müssen wir in beiden Fällen die Melicertiden und Laodiceiden im
Vergleich zu den übrigen Vesiculaten als die niedriger organisirten Formen betrachten, welche den
gemeinsamen Grundformen, aus denen sich auf der einen Seite die Vesiculaten, auf der anderen
die Ocellaten entwickelt haben, näher stehen. Diese Auffassung findet darin eine Stütze, dass
die genannten Medusenfamilien theilweise wenigstens auch im Bau der Geschlechtsorgane eine An-
näherung an die Ocellaten zeigen. Bei letzteren entstehen bekanntlich die Geschlechtsorgane in
den Wandungen des Magens, während sie bei den typischsten Vesiculaten, als welche wir wegen
der Beschaffenheit der Hörbläschen, in Uebereinstimmung mit A. Agassiz (2), die Eucopiden ansehen,
möglichst weit vom Magen nahe dem Schirmrand an den Radialkanälen liegen. Einige der Vesiculaten
ohne Hörbläschen nehmen hierin eine vermittelnde Stellung ein, indem die Geschlechtsorgane zwar
noch den Radialkanälen angehören, aber schon im Umkreis des Magens unter einander zusammen-
fiiessen; nach Agassiz ist dies bei Melicertum, Lafoea und einigen anderen der Fall. Den Ocellaten
noch ähnlicher wird die Gattung Leptoscyplms , bei welcher Gehörorgane ebenfalls noch nicht
beobachtet sind; Allman (5) hebt von derselben ausdrücklich hervor, dass die Geschlechtsproducte
sich hier wie bei den Ocellaten in der Magenwand ausbilden. Uebrigens hat auch A. Agassiz
schon darauf aufmerksam gemacht, dass einige Medusen aus der Campan ularidengruppe, wie Meli-
certum, Ptychogena und Stauropliora sich den Ocellaten näher anschliessen, insofern bei ihnen die
Geschlechtsorgane mit dem Magenraum verbunden sind und Hörbläschen fehlen. Von hohem Interesse
ist es ferner, dass auch die zu den Laodiceiden und Melicertiden zugehörigen Ilydroidengenerationen
eine vermittelnde Stellung einzunehmen scheinen, wie denn A. Agassiz die Hydroiden von Meli-
certum und Lafoea als Uebergangsformen zwischen den Campanulariden und Tubulariden hinstellt.
Alles dies spricht dafür, dass die Campanulariden und ihre Medusen eine aufsteigende Reihe
darstellen, innerhalb welcher eine parallele Fortbildung von einer Anzahl wichtiger Charaktere
Statt findet.
Zum Schluss noch einige Worte über die Acraspeden! Die Sinneskörper derselben, die
eine Art sehr primitiver Gehörorgane darstellen, wenn sie überhaupt als solche gedeutet werden
können, sind ihrem Bau nach durchgängig modificirte holile schlauchförmige Tentakeln, welche in
drei verschiedenen Gestalten auftreten. Bei der Hauptmasse sind sie fingerförmig; bei den Cliaryb-
deiden am Ende keulenförmig angeschwollen; bei Nausithoe endlich durch eine Furche in einen
peripheren und einen basalen Abschnitt zerfallen. Auch liier würden wir kaum irren, wenn wir
20*
156
im Anschluss an clie Bildung- der Sinneskörper drei Gruppen unter den Aeraspeden aufstellten, von
denen die eine nur von Nausithoe gebildet wird, die zweite die Cliarybdeiden, die dritte alle übrigen
Aeraspeden, die Rhizostomeen, Semaeostomeen u. s. w. umfasst. Jedenfalls ist es ein unberechtigtes
Verfahren, die Nausithoe den Pelagiden zuzurechnen, wie es bisher geschehen ist, wenn wir auch
auf der anderen Seite nicht in Abrede stellen wollen, dass die genannte Meduse und die übrigen
Aeraspeden einander näher stehen als den Cliarybdeiden.
Vom Bau der Sinnesorgane ausgehend könnte man ferner an eine Verwandtschaft der Acras-
peden und Trachymedusen denken, da in beiden Gruppen aus Umbildung von Tentakeln Organe
entstehen, die eine grosse morphologische und zum Theil auch physiologische Aehnlichkeit besitzen.
Wenn wir nun auch die vielfach erörterte Frage nach dem gegenseitigen Verhältniss der Trachy-
medusen und Aeraspeden nicht bestimmt entscheiden möchten, so lange als der Bau und die Ent-
wicklung der interessanten Familie der Cliarybdeiden nur unvollkommen erkannt ist, so können
wir doch hier schon hervorheben, dass wir die Bedeutung der genannten Aelmlichkeiten nicht
überschätzen möchten. Bei dem jetzigen Stand unserer Kenntnisse scheint es uns am wahrschein-
lichsten zu sein, dass sich die Craspedoten einerseits und die Aeraspeden andererseits selbstständig-
entwickelt haben.
157
Dritter Abschnitt.
Phylogenetische Bedeutung des Nervensystems und der Sinnesorgane der Medusen.
Wie bei der vergleichend anatomischen Stellung der Medusen nicht anders zu erwarten
war, haben sich im Bau ihres Nervensystems und ihrer Sinnesorgane bei näherer Untersuchung so
ausserordentlich primitive Verhältnisse ergeben, wie sie bisher in keiner anderen Thierabtheilung
beobachtet worden sind. Die ermittelten Tliatsachen sind daher geeignet, auf die complieirten Ein-
richtungen der höheren Thierstämme ein Licht zu werfen und hier auch neue Gesichtspunkte zur
Lösung der Frage nach der ersten Entstehung des Nervensystems im Thierreich zu bieten. Be-
sonders hat uns dieser letztere Punkt im Laufe der Arbeit häufig beschäftigt und uns zu einer
Theorie geführt, die wir jetzt noch im Zusammenhang darlegen wollen. In dieser Theorie werden
wir nur das animale Nervensystem behandeln, die Genese des Sympathicus dagegen unberück-
sichtigt lassen.
Den Boden für weitere Auseinandersetzungen glauben wir uns am besten dadurch vorzu-
bereiten, dass wir über die geschichtliche Entwicklung und den augenblicklichen Stand des von
uns zu behandelnden Problems einen kurzen Ueberblick geben.
Die jetzt herrschenden Vorstellungen von der Entstehung des Nervensystems und der Sinnes-
organe sind zum Theil durch die fruchtbringenden entwicklungsgeschichtlichen Untersuchungen der
letzten 50 Jahre hervorgerufen worden, zum Theil beruhen sie auf der Kenntniss, welche wir vom
feineren Bau der Sinnesorgane an der Hand verbesserter histologischer Methoden gewonnen haben.
Beim Studium der Wirbelthierentwicklung wurden zuerst die grundlegenden Thatsachen
ermittelt, dass das Medullarrohr und die höheren Sinnesorgane sich durch eine Verdickung und
Einstülpung des Ektoderms bilden. Die Bedeutung dieser Entdeckungen wuchs, als man die Beob-
achtung auf die Wirbellosen ausdehnte und auch für diese die Gültigkeit des gleichen Bildungs-
princips mit stets wachsender Sicherheit feststellte. Unter den älteren Embryologen hat wohl am
meisten Remak (104. S. 100 — 101) diese Ergebnisse der Entwicklungsgeschichte gewürdigt, indem
er das obere Keimblatt in seiner Gesammtlieit als Sinnesblatt oder sensorielles Blatt bezeichnete,
„um diejenige Leistung hervorzuheben, welche allen Theilen gemeinsam der Zeit nach die erste
und dem physiologischen Werth nach die edelste ist“. Remak betrachtet die ursprüngliche Ober-
fläche des Körpers als eine sensorielle, die sich im Laufe der Entwicklung in kleinere sensorielle
Bezirke sondert, und erblickt hierin eine Anschauung, welche durch die vergleichende Anatomie schon
längst hätte gewonnen werden können. Im Einzelnen aber leidet die Auffassung Remak’s von der
Bedeutung des Ektoderms an der ungenügenden Erkenntniss, Avelche man zu seiner Zeit von dem
feineren Bau der Sinnesorgane und <Jer Endigung der peripheren Nerven besass. Remak lässt das
obere Keimblatt bei der Entstehung der Sinneswerkzeuge nur in sofern eine Rolle spielen, als es
durch die blasigen Ausstülpungen, welche es in das mittlere Keimblatt hineinsendet, in diesem den
Anstoss zur Bildung besonderer qualitativ verschiedener sensorieller Bezirke giebt; dagegen verkennt
er noch, wie die übrigen Forscher seiner Zeit, den Werth, welchen die epithelialen Erzeugnisse des
oberen Keimblattes für den Bau und die Function der Sinneswerkzeuge besitzen, und hält ihn für
einen jedenfalls untergeordneten gegenüber der nervenbildenden Schicht, welche dem mittleren Keim-
blatte angehört.
158
Hiermit ist der Punkt bezeichnet, wo die histologische Forschung1 fördernd eingriff, indem
sie den Antheil bestimmte, welchen das Ektoderm an der Zusammensetzung1 der Sinnesorgane hat.
Nach der älteren Anschauungsweise, von der noch Remak beeinflusst war, sollten die feinsten Nerven-
fibrillen unterhalb des Epithels im bindegewebigen Stratum selbst schon ihr Ende finden, sei es
dass sie schlingenförmig umbiegen, sei es dass sie fein zugespitzt oder kolbenförmig verdickt plötzlich
aufhören. Durch die Beseitigung dieser lange Zeit dogmatisch festgehaltenen Lehre hat sich na-
mentlich M. Schultze (105) ein grosses Verdienst, erworben. Durch seine Untersuchungen der Nasen-
schleimhaut und der Retina zeigte er, dass die percipirenden Elemente Epithelzellen sind, welche
in Nervenfibrillen übergehen. Er lehrte, dass die specifischen Functionen der Sinnesorgane auf der
verschiedenen Beschaffenheit der Sinneszellen beruhen , und unterschied daher zwischen Riech-,
Schmeck-, Hör- und Sehzellen. Auch hier wurden die am Studium der Wirbelthiere begründeten
Anschauungen durch die Untersuchung der niederen Thierklassen bald noch weiter bestätigt.
Namentlich ist durch die Arbeiten von Lf.ydic, F. Eiliiaiid Schulze, Hensen, Haeckel u. s. w.
in sehr zahlreichen Fällen der Nachweis geliefert worden, dass sensible Nerven, mögen dieselben
nun Tast-, Riech-, Hör- oder Sehnerven sein, mit besonders modificirten Epidermiszellen in Zusammen-
hang stehen. Hierdurch wurde die Erfahrung, dass die Sinnesorgane aus dem oberen Keimblatte
abstammen, in ein ganz neues Licht gestellt.
Die kurz skizzirten entwicklungsgeschichtlichen und histologischen Entdeckungen bilden die
Grundlage, auf welcher sich unsere jetzigen Anschauungen über die Entstehung des Nervensystems
und der Sinnesorgane auf bauen. Auf dieser Grundlage ist ein Fortschritt dadurch herbeigeführt
worden, dass man den mitogenetischen Thatsachen einen mehr philosophischen Gehalt gegeben hat,
indem man von ihnen ausgehend sich ein Urtheil über die phylogenetische Entwicklung der beiden
Organsysteme zu bilden versuchte. Durch derartige Deductionen zeichnen sich namentlich die Schriften
von Gegenbaur und Haeckel aus. So erklärt der Letztere in seiner Anthropogcnie (94. S. 533
und 6G0) im Anschluss an die Entstehung des Med ul larroh rs : „Wenn man über die historische Ent-
wicklung der Seelen- und Sinnesthätigkeiten nachdenkt, so muss man nothvvcndig zu der Vorstellung
kommen, dass die Zellen, welche dieselben vermitteln, ursprünglich an der äusseren Oberfläche des
Thierkörpers gelegen haben müssen. Nur solche äusserlich gelegenen Elementar-Organe konnten die
Eindrücke der Aussemvelt unmittelbar aufnehmen und vermitteln. Später zog sich dann allmählich
unter dem Einflüsse der natürlichen Züchtung derjenige Zelleneomplex der Haut, der vorzugsweise
„empfindlich“ wurde, in das geschütztere Innere des Körpers zurück und bildete hier die erste Grund-
lage eines nervösen Central-Organs. Bei den niedersten Thieren ist die einfache Zellenschicht des
Ektoderms Hautdecke, Locomotionsapparat und Nervensystem zugleich.“ In seiner vergleichenden
Anatomie bezeichnet Gegenbaur (35) das Ektoderm der Hydroiden als indifferentes Empfindungsorgan.
„Aus der Fortbildung einer Strecke dieser Schicht ergiebt sich,“ so folgert Gegenbaur weiter, „die
Differenzirung eines Nervensystems, für dessen ersten Zustand eine oberflächliche Lagerung am
Körper vorauszusetzen ist.“ Von diesem ersten Zustand ist das Nervensystem der höheren Thiere
durch allmählich erfolgende Einbettung in das Innere des Körpers abzuleiten. „Die Entwicklung
muss hierbei als ein mit der fortschreitenden Differenzirung und der damit erlangten höheren Poten-
zirung erworbener Vorgang gelten, durch den das für den Organismus werth vollere Organ in das
Innere des ersteren geborgen wird.“
Eine primitive Form des Nervensystems, wie sie den theoretischen Folgerungen Gegenbaur’s
und Haeckel’s entspricht, glaubt neuerdings Eimer (90) bei Beroe aufgefunden zu haben. Er be-
schreibt hier eine oberflächliche Schicht des Körpers als Nervea und erblickt die Bedeutung dieses
159
Befundes darin, dass die Haut oder ein Theil derselben bei diesen niedrig- stehenden Thieren als
Centralnervensystem aufgefasst werden müsse, eine Auffassung, ,,die mit dem Connex zwischen
Entwicklungsgeschichte und Phylogenie in höchster Uehereinstimmung stehe.“ Nach Eimer verhalten
sich die uns interessirenden Verhältnisse bei Beroe kurz folgendermaassen :
Bei den Rippenquallen wird der Körper von einem einschichtigen platten Epithel bedeckt,
unter welchem eine derbe, diinne, homogene Membran liegt. Diese Membran ist die äusserste Lage
einer muskelfreien Gallertschicht, welche von dem die Muskelfasern enthaltenden Theil der Gallerte
überall scharf abgegrenzt ist. Das Epithel wird der Epidermis, die Membran und die muskelfreie
Gallertschicht dagegen werden der Cutis der höheren Thiere verglichen und werden die beiden
letzteren ausserdem noch mit dem besonderen Namen der Nervea belegt, weil sie sich durch einen
grossen Reichthum an Nervenfasern und Ganglienzellen .auszeichnen, welche durch complicirte Netze
von Primitivfibrillen mit äusserst feinen, drei- und vieleckigen Maschen Zusammenhängen. Die auf
der Nervea befindlichen Epithelzellen treten insgesammt mit feinsten Primitivfibrillen in Verbindung,
welche aus dichotomisch sich theilenden Nervenfasern hervorgehen. Diese können nach abwärts
durch die Gallerte verfolgt und als die directe Fortsetzung von Muskelfasern erkannt werden, wobei
das Neurilemm in das Sarcolemm und die Nerven Substanz allmählich in die contractile Substanz
übergeht. Auch kommt es vor, dass die Primitivfibrillen gleich direct von der Muskelfaser und
dann zwar meist von einem bestimmten Punkt in grösserer Anzahl entspringen und pinselförmig’
nach verschiedenen Richtungen ausstrahlen. Der Uebergang zwischen nervösen und contractilen
Fasern, welche beide zusammen Neuromuskelfasern genannt werden, geschieht an der inneren Grenze
der Nervea. Eine weitere Eigentümlichkeit des Nervengewebes der Beroiden besteht darin, dass
sich überall „vollständige Uebergangsformen zwischen den ausgebildeten Ganglienzellen und den
Varikositäten der Nervenfasern vorfinden.“ Die Nerven können als „Ketten von Ganglienzellen oder
„Ganglienkernen“ betrachtet werden.“ Die Nervea hält nun Eimer für das Centralnervensystem der
Beroiden, da in ihrem Körper kein anderes besonders differenzirtes Centralorgan vorhanden sein soll.
Indem wir es zukünftigen Untersuchungen zur Entscheidung überlassen, in wie weit den von
Beroe beschriebenen Bildungen die Bedeutung von Ganglienzellen und Nervenfibrillen zukommt, —
was wir für verschiedene Theile, die uns mehr reich verzweigten Bindesubstanzzellen ähnlich zu sein
scheinen, als fraglich betrachten möchten, — wollen wir nur auf die allgemeine Seite von Eimer’s
Arbeit eingehen. Hier haben wir denn hervorzuheben, dass wir im Nervensystem von Beroe, wie
es uns beschrieben wird, weder die besonders betonte Ueberein Stimmung mit Entwicklungsstadien
der höheren Thiere noch Verhältnisse erkennen können, die zu Gunsten der Ableitung des Nerven-
systems aus dem Ektoderm sprechen. Die Nervea ist nach der Darstellung von Eimer, welcher
sie der Cutis vergleicht, ein Theil des Mesoderms. Wie bei den höheren Thieren verbreiten sich
daher auch bei Beroe die Nerven unter der Epidermis und sind nur die beiden Unterschiede hervor-
zuheben, dass hier die Nervenfasern isolirt verlaufen, dort zu Stämmen vereinigt sind, und dass zweitens
ein dem Centralnervensystem vergleichbarer Theil fehlt. Ob ein solcher nicht in der verdickten
Epithelpartie des Sinneskörpers gegeben ist, wie frühere Forscher angenommen haben, Eimer aber
neuerdings in Abrede stellt, können wir aus Mangel eigener Untersuchungen nicht entscheiden,
möchten es aber nach Analogie mit den Verhältnissen, die wir bei den Medusen kennen gelernt
haben, fast erwarten. Auf jeden Fall wird durch die Befunde bei Beroe auf die Genese des Nerven-
systems im Thierreich kein Licht geworfen und namentlich wird durch dieselben die Ontogenese
des Centralorgans der höheren Thiere nichts weniger als erklärt, vielmehr muss bei Beroe selbst
die Entstehung der Nerven aus dem Ektoderm durch ontogenetisclie Untersuchungen noch dargethan
160
werden, was auch Eimer uns an einer Stelle auszudrücken scheint, indem er seinen Folgerungen
die Einschränkung hinzufügt, „sobald wir die Nervea als Abkömmling des Ektoderms betrachten“ ■).
Für die namentlich von C. Gegenbaur und E. Haeckel deductiv gewonnenen Ansichten von
der Phylogenese des Nervensystems glauben wir jetzt den empirischen Beweis durch die Unter-
suchung der Medusenorganisation geliefert zu haben. Wir sind bei den Medusen mit einer Form
des Nervensystems bekannt geworden, die an die allerersten Entwicklungszustände des Nerven-
systems der höheren Thiere Anknüpfungen bietet und den allgemeinen Vorstellungen entspricht, welche
man sich, wenn auch in unbestimmter Weise, von einer so primitiven Form etwa gebildet hat. Wie
bei den übrigen Thieren beim Beginn der Entwicklung ist das Nervensystem der Medusen dauernd
ein Tlieil der Körperoberfläche und gehört mit allen seinen einzelnen Bestandteilen , mit seinen
Ganglienzellen, Nervenfibrillen, dem Ektoderm oder dem oberen Keimblatte an. Das Gleiche gilt
von allen Sinnesorganen, welche ursprünglich insgesammt an der freien Hautoberfläche gelegen
haben und erst secundär bei einzelnen Medusen durch Umwachsung, in bläschenförmige Hohlräume
eingeschlossen und so zu einem höheren Ausbildungsgrad übergeführt worden sind. Ueberall sind
die Endorgane der sensibel» Nerven ursprünglich frei an der Oberfläche gelegene Sinneszellen;
eine andere Endigungsweise ist überhaupt bei den Medusen nirgends nachweisbar. Wenn wir jetzt
alle die verschiedenen Momente zusammenfassen: die an höheren Thieren durch entwicklungs-
geschichtliche und histologische Forschung gewonnenen Erfahrungen, sowie die Resultate der von
uns an den Medusen durchgeführten Untersuchungen, so ergeben sich daraus folgende zwei für die
Genese des Nervensystems und der Sinnesorgane fundamentale Sätze:
1. Die vermittelnden Theile des Nerven System s, Ganglienzellen und Nerven-
fibrillen, gehören ursprünglich dem Ektoderm oder oberen Keimblatte an.
2. Die Endorgane der sensibeln Nerven sind aus dem Ektoderm stammende
Sinneszellen, die ursprünglich die freie Oberfläche des Körpers mit bedecken
helfen.
Gegen eine allgemeinere Gültigkeit des zweiten der von uns aufgestellten Sätze können ein-
zelne Ergebnisse der Histologie der Wirbelthiere als Einwände erhoben werden, die wir nicht mit
Stillschweigen übergehen dürfen. Man kann geltend machen, dass es bei den Wirbelthieren ausser
einer Endigung in Sinneszellen auch eine freie Endigung peripherer Nerven giebt, und kann hierbei
1) Es scheint uns hier der Ort zu sein, mit einigen Worten, auf einen Angriff zu erwidern, den Eimer kürzlich in einer vom
17. October 1S77 datirteu vorläufigen Mittheilung (’JI), veranlasst durch unseren vom 14. Juli datirten Aufsatz „über das Nervensystem
und die Sinnesorgane der Medusen“ (42), gegen uns gerichtet hat. Eimer drückt seine Ueberraschung aus, welche er heim Lesen
unserer Mittheilung darüber empfunden habe, „dass wir uns des Breiteren einleitend darüber auslassen, welche morphologischen Er-
wägungen uns zur Behandlung des Themas veranlasst haben, und wie wir an die Untersuchung gegangen seien in der Hoffnung, durch
Anwendung der histologischen Methoden, wie sie hauptsächlich durch Max Schultze eingeführt seien, zu bestimmten Resultaten zu
gelangen. Es dürfte für jeden mit der bezüglichen Literatur Vertrauten klar sein, dass es nach seinen Arbeiten angestrengter Re-
flexionen nicht mehr bedurfte, um zu wissen, welche Methoden man zur Untersuchung des Nervensystems der Quallen amvenden müsse
(Beroe), um zu vermuthen, wo und iu welcher Form dasselbe zu suchen sei, endlich, um zu schliessen, welche phylogenetische Bedeu-
tung dieses Decknervensystem habe“.
Wir können diese Worte nicht anders auffassen, als dass Eimer mit denselben sagen will, wir hätten unserer Arbeit Motive
vorgeschoben, um dadurch seine Verdienste zu verdecken. Eine derartige durch Nichts gerechtfertigte und von uns nicht provocirte
Insinuation können wir nicht mit Stillschweigen übergehen und haben wir hiergegen sowie gegen den Satz des Herrn Professor Eimer,
dass „jeder Zoologe ihn mit der Untersuchung des Nervensystems der Medusen beschäftigt gewusst häbe“, zu bemerken, dass weder
letzteres für uns zutrifft, noch dass wir aus Eimer’s Untersuchung über Beroe (die Arbeit über Aurelia (25) war uns vor einem Jahre
noch nicht bekannt) irgend welche Anregung zur Bearbeitung des Nervensystems und der Sinnesorgane der Medusen empfangen haben.
Im Uebrigen mögen Fachgenossen beim Lesen der hierher bezüglichen Schriften selbst entscheiden, in wie weit durch Eimbr’s „Thätig-
keit die leitenden Fragen gestellt, in wie weit zur Lösung für Andere vorbereitet und in ihrer Bedeutung von vornherein gewürdigt
worden sind“.
161
auf die an der Cornea gewonnenen Beobachtungen sowie auch auf die Tastkörperchen der höheren
Wirbelthiere hinweisen. Indessen scheint uns, als ob in diesen histologischen Untersuchungen
schwieriger Art nicht ohne Weiteres die Möglichkeit auszuschliessen sei, dass auch hier eine Nerven-
endigung in Zellen vorliege. An der Cornea können die in das Epithel eintretenden Nervenenden
irgend einer Ektodermzelle zugehören; an den Tastkörperchen aber hat Merkel (102) vor einigen
Jahren einen zelligen Bau erkannt, und spricht in seinen Angaben Manches dafür, dass die Tast-
körperchen Gruppen von Sinneszellen sind, die sich aus dem Ektoderm abgeschnürt haben. Wir
glauben daher wohl die Hoffnung aussprechen zu dürfen, dass weitere Untersuchungen auch für
die Wirbelthiere die Gültigkeit des an niederen Thieren gewonnenen Satzes feststellen werden:
dass die Endigung derjenigen Nerven, welche dem Körper von Aussen kommende sinnliche Ein-
drücke vermitteln, durchweg nach einem allgemeinen Princip in Ektodermzellen stattfindet.
Bei dieser Darlegung haben wir bisher das motorische Endorgan des Nervensystems, die
Muskelzelle, ganz ausser Acht gelassen; wir kommen daher jetzt auf sie zurück und suchen die
Frage nach ihrem Ursprung in derselben Weise, wie es für die Sinnes- und Ganglienzelle ge-
schehen ist, zu beantworten. Bei dieser Frage lassen uns die embryologischen Untersuchungen an
höheren Thieren ganz im Stich. Da die Differenzirung von Muskelfibrillen erst sehr spät im Ent-
wicklungsleben eintritt, so fällt es schwer zu entscheiden, woher die embryonalen Muskelzellen des
mittleren Keimblattes abstammen. Wenn daher auch die meisten Embryologen dieselben vom pri-
mären oberen Keimblatt ableiten, so bleibt diese Annahme doch immerhin ein Gegenstand berech-
tigter Discussion, so lange wir uns bloss auf die Beobachtung der Wirbelthiere beschränken. Weit
einfacher sind die Verhältnisse bei den niederen Thieren und besonders bei den Coelenteraten.
Bei diesen liegen die Muskelzellen, welche nach der Stützlamelle zu ein Stratum quergestreifter
Fibrillen differenzirt haben, ganz deutlich im Ektoderm und nehmen meist sogar wie die Sinneszellen
an der Epithelbekleidung des Körpers Theil; sie können dann mit vollem Rechte als Epithel-
muskelzellen bezeichnet werden, ein Name, in welchem ihre morphologische und physiologische
Bedeutung gleichzeitig zum Ausdruck kommt. Diese Epithelmuskelzellen sind bei den Medusen
die Endorgane motorischer Nerven, was daraus erschlossen werden kann, dass die Ausläufer der
Ganglienzellen mit ihren feinsten Kamificationen sich zwischen der Fibrillenlage und dem proto-
plasmatischeu Theil der Epithelmuskelzellen ausbreiten.
Den bei den Coelenteraten so einfachen Verhältnissen möchten wir eine weitergehende Be-
deutung auch für die Frage nach der Genese der animalen Musculatur der übrigen Tliiere bei-
messen, da Vieles dafür spricht, dass die wichtigen histologischen Differenzirungen von Nerven,
Sinnes- und Muskelzellen sich im ganzen Thierreich in übereinstimmender Weise werden vollzogen
haben. Die oben aufgestellten zwei Sätze ergänzen Avir daher noch durch den dritten Satz:
3. Das Endorgan der motorischen Nerven sind Ektodermzellen, die ur-
sprünglich als Epithelmuskelzellen die Oberfläche des Körpers mit begrenzt
haben, bei allen höheren Thieren dagegen schon früh in tiefere Körperschichten
eingelagert werden. —
Wir haben es auf den vorhergehenden Seiten wahrscheinlich machen können, dass bei allen
Thieren ursprünglich die drei wesentlichen Elemente des Nervensystems, das sensible und das
motorische Endorgan und die zwischen beiden vermittelnde Ganglienzelle Bestandtheile des Ekto-
derms gewesen sind. Es hat sich ein solcher Zustand dauernd bei den Medusen erhalten, bei
welchen die genannten drei Elemente auf der Körperoberfläche gleichsam noch in einer Ebene
neben einander angeordnet sind. Die Frage nach der Genese des Nervensystems spitzt sich daher
Bertwig, Medusen. 21
162
jetzt in die weitere Frage zu: in welcher Weise ist die ursprüngliche Form, wie sie noch hei den
Medusen beobachtet werden kann, entstanden? Hierbei haben wir namentlich einen Punkt von
fundamentaler Bedeutung zu beantworten: Wie hat sich der Zusammenhang zwischen den
drei Elementen des Nervensystems, zwischen den Sinnes-, Muskel- und Ganglien-
zellen, gebildet? Wie sind im Laufe der Entwicklung die Sinnesorgane und Mus-
keln mit ihrem oft so weit entfernten Centralorgan in Verbindung getreten?
Schon von mehreren Forschern ist dieser schwierige Punkt in älterer und in neuerer Zeit
erörtert und in verschiedener Weise beantwortet worden. Die von ihnen aufgestellten Ansichten
werden wir daher, ehe wir unsere eigene entwickeln, zuvor kurz besprechen, wobei wir sie zur
besseren Uebersicht in zwei Gruppen sondern.
Die erste Gruppe umfasst die Ansichten derer, welche einen secundären
Zusammenhang zwischen Nerv und Endorgan annehmen. Namentlich haben sieh
Forscher (99. S. 265 — 267), welche die Entwicklung der Wirbelthiere untersucht haben, für einen
solchen Bildungsmodus ausgesprochen. Am schärfsten ist wohl dieser Standpunkt in den Worten
von His (98. S. 39) gekennzeichnet: ,, Die Beziehungen zwischen den Elementen des archiblastischen
Körpergerüstes bilden sich grossentheils erst secundär aus. Secuiulär treten die aus dem Medullar-
rolir hervorsprossenden Nerven zu den Muskeln, secundär treten sie zu den verschiedenen empfin-
denden Flächen und zu den Drüsen und secundär wachsen sie auch von den sensiblen Ganglien
aus ins Medullarrohr hinein. Auf die Gliedeningen und vollständigen Trennungen, welche im Be-
reich des Hauptkeimes frühzeitig sich geltend machen, folgt die Anknüpfung neuer Verbindungen
zwischen den bereits geschiedenen Theilen, und so treten diese schliesslich in jenen inneren Ver-
band, welcher die ausgebildetste Centrirung aller ihrer Leistungen möglich macht.“
Von der hier referirten Auffassung entfernt sich in manchen Punkten eine Ansicht, die
Claus (20. S. 29) im Anschluss an seine Untersuchungen der Acalephen wahrscheinlich zu machen
gesucht hat. Im Gegensatz zu His, der die Sinnesorgane sowohl wie die Muskeln secundär mit
den Ganglienzellen sich vereinigen lässt, spricht sich Claus nur für die secundäre Verbindung von
Muskel- und Ganglienzellen aus, hebt dagegen ausdrücklich hervor, dass Sinnes- und Ganglien-
zellen gemeinsam entstanden sind. ,, Während für die einen Zellen“, heisst es in den Acalephen-
studien, „die contractile Beschaffenheit besonders in den Vordergrund trat, wurden unabhängig von
derselben, aber im Zusammenhänge mit der Ausbildung des Gemeingefühls und der einfachsten
Sinnespereeption besondere Zellgruppen des Ektoderms zunächst zu Trägern der Empfindung und
Sinneswahrnehmungen und traten erst dann mit den bereits früher vorhandenen und für sich
erregbaren contractilen Apparaten secundär in Verbindung.“ „Mit der bejahenden Antwort,
welche das Nervensystem seiner Entstehung nach in viel innigere und directere Beziehung zu den
einfachen Sinnesorganen setzt und die Verbindung mit der Musculatur erst als eine secundär ge-
wonnene Beziehung darstellt“, hält Claus auch „die in der Physiologie angenommene Irritabilitäts-
lehre des Muskels im phylogenetischen Zusammenhang für verständlicher.“ — Er erklärt sich daher
gegen die von Kleinenbekg aufgestellte Neuromuskeltheorie.
Allen Theorien, welche durch ein secundäres Zusammentreten der einzelnen Theile des
Nervensystems, sei es in dieser oder jener Weise, das aufgeworfene Problem zu lösen suchen,
können wir von vornherein aus allgemeinen Gründen nicht beistimmen. Denn wie einerseits der
Begriff eines Nervensystems den Zusammenhang seiner einzelnen Theile voraussetzt, so verlangen
andererseits auch seine einzelnen Theile das Vorhandensein eines Nerven Systems; das Ganze und
seine Theile bedingen sich daher gegenseitig. Eine Sinneszelle, die Erregungen für sich behält,
163
sie nicht einem Centralorgan zuleiten und durch Vermittlung desselben auf motorische Endapparate
übertragen kann, ist für den gesammten Organismus werthlos und functionslos. Das Gleiche gilt
für die Muskelzelle; zwar wird sich diese, da sie für sich schon reizbar ist, auch ohne Nerven-
erregung contrahiren können, wird aber nie als Tlieil einer Musculatur eine Bedeutung erlangen, so
lange nicht alle Muskelzellen sich gleichzeitig auf einen Reiz hin contrahiren, das heisst, durch
Nervenleitung in Zusammenhang gebracht sind. Ganz undenkbar endlich ist eine Ganglienzelle, die
weder mit einer Muskel- noch mit einer Sinneszelle oder nur mit einer derselben sich verbindet;
sie ist in der That ein Messer ohne Heft und ohne Klinge; denn erst dadurch, dass eine Zelle
Reize empfängt und überträgt, wird sie zur Ganglienzelle.
Aus diesen allgemeinen Gründen neigen wir mehr den Ansichten zu, die einen pri-
mären Zusammenhang zwischen den einzelnen Theilen des Nervensystems anneh-
men und die jetzt an zweiter Stelle von uns besprochen werden sollen.
Bereits C. E. v. Baer (87. S. 110) bemerkte der herrschenden Meinung der Embryologen
gegenüber: ,,Dass die Nerven aus den sich bildenden Muskeln oder anderen Theilen in den Central-
theil hineinwachsen, ist mir wenigstens ebenso unwahrscheinlich, als das Entgegengesetzte, da eine
solche Entwicklung irgend eines Theils von einem Ende zum anderen fort, so dass das eine Ende
neuen Ansatz bekommt, mir sonst nirgends vorgekommen ist. Vielmehr scheint jeder Tlieil gleich
ganz da zu sein und nur aus sich eine Entwicklung zu erfahren. Hiernach ist es wahrscheinlich,
dass, so bald eine hinlängliche Differenzirung in den Bauchplatten oder anderen Theilen da ist,
um Nervenmasse von anderer Masse, sei es auch nur auf der untersten Stufe der Differenzirung,
zu scheiden, der Nerv seiner Ausdehnung nach immer ganz da ist und beide Enden hat, das
centrale wie das peripherische.“
Am eingehendsten hat sich wohl Hensen (96) über unseren Gegenstand in seinem Aufsatz :
„Ueber die Entwicklung der Nerven im Schwänze der Froschlarven“ ausgesprochen. Er bezweifelt,
„dass irgendwo vom Centralorgan oder im Centralorgan Nerven frei auswaclisen, um ihren physio-
logischen Endapparat zu suchen und sich mit ihm zu verbinden“. Dagegen nimmt er an, „dass
alle Nerven durch unvollkommene Trennung der Anfangs- und Endzeilen entstanden sind“. Für
die sensibeln Nerven macht er eine Endigung in Ektodermzellen wahrscheinlich, welche zu keiner
Zeit von dem Ursprungsganglion geschieden sein sollen. Ebenso lässt er die ersten Zellen des
Rückenmarks sich bei ihrer Theilung nicht vollständig von einander trennen, sondern durch einen
Faden, den Nerven, stets mit einander im Zusammenhang bleiben. Dieser soll sich bei weiterer
Spaltung der Zellen auch selbst mehr oder weniger vollständig spalten können. Indem die Theilung
der Nerven eine unvollkommene ist und die getheilten Nerven mit der Zeit auseinanderrücken, muss
— so nimmt Hensen an — mit der Zeit ein unendliches Netzwerk von Fasern entstehen. Von diesem
Netzwerk bleibt nur dasjenige zurück und erhält sich, was für den Körper verwendbar ist und
benutzt wird, die nicht thätigen Wege dagegen atrophiren.
Da die Betrachtungen Hensen’s nur an die sehr verwickelten Zustände der Wirbelthiere
anknüpfen, so tragen sie selbstverständlich einen rein hypothetischen Charakter; doch weisen sie
immerhin auf die Möglichkeit eines anderen Entwicklungsmodus des Nervensystems hin, als ihn
gemeiniglich die Embryologen annehmen.
Eine concretere Gestalt hat der Versuch, die Entstehung des Nervensystems zu erklären,
bei Kleinenberg, v. Beneden, Eimer, Haeckel und Gegenbaur gewonnen, die gleich uns von der
Untersuchung der Coelenteraten ausgegangen sind. Wir können diesen Versuch kurz als die
Neuromuskeltheorie bezeichnen. Ihr Urheber ist Kleinenberg (49. S. 22 — 27), der in seiner
21 *
164
bekannten Schrift eine so genaue histologische Analyse vom Bau unserer Süsswasserhydra ver-
öffentlicht hat. Kleinenbeeg zeigt, dass die Muskellamelle von Hydra aus Zellenfortsätzen besteht,
die stets in Zusammenhang mit den grossen Zellenkörpern des Ektoderms bleiben. Da nur die
Fortsätze Contractilität besitzen, die dazu gehörigen Zellenkörper dagegen bei den Bewegungen
sich passiv verhalten, will er nicht die ganze Zelle als Muskelzelle aufgefasst wissen. Er hält es
nicht für berechtigt, ein so beschaffenes Gewebe morphologisch einem der bekannten Gewebe
anderer Thiere gleichzusetzen oder ihm physiologisch nur eine Function zuzuerkennen, vielmehr
erblickt er in ihm den niedrigsten Entwicklungszustand des ganzen ,,Nerven-Muskelsystems, in
welchem eine anatomische Sonderung der beiden Systeme in der Weise, wie sie bei allen höheren
Thieren vorkommt, noch nicht stattgefunden hat“. Jede einzelne Zelle ist nach Kleinenberg’s
Theorie die Trägerin einer doppelten Function, indem die Theile derselben, die als
lange Fortsätze in der Mitte der Körperwandung verlaufen, contractil sind und als Muskel functio-
niren, während der Zellkörper, von dem sie ausgehen und der in unmittelbarer Berührung mit dem
umgebenden Medium steht, Reize leitet und durch Uebertragung derselben auf die Fortsätze die
Contractionen dieser auslöst, d. h. als motorischer Nerv wirkt. Eine so beschaffene Zelle wird
daher als Neuromuskelzelle bezeichnet.
Kleinenbeeg ist geneigt, den bei Hydra aufgefundenen Verhältnissen eine weitere Bedeutung
beizumessen und in der embryonalen Entwicklung der höheren Thiere das Nerven- und das Muskel-
system in ähnlicher Weise wie bei Hydra aus einem einheitlichen Nervenmuskelsystem abzuleiten.
Eine Stütze für diese Neuromuskcltheorie erblickt er darin, dass es weder Thiere giebt, die Mus-
keln haben und der Nerven entbehren, noch solche, die ein Nervensystem ohne Musculatur besitzen,
dass im Thierreich überall, wo eine Musculatur in die Organisation des Körpers eingreift, auch ein
Nervensystem entwickelt ist.
Die Neuromuskeltheorie von Kleinenberg wurde von einigen Forschern, wie namentlich von
Allman (9) und Claus (20) beanstandet, von dem grössten Theil dagegen mit Beifall aufgenom-
men; v. Beneden und Eimer brachten zu ihren Gunsten neue Beobachtungen vor, Gegenbaur und
Haeckel zogen aus ihr weitere Consequenzen.
ln der vielbesprochenen Schrift: de la distinction originelle du testicule et de l’ovaire be-
schreibt E. v. Beneden (88) bei Hydractinia eine höhere Ausbildung des Neuromuskelsystems. Einer
Stützlamelle liegen Muskelfasern auf, deren jede von einer dünnen Protoplasmalage mit Kern be-
deckt ist. Ein Protoplasmafaden, ein wahrer motorischen Nerv, stellt die Verbindung mit einer
Ektodermzelle her, welche physiologisch gleichzeitig die Stelle einer Sinnes- und Ganglienzelle
vertritt. Die Neuromuskelzelle von Hydra hat sich daher bei Hydractinia in eine
neuroepitheliale Zelle, in eine Nervenfaser und eine Muskelzelle gesondert.
Ein noch höherer Entwicklungsgrad ist nach Eimer (90. S. 78) an einer Neuromuskel-
faser von Beroe zu beobachten, an welcher wir „den ganzen Empfindungs-, Leitungs-, Umsetzungs-
und Bewegungsapparat, welcher bei den höheren Thieren durch Haut- und peripherische Ganglien-
zellen, leitende sensible Nerven, Gehirnzellen, motorische Nerven, Muskelfasern hergestellt ist, -
nur Alles auf einen kurzen Strang zusammengedrängt finden.“
Indem Gegenbaur (35) und Haeckel (94. S. 660) die Theorie weiter auszubilden versuchen,
erblicken sie in den Neuromuskelzellen : „die ersten Anfänge der in höher differenzirten Zuständen
in dem Zusammenhang von Ganglienzelle, Nervenfaser und Muskelfaser ausgesprochenen Einrichtung.“
„AVenn wir annehmen“ bemerkt Gegenbaur im Grundriss der vergleichenden Anatomie, „dass die
bei Hydra nur als Fortsätze von Zellen erscheinenden Fasern allmählich einen Kern erhalten, indem
165
das Theilungsproduct des Kernes der Zelle auf die Faser gelangt, dass ferner die Ektodermzelle
nicht mehr so unmittelbar, sondern durch einen gesonderten Fortsatz mit der somit gleichfalls selbst-
ständiger gewordenen Faser sich verbindet, so ist damit ein Uebergang zu jenem differenzirteren
Zustande gegeben ; Nerven wie Muskeln erscheinen von diesem Gesichtspunkte aus als die Producte
der Sonderung einer und derselben Gewebsschichte des Ektoderms. Damit wird zugleich ein phy-
siologisches Postulat erfüllt; denn es ist völlig undenkbar, dass Nerv oder Muskel in ihren Elementen
einmal von einander gesondert bestanden, und dass der die Functionen beider bestimmende Zusammen-
hang das Ergebniss einer späteren Verbindung sei.“ Aehnlich äussert sich Haeckel in seiner An-
thropogenie: ,,die merkwürdigen Neuromuskel-Zellen vereinigen noch in einem
einzigen Individuum erster Ordnung dieFunction zweier Organsysteme. Ein Schritt
weiter: die innere muskulöse Hälfte der Neuromuskelzelle bekommt ihren eigenen Kern und löst
sich von der äusseren nervösen Hälfte ab - — und beide Organsysteme besitzen ihr selbstständiges
Formelement. Die Abspaltung des muskulösen Hautfaserblattes von dem nervösen Hautsinnesblatte
bei den Embryonen der Würmer bestätigt uns diesen wichtigen phylogenetischen Process.“
Hiermit schliessen wir unsere historische Uebersicht ab und bemerken zu den in der zweiten
Gruppe zusammengestellten Ansichten, dass wir sie für richtig halten, insofern in ihnen ein primärer
Zusammenhang- zwischen den Elementen des Nervensystems angenommen wird, dass wir dagegen
der speciellen Form, in welcher man sich die Phylogenese des Nervensystems gedacht hat, nicht
beistimmen können. Wir glauben darthun zu können, dass die zuerst von Kleinenherg aufgestellte
und von anderen Forschern weiter durchgeführte Neurom uskeltheorie erstens in ihren
Grundlagen nicht gesichert ist und zweitens als Erkläru ngsprincip nicht aus-
reicht, da sie weder die Lebenserscheinungen einer Hydra noch auch die Beschaffenheit des
Nervensystems der höheren Thiere zu erklären vermag.
1. Prüfen wir zunächst die Grundlagen dieser Theorie und sehen wir, mit welchem
Rechte man die contractilen Zellen von Hydra als Neuromuskelzellen deutet! Wenn wir die Mus-
culatur der Hydromedusen vergleichend betrachten, so finden wir, dass die bald quergestreiften bald
glatten Muskelfibrillen überall Tlieile des Ektoderms sind. Gemeinsam werden sie zu einer ein-
fachen Schicht, einer Art Muskelhaut, die auf einer Stützlamelle befestigt ist, verbunden. Die ein-
zelnen Fibrillen hängen mit Ektodermzellen zusammen, die ihnen an Zerzupf ungspräparaten, wie dies
schon Brücke (89) gezeigt hat, häufig anhaften bleiben. Die Verbindung der Zellen mit den con-
tractilen Fasern erfolgt gewöhnlich in der Weise, dass sie mit breiter Basis der Muskellamelle auf-
sitzen; in anderen Fällen dagegen verschmälern sie sich basalwärts und erreichen dann nur durch
einen dünnen Fortsatz die Muskelfasern, die in rechtem Winkel zu und unter ihnen verlaufen. Das
eine ist bei fast allen von uns untersuchten Medusen der Fall, das andere ist eine Eigenthümlichkeit
von Hydra und ist als eine Modification des gewöhnlichen Verhaltens zu betrachten und in ein-
facher Weise daraus zu erklären, dass zwischen die sogenannten Neuromuskelzellen sich noch ein
interstitielles Gewebe dazwischendrängt, nämlich die ausgebildeten und die in Neubildung begriffenen
Nesselzellen. Ob daher die Ektodermzelle unmittelbar breit oder mit verschmächtigter, fortsatzartiger
Basis sich mit den Muskelfasern verbindet, ist ein Unterschied sehr untergeordneter Art. — Bei
den meisten Medusen nehmen die Muskelzellen an der epithelialen Bekleidung der Körperoberfläche
Theil, bei anderen dagegen sind sie aus der Oberflächenschicht ausgeschieden und werden dann
gewöhnlich noch von einer einfachen Lage platter Zellen überzogen.
Vom histologischen Gesichtspunkt aus betrachtet gehören die soeben beschriebenen Ektoderm-
zellen und die ihnen anhaftenden Muskelfasern innig zusammen, indem die ersteren die Bildungs-
166
zellen, die letzteren ihre Bildungsproducte sind; sie stehen daher, wie wir in Uebereinstimmung mit
Fr. Eilhard Schulze (79) und Claus (20) annehmen, in demselben genetischen Verhältniss zu
einander, wie bei den höheren Thieren die Muskelkörperehen zu den Muskelfibrillen. Denn darauf,
dass die Muskelkörperchen bei den höheren Thieren gewöhnlich allseitig und bei den Medusen nur
einseitig contractile Substanz ausgeschieden haben, wird man gewiss kein Gewicht legen wollen. Aus
dem histologischen Verhalten der Theile können wir somit kein Argument ausfindig machen, welches
sieh zu Gunsten der Neuromuskeltheorie verwerthen Hesse.
Dagegen verlangt eine nähere Prüfung jetzt noch der Umstand, dass die Muskelkörperchen
der Hydromedusen zugleichen Epithelzellen sind und als solche in den meisten Fällen mit ihren
peripheren Enden an die Oberfläche reichen. Ist nun dieser Unterschied bedeutsam genug, um
daraufhin die Muskelzellen der Hydromedusen als etwas wesentlich anderes zu betrachten und um
in ihnen noch die Bestandteile eines Nervensystems zu vermuthen, wie dies Kleinenherg und
andere Forscher gethan haben? Gewiss werden die Neuromuskelzellen als Theile des Epithels
vielfach äusseren Reizen ausgesetzt sein, welche vom Protoplasma direct auf die Muskelfibrille fort-
geleitet werden; sie verhalten sich in der Beziehung wohl ganz wie eine Vorticelle, deren soge-
nannter Stielmnskel sich sofort auf jeden den Körper treffenden Reiz contrahirt. Aber hieraus lässt
sich noch keineswegs folgern, dass deswegen auch der Protoplasmatheil das morphologische Aequi-
valent einer Sinnes- und Ganglienzelle und eines Nerven sei. Reizbarkeit ist eine allgemeine
Eigenschaft des Protoplasma, und wenn die Muskelzellen der Hydromedusen auch ohne Nerv irri-
tabel sind, so ist demgegenüber, wie bereits Claus (20. S. 29) mit Recht hervorgehoben hat, geltend
zu machen, dass nach dem heutigen Stande der Physiologie die Muskeln der Wirbelthiere gleich-
falls durch directe Reize ohne Vermittlung eines Nerven sieh contrahiren können, dass wir es somit
mit einer Eigenschaft zu thun haben, die vielleicht den Muskeln der Hydromedusen in höherem
Grade zukommt, aber auch den Muskeln der Wirbelthiere nicht fehlt. Kurz: es liegen weder ver-
gleichend histologische noch auch physiologische Gründe vor, welche uns zur Annahme zwingen
könnten, dass bei den Hydromedusen die bei höheren Thieren gesonderten Elemente, Sinnes-, Ganglien-,
Muskelzelle und Nerv, noch in einer Zelle vereinigt seien. Wir haben daher auch den Namen
Neuromuskelzelle durch das Wort Epithel muskelzelle ersetzt, um dadurch die phylogenetisch
so bedeutungsvolle Lage des Gebildes im Ektoderm zum Ausdruck zu bringen.
Die Neuromuskeltheorie lehrt weiter, dass eine höhere Differenzirung der bei Hydra zu beob-
achtenden primitivsten Form des Nervenmuskelsystems dadurch eintrete, dass der Kern der Neuro-
muskelzelle sich theile und das eine Theilungsproduct auf die Muskelfaser überwandere; hierdurch werde
eine ächte Sinneszelle und eine ächte Muskelzelle gebildet, die beide durch einen Nerven verknüpft
sind. Zur Stütze dieser Ansicht können die oben referirten Befunde v. Beneden’s (88) an Hydrac-
tinia dienen. Diese Stütze ist indessen anfechtbar, da von v. Beneden die Entstehung der von ihm
beobachteten Theile aus einer Zelle nicht direct nachgewiesen, sondern nur erschlossen worden ist,
so dass andere Deutungen möglich sind. Wir haben es also im vorliegenden Falle nur mit einer
blossen Annahme zu thun, deren grössere oder geringere Wahrscheinlichkeit zu prüfen ist.
Theoretisch betrachtet scheint uns die von v. Beneden gemachte Annahme, welcher auch
Gegenraur und Haeckel gefolgt sind, keine naturgemässe zu sein; denn sie setzt eine Form der
histologischen Differenzirung voraus; die im Thierreich ohne Analogie dasteht. Bei den Infusorien,
wo die grössten histologischen Sonderungen im Rahmen einer Zelle zu beobachten sind, wird trotz-
dem nie die morphologische Einheit der functionell verschiedenen Theile aufgegeben ; bei den höheren
Thieren aber erfolgt die histologische Sonderung nicht in der Weise, dass eine Zelle gleichzeitig
167
zwei Functionen besonders ausbildet und dann entsprechend den beiden different gewordenen Theilen
in zwei functioneil verschiedene Zellindividuen zerfällt, vielmehr sehen wir, dass es stets schon ge-
sonderte, ursprünglich gleichartige Zellen sind, die unter sich die Arbeit theilen und sich zu dieser
oder jener Function besonders weiter entwickeln. Die histologischen Sonde rungsprocesse
beruhen nicht, wie die Neuromuskeltheorie annimmt, auf der Trennung und auf
einem Selbstständigwerden verschieden differenzirter Zelltheile, sondern auf der
verschiedenen Differenzirung getrennter und ursprünglich gleichartiger Zellen.
2. Wenn schon bei der vorgenommenen Prüfung ihrer Grundlagen die Neuromuskeltheorie
in Frage gestellt werden kann, so ist dies in noch höherem Maasse der Fall, wenn sich zeigt, dass
sie auch als Erklärungsprincip nicht ausreicht, dass sie weder die Lebenserscheinungen
einer Hydra, noch auch die Beschaffenheit des Nervensystems der höheren Thiere erklärt. Bei
Hydra erklärt die Neuromuskeltheorie nicht die Thatsache, dass der Reiz, der einen einzigen Punkt
betrifft, sich dem ganzen Organismus mittheilt und eine momentan erfolgende Thätigkeit des ge-
sammten Muskelsystems auslöst, dass die Berührung der Spitze auch nur eines Tentakels sofort
alle Tentakeln und den ganzen Körper zur Contraction veranlasst. Die Neuromuskelz eilen Kleinen-
berg’s sind eben isolirte Elemente und sind nicht zu einer gemeinsamen Action durch ein Nerven-
system verbunden, welches indessen bei Hydra, nach den physiologischen Leistungen zu scliliessen,
vorhanden sein muss. Denselben Schwierigkeiten begegnen wir in noch erhöhtem Maass, wenn wir
die Neuromuskeltheorie auf die Verhältnisse der höheren Thieren übertragen. Denn setzen wir den
Fall, dass die Neuromuskelzellen in der postulirten Weise sicli weiter entwickeln und dass daraus
Sinneszellen entstehen, die durch einen langen Ausläufer, einen Nerven, mit den in die Tiefe ge-
rückten Muskelzellen Zusammenhängen, so haben wir allerdings ein Thier vor uns mit vielen isolirten
Nervenleitungen, aber nicht mit einem Nervensystem. Von einem solchen können wir erst 'dann
reden, wenn die einzelnen Leitungen untereinander verbunden sind, was durch die Ganglienzellen,
das dritte und nicht minder wesentliche Element des Nervensystems, geschieht. Diesen Zusammen-
hang aber und damit den Ursprung der Ganglienzelle lässt die Neuromuskeltheorie
unberücksichtigt.
Aus den angeführten Gründen können wir dem Ideengang der Neuromuskeltheorie nicht
beistimmen, sondern müssen uns, wenn wir die rhylogenese des Nervensystems zu erklären ver-
suchen wollen, nach einer anderen Grundlage umsehen; wir glauben dieselbe in dem Nervensystem
der Medusen gefunden zu haben.
Bei den Medusen sind die drei von uns als wesentlich bezeichneten Elemente des Nerven-
systems, die Sinnes-, Ganglien- und Muskelzelle durch Beobachtung nachgewiesen. Sie sind unter-
einander durch Nervenfibrillen verbunden und liegen insgesammt im Ektoderm, welches ja auch bei
allen höheren Thieren nach dem Zeugniss der Entwicklungsgeschichte der Mutterboden des Nerven-
systems ist. Wenn in diesen Verhältnissen sich schon eine sehr primitive Beschaffenheit ausspricht,
so ist auf der anderen Seite doch nicht zu verkennen, dass am Nervensystem der Medusen bereits
mannigfache Differenzirungen eingetreten sind, die wir uns aufgehoben denken müssen, um eine
noch primitivere Grundform zu erhalten. Diese Differenzirungen betreffen erstens die Anordnung
und zweitens die Form der Nervenelemente.
1. Bei den Medusen lassen sich an der Körperoberfläche besondere sensible, motorische und
indifferente Bezirke unterscheiden. An der unteren Seite des Velum und der Subumbrella hat sich
fast ausschliesslich die motorische Function des Ektoderms entwickelt, indem hier Epithelmuskel- und
motorische Ganglienzellen entstanden sind. Der Schirmrand, an dem der Nervenring mit seinem Sinnes-
168
epithel und seinen speeifischen Sinnesorganen liegt, ist vorzugsweise der empfindliche Theil des
Körpers, an welchem sich das Nervensystem am meisten localisirt und zu einem Centralorgan
differenzirt hat. Die ganze obere Seite des Velum und der Schwimmglocke wird fast ausschliesslich
von Deckepitlielien eingenommen. Die Tentakeln endlich, welche sich sowohl durch contractile als
auch durch sensorielle Eigenschaften auszeichnen, sind die am meisten indifferenten Bezirke, in denen
die Stütz-, Ganglien-, Sinnes- und Muskelzellen am gleichmässigsten im Ektoderm vertheilt sind.
Eine derartig verschiedenartige Differenzirung des Ektoderms auf den einzelnen Theilen der
Körperoberfläche kann nicht mehr als ein primitiver Zustand angesehen werden , doch lässt sich
daraus ein solcher leicht ableiten, wenn wir uns die Differenzirung aufgehoben denken und somit
einen Weg einschlagen, auf welchen uns vergleichend anatomische Erwägungen hinweisen. Nach
Aufhebung der erwähnten Differenzirung würden die vierfach verschiedenen Elemente des Ektoderms,
die Stütz-, Sinnes-, Ganglien- und Muskelzellen gleichmässig über die Körperoberfläche vertheilt
sein; unter der so entstandenen dünnen Zellenschicht würden sich die Nervenfibrillen überall plexus-
artig verbreiten und würden selbstverständlich die einzelnen Endorgane auf kürzerem Wege mit
einander verbinden, als dies bei den Medusen, bei denen sich ein Nervenring einschaltet, thatsächlich
der Fall ist. Eine solche Beschaffenheit des Nervensystems hat sich an den Tentakeln der Medusen
noch erhalten und wird, wie wir vermuthen, wohl auch bei Hydra und allen Hydroiden vorhanden
sein, deren Ektoderm an allen Stellen des Körpers einen gleichen Bau besitzt.
2. Der zweite Punkt, wo wir eine Vereinfachung an dem Nervensystem der Medusen vor-
nehmen können, betrifft die Lage und Form der Ganglienzellen. Wie unsere Untersuchungen ge-
zeigt haben, sind bei den Medusen nur die Sinnes- und Muskelzellen echte Epithelzellen , welche
an der Oberflächenbegrenzung des Körpers unmittelbaren Antheil haben; die Ganglienzellen dagegen,
sind zwar auch noch im Ektoderm gelegen, aber nicht in der oberflächlichen, epithelartig angeord-
neten , einfachen Schicht. In der Subumbrella z. B. werden sie stets noch von den Protoplasma-
körpern der Epithelmuskelzellen zugedeckt. Wir halten dies nicht für ihre primäre Lage, nehmen
vielmehr an, dass sie ursprünglich auch Epithelzellen gewesen und erst secundär mehr in die Tiefe
gerückt sind. Unsere Annahme stützt sich auf die bei Carmarina erhaltenen Befunde, wo wir im
oberen Nervenring Uebergangsformen zwischen Ganglienzellen, die noch Tlieile des Sinnesepithels
und solchen, die aus ihm ausgeschieden sind, aufgefunden haben. Wir zeigten dort, wie diese
Zellen besonders durch den Reichthum an Ausläufern charakterisirt sind, und glauben jetzt auch die
Vermuthung aussprechen zu dürfen, dass in diesem Reichthum an Ausläufern das ursächliche Moment
zu suchen ist, warum die Ganglienzellen von allen drei Elementen des Nervensystems am frühesten
aus der Epithelbekleidung des Körpers ausgeschieden sind. Es hat sich bei ihnen vorzugsweise
der untere, die Nervenfibrillen entsendende und durch die allseitig auf ihn übertragenen Reize in
erhöhtem Maass functionirende Protoplasmatheil entwickelt.
Das Resultat unserer Betrachtungen lässt sich jetzt kurz dahin zusammenfassen: In der
primitiven Form des Nervensystems sind Sinnes-, Muskel- und Ganglienzellen zu-
gleich Epithelzellen; durch ihre Lage sind alle drei befähigt, direct auf äussere
Reize zu reagiren; sie unterscheiden sich nur dadurch von einander, dass eine
jede noch eine besondere Function in hervorragender Weise ausgebildet und da-
her auch morphologisch sich in divergenter Richtung differenzirt hat. Die Epitliel-
muskelzellen haben contractile Fibrillen ausgeschieden, die Epithelganglienzellen besitzen besonders
zahlreiche Verbindungen untereinander und mit den sensiblen und muskulösen Zellen, die Sinnes-
zellen endlich sind durch die Anwesenheit specifischer Endapparate (Tasthaare, Pigmentumhüllung,
169
Linse, Verbindung' mit einer Concrementzelle) besonders geschickt geworden, sinnliche Eindrücke
aufzunehmen. Alle drei Elemente sind mit Epithelstützzellen untermischt über die
Körperoberfläche gleichmässig verbreitet und unter einander durch ein plexus-
artig ausgebreitetes Netz von Nervenfibrillen verbunden, in welchem die Ganglien-
zellen gewissermaassen besondere Knotenpunkte bilden.
Bis zu diesem Entwicklungsstadium können wir von den Medusen ausgehend die Genese des
Nervensystems zurückverfolgen. Von hier ab sind wir bei der Feststellung noch früherer Stadien
ausschliesslich auf theoretische Erwägungen angewiesen. Dieselben sind indessen sehr einfacher
Art. Da uns die Entwicklungsgeschichte lehrt, dass das äussere Keimblatt ursprünglich aus gleich-
artigen embryonalen Zellen besteht, und da wir ferner auch voraussetzen müssen, dass bei den
niedersten Metazoen gleichfalls alle Ektodermzellen untereinander keine Verschiedenheiten gezeigt
haben, so bleibt uns jetzt noch allein der Punkt zur Entscheidung übrig: wie die soeben aufge-
stellte primitivste Form des Nervensystems aus den gleichartigen Zellen des Ektoderms abgeleitet
werden kann. Hier sind zwei Fälle von vornherein nur denkbar: entweder ist die Differenzirung
der drei Elemente des Nervensystems primär und ihre Verbindung erst secundär eingetreten oder
umgekehrt: die Verbindung der Zellen ist das Primäre und ihre Differenzirung das Secundäre.
Gegen die Annahme des ersten Falles, der ja im Princip auf die Ansichten hinausläuft, die
wir in der ersten Gruppe in unserer historischen Einleitung zusammengefasst und besprochen haben,
lassen sich natürlich alle bereits dort hervorgehobenen Momente geltend machen; wir werden uns
daher gleich für den zweiten Fall zu entscheiden und nun weiter zu prüfen haben, wie sich auf
dieser Grundlage die Entstehung des Nervensystems gestalten wird.
Wenn wir von der Voraussetzung ausgehen, dass die Differenzirung der nervösen Elemente
eine secundäre, ihre Verbindung aber eine primäre ist, so gelangen wir zu der Vorstellung, dass
die ursprünglich gleichartigen Zellen einer Ektodermschicht entweder insgesammt oder theilweise
durch Fortsätze ihres Protoplasma untereinander vereinigt waren. Bei Festhaltung einer scharfen
Begriffsbestimmung werden wir hier selbstverständlich noch nicht von einem Nervensystem reden
dürfen, da die wesentlichen Theile desselben morphologisch noch nicht zu unterscheiden sind, und
schlagen wir demgemäss vor, diese Form als Zell verband zu bezeichnen. Im Zellverband besitzt
noch eine jede Zelle in gleicher Weise die beiden Grundeigenschaften des Protoplasma, auf welche
es bei unseren Erörterungen ankommt, Reizbarkeit und Contractilität. Ferner werden sich in ihm
die Erregungszustände einer Zelle bei der Continuität des Protoplasma Nachbarzellen mittheilen
müssen. Die Theile eines Zellverbandes werden daher zu einer gemeinsamen Action befähigt sein,
wobei eine jede Zelle, je nachdem sie den Reiz empfängt, überträgt oder in Bewegung umsetzt,
sich ähnlich wie Sinnes-, Ganglien- oder Muskelzelle functioneil verhalten wird. Es liegt auf der
Hand, dass die Bedingungen zur Ausbildung eines Nervensystems in einem der-
artigen Zellenverband gegeben sind. Wenn auf dieser Grundlage zwischen den gleichartigen
Zellen eine Arbeitsteilung allmählich eintritt, wenn unter Ausscheidung specifischer Muskel- und
Nervensubstanz sich Muskel-, Ganglien- und Sinneszellen differenziren, dann wird der Zellenverband
in ein Nervensystem und die Protoplasmaleitung in eine Nervenleitung umgewandelt werden.
Wir könnten hiermit unsere Deductionen abschliessen, da wir das Nervensystem auf einen
Zustand vollkommener Indifferenz - — auf einen einfachen Zellenverband — zurückgeführt haben.
Denn wie dieser letztere entstanden sein mag, ist für unsere Aufgabe an und für sich gleichgültig.
Doch mag auch in Betreff dieses Punktes noch hervorgehoben sein, dass wir den Zellenverband
uns nicht aus unvollkommener Zellteilung entwickelt denken, wie es Hensen (96) thut. Dies
Hertwig, Medusen. 22
170
würde uns zu der den Beobachtungen widersprechenden Ansicht führen , dass von der ersten Ei-
theilung an eine Protoplasmaverbindung sicli zwischen den einzelnen Theilproducten erhalten müsste.
Wir nehmen vielmehr an, dass ursprünglich getrennte Zellen erst nachträglich durch
Verschmelzung von Protoplasmafortsätzen Verbindungen eingegangen sind.
An der Hand von Beobachtungen und mit Hülfe theoretischer Erwägungen haben wir uns
bisher bemüht, Gesichtspunkte festzustellen, welche auf die Frage nach der Genese des Nerven-
systems Licht verbreiten möchten; die so gewonnenen Anschauungen wollen wir jetzt noch zu einem
einheitlichen Bild zusammenfassen und hierbei zugleich durchzuführen versuchen, in wie weit bei
niederen Thierstämmen noch heute in der Beschaffenheit ihres Nervensystems wichtige Stadien der
phyletischen Entwicklung zum Ausdruck kommen, und in wie weit dieselben verwerthet werden
können, um die so complicirten Verhältnisse des Nervensystems der höheren Thiere zu erklären :
1. Wir nehmen an, dass bei allen Metazoen das Ektoderm, aus welchem das
animale Nervensystem mit seinen motorischen und sensiblen Endapparaten ent-
standen ist, ursprünglich sich aus einer einfachen Schicht gleichartiger Zellen
zusammengesetzt hat in der Weise, wie dies überall in den frühesten ontogene-
tischen Stadien der Fall ist. Wir nehmen ferner an, dass diese Zellen wenigstens
theilweise schon frühzeitig durch Protoplasmafortsätze untereinander in Zusam-
menhang getreten sind und dadurch einen innigeren Zellenverband gebildet haben.
Aus dem Verband hat sich allmählich — so lautet unsere Hypothese — durch
Arbeitsteilung zwischen den mit einander vereinigten Zellen ein Nervensystem
primitiver Art entwickelt. Indem ein Thcil der Zellen contractile Substanz aus-
scliied, ein anderer auf seiner Oberfläche mit Tastborsten ausgerüstet wurde,
ein dritter endlich besonders zahlreiche Verbindungen einging, haben sich nach
und nach im einschichtigen Ektoderm zwischen den einfachen Epithelzellen die
drei Elemente des Neuromuskclsystems, epitheliale Muskel-, Sinnes- und Ganglien-
zellen, mehr oder minder gleichzeitig differenzirt. Hand in Hand damit haben
sich ihre Protoplasmaverbindungen durch Bildung specifischer Nervensubstanz
in einen Nervenfibr illcnplexus umgewandelt. Als später das Ektoderm seine ein-
schichtige Beschaffenheit verlor, sind von den drei genannten Elementen die
Ganglienzellen zuerst aus dem Oberflächenepithel ausgeschieden und sind in
die Tiefe gerückt.
Auf einer derartigen niedrigen Entwicklungsstufe scheint uns das Nervensystem der meisten
Hydroiden zu stehen, bei denen Epithelmuskelzellen und Sinneszellen gleichmässig über die Körper-
oberfläche verbreitet sind. Zu den Sinneszellen möchten wir die mit Cnidocils versehenen Nesselzellen
rechnen, an deren basalem Ende schon öfters fadenartige Verlängerungen beschrieben worden sind;
auch die Existenz von Ganglienzellen halten wir für sehr wahrscheinlich. Bei Isolationspräparaten
von Hydra, die nach Kleinenberg’s Angaben an gefertigt wurden, fielen uns zwischen den isolirten
Theilen im interstitiellen Gewebe kleine sternförmige Zellen mit zahlreichen Ausläufern auf, die wohl
für Ganglienzellen gelten könnten. Vervollkommnete Methoden werden in Zukunft uns zweifellos
noch Aveitere Aufklärung über den feineren Bau des Ektoderms und über den von uns vermutheten
principiell so wichtigen Zusammenhang der verschiedenartig differenzirten Ektodermzellen bringen.
2. Die Urform des Nervensystems, wie sie wohl bei Hydra und anderen
Hydroiden noch erhalten ist, hat sich zu einer nächst höheren Form dadurch
entwickelt, dass zwischen den verschiedenen Bezirken des Ektoderms eine Ar-
171
beitstheilung stattgefunden hat, dass sich in der Körperoberfläche besonders
musculose und besonders sensible Bezirke von mehr indifferenten Bezirken ge-
sondert haben. Auf diesem Wege hat sich am Nervensystem allmählich eine
Trennung in einen centralen und in einen peripheren Tlieil vollzogen, wobei
beide noch vollständig im Ektoderm gelegen sind. Der periphere Theil hat in
seiner Verbreitung die ursprüngliche plexusartige Anordnung seiner Elemente
beibehalten, der centrale dagegen ist durch Ansammlung von Ganglienzellen
und Nervenfibrillenbündeln leicht kenntlich geworden als ein strangartiges, von
den umgebenden Geweben deutlich zu sonderndes Organ, dessen Localisation,
wie wir hier hervorheben möchten, durch die Ausbildung besonders sensibler
Strecken bedingt und im Anschluss an die Lage der Sinnesorgane erfolgt ist.
Im Stamm der Coelenteraten ist eine Arbeitsteilung zwischen den einzelnen Bezirken der
Körperoberfläche bei den Medusen in der Weise eingetreten, dass die untere Seite des Schirms und
des Velum von der Musculatur, die obere Seite von indifferenten Epithelzellen eingenommen wird;
die Sinneszellen dagegen und das Centralnerv eusystem haben sich am Schirmrand entwickelt und
bilden hier, wenn wir von den Acraspeden abselien, einen geschlossenen oberen und unteren Nerven-
ring, der bei den Aequoriden noch sehr breit und dünn, bei den meisten Craspedoten zu einem
dickeren Strang zusammengedrängt und bei den Geryoniden am meisten concentrirt ist. Dass zu
der höher entwickelten Form des Nervensystems der Medusen sieh bei den Coelenteraten Ueber-
gangsformen finden werden, ist sehr wahrscheinlich. Vielleicht kommt es bei den am höchsten
stehenden Hydroiden, den Tu b ularien, bereits schon am Rand des Peristoms zwischen den Ten-
takeln zur Ausbildung eines besonderen Strangs von Nervenfibrillen, in welchem alsdann ein Homologon
des Nervenrings der Medusen zu erblicken wäre. Aelmlic lies wird wohl auch bei den Actinien nach-
zuweisen gelingen, deren Ektoderm, nach den so eben erschienenen histologischen Untersuchungen
von Helder (97) zu urth eilen, sehr zahlreiche Sinneszellen besitzt. Heider sah sowohl die Nessel-
zellen , als auch den grössten Theil der cylinder- oder spindelförmigen Epithelzellen in feine mit
Knötchen besetzte Fibrillen übergehen; zwischen ihnen und der Muskellamelle beobachtete er auf
Durchschnitten eine feinkörnige Substanz.
Eigenartige und in mancher Beziehung weiter differenzirte Zustände liegen bei den Beroiden
vor, wie wir aus den Untersuchungen Eimer’s schliessen. Das periphere Nervensystem ist hier
bereits aus dem Ektoderm ausgeschieden, indem Muskel- und Ganglienzellen mit den von ihnen
entspringenden Nervenfibrillen in die Gallerte des Körpers eingebettet sind; dagegen hat der Central-
tlieil, sofern unsere Ansicht „vom ganglienartigen Körper“ der Beroiden eine richtige ist, seine
ursprünglichen Beziehungen zur Körperoberfläche beibehalten.
Nächst den Coelenteraten besitzen eine primitive Form des Nervensystems die Ecliino-
dermen, soweit sich dies jetzt schon aus den vorliegenden Untersuchungen (107) ersehen lässt.
Es wird in Zunkunft besonders darauf zu achten sein, ob nicht zwischen dem Nervenring und den
Ambulacral nerven einerseits und dem unmittelbar aufliegenden Epithel andererseits bei den Asteriden,
Ophiuren und Crinoiden ein ähnlicher Zusammenhang wie bei den Medusen besteht. Auch die
niederen Abtheilungen der Würmer dürften nach den Untersuchungen Semper’s (106) manche Aus-
beute ergeben.
Bei allen übrigen Thierstämmen haben sich die ursprünglichen Beziehungen des Nervensystems
zum Ektoderm nur noch in ihrer Ontogenese erhalten und haben schon vielfach, wie oben bereits
erörtert wurde, zu Speculationen über die Genese des Nervensystems Veranlassung gegeben.
22*
172
3. Nachdem das im Ektoderm gelegene Nervensystem sich in einen centralen
und in einen peripheren Theil gesondert hat, geht es endlich seiner dritten und
höchsten Ausbildungsstufe entgegen, auf welcher es die lange Zeit allein be-
kannte und für typisch gehaltene Beschaffenheit annimmt. Sein centraler sowohl
als sein peripherer Abschnitt lösen sich von ihrem Mutterboden, dem Ektoderm,
ab und werden zu einem selbstständigen, scharf abgegrenzten und im Inneren des
Körpers geborgenen Organsystem. Dieser Process steht in Zusammenhang und
geht Hand in Hand mit der Bildung des Mesoderms, in dessen Gewebe das Nerven-
system mit Ausschluss seiner sensiblen Endapparate unmittelbar zu liegen kommt.
Am frühesten scheint uns die Ausscheidung am peripheren Theil eingetreten
und dadurch veranlasst worden zu sein, dass die Epithelmuskelzellen aus der Haut-
oberfläche in das Mesoderm hineingerückt sind und einen Hautmuskelschlauch
zusammengesetzt haben. Aus den ursprünglich plexusartig angeordneten Nerven-
fibrillen haben sich hierbei allmählich periphere Nervenstämme gesondert, ein
Vorgang, der leicht verständlich wird, wenn wir im Auge behalten, dass im Laufe
der fortschreitenden Entwicklung die sensiblen und motorischen Endzeilen zu
Zellengruppen, sich vereinigen. Je mehr an der Hautoberfläche begrenzte sen-
sorielle Bezirke, besondere Sinnesorgane entstehen, je mehr die ursprünglich
lamellenartig ausgebreiteten Muskelfibrillen zu besonderen Muskeln sich differen-
ziren, und je mehr die genannten Theile sich ausbilden und an Volum zunehmen, um
so mehr müssen auch die sie versorgenden Nervenfibrillen ihre plexusartige Anord-
nung aufgeben und ihren Endorganen entsprechend zu Stämmen verbunden werden.
Der Ausscheidung des peripheren folgt die Ausscheidung des centralen
Nervensystems nach, welches sich bei den bilateral symmetrischen Thieren in der
Längslinie des Körpers sei es dorsal, sei es ventral localisirt hat. Von der Ober-
fläche ausgeschlossen verliert das Centralnervensystem*, — wenn wir von den
Gehör- und Sehorganen absehen, die bei manchen Thieren aus dem Gehirn sich
anlegen, — die Function als Sinnesorgan, welche ihm bei seiner ersten Lage zu-
kam, und spielt jetzt allein noch die Rolle von einem Vermittlungsorgan, welches
vermöge seines zunehmenden Reichthums an Ganglienzellen durch die von ihm
allseitig ausstrahlenden Nervenfasern die peripheren sensiblen und motorischen
Endapparate in der mannigfaltigste n Weise verknüpft. —
Bei der gegebenen Zusammenfassung haben wir die Sinnesorgane nur in so weit berück-
sichtigt, als sie für die Genese des Nervensystems von Belang sind. Wir kommen daher anhangs-
weise noch einmal auf sie zu sprechen, um besonders auf zwei Punkte aufmerksam zu machen, die
sich uns beim Studium der Medusen ergeben haben. Diese beiden Punkte sind: erstens die
genetischen Beziehungen der verschiedenen Sinnesorgane zu einander und zweitens
ihr Lageverhältniss zum Centralnervensystem.
1. Bei unserer Beurtheilung der Sinnesorgane der Medusen glauben wir die Ansicht durch-
geführt und begründet zu haben, dass die specifischen Sinnesorgane aus indifferenten
Sinneszellen entstehen, wie sie sich auf dem oberen und unteren Nervenring und auch an
anderen Stellen des Medusenkörpers vorfiuden. Indem indifferente Sinneszellen in ihrer Structur
Veränderungen erleiden und Tast- oder Hörhaare oder Sehstäbchen bilden, indem sie ferner mit be-
nachbarten eigenartig raodificirten Theilen, mit Otolithen, oder mit Pigmentzellen, mit Linsenbildungen
173
u. s. w. in functioneile Beziehungen treten, werden sie allmählich für die Zuleitung specifischer
Sinneseindrücke befähigt und bilden sich, indem sie noch gruppenweise zusammentreten, zu Tast-,
Gehör-, Seh-, Geschmacks- und Geruchsorganen um. Dieser Entstehung gemäss werden sich die
Sinnesorgane, je mehr wir uns ihrem Ursprung nähern, um so weniger scharf in Bau und Function
von einander unterscheiden, wie denn namentlich zwischen Tast- und Gehörorganen wohl kaum eine
Grenze zu ziehen ist.
Wenn wir indifferente, in der Haut überall verbreitete Sinneszellen als das noth wendige Sub-
strat für die Genese specifischer Sinnesorgane betrachten, dann wird unserem Verständniss auch die
Erscheinung näher gerückt, dass in vielen Thierabtheilungen sich höhere Sinnesorgane an den ver-
schiedensten Körperregionen bilden , wo sie nahe verwandten Arten fehlen , dass z. B. Augen am
Mantelrand von Pecten und Gehörorgane am Postabdomen von Mysis, sowie am Abdomen oder an
der Tibia der Heuschrecken Vorkommen.
2. Was den zweiten Punkt betrifft, so haben unsere Untersuchungen an den Medusen in der
Lagerung der Sinnesorgane und des Nervensystems die innigsten Beziehungen zwischen diesen beiden
Theilen nachgewiesen. Dieser Umstand erklärt uns einige Erscheinungen in der Verbreitung und
in der Entstehungsweise der Sinnesorgane bei den höheren Thieren. Auch für diese werden wir,
wie schon früher bemerkt wurde, ein phylogenetisches Entwicklungsstadium voraussetzen dürfen,
auf welchem das an der Hautoberfläche befindliche Centralnervensystem Vermittlungsorgan und Sinnes-
organ zugleich ist. Durch den Einschluss in das Mesoderm mussten diese Verhältnisse geändert
werden ; es mussten diejenigen Sinneszellen eine Rückbildung erfahren, w elche, um zu functioniren,
auf die Hautoberfläche angewiesen sind, wie die Tast-, Geruchs- und Geschmacksorgane; dagegen
brauchten die Seh- und Gehörorgane, auch wenn sie in den Hohlraum eines centralen Nerven-
systems mit eingeschlossen wurden, nicht notlwendigerweise dadurch in ihrer Function geschädigt
zu werden. So sehen wir denn in der That auch bei vielen Thieren Auge und Gehörorgan als
ein Theil des Gehirnes selbst entstehen. Bei den Larven der A sei dien ist an der Innenwand des
abgeschnürten und vorn blasig erweiterten Nervenrohrs ein pigmentirter Ocellus mit Linse und ein
einfachstes Gehörorgan durch Kowalewsky (100) und Kupffer (101) nachgewiesen worden. Beim
Amphioxus (103) findet sich an gleicher Stelle auch beim envaehsenen Thier ein braun pigmentirter
Sehfleck. Bei allen Wirbelthieren endlich von den Cyclostomen an entwickelt sich das Auge durch
Ausstülpung aus der Vorderhirnblase. Dies sind Thatsachen, . welche wohl für die Richtigkeit der
oben angestellten Reflexionen sprechen dürften.
Man hat es oft als eine wunderbare Erscheinung bezeichnet, dass bei den Wirbelthieren die
Schichtenfolge in der Retina gerade die entgegengesetzte, wie bei allen übrigen Thieren ist. Auch
diese Erscheinung erklärt sich aus dem Lageverhältniss des Auges zum Nervensystem. Bei den
Wirbelthieren bildet sich das Auge aus einem Theil derjenigen Epithelschicht, welche ursprünglich
das Centralnervensystem, solange es noch im Ektoderm lagert, als Sinnesepithel überzieht, bei den
Wirbellosen dagegen entsteht es ausserhalb jenes Bezirkes. Während nun bei letzteren die Augen-
anlage an Ort und Stelle in allen ihren Theilen sich weiter entwickelt, indem die Sehzellen, wie
Grenaciier (93) bei Arthropoden gezeigt hat, in die Tiefe rücken und andere Zellen desselben
Hautbezirks zu Linse und Glaskörper u. s. w. sich umbilden, macht die Augenanlage der Wirbel-
thiere alle jene Lageveränderungen, welche das centrale Nervensystem erfährt, mit durch und wird
mit in die Hirnblase eingestülpt. Selbstverständlich kehren die Sehzellen nach diesem Ortswechsel
dem Hirnventrikel ihr peripheres Ende, ihr centrales aber der Hautoberfläche zu, so dass jetzt ihre
Lage der ursprünglichen gerade entgegengesetzt ist. Dieses Verhältniss erhält sich nun auch bei
174
allen ferneren Wandlungen, welche das Auge der Wirbel thiere noch durchzumachen hat. Während
es hei den Larven der Tunicaten und beim Amphioxus in der Hirnblasen wandung gelagert bleibt,
tritt bei den Wirbelthieren , wie wir aus der Entwicklungsgeschichte schliessen können, die licht-
empfindende Hautstrecke, welche durch die Einstülpung zu einem Theil des Gehirns geworden ist,
secundär mit lichtbrechenden Medien in Verbindung, die von anderen Strecken der Hautoberfläche
geliefert werden. Diese Verbindung kann jetzt nur in der Weise erfolgen, dass die Retinazellen
ihr centrales Ende dem dioptrischen Apparat zukehren. Mit einem Wort: Die entgegengesetzte
Schichtenfolge in der Retina, wie sie uns bei den Würmern, Arthropoden und
Mollusken einerseits, bei den Wirbelthieren andererseits entgegentritt, wird da-
durch bedingt, dass bei den ersteren alle Theile des Auges: Linse, Glaskörper
und Retina sich aus derselben Ektodermschicht durcji Abschnürung anlegen, bei
letzteren dagegen auf zwei räumlich gesonderte Ektodermbezirke zurückzuführen
sind, die durch einen complicirten Ortswechsel secundär zusammengetreten sind.
Dieser verschiedene Entwicklungsmodus erklärt sich wiederum in der Weise,
dass bei den Wirbelthieren das Auge aus dem Sinnesepithel des Centralnerven-
systems, bei den meisten Wirbellosen ausserhalb dieses Bezirkes ursprünglich
entstanden ist.
ln unseren Schlussbetrachtungen haben wir bei Aufstellung einer Theorie über die Genese
des Nervensystems und der Sinnesorgane theoretischen Speculationen vielleicht einen weiteren Raum
gewährt, als wohl Manchem bei dem geringen empirischen Material, auf dem sich einzelne Schluss-
folgerungen aufbauen, gerechtfertigt erscheinen möchte. Gleichwohl glauben wir uns vor dem Vor-
wurf voreiliger Verallgemeinerung sicher. Wir befinden uns hier auf einem noch wenig cultivirten
Gebiet, auf dem nur von Arbeiten, die mit bestimmt formulirten Fragen an die Aufgabe herantreten,
auch unsere Detailkenntnisse eine raschere Förderung erfahren werden. Die der Gunst des Zufalls
sich an vertrauende Beobachtung wird auf einem solchen Gebiet wie so häufig über die wichtigsten
Verhältnisse hinwegsehen, sie wird da, wo die Schwierigkeiten anheben, wo aber zugleich die
interessanten Probleme beginnen, halt machen oder nur allmählich Bruchstücke zusammenlesen, wo
eine planmässige Untersuchung mit geringerem Zeitaufwand Zusammenhänge ermittelt. Und so glauben
wir auch da, wo wir aus einem allzugeringen Beobachtungsmaterial falsche Schlüsse gezogen haben
sollten, nicht geschadet zu haben. Wir selbst haben an dem Beispiel der geschichtlich so bedeu-
tungsvollen Neuromuskeltheorie erfahren, in wie hohem Grade der Versuch, allgemeinen Vorstellungen
durch Verknüpfung mit empirischen Thatsaehen eine bestimmtere Gestalt zu verleihen, die Frage-
stellung späteren Arbeiten erleichtert und auf die Mittel und Wege zu ihrer Beantwortung hinweist.
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107. In Bezug auf das Nervensystem der Echinodermen ver-
weisen wir auf :
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Vorläufige Mittheilungen in den Marburger Sitzungs-
berichten.
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Zeitschr. f. wissenschaftl. Zool. Bd. XXVIII. Beiträge zur
Anatomie der Asteriden. Ebendas. Bd. XXX.
Teuscher, R., Beiträge zur Anatomie der Echino-
dermen. Jenaische Zeitschrift Bd. X.
108. Balfour, F. M. , The development of elasmobranch
fishes. Journ. of Anatomy und Physiology Vol. XI.
(Mit dieser Arbeit wurden wir nach Beendigung des
Drucks des allgemeinen Theils bekannt und machen
hier noch nachträglich auf sie aufmerksam, da sich in
ihr (p. 435) eine ähnliche Erklärung der eigenthüm-
lichen Schichtenfolge der Retina der Wirbelthiere findet,
wie wir sic auf Seite 173 gegeben haben.)
TAFEL- ERKLÄRUNG.
ERKLÄRUNG DER ABBILDUNGEN.
Für alle Figuren gelten folgende Bezeichnungen:
a Sinneszellen. Sinnesepithel,
b Stützzellen,
c Cuticula.
d Ektodermzellen, d1 der oberen Schirmfläche , d2 der
unteren Schirmfläche.
e Entodermzellen der Gallerte der Acraspeden und Ento-
dermlamelle der Craspedoten.
en Entoderm.
f Hohlräume in der Umgebung des Nervenrings.
g Ganglienzellen,
ga Gastro vascular System,
go Geschlechtsorgane,
h Hörzellen,
hb Hörbläschen.
hf Fortsätze der Hörzellen der Yesiculaten.
hg Hörgrube.
hh Hörhaare.
hk Hörkölbchen.
hp Hörpolster.
i Tasthaare.
k Tastkämme.
1 Linse.
m Muskelfibrillen, m1 der Subumbrella, m2 des Velum,
mr radialer Muskelstrang,
n Nervenstrang,
np Nervenpolster.
nr Nervenring, nr1 oberer Nervenring, nr2 unterer Ner-
venring.
ns radialer Nervenstrang,
o Otolith.
oc Ocellus.
p Pigmentzellen.
q Sinnespolster zwischen zwei Hörkölbchen von Aeginopsis.
r Ringkanal, r1 oberes Epithel desselben, r2 unteres Epi-
thel desselben,
rc Centripetalkanal.
rr Radialkanal.
.s Stützlamelle,
sb Sinnesbucht,
se Sehzellen,
sf Sinnesfalten,
sh Sinneshügel,
sk Sinneskörper,
sl Sinnesläppchen,
t Tentakeln.
ta Blasige Zellen der Tentakelaxe.
tb Tentakelbasis,
tl Tentakellappen,
ti Interradiale Tentakeln,
tn Nebenten takeln,
tn 1 Nebententakeln von Mitrocoma.
tr Radiale Tentakeln.
tr1 Tentakelstümpfe bei Aequorea.
tw Tentakelwarzen,
u Subumbrellapapillen.
v Velum.
w Nesselwulst,
x Nesselstreifen,
y Mantelspangen,
z Nesselzellen.
S Schirmsaum der Aeginiden.
Sch. Schirmscheibe der Aeginiden.
<) Deckplatte über den Sinneskörpern der Acraspeden.
/a Magentasche der Aeginiden.
182
Tafel I.
Aeginiden : Cunina lativentris (Fig. 1 — G) und Canina sol maris (Fig. 7—10).
Fig. 1. Querschnitt durch den Schirmrand. Osm. Alk. Präp.
F. Oc. I.
Fig. 2. Querschnitt durch den Schirmrand an der Ursprungsstelle
des Gehörorgans. Letzteres ist der ganzen Länge nach ge-
troffen, so dass man das Fädchen sieht, welches die Stützlamelle
des Hörkölbchens mit der den Ringkanal umgehenden Membran
verbindet. Das Verbindungsfädchen theilt den oberen Nerven-
ring in zwei Hälften. Auch der Nesselstreifen ist vom Schnitt
getroffen. Osm. Alk. Präp. F. Oc. I.
Fig. 3. Ansicht des Gehörorgans nach Behandlung mit dünner
Osmiumsäure; die Concretionen nach einem frischen Präparat
eingezeichnet. F. Oc. I.
Fig. 4—6. Verschiedene Stadien der Entwicklung des Gehörorgans
nach Behandlung mit dünner Osmiumsäure. Fig. 4; Anlage
der Axe des Hörkölbchens in Form eines aus dem Epithel des
Ringkanals hervorsprossenden Höckers.. Fig. 5. u. 6; die An-
lage hat sich abgeschnürt. F. Oc. I.
Fig. 7. Querschnitt durch den Schirmrand. Osm. Alk. Präp.
F. Oc. I.
Fig. 8. Querschnitt durch den Schirmrand an der Ursprungsstelle
des Gehörorgans; derselbe zeigt im Wesentlichen die gleichen
Verhältnisse wie der Querschnitt von Cunina lativentris (Fig. 2).
Osm. Alk. Präp. F. Oc. I.
Fig. 9. Ansicht des Gehörorgans nach Behandlung mit dünner
Osmiumsäure; Concretion nach einem frischen Präparat ge-
zeichnet. F. Oc. I.
Fig. 10. Isolirte Hörzellen eines in dünner Osmiumsäure macerirten
Gehörorgans; zum Theil hängen die Zellen noch an der Cuti-
cula fest. Die Hürhaare sind abgefallcn, zumeist ist nur ein
Nervenfortsatz erhalten, bei einer Zelle zwei. F. Oc. I.
Tafel II.
Aeainiden und Gervonideii.
Fig 1 . Ansicht des Schirmrands von Liriope im frischen Zustand.
Mantelspange, Hörbläschen und Tentakelbasis sind sichtbar.
Fig. 2. Gehörorgan von Aeginopsis mediterranea. Fig. 2 a. Quer-
schnitt durch dasselbe; die Verbindung des Ilörkölbchens mit
dem Rudiment des Ringkanals ist sichtbar (vergl. Fig. 2. Taf. I).
Fig. 'Iß. Macerationspräparat in Osmium-Essigsäure; Nerven-
ring und Sinnesepithel durch Klopfen entfernt, so dass nur
die Axenzellen, die Anschwellung des rudimentären Ringkanals,
die umhüllenden Membranen und die Verbindung der letzteren
übrig geblieben sind. F. Oc. I.
Fig. 3. Der untere Nervenring von Cunina sol maris von der
Fläche betrachtet nach Behandlung mit dünner Osmiumsäure.
Zwischen den grossen Epithelzellen der Subumbrella und den
kleinen des Velum zieht sich ein Strang von Ganglienzellen (nr-)
hin; dieselben sind von Epithelzellen bedeckt; einige ragen an
den Rissenden hervor. Mit dem unteren Nervenring stehen
Ganglienzellen (g) der Subumbrella in Verbindung. Die Muskel-
fasern des Velum und der Subumbrella sind nicht mit eingezeich-
net, ebenso die Kerne der Epithelzellen, welche die Ganglien-
zellen bedecken, weggelassen. D. Oc. 11. Fig. 3«. Eine Ganglien-
zelle der Subumbrella bei stärkerer Vergrösserung. F. Oc. I.
Fig. 4. Isolirte Epithelzellen vom Hörkölbchen von Cunina lati-
ventris. Osm. Essigs. Präp. F. Oc. I.
Fig. 5. Isolirte Zellen aus dem Nesselstreifen von Cunina lati-
ventris. « Sinneszellen, ß Blasige Zellen mit einem oder meh-
reren Kernen. F. Oc. I.
Fig. 6. Ein Stück des im Radialstrang von Cunina sol maris ver-
laufenden Nerven. Osm. Essigs. Präp. F. Oc. I.
Fig. 7. 9. 10. Querschnitte durch den Radialstrang von Cunina
lativentris. Fig. 7 in der Nähe der Tentakelbasis; Fig. 9 in
der Mitte an der schmälsten Stelle; Fig. 10 in der Nähe des
Schirmrands. Osm. Alk. Präp. D. Oc. I.
Fig. 8. Isolirte Sinneszellen mit 1 — 2 Ausläufern vom Ringnerv
der Cunina lativentris Osm. Essigs. Präp. F. Oc. I.
Fig. 11. Querschnitt durch den Radialstrang von Cunina sol maris
in der Mitte seines Verlaufs. Osm. Alk. Präp. D. Oc. I.
Fig. 12. Macerationspräparat des Ringkanalrudiments und des
Hörkölbchens von Cunina sol maris. Die den Ringkanal um-
gebende Membran hängt mittels eines Stranges mit der Mem-
bran zusammen, welche die zwei Axenzellen des Hörkölbchens
umschliesst; drei Zellen von der epithelialen Umhüllung des
letzteren sind erhalten. F. Oc. I.
Fig. 13. Oberer Nervenring isolirt mit anhaftenden Sinnesepithel-
zellen von Cunina lativentris. Osm. Essigs. Präp. F. Oc. I.
Fig. 14. Ein Stück des unteren Nervenrings von Cunina sol maris
isolirt; man sicht, wie die Epithelzellen die unterliegenden
Ganglienzellen einscheiden. Osm. Essigs. Präp. F. Oc. I.
Fig. 15. Isolirte Epithelzellen des unteren Nervenrings von Cunina
sol maris. Osm. Essigs. Präp. F. Oc. I.
Fig. 16. Isolirte Ganglienzellen von Cunina sol maris; a aus dem
Nervenring; ß aus dem Radialstrang. Osm. Essigs. Präp.
F. Oc. I.
Tafel III.
Tracliynemiden und Aeginiden.
Fig. 1 . Querschnitt durch den Schirmrand von Aglaura hemistoma.
Auf dem Schnitt ist das Hörkölbchen hk getroffen, das den
oberen Nervenring nr' durch seinen Stiel in eine obere und
untere Partie theilt. Osm. Alk. Präp. F. Oc. I.
Fig. 2. Querschnitt durch den Schirmrand von Rhopalonema vela-
tum. Auf dem Schnitt ist der Tastkamm k getroffen. Osm.
Alk. Präp. F. Oc. I.
Fig. 3. Querschnitt durch das Hörbläschen von Rhopalonema vela-
tum. Osm. Alk. Präp. F. Oc. I.
Fig. 4. Stück vom Nesselwulst von Rhopalonema velatum von der
183
Fläche betrachtet. Man sieht ein in Bildung begriffenes Hör-
kölbchen hk. Nach kurzer Behandlung mit verdünnter Osmium-
säure. F. Oc. I.
Fig. 5. Querschnitt durch den Schirmrand von Rhopalonema vela-
tum an der Ursprungsstelle eines Tentakels. Osm. Alk. Präp.
F. Oc. I.
Fig. 6. Ansicht vom Hörkölbchen von Aeginopsis mediterranea.
Nach kurzer Behandlung mit verdünnter Osmiumsäure. F. Oc. I.
Fig. 7. Isolirte Tastzellen vom Tastkamm von Rhopalonema vela-
latum, an einem Macerationspräparat (Osm. Essigs.) durch
Abpinseln freigelegt. F. Oc. I.
Fig. 8. Tastzellen vom Tastkamm von Rhopalonema velatum, zum
Theil freigelegt, zum Theil von einer Lage platter Epithel-
zellen bedeckt. Präparation wie in Fig. 7. F. Oc. I.
Fig. 9. Ansicht von einem unvollkommen geschlossenen Hörbläs-
chen von Rhopalonema velatum. Optischer Durchschnitt. Nach
kurzer Behandlung mit verdünnter Osmiumsäure. F. Oc. I.
Fig. 10. Ansicht der Anschwellung des Sinnesepithels, welche
mitten zwischen zwei Hörkölbchen liegt; Aeginopsis mediter-
ranea. Nach kurzer Behandlung mit verdünnter Osmiumsäure.
F. Oc. I.
Fig. 11. Querschnitt durch den Schirmrand von Aglaura hemistoma
an der Urspjungssfelle eines Tentakels. Osm. Alk. Präp. F.Oc. I.
Fig. 12. Ansicht von einem Hörbläschen von Rhopalonema vela-
tum, welches noch eine kleine Oeffnung an seiner freien Fläche
besitzt. Optischer Durchschnitt. Nach kurzer Behandlung mit
verdünnter Osmiumsäure. F. Oc. I.
Fig. 13. Ansicht vom Hörkölbchen eines noch wenig entwickelten
Rhopalonema velatum, nach kurzer Behandlung mit verdünnter
Osmiumsäure. F. Oc. I.
Fig. 14. Ansicht vom Hörkölbchen von Aglaura hemistoma, nach
kurzer Behandlung mit verdünnter Osmiumsäure. F. Oc. I.
Fig. 15. Schirmrand von Rhopalonema velatum mit einem Paar
von Tastkämmen (k). Flächenbild eines mit verdünnter Os-
miumsäure behandelten Präparates. F. Oc. I.
Fig. 16. Schirmrand von Aglaura hemistoma mit einem Paar von
Tastkämmen (k). Flächenbild eines mit verdünnter Osmium-
säure behandelten Präparates. F. Oc. I.
Fig. 17. Schirmrand von Rhopalonema velatum mit einem Ten-
takel und dem zugehörigen Paar von Tastkämmen (k). Vom
Tentakel ist nur die verdickte Basis und das keulenförmige Ende
mit dem Kranz von Tastborsten in der Figur dargestellt.
Flächenbild eines mit verdünnter Osmiumsäure behandelten
Präparates. F. Oc. I.
Fig. 18. Isolirter und zum Theil zerzupfter unterer Nervenring von
Rhopalonema velatum. Macerationspräparat. (Osm. Essigs.)
F. Oc. I.
19. Isolirter und zum Theil zerzupfter oberer Nervenring von
Rhopalonema velatum. Macerationspräparat. (Osm. Essigs.)
F. Oc. I.
Fig. 20. Isolirte Sinneszellen vom Sinnesepithel des oberen Nerven-
rings von Rhopalonema velatum. Macerationspräparat. (Osm.
Essigs.) F. Oc. I.
Tafel IY.
Greryoniden : Carmarina hastata Fig. 1 — 3, 5 — 14, und Glossocodon mucronatum Fig. 4.
Fig. 1. Hörbläschen von der Fläche gesehen. Nach Behandlung
mit verdünnter Osmiumsäure. F. Oc. I.
Fig. 2. Querschnitt durch den Schirmrand. Osm. Alk. Präp. D.
Oc. II.
Fig. 3. Hörbläschen bei seitlicher Ansicht. Nach Behandlung mit
verdünnter Osmiumsäure. F. Oc. I.
Fig. 4. Hörbläschen von Glossocodon mucronatum, von der An-
satzstelle des Hörkölbchens aus gesehen. Nach Behandlung
mit verdünnter Osmiumsäure. F. Oc. I.
Fig. 5. Querschnitt durch den Tentakelursprung von Carmarina
hastata. Osm. Alk. Präp. C. Oc. II.
Fig. 6. Isolirtes und zerzupftes Hörbläschen. Macerationspräparat.
(Osm. Essigs.) F. Oc. I.
Fig. 7. Isolirte Hörzellen vom Ilörkölbchen. Macerationspräparat.
(Osm. Essigs.) F. Oc. I.
Fig. 8. Tangentialschnitt durch den Schirmraud; der obere Theil |
des Hörbläschens und die Mantelspange (y) sind von dem
Schnitt getroffen. Osm. Alk. Präp. D. Oc. II.
Fig. 9. Querschnitt durch den Schirmrand ; das Hörbläschen und die
Mantelspange sind vom Schnitt getroffen. Osm.Alk.Präp. D.Oc.II.
Fig. 10. Querschnitt durch den oberen und unteren Nervenring
von einem mittelgrossen Thier. Osm. Alk. Präp. F. Oc. I.
Fig. 1 1 . Querschnitt durch den oberen und unteren Nervenring von
einem erwachsenen Thier. Oberer und unterer Nervenring sind
durch ein Nervenfädchen * verbunden. Osm. Alk. Präp. F. Oc. I.
Fig. 12. Isolirte Zellen aus dem Nesselzellenwulst. Macerations-
präparat. (Osm. Essigs.) F. Oc. II.
I Fig. 13. Zwei Ganglienzellen aus der Subumbrella. Osm. Essigs.
Präp. F. Oc. II.
Fig. 1 4 . Parallel verlaufende Nervenfibrillen mit zwei Ganglienzellen
aus der Subumbrella in der Nähe eines Centripetalkanals. Osm.
Essigs. Präp. F. Oc. II.
Tafel Y.
Geryoniden : Carmarina hastata. (Macerationspräparate. Fig. 1 — 12 in Osmium-Essigs., Fig. 8b in Essigs. F. Oc. II.)
Fig. 1. Radialvcrlaufendcr Nervenstrang aus der Subumbrella am
Rande des Genitalblattes.
Fig. 2. Oberer Nervenring mit seinem Sinnescpithel , in situ von
der oberen Fläche betrachtet. Auf der rechten Seite des Prä-
parates ist die Stützlamelle mit den Durchtrittsöffnungeu für
die Nervenbündelchen (*) durch Abpinseln blossgelegt worden.
Big. 3. Ein Stück Subumbrella mit zwei Ganglienzellen.
Fig. 4. Unterer Nervenring, in situ von der unteren Fläche be-
trachtet. Auf der linken Seite des Präparates ist der Nerven-
ring von einer dünnen Epithellage überzogen, rechts ist die
letztere durch Abpinsehl entfernt.
Fig. 5. Ein Stück Subumbrella mit einer Ganglienzelle. Das Epi-
thel über derselben ist durch Abpinseln entfernt.
Fig. 6. Der untere Nervenring isolirt und in seine einzelnen Be-
standteile: Nervenfibrillen, Nervenfasern, Ganglienzellen (g)
und Sinueszellen (a) zerlegt.
184
Fig 7. Unterer Nervenring, in situ von der oberen Fläche be-
trachtet, nachdem durch Abpinseln der Nesselwulst und der
obere Nervenring von der Stützlamclle entfernt sind.
Fig. S». Isolirte Sinneszellen aus dem oberen Nervenring.
Nr. 1. 2. 8. Beträchtlich grosse Sinneszellen.
Nr. 3. 4. 5. 6. Gewöhnliche kleine Sinneszellen.
Nr. 7. Grosse Ganglienzelle.
Fig. 8l>. Isolirte Nervenfibrillen aus dem oberen Nervenring.
Fig. 9. Isolirte Stützzellen aus dem Nesselzellenwulst und dem
Sinuesepithel des oberen Nervenrings.
Fig. 10. Isolirter und zerzupfter oberer Nerveuring.
Fig. 11. Isolirtes und zerzupftes Stückchen vom Sinnesepithel des
oberen Nervenrings mit einem Theil der unterliegenden Nerveu-
tibrillen.
Fig. 12. Isolirtes und zerzupftes Stückchen vom Sinuesepithel des
oberen Nervenrings.
Tafel VI.
Yesiculaten: Aequorea Forskalea.
Fig. 1. Querschnitt durch den Nervenring, in dessen unterer Por-
tion einige der starken Nervenfasern (*) zum Theil mit, zum
Theil ohne Kerne sichtbar sind. Osm. Alk. Priip. F. Oc. I.
Fig. 2. Querschnitt durch den Schirmraud. Osm. Alk Präp. C. Oc. II.
Fig. 3. Querschnitt durch eine Tentakel warzc. Osm. Alk. Präp.
C. Oc. II.
Fig. 4. Macerationspräparat (Osm. Essigs.) von einem Sinuesbläs-
chen. Das Epithel der oberen Seite ist entfernt, das Binuen-
epithel ist etwas zusammengcfallen, die Stützmembran dadurch
freigelegt. Letztere geht in die Stützlamelle des Veluin über.
Vom Binueuepithel strahleu Ganglienzellen und Nervenfasern
aus, welche die Verbindung mit dem unteren Nervenring ver-
mitteln. F. Oc. I.
Fig. 5. Querschnitt durch ein Siuuesbläschen. Mau sieht den Zell-
strang, der das Binnenepithel mit dem unteren Nervenring
verbindet. Die Hörzellen mit den Hörhaaren sind nach dem
nächstfolgenden Schnitt eingezeichnet. Im Epithel des unteren
Nervenrings eine Sinneszellc (a). Osm. Alk. Präp. F. Oc. I.
Fig. 0. Ganglienzellen aus dem unteren Nerveuring durch Macc-
ration in dünner Osmiumsäure isolirt. « bipolare, ß multi-
polare Zellen; y breite Fasern. F. Oc. II.
Fig. 7. Isolirte Epithelzcllcn , « yom unteren Nerveuring, ß von
der Subumbrellapapillc. Düuuc Osmiums. F. Oc. II.
Fig. h. Isolirte Sinneszelleu « vom unteren Nerveuring, ß von der
Subumbrellapapiile. Dünne Osmiums. F. Oc. II.
Fig. 9. Ganglienzellen der Subumbrella; das Epithelhäutchcn der
Subumbrclla von der unterliegenden Muskelzcllenschicht ab-
gezogen und von ihrer inneren Seite aus botrachtot. Fig. 9». Iso-
lirte Ganglienzellen. Dünne Osmiums. F. Oc. II.
Fig. 10. Mautelraud von Aequorea von der unteren Seite be-
trachtet. Das Velum, welches au der Linie SS entspringen
und den oberen Nervenring sammt dem Sinnesbläscheu ver-
decken würde, ist iu der Zeichnung weggelassen. Mau sieht
die vom Epithel bedeckte Muskellage der Subumbrella und iu
Folge der Maccration durch einen Spalt von ihr getrennt den
unteren Nervenring, der gleichfalls vom Epithel bedeckt ist.
Aus letzterem biegen Nervenfasern in die Subumbrella über.
Ferner sieht man den Zusammenhang des unteren Nervenrings
mit dem Binnenepithel des Ilörbläschens. Osm. Essigs. Präp.
D. Oc. II.
Fig. 1 1 . Der au die Subumbrella grenzende Theil des unteren Nerven-
rings bei stärkerer Vergrösserung; das ihn bedeckende Epithel
auf der linken Seite der Zeichnung weggelassen. F. Oc. I.
Fig. 12. Isolirte Sinneszelleu im Zusammenhang mit den unter-
liegenden Nervenfasern. Osm. Essigs. Präp. F. Oc. II.
Fig. 13. Theil eines Querschnitts durch den oberen Nervenring.
Zelle für Zelle genau copirt. Man sieht die Fortsätze der
Sinneszellcn , auf denen zum Theil noch die Haare erhalten
sind, in den Nerveuring eintreten. Osm. Alk. Präp. F. Oc. II.
Fig. 14. Oberer Nervenring mit dem angrenzenden Theil des Ve-
lum von der Fläche betrachtet. Rechts treten unter dem
Mosaik des Siunesepithels Büschel von Ganglienzellen und
Nervenfasern hervor. Osm. Essigs. Präp. F. Oc. H.
Fig. 15. Isolirte Sinneszellen vom oberen Nervenring, zum Theil
mit einem, zum Theil mit zwei Ausläufern. Osm. Essigs.
Präp. F. Oc. II.
Fig. lti. Isolirte Ilörzellen. « Ansicht von der Fläche, ß seitliche
Ansicht. Osm. Essigs. Präp. F. Oc. II.
Fig. 17. Isolirte Ganglienzellen des oberen Nervenrings. Osm.
Essigs. Präp. F. Oc. II.
Tafel VII.
Yesiculaten.
Fig. 1. Hörbläschen und Tentakelbasis von Obelia polystyla nach
Behandlung mit dünner Osmiumsäure. Concretion nach einem
frischen Präparat eingezeichnet. Imm. 2 Oc. I.
Fig. 2. Verschiedene Ansichten des Hörbläschens einer Obelia
nach Behandlung mit dünner Osmiumsäure; Concretion nach
einem frischen Präparat eingezeichnet, a Ansicht von oben
bei Einstellung auf das Ende der Hörzellen ; ß Ansicht von
oben bei Einstellung auf halbe Höhe; y Ansicht von oben bei
Einstellung auf die untere Wand der Concrementblase; S An- i
sicht von der Seite. 1mm. 2 Oc. I.
Fig. 3 und 4. Hörbläschen von Octorchis nach Behandlung mit '
dünner Osmiumsäure, bei hervorgezogenem Velum von oben |
betrachtet. Fig. 3. Optischer Durchschnitt; die Concretionen
nach einem frischen Präparat eingezcichuet. Fig. 4. Bei Ein-
stellung auf die proximale Wand des Bläschens, in der die
Hörzellen liegen. F. Oc. I.
Fig. 5. Hörbläschen von Phialidium mit zwei Concretionen nach
einem frischen Präparat. Imm. 2 Oc. II.
Fig. 6. Ganglienzellen aus einer Flächenansicht der Subumbrella.
von Phialidium. Osm. Alk. Präp. F. Oc. II.
Fig. 7. Querschnitt durch den Schirmrand von Phialidium. Osm.
Alk. Präp. Imm. 2 Oc. II.
Fig. 8. Querschnitt durch ein Hörbläschen von Phialidium. Osm.
Alk. Präp. Imm. 2 Oc. II.
185
Fig. 9. Anlage eines Tentakels von Obelia polystyla, nach Behand-
lung mit dünner Osmiumsäure. Man sieht den Zusammenhang
der Tentakelaxe mit den Zellen des Kingkanals. F. Oc. I.
Fig. 10. und 11. Hörgruben von Mitrocoma Annae nach Behand-
lung mit dünner Osmiumsäure. Fig. 10. bei Betrachtung von
oben bei hervorgezogenem Yelum. Auf der rechten Seite sieht
man das Mosaik der blasigen oberen Zellen, auf der linken
Seite bei tieferer Einstellung die Zellen der unteren Seite
1. die Concrementzellen , 2. die Hörzellen und 3. die indiffe-
renten Epithelzellen; unter den Concrementzellen entbehrt eine
(ol) des Otolithen. Fig. 11. Bei Betrachtung von unten bei
hervorgezogenem Yelum. Letzteres, welches die Zeichnung von
oben bedecken würde, so wie die distale Wand der Hörgrube
ist weggelassen, so dass man die Wölbung der Grube auf dem
optischen Durchschnitt und die proximale Wand der Grube
sieht. F. Oc. I. etwas verkleinert.
Fig. 12. Sinnesbläschen von Aequorea Forskalea, beider Betrach-
tung von oben nach Behandlung mit dünner Osmiumsäure. Zwei
Bläschen von einem gemeinsamen Epithel bedeckt. An dem
Präparate konnte man sehr deutlich sehen, dass die Hörzellen
sich über die Stelle hinaus, an der die Hörhaare entspringen,
in spatelförmige Fortsätze verlängern, die sich zwischen die
Stützlamelle und die Concrementzellen eiuschieben. Das Prä-
parat erhielten wir erst nach der schriftlichen Ausarbeitung der
Tafel
Ocellaten un<
Fig. 1. Ausgeschnittenes Stück vom Schirmrand von Aurelia aurita
von der Seite betrachtet. Man sieht den Sinneskörper mit den
Sinneslappen; * buckelförmige Verdickung der Deckplatte (5).
Fig. 2. Ausgeschnittenes Stück vom Schirmrand von Aurelia aurita
von der oberen Fläche betrachtet. Man sieht zwischen den
zwei Tentakellappen den Sinneskörper mit den Sinneslappen.
Fig. 3. Querschnitt durch die untere Wand des Sinneskörpers von
Aurelia aurita. Osm. Alk. Präp. F. Oc. I.
Fig. 4. Stück eines Querschnittes durch den concrementhalligen
oberen Theil und den Ocellus des Sinneskörpers von Aurelia
aurita. Osm. Alk. Präp. F. Oc. 1.
Fig. 5. Querschnitt durch ein Hörbläschen von Octorchis. Man
sieht von innen auf die Wand, in der zwei Concrementzellen
mit den zugehörigen Hörzellen liegen. An den Hörzellen sind
die spatelförmigen Fortsätze und deren Lage zum Ursprung
der Hörhaare gut zu erkennen. Osm. Alk. Präp. Imm. 2. Oc. II.
Fig. 6. Querschnitt durch den Schirmrand von Aurelia aurita an
dem Ursprung des Sinneskörpers, welcher der Länge nach ge-
troffen ist. Osm. Alk. Präp. A. Oc. I.
Fig. 7. Querschnitt durch den Schirmrand von Oceania conica an
der Ursprungsstelle eines Tentakels. Auf dem Schnitt ist der
Ocellus (Oc) getroffen. Osm. Alk. Präp. D. Oc. I.
Fig. 8. Isolationspräparat vom Ocellus von Oceania conica; hach
Behandlung mit 0,2°,’o Essigs. F. Oc. II.
Fig. 9. Isolationspräparate vom Ocellus von Lizzia Koellikeri; nach
Behandlung mit 0,2 °/o Essigs. F. Oc. II.
Beschreibung (S. 89) ; die daselbst vermuthungsweise geäusserte
Ansicht vom Bau der Hörzellen hat sich somit bestätigt. F. Oc. I.
Fig. 13. Querschnitt durch das Hörbläschen von Octorchis. Osm.
Alk. Präp. F. Oc. I.
Fig. 14. Querschnitt durch die Hörgrube von Mitrocoma. Osm.
Alk. Präp. D. Oc. I.
Fig. 15. Hörbläschen von Phialidium nach Behandlung mit dünner
Osmiumsäure von oben gesehen. F. Oc. II.
Fig. 16. und 17. Hörbläschen von Eucheilota behandelt und ge-
zeichnet wie die von Octorchis (Fig. 3. und 4.) F. Oc. I.
Fig. IS. Theile des Nervenrings von Mitrocoma Annae; a. aus
dem oberen, ß. aus dem unteren Nervenring. F. Oc. II.
Fig. 19. Theil einer Hörgrube von Mitrocoma Annae von oben
gesehen bei Einstellung auf das Ende der Hörzellen, nach Be-
handlung mit dünner Osmiumsäure, mit eingezeichneten Con-
cretionen. F. Oc. I.
Fig. 20. a. Die mit den Hörzellen abschliessende Sinneszellen-
schicht, welche die proximale Seite der Hörgrube bedeckt, im
Zusammenhang durch Zerzupfen abgelöst, ß. Isolirte Hörzellen.
Osm. Essigs. Präp. F. Oc. II.
Fig. 21. Ganglienzellen aus der Subumbrella von Octorchis aus
einem Flächenbild der Subumbrella. Osm. Alk. Präp. F. Oc. II.
Fig. 22. Concrementzelle von Aequorea Forskalea. F. Oc. I.
VIII.
Acraspeden.
Fig. 10. Ocellus von Lizzia Koellikeri von der Seite gesehen; nach
Behandlung mit verdünnter Osm. F. Oc. II.
Fig. 11. Querschnitt durch den Schirmrand von Lizzia Koellikeri.
Osm. Präp. D. Oc. I.
Fig. 12». Isolirte Ganglienzelle von der Tentakelbasis von Lizzia
Koellikeri (0,2 °/o) Essigs. Präp. F. Oc. II.
Fig. 12i>. Isolirte Ganglienzelle aus der Subumbrella von Lizzia
Koellikeri. Macerationspräparat. Osm. Essigs. F. Oc. II.
Fig. 12c. Isolirte Nervenfibrillen mit Ganglienzellen aus dem obe-
ren Nervenring von Lizzia Koellikeri. Macerationspräparat.
(Osm. Essigs.) F. Oc. II.
Fig. 13. Isolirter und zerzupfter oberer Nervenring mit Sinnes-
epithel von Lizzia Koellikeri. Macerationspräparat (Osm. Essigs.)
F. Oc. II.
Fig. 14. Ein Stückchen Subumbrella mit zwei Ganglienzellen aus
der Gegend des Radialkanals; die quergestreifte Ringmuskel-
schicht ist zum Theil von der Epithelschicht durch Zerzupfen
entfernt. Macerationspräparat. (Osm. Essigs.) F. Oc. H.
Fig. 15. Ein Tentakelbüschel von Lizzia Koellikeri von der unte-
ren Fläche betrachtet. Die Tentakeln sind dicht oberhalb des
Ocellus (Oc) abgeschnitten. Nach Behandlung mit verdünnter
Osmiumsäure.
Fig. 16. Ringmuskelschicht der Subumbrella von Lizzia Koellikeri.
Macerationspräparat. (Osm. Essigs.) F. Oc. II.
Fig. 17. Isolirte Muskelzellen von der Tentakelbasis von Lizzia
Koellikeri; nach Behandlung mit 0,2 °/o Essigs. F. Oc. II.
Tafel IX.
Acraspeden.
Fig. 1. Sinneskörper einer Ephyra von Pelagia. Osm. F. Oc. I.
Fig. 2. Längsschnitt durch den Sinneskörper von Nausithoe albida.
Osm. F. Oc. I.
Fig. 3. Randlappen einer Ephyra von Pelagia. C. Oc. II.
Hertwig, Medusen.
Fig. 4. Sinnesbucht mit Sinneskörper einer Pelagia noctiluca.
A. Oc. I.
Fig. 5. Sinneskörper von Nausithoe albida von der ventralen Fläche
betrachtet. Osm. F. Oc. I.
24
186
Fig, 6. Längsschnitt durch den Sinneskörper von Pelagia. A. Oc. 1.
Fig. 7. Isolationspräparat vom Sinnesepithel des Randkörpers der
Pelagia. Osm. Essigs. F. Oc. II.
Fig. 8. Isolirte Sinneszellen aus dem Epithel der Sinneskörper
von Pelagia. Osm. Essigs. F. Oc. II.
Fig. 9. Sinneskörper von Charybdea marsupialis (nach Gegenbaue)
bei stärkerer Vergrösserung.
Fig. 10. und 11. Isolirte Sinneszellen vom Sinneskörper der Nau-
sithoe albida. Essigsäurepräparat. F. Oc. II.
Fig. 12. Sinnesepithel vom Sinneskörper der Pelagia. Macerations-
präparat. Osm. Essigs. F. Oc. II.
Fig. 13. Isolirte Zellen aus dem Ocellus von Nausithoe. Mace-
rationspräparat. Osm. Essigs. F. Oc. II.
Fig. 14. Sinneskörper von Charybdea marsupialis (nach Gegen-
bauk) bei schwacher Vergrösserung.
Fig. 15. Situspräparat vom Sinneskörper der Phacellophora camt-
schatica bei schwacher Vergrösserung.
Tafel X.
Schematische Flächenbilder vom Schirmrand der untersuchten Medusen bei Betrachtung von oben. Das Yelum
ist überall nach aussen geschlagen. Der jeder Figurenerklärung beigefügte Bruch bezeichnet die Grösse des vom
Schirmrand dargestellten Theils.
Fig.
1.
Rhopalonema velatum. (‘/O
Fig.
11.
Octorchis Gegenbauri. (l/a)
Fig.
2.
Aglaura hemistoma. (lji)
Fig.
12.
Oceania conicä. (74)
Fig.
3.
Carmarina hastata. (>/«)
Fig.
13.
Eucheilota. (‘/s)
Fig.
4.
Cunina lativentris. (‘/i 2)
Fig.
14.
Aurelia aurita nach L. Agassiz.
(7<)
Fig.
5.
Aeginopsis mediterranea. ('/*)
Fig.
15.
Ephyra von Pelagia noctiluca.
Fig.
6.
Cunina sol maris. (‘/ta)
Fig.
16.
Phacellophora camtschatica. (70
Fig.
7.
Obelia polystyla. 0/4)
Fig.
17.
Nausithoe albida. ( 74 )
Fig.
8.
Mitrocoma Annae. (7«)
Fig.
18.
Pelagia noctiluca. (74)
Fig.
9.
Aequorea Forskalea. (l/so)
Fig.
19.
Aurelia aurita auf einem älteren
Ephyrastadium nach
Fig.
10.
Phialidium viridicans. (70
L.
Agassiz. (74)
Die Bezeichnungen der Linsen beziehen sich auf ZEiss’sche Systeme.
Druck Ton J. B. Hirsch feld in Leipzig.
Tat .1.
Verldg von F. C.W. Vogel in Leipzig.
Intli Änst.v. S- AFunk , Leipzig.
Fi«. 1
EC.V'Vogclm
Taf. IV.
Kgl.
IW.
1*1.
V.-rhfr, : Fl'!' V„grl
Taf.Y
Vertag von P. C. Vf. Vogel in Loip&ig. M.A». t v.K.A Jm.l'e , h.-\?
Taf. VIL
He. I.
Kg. 10.
Fig;15.
\6rh* V.111 r.fi.w.YnM
Taf VH.
Verlag von T. (’.WTogol :
Taf.IX.
Uthjtast.vI’.A.}